Zum Hauptinhalt springen

Freundliche Materialien, effiziente Prozesse.

In: Automobil-Produktion, 2018-10-11, Heft 10, S. 46-49
Online serialPeriodical

Freundliche Materialien, effiziente Prozesse 

Das Interior künftiger Fahrzeuge wird neben neuen Funktionen vor allem Raum für hochwertiges Designund neue Materialien bieten. Einblicke in die Welt der Oberflächen und neue Bearbeitungsprozesse im Vorfeld des Future Interior Summit 2018.

W enn es ums Fahrzeug-Interior geht, steht neben den Funktionen und der Bedienung gerade das Material im Mittelpunkt. Dies weiß man besonders beim Entwicklungs- und Engineering-Unternehmen imat-uve. Die Experten aus Mönchengladbach verstehen unter Material nicht nur den Werkstoff, aus dem die Bauteile für den automobilen Innenraum hergestellt werden. Material vermittle „Emotionen und Werte, löse Erinnerungen und Erlebnisse aus", hört man von den Experten. „Optik, Haptik, Sound, Geruch – alles das nehmen unsere Sinne bewusst oder unbewusst auf und erzeugen Abneigung oder Wohlempfinden", heißt es. imat-uve unterstützt seine Kunden an den Schnittstellen zwischen Design, Engineering und Produktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Wie das Finden der besten Materialien aussieht, wird Hans Peter Schlegelmilch, Geschäftsführer von imat-uve, auf dem Future Interior Summit im November schildern. I n seinem Vortrag „Die Zukunft braucht die besten Materialien" bietet er Einblick in das, was man beim Entwicklungsexperten unter „The Brain of Materials" versteht, ein digitales Management von Material-, Bauteil- und Oberflächendaten, kurz MBO.

Individuellen Marken-Charakter prägen

Mit einer Art Datenbank können die Material-Kenner die Entwicklung von Design- und Funktionskonzepten von der ersten Idee bis zur Serienfreigabe unterstützen. So viel sei im Vorfeld des Kongresses bereits verraten: Dem Kunden will man die umfassendste Sammlung an MBO-spezifischen Daten anbieten. Für die Sammlung werden neben klassischen Materialeigenschaften, Prüfergebnissen und einer Nachhaltigkeits-Validierung auch Prinzipien der human-sensorischen MBO-Bewertung (User Experience, UX) als eine weitere Dimension der multidimensionalen Evaluation herangezogen. „Die Verbindung zwischen Bibliothek und technischen Leistungsdaten der Materialien ist eines unserer Alleinstellungsmerkmale", sagt Schlegelmilch. „Wir helfen damit unseren Kunden, den individuellen Charakter ihrer Marke zu prägen."

Neue Stimmungen mit Licht und Glas

Zu den immer populärer werdenden Materialien zählt Glas. Mit dem transparenten Dauerbrenner, wie man ihn gerade aus der Consumer Elektronic kennt, assoziiert man neben einer unverwechselbaren Oberfläche auch besondere Lichteffekte. Themen, die man bei Schott spielt. Hatte ein Premium-Fahrzeug 2010 noch weniger als 50 LED für die Innenbeleuchtung an Bord, sollen es 2021 etwa 300 sein, weiß Stephan Schabacker, Director Sales Automotive bei Schott Lighting and Imaging. Licht wird im Interior zunehmend wichtiger. Daneben werden Hightech-Gläser und Glasfasern in reduziert gestalteten Cockpits und Innenräumen der Zukunft Wohlfühloasen erschaffen, ist man sich bei Schott sicher. Treiber für diese Entwicklungen seien neben den bekannten Trends autonomes Fahren, Elektrifizierung und Vernetzung ein allgemein höherer Komfortbedarf im Auto-Innenraum, sagt Schabacker, der gemeinsam mit Fredrik Prince, Globaler Produktmanager Thin Glass & Wafer bei der Schott AG, auf dem Future Interior Summit referieren wird.

