Der Trend geht zur Zweitfestschrift - eine solche stellt auch der hier zu besprechende Band dar, der aus Anlass des 80. Geburtstags von Eike Wolgast erschienen ist. Das breite Themenspektrum des Geehrten lässt es zu, nach dem Erscheinen der ersten Festschrift zum 65. Geburtstag, welche die Universitätsgeschichte behandelte, nun eine zweite mit anderem thematischem Zuschnitt vorzulegen, die ebenfalls an sein Werk anschließt. 28 biographische Aufsätze fragen nach der Rolle von Fürsten und Fürstinnen bei der Einführung der Reformation - als Befürworter, Durchsetzer, Gegner, Getriebene, Lavierende und Indifferente. Geographischer Schwerpunkt des Bandes ist das Reich, doch werden auch die großen europäischen Monarchien behandelt.
Der Band möchte laut der von beiden Herausgebern verfassten Einleitung (S. 7-12) mittels der Darstellung individueller Fürstenpersönlichkeiten die abstrakte Frage konkretisieren, welche Muster und Strukturen der Implementation der Reformation zugrunde liegen. Der Einleitung folgt eine nur von Susan Richter verfasste Einführung' (S. 13-27), in der diese eine "Forschungsschablone" entwirft. Sie geht von der Grundthese aus, dass Fürsten den göttlichen Auftrag zur Gestaltung der Zukunft in politischer und religiöser Hinsicht hatten. Mit der Verbreitung der reformatorischen Ideen standen sie somit vor der Herausforderung, den geforderten konfessionellen Wandel mittels eines "change management" selbst in die Hand zu nehmen. Die Herausgeberin orientiert sich an einem Dreiphasenmodell von Kurt Lewin zur systematischen Beschreibung sozialer und kultureller Wandlungsprozesse.
Diesem Anspruch verweigern sich die Autoren des Bandes allerdings weitgehend. Die wenigsten von ihnen folgen diesem Konzept oder verwenden seine Begrifflichkeiten. Die drei von Lewin herausgearbeiteten Phasen (,unfreezing' - ,moving' - freezing') werden explizit nur von Urte Weber in ihrem Beitrag zu Ernst von Braunschweig-Lüneburg (S. 100-113) aufgegriffen. Die Ursache dieser Verweigerung mag an der unglücklichen Begriffswahl des Fürsten als ,Managers' liegen. Passender wäre diese Bezeichnung für die Rolle einzelner, oft aus Wittenberg entsandter Reformatoren oder für Amtsträger im Dienst des Fürsten. Zudem haben einige der im Band behandelten Fürsten den Glaubenswechsel weder aktiv noch planvoll vorangetrieben. Das gilt für Luthers Landesherrn Friedrich den Weisen (Beate Kusche, S. 28-45), den indifferenten Moritz von Sachsen (Christian Winter, S. 230-249) und Friedrich II. von der Pfalz. Ob dieser überhaupt religiöse Überzeugungen besaß, stellt Regina Baar-Cantori in Zweifel (S. 316-335). Katholische Renaissancefürsten wie Jakob V. von Schottland (Sebastian M eurer, S. 450-463) und Franz I. von Frankreich (Sven Externbrink, S. 464^77) waren ebenfalls keine energischen Gestalter religiösen Wandels.
Trotz dieser Diskrepanz zwischen Konzeption und Inhalt des Bandes legt man ihn keineswegs unbefriedigt beiseite. Denn die parallele Lektüre von biographischen Aufsätzen zu Reformationsfürsten und -fürstinnen ermöglicht erhellende Vergleiche. Das betrifft beispielsweise die Handlungsmöglichkeiten von Fürstengattinnen in der Reformation. In ihrer weiblichen Rolle als Hüterinnen des religiösen Gewissens der Dynastie brachten sie mitunter ihrem Gemahl die Lehre Luthers nahe, womit die dann erfolgende Reformation eigentlich auf sie zurückzuführen war. Der Rekurs auf das Gewissen konnte aber auch zum entschlossenen Festhalten am katholischen Bekenntnis führen, mit der Folge erheblicher innerdynastischer Spannungen. Als Vormünder für ihre minderjährigen Söhne führten Fürstinnen mitunter selbst die Reformation in einem Territorium ein, wie die Ausführungen von Saskia Schmidt zu Elisabeth von Braunschweig-Calenberg (S. 200-213), von Jens Kl in g #gh er zu Elisabeth von Sachsen (S. 250-263) und von Thomas M a i s s e #gh zu Jeanne d'Albret und Heinrich IV. von Navarra (S. 372-388) zeigen.
Hingegen standen die meisten Fürsten im Spannungsfeld ihrer Rollen und den damit verbundenen Handlungserwartungen. Dynastische, politische und lehnsrechtliche Erwägungen mussten sie mit ihren konfessionellen Überzeugungen abgleichen. Berief sich ein Fürst auf sein Gewissen als handlungsleitende Kategorie, so war dies nicht zuletzt ein Versuch, aus dieser Konkurrenz von Rollenerwartungen auszubrechen. Die von einigen Autoren gestellte Frage, wie religiös der jeweils beschriebene Fürst nun eigentlich gewesen sei, geht daher in den meisten Fällen ins Leere, da sie sich an modernen Erwartungen an authentisches Handeln orientiert, die nicht der Normenwelt eines frühneuzeitlichen Fürsten entsprachen.
Deutlich wird weiterhin, wie problematisch Erbfolgefragen für die Stabilität des Bekenntnisses in einem Territorium waren. Auch die Bedeutung des personellen Umfelds des Fürsten, etwa von Amtsträgern und Vertrauenspersonen, wird immer wieder betont, weshalb es bedauerlich ist, dass kein Personenverzeichnis erstellt worden ist. Alles in allem liegt ein Band vor, dessen Lektüre im Reformationsjahr durchaus empfohlen werden kann. Nicht die vorgegebene "Forschungsschablone", die sich als Prokrustesbett erweist, verbindet die verschiedenen Aufsätze, sondern der von den meisten Autoren gut umgesetzte Ansatz, Kurzbiographien fürstlicher Personen mit besonderem Blick auf ihr Wirken in der Reformation zu schreiben.
By Hillard von Thiessen, Rostock