Carl Alexander Krethlow, Bagdad 1915/17. Weltkrieg in der Wüste. 2018 Ferdinand Schöningh Paderborn, 978-3-506-78385-1, € 29,95
Bei den Darstellungen über die Geschichte des Ersten Weltkriegs steht meist das europäische Geschehen im Vordergrund, und der Krieg des Osmanischen Reichs wird von deutscher Seite eher vernachlässigt. Carl Alexander Krethlow beschreibt in seiner Arbeit einen der Kriegsschauplätze, die Abwehrkämpfe im Osten des Reichs im Irak, die von einigen deutschen Einheiten unterstützt wurden, gegen die britische Invasion. Der Autor unterteilt das Geschehen in vier Phasen: 1. die Zeit von der Landung britischer Truppen am 4. November 1914, einen Tag vor der Kriegserklärung, über die Eroberung Basras und die Besetzung Kut al-Amaras bis zur Schlacht bei Salamn Pak/Ktesiphon, bei der der Vormarsch der Invasionstruppen auf Bagdad gestoppt wurde und die der erste größere osmanische Erfolg war; 2. die Phase bis zur Rückeroberung von Kuts durch die osmanischen Truppen am 29. April 1916; 3. die Phase bis zur Besetzung Bagdads durch britische Truppen am 11. März 1917; 4. die Phase bis zum Ende des Kriegs.
Zwar waren die militärischen Auseinandersetzungen meist ein Bewegungs-, aber in wichtigen Phasen auch ein Stellungskrieg, der sich nach Auffassung des Autors kaum von dem an der Westfront unterschied, vor allem nachdem mit Colmar Freiherr von der Goltz das Wissen um die Kämpfe in Europa mit Artillerieeinsatz, geschützten Verteidigungslinien und Grabenkämpfen Einzug an der Irakfront hielt. Allerdings scheinen Gaswaffen – zumindest erwähnt Krethlow keine – nicht eingesetzt worden zu sein. Überlegungen dazu kamen von Kriegsminister Winston Churchill im August 1920, als sich im Irak ein großer Aufstand gegen die britische Besatzungsmacht und ihre harte Politik entwickelte und Gas gegen die „aufsässigen Eingeborenen" eingesetzt werden sollte.
Der britische Sieg im Irak war in erster Linie auf die materielle Überlegenheit der Invasoren bei der Artillerie zurückzuführen, vor allem in der ersten, dritten und vierten Phase. Zudem überraschte das hohe Tempo der britischen Truppen die osmanischen Verbände, deren Führung es nicht gelang, ihre Streitkräfte zu konzentrieren, was allerdings von einzelnen Befehlshabern auch nicht angestrebt wurde. Als die Ressourcen beider Parteien ausgeglichen waren, konnten auch die Osmanen entscheidende Siege verbuchen. Zudem vernachlässigte Enver Pascha ab der dritten Phase den Irak und zog dort Truppen ab, um sie in Persien einzusetzen, da er selber an Eroberungen dachte. Beiden Kontrahenten ging es um das Erdöl in dieser Region: den Osmanen und auch den Deutschen um das in Persien und den Briten um das im Irak. Offiziell begründete die britische Regierung ihr Eingreifen im Irak mit der Notwendigkeit, den Seeweg nach Indien zu sichern, tatsächlich ging es ihr um das Öl.
Krethlow beschreibt primär die militärischen Operationen, die Politik wird nur am Rande erwähnt, vor allem berücksichtigt er nicht die Ambitionen, die das Deutsche Reich neben der reinen Unterstützung des Verbündeten mit seinem Einsatz verband. Die fünf Übersichtskarten bieten wegen ihres kleinen Maßstabs kaum eine Hilfe, zumal viele der erwähnten Orte nicht aufgeführt werden.
By Franz-Josef Kos
Reported by Author