Glas als anorganischer, nicht alternder Stoff, eignet sich sehr gut für die Auskleidung zukunftsweisender Fahrzeug-Innenräume. Das Unternehmen Schott bringt ultradünnes Glas in Dicken unter 250 Mikrometer ins Automobil. In dieser Stärke ist es zugleich leicht und sehr widerstandsfähig. Konvexe und konkave Geometrien sind ebenso möglich wie geschwungene, zweidimensionale Formen. Mit dem MultiLight, das Kontur- und Spotbeleuchtungen kombiniert, zeigt man überdies, wie sich mehrere Funktionalitäten mit nur einer Lichtquelle umsetzen lassen. Die Technologie aus der zivilen Luftfahrt könnte auch in die kostensensible Autoindustrie Einzug halten. Dafür hat man bei Schott eine modifizierte Prototypen-Anlage für mehrarmige Lichtleiter entwickelt. Die Konfektionierung mehrarmiger Lichtleiter hat einen höheren manuellen Arbeitsanteil, den Schott jedoch minimieren konnte. „Im Prinzip eine Weiterentwicklung der SideLight-Konfektionierung mit ihrer Klebe-Technologie", erläutert Schabacker. Mit faseroptischen Lichtleitern sei man typischerweise in Baureihen mit bis zu 100.000 Fahrzeugen im Jahr unterwegs. Gut möglich aber, dass die Systeme auch hinunter in die Kompaktklasse mit höheren Stückzahlen Einzug halten, prognostiziert Schabacker. Denn die Innenbeleuchtung gewinne stetig an Bedeutung. Die genannten Megatrends werden seiner Ansicht nach in höhere Anforderungen an die Innenbeleuchtung münden, „uns stehen also sehr interessante Zeiten bevor".

Die Dritte Dimension der Herstellung

Immer neue Materialien sollen sich auch rasch und kosteneffizient herstellen lassen. Bei der Verarbeitung von Kunststoffen und Metallen stehen der Automobilbranche dank des 3D-Drucks oder Additive Manufacturing (AM) in der Tat interessante Zeiten bevor. Lange fand die Technologie vor allem zum Bau von Anschauungs- und Funktionsprototypen Einsatz, wo sie die Produktentwicklung für Unternehmen erheblich beschleunigte. „Heute hat die additive Fertigung einen Reifegrad erreicht, der es Kunden ermöglicht, Komponenten und Endteile in Serie herzustellen", sagt Fabian Krauß, Business Development Manager beim Technologieanbieter für industriellen 3D-Druck von Metallen und Kunststoffen, EOS.

Viel Inspiration für die Produktion mit 3D-Verfahren kommt aus dem Luftfahrt-Sektor. Auf dem Future Interior Summit wird daher Sven Utikal von Diehl Aviation den spannenden Weg der additiven Fertigung vom Prototypenbau zur Serienfertigung beschreiben. Aus Sicht des Technologieanbeiters EOS wird Fabian Krauß die Möglichkeiten von AM für das Automotive Interior beleuchten und kann dazu auf zwei topaktuelle Beispiele für Serienproduktionen bei MINI und der französischen PSA-Edelmarke DS verweisen. MINI bietet unter anderem individuell e Dekorleisten für das Armaturenbrett und Blenden für die Blinker an, die Kunden über einen Onlineshop nach individuellen Bedürfnissen konfigurieren können. Gefertigt werden die Teile auf dem 3-Druck-System EOS P 396 aus dem Polymerwerkstoff PA 1101. Im zweiten Serien-Projekt geht es gar um Titan für das Fahrzeug-Interior: Die Technologie-Experten aus Krailling bei München setzen bei der Edition Dark Side von DS Automobiles für die Gestaltung der Zierleisten und des Autoschlüssels den Werkstoff EOS Titanium Ti64 ein. So entstehen „kleine Kunstwerke mit raffiniertem Design und dreidimensionaler Struktur", so Krauß. „Für die insgesamt 2.000 Bauteile – pro Fahrzeug drei – waren etwa zehn Produktionsläufe nötig. Alles in allem nahm das Projekt von der Validierung des Designs durch DS bis hin zur Auslieferung der Bauteile nur wenige Wochen in Anspruch." n

Text: Götz Fuchslocher

(01) Kontur-Lichtleiter für eine gleichmäßige Abstrahlung im Interior. (02) Stephan Schabacker zeigt Licht-Neuentwicklungen von Schott.

