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Andrew Stewart, The First Victory. The Second World War and the East Africa Campaign. London, Yale University Press 2016.

Scholz, Hans-Jürgen
In: Historische Zeitschrift, Jg. 308 (2019-06-01), Heft 3, S. 849-851
Online review

Andrew Stewart, The First Victory. The Second World War and the East Africa Campaign. London, Yale University Press 2016 

Andrew Stewart, The First Victory. The Second World War and the East Africa Campaign. 2016 Yale University Press London, 978-0-300-20855-9, $ 38,–

Der Krieg in Ostafrika, ein fast vergessenes Kapitel des Zweiten Weltkriegs, wurde für die Achsenmächte eine Geschichte der verpassten Chancen und für die Gegenseite ein erster Erfolg nach schweren Niederlagen. Noch unter dem Eindruck des Kampfgeschehens erschienen für den militärischen Teil von beiden Seiten die offiziellen Darstellungen (The Abyssinian Campaign: The Official Story of the Conquest of Italian East Africa. London, HMSO 1942; La Guerra in Africa Orientale: Giugno 1940 – Novembre 1941. Rom: Ministero della difesa 1952, 2. Aufl. 1970). Eine jüngere, alle Lebensbereiche umfassende Darstellung fehlt bis heute. Dieser Wunsch wird auch von Andrew Stewart, Dozent am Defence Studies Department des King's College London und Co-Direktor der King's Second World War Research Group, nicht erfüllt. Wie der Titel bereits andeutet, steht der militärische Verlauf aus britischer Sicht im Mittelpunkt. Trotzdem bietet das Werk einen willkommenen Einstieg, der den Weg zu weiteren Fragen eröffnet. Italien hatte am 10. Juni 1940, vier Tage vor dem deutschen Einmarsch in Paris, den Westmächten den Krieg erklärt. Noch blieb Großbritannien im Feld, doch rechnete man in Rom offensichtlich mit einem baldigen Friedensschluss und territorialen Gewinnen. Auf einen großen Krieg war die italienische Armee keineswegs vorbereitet, dennoch wurde im September von Libyen ein Angriff auf Ägypten und im Oktober der Krieg gegen Griechenland begonnen. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit erfolgten Rückschläge an beiden Fronten, die nur mit Hilfe des deutschen Bundesgenossen stabilisiert werden konnten. Umso mehr überrascht, dass diese Offensiven aus dem italienischen Ostafrika nicht unterstützt wurden. Immerhin stand dort eine Armee von 300 000 Mann, von denen allerdings nur ein Drittel aus dem Mutterland stammte, 63 leichte Panzer, 200 Jagd- und Bombenflugzeuge und sogar eine kleine Flotte, 7 Zerstörer, 7 Torpedoboote und 8 U-Boote (S. 14 f.). Abgesehen von kleinen Aktionen an den Grenzen zum Sudan und Kenia und der Eroberung Britisch-Somalilands entschied man sich in Übereinstimmung mit Rom zu einer abwartenden, defensiven Haltung. Vier Jahre nach der Eroberung Äthiopiens war die innere Situation dort keineswegs konsolidiert, und die Schließung des Suezkanals verhinderte die Ergänzung der Reserven an Munition, Treibstoff und Ersatzteilen. Vor allem war die rechtzeitige Entwicklung einer umfassenden Strategie versäumt worden. „Mussolini had no military strategy, only a political one" (S. 46). So blieb den Briten reichlich Zeit zur Vorbereitung einer eigenen Offensive. Die Verstärkungen kamen vor allem aus dem Empire: Westafrikaner, Nord- und Südrhodesier, Südafrikaner und Inder. Ihr Angriff erfolgte im Frühjahr 1941 in zwei zunächst voneinander getrennten Feldzügen. Die im Sudan versammelten Truppen drangen durch das nördliche Äthiopien mit dem Ziel Eritrea vor. Die südliche Armee marschierte von Kenia anfangs entlang der Küste, mit der Aufgabe, die somalischen Häfen auszuschalten. Am 14. Februar wurde Kismayu besetzt, am 25. Mogadischu. Der Weitermarsch ging über Harare nach Addis Abeba, das am 6. April fast kampflos übergeben wurde. Während der Vormarsch der Südarmee nur auf geringen Widerstand stieß, wurde die Nordarmee bei Keren vom 3. Februar bis 27. März in zähe Stellungskämpfe verwickelt. Danach lag Eritrea offen. Asmara fiel am 1. April, Massaua sieben Tage später. Die italienische Hauptmacht mit dem Vizekönig, dem Herzog von Aosta, kapitulierte am 20. Mai bei Amba Alagi, die letzten Streitkräfte jedoch erst am 28. November bei Gondar.

