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Burgkapellen. Formen - Funktionen - Fragen.

Küntzel, Thomas
In: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 83 (2019), S. 274-278
Online review

Burgkapellen. Formen - Funktionen - Fragen  GUSTAV PFEIFER, KURT ANDERMANN (Hg.): Burgkapellen. Formen -- Funktionen -- Fragen. Akten der Internationalen Tagung Brixen, Bischöfliche Hofburg und Cusanus- Akademie, 2. bis 5. September 2015 (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 42), Innsbruck, Bozen : Universitätsverlag Wagner 2018, 376 S" 20 Färb- und 36 S/W-Abb. ISBN: 978-3-7030-0977-8.

Lange Zeit waren Burgkapellen vorrangig ein Thema von Kunsthistorikern oder Archäologen bzw. archäologisch arbeitenden Historikern, die also vor allem die Bauwerke im Blick hatten. Auf der nun publizierten Tagung standen kirchen-, kultur- und rechtshistorische Aspekte im Vordergrund. Der Tagungsort rückte dabei den Alpenraum mit seinen Anrainern in den Blickpunkt: Tirol und das restliche Österreich, Norditalien und Süddeutschland. Allerdings werden auch norddeutsche und dänische, burgundische und englische Beispiele vorgestellt.

Zwei einleitende Vorträge von Kurt Andermann (S. 9-30) und Enno B ii n z (S. 31-54) führen in das Thema ein, ausgehend von definitorischen Überlegungen, mit Erörterungen zu Größen und Bauformen von Burgkapellen, wobei schon eine Fülle an Beispielen vorgebracht wird, bis hin zur Wittenberger Schlosskirche, in der durch den Thesenanschlag Luthers sogar Weltgeschichte geschrieben wurde. Kurt Andermann beschäftigt sich mit der Frage der in den Kapellen verehrten Heiligen, deren Wahl oft mit der individuellen Geschichte der Burg und ihrer Bewohner verbunden war, wie der heilige Eucharius in der Churburg und Guttenberg am Neckar. Man sollte sich also vor schematisierenden Deutungen hüten, zumal sich selten die Reliquienherkunft klären lässt. Enno Bünz spannt einen Bogen von den Ordensburgen der Kreuzfahrerzeit bis zu den Bauern-Kirchenburgen des Spätmittelalters, die in das weite Themenfeld ,Burg und Kirche' gehören. Der moralische Konflikt, der durch die Verquickung von politischer Macht und Kirchenamt entstehen kann, war schon im Mittelalter grundsätzlich bekannt. Oft ersetzte daher ein Kloster eine Wehranlage, wenn die fürstlichen Herren der Brutalität weltlicher Konflikte eine Oase himmlischen Friedens entgegenstellen wollten. Burgkapellen wurden meist dem zuständigen Pfarrer und dem Bischof unterstellt; eigene Pfarrrechte oder gar eine Exemtion blieben die Ausnahme. Weiheakte gewähren einen Überblick über die Vielzahl der verehrten Heiligen. Für die Bistümer Passau und Konstanz ist für das 14. bzw. 15. bis 17. Jahrhundert überliefert, wer die Kollaturrechte besaß, also die Befugnis, den Kapellan vorzuschlagen bzw. einzusetzen. Erstaunlich häufig sind zudem Lizenzen für die Verwendung von Tragaltären, etwa während Baumaßnahmen. -- Die kulturellen Kontexte, vor denen die Patrozinienwahl erfolgen konnte, erläutert Leo And er gassen am Beispiel von Tiroler Burgkapellen (S. 55-116). Bischöfe bevorzugten anscheinend ihre Amtskollegen, wie den heiligen Blasius und den heiligen Ulrich. Ihre Ministerialen orientierten sich bei ihren Bauvorhaben am jeweiligen Münster oder auch den bischöflichen Privatkapellen, wie die Herren von Anras, Dienstleute der Brixner Bischöfe. Das Bildprogramm der Kapelle auf Burg Rodenegg verweist durch die Gegenüberstellung des heiligen Nikolaus und des heiligen Martin auf das episkopale Doppelpatrozinium