Phasenübergang im forschungsprojekt Optemus

Neues Kompositmaterial lässt Armaturenbrett „kühlen Kopf" bewahren

Wie trotz konstanter Sonneneinstrahlung die Oberflächentemperatur am Armaturenbrett eines E-Fahrzeugs deutlich gesenkt werden kann, haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF im Rahmen des EU-Forschungsprojektes „Optemus" erprobt. Im Zentrum des Engagements steht ein neu entwickeltes Kompositmaterial. Die Darmstädter Forscher experimentierten dazu an unterschiedlichen Trägermaterialien und integrierten verschiedene Füllstoffe wie Bornitrid und Graphit. Ergebnis ist ein Material, das einen Phasenübergang durchlaufen kann, ein so genanntes Phase Changing Material (PCM), mit einem Trägermaterial aus Polyethylen und dem Füllstoff Graphit. Der PCM-Anteil zeigt sich dabei als guter Energiespeicher, während der Graphitanteil eine hohe thermische Leitfähigkeit aufweist. Zur Demonstration baute man das so genannte Smart Cover Panel in das Armaturenbrett eines E-Fahrzeugs, um anschließend einen Kreisprozess von Aufheiz- und Kühlphase zu erzeugen. Im Vergleich mit sonst in Armaturenbrettern üblichem Polypropylen-Talkum-Compound ermittelten die Experten bei einer Strahlungsleistung von 1.200 Watt pro Quadratmeter und nach einer Versuchsdauer von 1.000 Sekunden eine Temperaturdifferenz auf der Oberfläche der Probekörper von rund 41°C – eine Reduktion um etwa 46 Prozent.

Top-Referenten, Top-Themen

Das Programm ist komplett, das Interesse am Future Interior Summit, den AUTOMOBIL PRODUKTION im November erstmals durchführt, enorm. Nach 16 erfolgreichen Fachkonferenzen und einem stark wachsenden Interesse am Branchentreffen für das automobile Interior hat sich AUTOMOBIL PRODUKTION als Veranstalter entschlossen, einen Gang höher zu schalten und das Format zum Kongress aufzuwerten. In der Legendenhalle der Motorworld in Böblingen werden die wichtigsten Persönlichkeiten der Branche an zwei Tagen zu allen Belangen des Interiors wie dem Design, den Materialien, der HMI, den Märkten bis hin zu Fertigungsprozessen sprechen und ausstellen. Im Rahmen des Kongresses steht zudem ein Besuch bei Bertrandt auf dem Programm, der nicht alltägliche Einblicke in die Arbeit eines Engineering-Dienstleisters gewähren wird. Durch beide Tage wird Arno Jambor, Geschäftsführer Jambor Car Innovations, als Moderator führen. Die Programm-Macher Frank Volk und Götz Fuchslocher sind erfreut: „Die enorme Nachfrage bestätigt uns darin, das Thema Automobil-Innenraum mit dem Future Interior Summit auf ein neues, höheres Level zu heben." Alle Infos zum kommenden Top-Kongress in Sachen Interior unter www.future-interior- summit.de