Wie gern hätte man neben der sorgfältigen Darstellung des Kriegsgeschehens auch Näheres über die Auswirkung der Kämpfe auf die einheimische Bevölkerung, die Kultur und Wirtschaft der drei ostafrikanischen Gebiete Italiens gelesen. Auch der diplomatische Bereich wäre einer Beachtung wert gewesen. Am 11. Februar 1941 trafen die ersten Einheiten des deutschen Afrikakorps in Tripolis ein, und die Stäbe der verbündeten Armeen dürften auch Ostafrika und die Möglichkeit einer Zangenbewegung in ihre Überlegungen einbezogen haben. Die Beschränkung auf den tatsächlichen Verlauf aus dem britischen Blickwinkel lässt viele Fragen offen. Mit Recht verzeichnet Stewart das Abwarten des Feindes in ausgebauten Stellungen, ohne Störung des gegnerischen Aufmarsches, als einen der Hauptfehler der italienischen Führung (S. 172). Noch erklärungsbedürftiger wäre allerdings die häufige Räumung oder Kapitulation solcher Stellungen schon bei der Annäherung des Gegners gewesen. Dass es auch anders gehen konnte, zeigen die Kämpfe bei Keren und Gondar. War es immer wieder mangelnder Kampfgeist, oder gab es unüberwindliche strukturelle Probleme? Gern hätte man mehr über die 200 000 Mann der Kolonialtruppe erfahren. Die Geringschätzung, mit der solche Einheiten oft betrachtet werden, ist keineswegs selbstverständlich. Die Geschichte der Askaris 1914/18 in der deutschen Schutztruppe oder der britischen King's African Rifles beweisen das Gegenteil. Dort handelte es sich jedoch um kleinere, gut ausgebildete und bewaffnete Einheiten. Ein Zustand, der bei der italienischen Hilfstruppe keineswegs bestand und manche Entscheidungen ihrer Führung erklären könnte. Auch im Hinblick auf die spätere Entwicklung der Region wäre dieses Thema von Bedeutung gewesen.

Es ist das Verdienst dieses Buches, ein fast vergessenes Thema wieder ins Bewusstsein zu holen. Die Studie bildet eine wertvolle, aber einseitige Anregung, der hoffentlich weitere Untersuchungen folgen werden.

By Hans-Jürgen Scholz

Reported by Author

Titel:
Andrew Stewart, The First Victory. The Second World War and the East Africa Campaign. London, Yale University Press 2016.
Autor/in / Beteiligte Person: Scholz, Hans-Jürgen
Link:
Zeitschrift: Historische Zeitschrift, Jg. 308 (2019-06-01), Heft 3, S. 849-851
Veröffentlichung: 2019
Medientyp: review
ISSN: 0018-2613 (print)
DOI: 10.1515/hzhz-2019-1250
Schlagwort:
  • FIRST Victory: The Second World War & the East Africa Campaign, The (Book)
  • STEWART, Andrew
  • WORLD War II
  • 20TH century African history
  • NONFICTION
  • Subjects: FIRST Victory: The Second World War & the East Africa Campaign, The (Book) STEWART, Andrew WORLD War II 20TH century African history NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Marburg an der Lahn, Germany.
  • Full Text Word Count: 837

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