in der Ostkrypta des Brixner Domes. Vigilius und Rupert zeigen eine Verbindung nach Trient und Salzburg an. Schwieriger wird die Suche nach den,Verantwortlichen' für die weiter verbreitete Verehrung des Pankratius auf Schloss Tirol oder des Apostels Bartholomäus, wobei der Autor zunehmend der Verführung erliegt, seinen Zettelkasten unter einem griffigen Abschnittstitel auszuschütten, denn als ,Reichspatrozinien' sind diese Heiligen nur bedingt zu klassifizieren. Die Heilig-Kreuz-Verehrung und das Katharinen-Patrozinium sind oft auf eine Pilgerfahrt ins Heilige Land zurückzuführen, während bei ,rom-affinen' Patronen, wie Petrus und Paulus, der konkrete Bezug zu Rom zu klären wäre: Demonstrieren sie ein Bekenntnis zum Reformpapsttum oder gehen sie lediglich auf eine Wallfahrt zurück? Es wird in diesem Kontext nicht einmal die Verkehrsbezogenheit der Burgen erörtert, die potentiell an den Haupt-Pilgerrouten nach Italien liegen dürften. Maria erweist sich erstaunlicherweise im Tiroler Raum bei Burgkapellen als nicht übermäßig populär, wogegen dem Ritterheiligen Georg eine größere Verehrung zuteilwurde. Im späten Mittelalter werden Heiligengruppen wie die Vierzehn Nothelfer beliebt; überdies entwickelte sich ein Kult um die Mutter Marias, Anna, mit dem sich schwerpunktmäßig der folgende Beitrag beschäftigt. Noch im 16. bis 18. Jahrhundert wurden neue Burg- und Schlosskapellen geweiht, vor allem im Zuge der Gegenreformation. Die Patrozinien zeigen dementsprechend entweder einen ausgeprägten Rombezug oder gehören in das Umfeld der franziskanischen Reformbewegung. -- In einem stark kunsthistorischen Artikel führt Lukas Madersbacher die künstlerischen Höhepunkte des Spätmittelalters und der Renaissance aus der Region am Beispiel von Memoriabildern vor (S. 117-134). Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Selbstdarstellungen der Burgherren in Burgkapellen erstaunlich selten sind, da diese Bilder auf Außenwirkung ausgerichtet waren und die Burgkapellen eher in eine private Sphäre gehörten. Umso auffälliger sind die Tafelbilder, die im Zusammenhang mit dem Annen-kult um 1500 entstanden. Sie zeigen die Heilige Familie, wobei aber die Personen sehr luxuriöse Kleidung tragen, und beispielsweise Kaiser Maximilian als einer der Ehemänner Annas oder als Joseph dargestellt wird. Uber porträthafte Bezüge anderer Figuren zu den Angehörigen des kaiserlichen Hofes oder Mitgliedern der Stifterfamilie lässt sich nur spekulieren. Mit der Szenerie wollten sich die Auftraggeber wohl sowohl in die Heilsgeschichte wie in das politische Zentrum ihrer Zeit hineinversetzt fühlen -- was in teilweise deutlichem Kontrast zu ihrer zeitgenössischen Lebenssituation steht. Auf dem Diptychon des Johannes Cuspinian richten sich zudem Tugendverse an seine Söhne und ihre künftigen Nachkommen. Offenbar wurden diese Darstellungen auch zum Ziel von Kritik, so dass für den Annenberger Altar ein Wechselbild geschaffen wurde, das dem traditionellen ,Anna-SeIbdritt'-Schema entsprach. -- Intensiv in die Quellenkunde steigt Gustav Pfeifer in seinem Beitrag zu ,Ablässen und Kapellen' in Tiroler Burgkapellen ein, wobei er sich auf den Ritteradel beschränkt (S. 135-168). Obwohl es nur wenige Seelgerätstiftungen an Burgkapellen gibt (was mit dem fehlenden Begräbnisrecht zusammenhängt), haben sich einige Messstiftungen erhalten, etwa für die Margarethenkapelle der Burg Jaufenberg (1400, im Anhang ediert) oder die Anstellung eines Kaplans auf Burg Lebenberg (1394). Für die Einbußen, die