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mit Fotografien von Volker Lannert: Rheinische Wunde rkammer.

Mallon, Marcel
In: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 82 (2018-10-01), S. 307-308
Online review

mit Fotografien von Volker Lannert: Rheinische Wunde rkammer  KLAUS HERKENRATH, THOMAS BECKER (Hg.) mit Fotografien von Volker Lannert: Rheinische Wunderkammer. 200 Objekte aus 200 Jahren Universität Bonn 1818-2018, Göttingen: Wallstein 2017,438 S. ISBN: 978-3-8353-3139-6.

"Jubiläen sind eine universitäre Erfindung" (S. 410), leitet Thomas Becker seinen Beitrag zum Universitätsjubiläum 2018 ein. Ganz in diesem Sinne erscheint zur 200-Jahr-Feier der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn eine Chronik der Universität, die anhand von 200 Objekten deren wechselvolle Geschichte darstellen soll. Die Objekte wurden aus den Sammlungen und zwölf Museen der Universität ausgewählt, die seit deren Gründung zusammengetragen und angelegt worden sind, und jeweils einem Jahr zugeordnet, zu dem sie einen Bezug haben, etwa weil sie in diesem Jahr entdeckt worden sind oder der Universität als Geschenk überlassen wurden. Die jeweilige Zuordnung der Ausstellungsstücke erscheint passend, auch wenn andere Optionen (z.B. S. 34 oder S. 198) möglich gewesen wären. Nur in wenigen Fällen erfolgt keine Zuordnung (z.B. S. 94 oder S. 340). Neben einigen Büchern, Zeitschriften und Archivalien werden vor allem Museumsstücke herangezogen. Aufgrund der Provenienz und Auswahl der Objekte steht somit keinesfalls allein die Geschichte der Universität im Vordergrund, sondern mindestens ebenso prominent eine der Sammlungen bzw. Museen und ihrer Bestände. Der Schwerpunkt liegt dezidiert auf archäologischen und naturwissenschaftlichen Exponaten.

In ihrem Vorwort (S. 6f.) begründen die Herausgeber, warum sich die ausgewählten Objekte besonders eignen, um an ihnen eine Geschichte der Sammlungen aufzuzeigen. Sie bleiben "mit ihrer Informationsfülle bestehen und bilden weiter das Faktengerüst, auf dem der wissenschaftliche Er-kenntnisprozess beruht" (S. 6). Im darauffolgenden Hauptteil (S. 9-411) wird jedem Objekt eine Doppelseite gewidmet. Auf der linken Seite findet sich jeweils ein kurzer Text, in dem das entsprechende Objekt vorgestellt und erläutert wird. Im rechten unteren Teil der linken Seite werden Informationen zum vorgestellten Gegenstand, wie Größe, Alter, Fundort, Inventarnummer usw., angegeben. Auf der rechten Seite ist ein Foto des vorgestellten Gegenstandes abgebildet. In manchen Fällen wird ein zweites, kleineres Bild, welches eine andere Perspektive oder eine Detailaufnahme zeigt, in den Text auf der linken Seite integriert. An den Hauptteil schließt sich eine kurze Übersicht über die Sammlungen und Museen an, aus denen Objekte für den Band entnommen worden sind (S. 412-427). Dabei wird die Vielfältigkeit der 200-jährigen Sammlungstätigkeit der Universität und ihrer Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler deutlich. Ohne das im Text geschilderte Engagement der Mäzeninnen und Mäzene hätten viele Teile der Sammlungen ihren Weg nicht an die Universität Bonn gefunden. Abgeschlossen wird der Band mit einem Verzeichnis der Autorinnen und Autoren (S. 428^131) sowie einem chronologischen Verzeichnis der Beiträge (S. 432-438).

Die Vielfalt und Fülle der Objekte spiegelt den Beständereichtum der Sammlungen und Museen der Universität Bonn wider. Eingerahmt werden die Objekte durch die Beiträge zur Gründungsurkunde aus dem Jahr 1818 und zum Jubiläumsjahr 2018. Exemplarisch genannt seien Tiere wie der Wiedehopf (S. 84f.), aus der Geologie ein sogenanntes Tigerauge (S. 390f.), das Kunstwerk ,Honig-pumpe' von Josef Beuys (S. 320f.), medizinische Geräte wie die zahnärztliche Euphorian-Einheit (S. 286f.), Moulagen, die z.B. eine Hautreizung nach 4711-Gebrauch aufzeigen (S. 230f.), die Titanwurz mit ihren riesigen Blüten (S. 254f.), Fossilien wie ein Fischsaurier mit Hauterhaltung (S. 226f.) oder die Maccaroni-Box als Prototyp einer der ersten Schnellrechenmaschinen. Darüber hinaus wurden unter anderem Exponate aus der Archäologie, der Astronomie und der Volkskunde ausgewählt.

