Das Ruhrgebiet als beachtenswerte Burgenlandschaft rückte spätestens mit der Ausstellung, AufRuhr 1225! Ritter, Burgen und Intrigen' in Herne 2010 in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Zwischen Krefeld und Kamen, Schermbeck und Schwelm kartierte Stefan Leenen damals immerhin mehr als 400 bekannte Burgen, Schlösser und Adelssitze, und bis heute mögen noch einige hinzugekommen sein. Standen seinerzeit eher die Burgen um Dortmund sowie die Isenburg im Mittelpunkt des Interesses, die die Täter des Überfalls auf den Kölner Erzbischof errichtet hatten, so werden in dem vorliegenden Bändchen die Burgen der Stadt Essen vorgestellt. Einen so dramatischen Aufhänger wie 2010 sucht man hier vergebens, obwohl immerhin die neue Isenburg darin aufgeführt wird, die um 1240 durch Dietrich von Isenberg als Ersatz für den zerstörten Familiensitz errichtet wurde. Von den zahlreichen Burgen des Stadtgebietes, von denen 30 vorgestellt werden, gehört diese Ruine zu den burgenkundlichen Höhepunkten der Region. Etliche Beispiele sind dagegen heute ganz vom Erdboden verschwunden oder verbaut, wie das Haus Berge (heute ein Krankenhaus), das Haus Fuhr oder das Haus Kastell, das unter einer großen Straßenkreuzung verborgen liegt. Doch auch zu diesen Beispielen gibt es forschungsgeschichtlich einiges zu erzählen, wie die Funde großer Geschosskugeln oder die Freilegung von Bauresten im Untergrund. Zudem lassen sich aus historischen Karten viele Informationen über das einstige Aussehen der Burgen und Schlösser gewinnen. In dem reich bebilderten Band werden diese Quellen jeweils präsentiert und mit Beschreibungen erläutert, so dass man auch bei wenig erhaltener Substanz einen plastischen Eindruck der historischen Anlage bekommt.
Einige Burgen präsentieren sich immer noch sehr imposant, wie die gut gepflegte, großartige Ruine von Burg Altendorf, während andere als Privatbesitz nicht öffentlich zugänglich sind, wie Haus Horst oder die ,Motte' Netteishof. Hier liefert das Buch Informationen darüber, welch historisches Bauwerk sich hinter dem Zaun verbirgt. Schloss Borbeck und Haus Hugenpoet verdienen mit ihren turmflankierten Schaufassaden unbedingt touristische Aufmerksamkeit, während die Altenburg, die Vryburg oder die Motte Vittinghoff als reine Erdanlagen eher die Herzen der Fachleute höher schlagen lassen. Sie zeugen von der historischen Frühzeit der Region, in der vor allem das Stift Essen eine wichtige Rolle spielte: Etliche Burgen sind auf Stiftsbesitz errichtet worden, und in der Stiftsburg selbst existierte ein Wohnturm, der den bedeutenden Donjons von Soest und Xanten gleichrangig zur Seite zu stellen ist. Es hat sich zwar obertägig nichts erhalten, aber seine Fundamente sind durch Grabungen nachgewiesen und gehören wohl in das 10. Jahrhundert. Allerdings ist die Entwicklung der Stiftsburg durch die teilweise Vernichtung der alten Grabungsunterlagen nur bedingt nachvollziehbar. Auf jeden Fall lassen die Anlagen die Bedeutung des Gebietes im Früh-und Hochmittelalter erahnen.
Jede Burg wird von einem der beiden Autorinnen bzw. der Autoren auf durchschnittlich vier Seiten vorgestellt, die reich bebildert und mit Lagebeschreibungen versehen sind. Auch über die aktuelle Zugänglichkeit informiert der Text. Luftbilder erleichtern das Auffinden der Örtlichkeit im Gelände. Im Schlussteil findet sich zu jeder Anlage wichtige Literatur für diejenigen, die über die Basisinformationen hinaus etwas zur Geschichte der Anlagen in Erfahrung bringen möchten. Eine Einleitung klärt knapp über die Geschichte der Burgen in der Region auf. Leider werden die Burgen darin nicht in einen historischen Kontext eingebunden, sondern eher allgemein behandelt. Wer sich über den landesgeschichtlichen Hintergrund informieren will, sollte beispielsweise den Ausstellungskatalog von 2010 zur Hand nehmen.
By Thomas Küntzel, Göttingen