der zuständige Pfarrer durch neu errichtete Kapellen erlitt, musste er einen Ausgleich erhalten, wie 1330 bei Burg Burgstall und 1357 bei Burg Fragsberg. Die Kapelle in Schloss Pröls hingegen war zeremoniell durch Prozessionen und Messen, die dort pflichtgemäß von allen Einwohnern bzw. zumindest einem Vertreter besucht werden mussten, fest in das Gemeindeleben der Pfarre Völs eingebunden. Die Kapläne wechselten allerdings vielerorts häufig und gehörten in der Regel zum ,Priesterproletariat', weshalb Bestimmungen über ihren dem Amt angemessenen Lebenswandel erlassen wurden. Bisweilen vergaben Kapläne allerdings auch Lehnsbesitz, von dem sie Einkünfte bezogen. Ablässe, die in Burgkapellen erteilt wurden, zeigen, dass einem weiterern Personenkreis Zugang zu den Kapellen gestattet war, falls die Kapelle nicht ohnehin vor den Burgmauern stand, wie bei Burg Reifenstein (St. Bartholomäus und Zeno) oder Burg Greifenstein (St. Jakob). Letztere war sogar das Ziel von Wallfahrten und besaß einen Friedhof. -- Armin T o g g 1 e r nähert sich dem Thema Burgkapellen aus archäologischer' Sicht, nämlich mit der Frage nach der Sachkultur innerhalb der Kapellen, die dann jedoch vorrangig mit literarischen Zeugnissen beleuchtet wird (S. 169-184). Archäologische Untersuchungen fanden in Kapellen entweder nur selten statt, oder die Kapellen waren im Obergeschoss etwa des Torbaus untergebracht, wie auf Burg Boimont, und können daher nicht Objekt der,Bodenforschung' sein. In den Gerüstlöchern der Kapelle von Schloss Tirol waren allerdings umfangreiche Textilreste erhalten geblieben. Eine lebensnahe Quelle zur Nutzung von Burgkapellen bietet der Artusroman ,Garel vom blühenden Tal' aus dem 13. Jahrhundert. Aus dem 15. Jahrhundert haben sich zur Neuburg im Vorarlberger Rheintal Nachrichten über die Stiftung von Monstranzen, Schreinen, Kelchen und Patenen erhalten, zudem für liturgische Bücher und die Kissen, auf denen sie niedergelegt wur den, sowie Messgewänder. Altartücher, Leuchter und Weihwasserbecken, Tragaltäre und Messkänn- chen runden das Bild ab. Inventarlisten offenbaren jedoch bei anderen Burgen die eher kärgliche Ausstattung, wie bei Burg Fragenstein und Castel Pergine. Die Inventare zur Sigmundsburg geben ab 1478 ausführlich Auskunft zum qualitätvollen Gerät in der Kapelle, während die beiden Kapellen auf Burg Sigmundskron äußerst unterschiedlich ausstaffiert waren. Für weitere Burgkapellen sind Messgewänder in verschiedenen Farben bezeugt, oft aus edlen Stoffen, sowie silberne, teils auch vergoldete Messgeräte. -- Vor einem speziellen historischen Hintergrund, so erklärt Walter L an d i im folgenden Beitrag (S. 185-204), sind die Burgkapellen in Oberitalien zu betrachten, denn hier gab es zwei Befestigungswellen ("incastellamenti") im 6. bis 9. und im 10. Jahrhundert. Zudem entwickelten sich einige der frühen Burgen zu befestigten Siedlungen und nicht zu Adelsburgen. Der Aufstieg der Kommunen führte im 11./12. Jahrhundert zur Aufgabe der adeligen Befestigungen. Nur in einzelnen Regionen, wie im Friaul, dem Trentino, dem Piémont oder im Aostatal wurden danach noch ältere Befestigungen erneuert, wobei die Kapellen oft außerhalb des Berings blieben, denn im ersten Laterankonzil von 1123 wurde die Einbeziehung von Sakralbauten in weltliche Burgen verboten. Teils stammen die Kapellen sogar aus der Zeit, als die Ostgoten dem arianischen Glauben anhingen, wie möglicherweise bei SantAgata bei Povo oder SantAgata Feltria bei Rimini; die Patrozinien