Die Texte sind durchgehend informativ und fundiert geschrieben. Da vielfach die Leiterinnen und Leiter bzw. die Kuratorinnen und Kuratoren der Sammlungen und Museen als Autorinnen und Autoren gewonnen werden konnten, überzeugen sie durch Detailreichtum und Aktualität des Forschungsstandes. Aufgrund der guten Lesbarkeit und des hohen Informationsgehalts der Artikel ist es bedauerlich, dass der zur Verfügung stehende Raum häufig nicht ausgenutzt worden ist und die Texte daher kürzer sind, als es der Platz zuließe. Neben der Beschreibung der einzelnen Objekte wird auch immer wieder Bezug auf die Sammlungs-, Entstehungs-oder Erwerbungsgeschichte genommen. Darüber hinaus werden die nötigen Fachbegriffe kurz und verständlich erläutert (z.B. S. 58). Leider ist es versäumt worden, die einzelnen Texte stärker aufeinander abzustimmen. So wiederholen sich Formulierungen in Texten derselben Autoren (z.B. S. 14 und S. 16), Informationen zu Personen und Sammlungen werden zum Teil mehrfach aufgeführt, z.B. zur Bienenforschung (S. 320 und S. 362). Der gesparte Platz hätte vielleicht eher einer eingehenderen Beschreibung der Ausstellungsstücke oder Informationen zur Entstehungsgeschichte einer Sammlung dienen können. Da die Sammlungen untereinander vielfach durch Objekttausch, Umorganisierungen und räumliche bzw. thematische Nähe verknüpft sind, wäre eine Gesamtübersicht der Sammlungen in Form einer Monographie oder eines Sammelbandes eine reizvolle Idee. Ähnliche Objekte, wie die sechs vorgestellten astronomischen Geräte, sind leider nicht miteinander verknüpft worden. Auch wurde keine weiterführende Literatur zu den einzelnen Exponaten bzw. der Thematik angegeben, was teilweise darauf zurückzuführen ist, dass die Gegenstände noch nicht systematisiert und erforscht sind. Dem Interesse, welches der Band durchgehend zu wecken versteht, kann so jedoch nicht unmittelbar nachgegangen werden. Schwerer als diese, eher als Marginalien anzusehenden Kritikpunkte, wiegt die Tatsache, dass aus der Objektbeschreibung nicht immer hervorgeht, an welchem Ort und in welcher Sammlung sich das jeweilige Objekt befindet. Dies betrifft bereits das erste und wichtigste, weil konstituierende Objekt, die Gründungsurkunde. Der Leser kann nur rätseln, ob sie sich im Universitätsarchiv befindet, im Universitätsmuseum ausgestellt ist oder im Laufe von zwei Jahrhunderten an einen ganz anderen Ort gelangt ist.

Als Highlight dürfen die fast durchgehend hervorragenden Fotografien gelten. Auf dem Hochglanzpapier kommen sie bestens zur Geltung. Die Objekte sind dabei immer liebevoll und mit dem Blick für die Details arrangiert (so S. 25 oder S. 73). Durch die abwechslungsreichen Hintergründe und die individuelle Anordnung der Exponate wirken selbst ähnliche Exponate wie ein Solitär. Um sie besser in Szene setzen zu können, haben die Fotografen bisweilen mit Fotomontagen gearbeitet. Dies ist oft sehr gut gelungen und gibt den Fotografien einen Mehrwert, wenn etwa in einigen Fällen die Objekte an ihrem ursprünglichen Aufbewahrungsort (S. 207) oder an ihrem Fundort (S. 395) gezeigt werden. In ganz wenigen Fällen sind diese Montagen jedoch nicht geglückt. So ist der Text der Ehrentafel für gefallene Studenten (S. 117) durch die Montage nicht vollständig lesbar. Einige Knochenfunde (S. 77) kommen in einer weiteren Montage vor dem gewählten Hintergrund nicht gut zur Geltung.

Aufgrund des guten Lektorats sind die Beiträge sehr gut lesbar; einzig die oben genannte fehlende Abstimmung der einzelnen Artikel ist zu monieren. Einige wenige fehlende Satz-oder Leerzeichen, ein falsches Geburtsjahr oder die Tatsache, dass die wissenschaftlichen Namen auf S. 362, im Gegensatz zum Rest des Bandes, nicht kursiv gesetzt sind, können einen hervorragenden Gesamteindruck nicht schmälern. Das Papier und der Einband sind sehr hochwertig, was dem Werk jedoch auch ein erhebliches Gewicht verleiht. Die Chronik zeigt die Geschichte der Sammlungen und der Museen und damit indirekt der Universität Bonn auf, ist zugleich aber eine Leistungsschau der Bonner Wissenschaft. Sie schildert eindrucksvoll die wissenschaftlichen Leistungen Bonner Forscherinnen und Forscher der letzten zwei Säkula.

By Marcel Mallon, Düsseldorf

Titel:
mit Fotografien von Volker Lannert: Rheinische Wunde rkammer.
Autor/in / Beteiligte Person: Mallon, Marcel
Link:
Zeitschrift: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 82 (2018-10-01), S. 307-308
Veröffentlichung: 2018
Medientyp: review
ISSN: 0035-4473 (print)
Schlagwort:
  • MIT Fotografien von Volker Lannert: Rheinische Wunderkammer: 200 Objekte aus 200 Jahren Universitat Bonn 1818-2018 (Book)
  • BECKER, Thomas
  • HERKENRATH, Klaus
  • UNIVERSITAT Bonn
  • NONFICTION
  • Subjects: MIT Fotografien von Volker Lannert: Rheinische Wunderkammer: 200 Objekte aus 200 Jahren Universitat Bonn 1818-2018 (Book) BECKER, Thomas HERKENRATH, Klaus UNIVERSITAT Bonn NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review

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