Die .Kleine Stadtgeschichte' gehört zu den Projekten, die im Zuge des 2017 begangenen 775-jährigen Jubiläums der Stadterhebung von Wesel realisiert wurden (S. 8). Sowohl der Umstand, dass die Vorgänger dieses Büchleins im freien Handel vergriffen sind, als auch die laufenden Vorbereitungen auf einen Band zu Wesel im Rheinischen Städteatlas (S. 9) zählt der Autor Martin Wilhelm Roelen, Leiter des Stadtarchivs Wesel, zu den Gründen für die Herausgabe dieses, sich an ein breites Publikum wendenden Buches. Ebenso sollen jüngere Forschungsergebnisse und ungedruckte Quellen dem aktuellen Stand des wissenschaftlichen Diskurses Rechnung tragen. Mit dem Verweis auf Anlässe und Funktion des Buches verzichtet der Autor auf einen Anmerkungsapparat. Die Struktur ist mit Absicht an den Rheinischen Städteatlas angelehnt (S. 9), es wird also nicht chronologisch erzählt, sondern geht von Topographie und Siedlungsgeschichte über Politik und Verwaltung hin zu Kirchen-und Kulturgeschichte, wobei im letzten Kapitel noch einige besondere Ereignisse genauer geschildert werden.
Mit Blick auf diese Struktur lassen sich drei Merkmale herausstellen, die das Wesen der Stadtgeschichte charakterisieren und entsprechend eine umfangreichere Abhandlung erfahren. Hervorstechend ist Wesels Bedeutung als preußische Garnisonsstadt ab dem 17. Jahrhundert (S. 72f.), die Ursache für den bis Ende des Zweiten Weltkriegs verbreiteten Ruf der,Festung Wesel'. Zweitens hat die Lage am Rhein die Stadt wirtschaftlich bis ins 19. Jahrhundert geprägt, da sie dem Rheinhandel als Umschlagplatz für Waren nach Westfalen (S. 41) diente, was sich erst mit der Etablierung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert grundlegend änderte. Zuletzt erlebte die Stadt während des Achtzigjährigen Krieges eine Vielzahl religiöser Spannungen. Bis zur Eroberung durch die Niederländer 1629 war Wesel der "wichtigste spanische Stützpunkt im Rheinland" (S. 200). Dank der umfangreichen Rekatholisierungsmaßnahmen des spanischen Königs in der Stadt, die zugleich zum Zufluchtsort für geflohene Calvinisten wurde, wurde die Eroberung zunächst als Befreiung empfunden und Wesel Teil der umfangreichen wirtschaftlichen Struktur der neuen Republik. Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde der Tag der niederländischen Eroberung als Feiertag begangen (S. 203).
Neben diesen dank des Umfangs ihrer Behandlung als übergeordnet zu bezeichnenden Themen bietet das Buch eine Menge Detailinformationen, speziell was die Entwicklung der städtischen Infrastruktur, Gebäude sowie religiöse und wirtschaftliche Zusammenhänge betrifft. Der Pfarrkirche St. Willibrord ist als herausragendes sakrales Bauwerk der Stadt ein umfangreicheres Kapitel gewidmet (S. 120f.). Darüber hinaus behält das Buch seinen Charakter als Städteatlas bzw. Nachschlagwerk durchgehend. Man muss es tatsächlich im Geiste seiner Zweckgebundenheit betrachten, denn eigentlich macht der fehlende wissenschaftliche Apparat, wobei eine umfangreiche Literaturliste angehängt ist, es für die wissenschaftlichen Nutzer schwer handhabbar, für den interessierten Leser ist die Struktur des Rheinischen Städteatlas nur in Teilen erbaulich. Doch bedenkt man, dass umfänglichere Werke lediglich aus den späten 50er[
By Christian Krumm, Essen