pilotanlage für aluminiumbauteile gestartet

NextGenAM-Projekt zur Entwicklung additiver Serienfertigung

EOS, Premium Aerotec und Daimler haben sich im Projekt NextGenAM zusammengeschlossen. Ziel ist die Entwicklung eines Gesamtsystems zur Herstellung von Bauteilen aus Aluminium. Ende August wurde die erste Pilotanlage bei Premium Aerotec im norddeutschen Varel in Betrieb genommen. Seit dem Projektstart im Mai 2017 hat das NextGenAM-Projektteam den gesamten AM-Prozess auf Automatisierungspotenziale hin geprüft. Wie Future Interior Summit-Referent Fabian Krauß von EOS betont, hat das Projekt besondere Strahlkraft: „Ziel ist die Entwicklung eines Gesamtsystems zur Herstellung von Bauteilen aus Aluminium für die Luft- und Raumfahrt sowie den Automobilbereich. Damit richtet sich das Projekt nicht unmittelbar an Interior-Anwendungen, aber es wird der Grundstein gelegt für eine künftige Realisierung größerer Stückzahlen im automobilen Serienproduktionsprozess." In den kommenden Monaten wird die Pilotprozesskette im Technologiezentrum in Varel nun weiter getestet und Teile der Anlage auditiert. Außerdem werden Produktionsdaten gesammelt und ausgewertet, um genaue Daten zu Prozesszeiten, zur Wirtschaftlichkeit und zur Kostenoptimierung zu erheben.

(03) Additiv gefertigte Zierleiste am oberen Teil des Türgriffrahmens für den DS 3 Dark Side. (04) Auch bei gleichzei-tiger AM-Fertigung von 200 Bauteilen keine Qualitätseinbußen.

Graph: „Kleine Kunstwerke" mit 3D-Druck erschaffen: Fabian Krauß, Business Development Manager Automotive bei EOS.

Graph: Arbeitet mit einer Sammlung MBO-spezifischer Daten: Hans Peter Schlegelmilch, Geschäftsführer imat-uve Group.

Graph: Bilder: Schott

Graph: Bild: Schott

Graph: Bild: EOS/Spartacus 3D

Graph: Bild: Spartacus 3D

Graph: Bild: EOS

Graph: Bild: imat-uve

Graph: Bild: Fiat

Graph: Phase Changing Material (PCM) kann im Armaturenbrett die Wärme aus der Sonneneinstrahlung ableiten.

Graph: Bild: EOS

Graph: Teil der Pilotanlage im Rahmen des NextGenAM-Projekts: Ein Roboter entnimmt die additiv gefertigten Bauteile, die sich noch auf der Bauplattform befinden.

Graph: Cecilia Sunnevang, Vice President Research bei Autoliv.

Graph: Dr. Andreas Dyla, Leiter Produktmanagement Karosserie, Innenraum und Fahrdynamik, BMW.

Graph: Markus Kussmaul, Vice President Product Unit Adjustment Systems Interior, Brose.

Graph: Dr. Frank Rabe, Leiter Business Unit Instrumentation & Driver HMI bei Continental.

Graph: Uwe Class, Leiter Integrated Vehicle Safety bei ZF.

Graph: Hightech-Gläser und Glasfasern, Touchscreens und edles Material für neue Autos.

Titel:
Freundliche Materialien, effiziente Prozesse.
Zeitschrift: Automobil-Produktion, 2018-10-11, Heft 10, S. 46-49
Veröffentlichung: 2018
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0934-0394 (print)
Schlagwort:
  • AUTOMOTIVE engineering
  • AUTOMOBILE industry
  • AUTOMOBILE parts
  • PRODUCTION (Economic theory)
  • MACHINING
  • CONFERENCES & conventions
  • Subjects: AUTOMOTIVE engineering AUTOMOBILE industry AUTOMOBILE parts PRODUCTION (Economic theory) MACHINING CONFERENCES & conventions
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Friendly materials, efficient processes.
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Full Text Word Count: 1610

Klicken Sie ein Format an und speichern Sie dann die Daten oder geben Sie eine Empfänger-Adresse ein und lassen Sie sich per Email zusenden.

oder
oder

Wählen Sie das für Sie passende Zitationsformat und kopieren Sie es dann in die Zwischenablage, lassen es sich per Mail zusenden oder speichern es als PDF-Datei.

oder
oder

Bitte prüfen Sie, ob die Zitation formal korrekt ist, bevor Sie sie in einer Arbeit verwenden. Benutzen Sie gegebenenfalls den "Exportieren"-Dialog, wenn Sie ein Literaturverwaltungsprogramm verwenden und die Zitat-Angaben selbst formatieren wollen.

xs 0 - 576
sm 576 - 768
md 768 - 992
lg 992 - 1200
xl 1200 - 1366
xxl 1366 -