St. Salva- tor, St. Martin, St. Michael oder St. Georg weisen in langobardische oder karolingische Kontexte. Bei etlichen Kapellen, soweit erhalten, existiert noch frühmittelalterliches Mauerwerk, oder es reicht zumindest in das 11. Jahrhundert zurück. -- Bei den ca. 120 Burgkapellen, die Klaus Birngruber anhand historischer Register bis 1529 in Ober- und Niederösterreich nachweisen kann (S. 205-226), erlaubt die große Zahl eine Statistik zu den bevorzugten Patrozinien, zu Lage und Bauformen. Die freistehende Position überwiegt offenbar gegenüber angelehnten Gebäuden, zum Teil sogar im Vorfeld der Burgmauer (Windegg bei Schwertberg, Hochwart bei Velden am Wörthersee). Die "herrenständischen Dynasten", die über eigene Territorien geboten, verfolgten teils aufwändige Bauprogramme, wie die Grafen von Schaunberg, die in ihrer Burg eine gotische, reich verzierte Kapelle errichten ließen. Die Herren von Wallsee erwarben im 14. Jahrhundert mehrere Burgen, die sie sogleich ausbauten und mit Kapellen ausstatteten (Altpernstein, Seisenegg, Karlsbach, Oberwallsee, Kronsegg); auch die Herren von Kapellen verfolgten eine derartige Politik (Burg Reichenstein, Stey- regg, Mitterberg, Schlierbach). Niederadelige Herren taten es ihnen nach, wie die Gneussen (Burg Saxenegg) oder die Hauser (Burg Clam). Zu den repräsentativen Elementen der Gesamtanlage, wie Türmen und Palasbauten, tritt bei den Kapellen oft eine reiche Ausstattung mit Fresken, teils mit Porträts der Stifter. -- Entgegen der anfänglichen Einschätzung, in Kärnten seien Turm- und Torkapellen eher die Ausnahme, kann Markus J. Wenninger etliche Beispiele nachweisen (S. 227-256), etwa auf der Ortenburg bei Spittal an der Drau; die Kapelle im Bergfried wurde später durch eine angebaute, freistehende Kapelle ersetzt. Auf Burg Waisenberg bei Völkermarkt verlegte man die Kapelle im 15./16. Jahrhundert aus einem Wohnturm in einen runden Eckturm, während die Burg Petersberg bei Friesach sogar über zwei Turmkapellen verfügte. Es handelte sich um Privatkapellen des Bischofs, während die offizielle' Kapelle an die Ringmauer angelehnt war. Auch Torkapellen sind mehrfach belegt. Bisweilen war die Kapelle über einer Tordurchfahrt aber das Ergebnis einer längeren Entwicklung, wie auf Burg Geiersberg in Friesach. Doppelgeschossige Kapellen blieben bis in gotische Zeit hinein beliebt, wie anhand der Grünburg im Görtschitztal, Burg Liebenfels im Glantal und Burg Mit- tertrixen zu erkennen ist. Dabei ragte nicht nur die Apsis über die Ringmauer hinaus, sondern die Kapellen standen zum Teil auf Podesten vor der Burgmauer, wie bei der Burg Karlsberg, beim Oberfalkenstein und Wolfsberg. Bei Felsenburgen setzte man die Kapelle gerne auf eine eigene Klippe (Niederkraig, Mittertrixen), die bisweilen nur durch eine gesonderte Pforte erreichbar war (Hoch- kraig). -- Elke G o e z beschränkt sich, entgegen ihrem Titel, der ausgreifend ganz "Süddeutschland" als Arbeitsgebiet benennt, nicht allein auf das Bundesland Bayern, sondern vorrangig auf die Region Franken, die aber besonders reich mit Burgen gesegnet ist (S. 257-270). In Unterfranken existierten 296, im östlichen' Franken mit dem Steigerwald 265 Burgen und Schlösser, und in der Fränkischen Schweiz sind vergleichbare Zahlen zu veranschlagen. In Altbayern verhinderte die Vorherrschaft der Wittelsbacher weitgehend eine ähnliche Bautätigkeit des Adels. Bei der Beurteilung von Heiligenpa- tronaten warnt Goez vor schablonenhaften Kategorisierungen; eine politische oder kulturgeschichtliehe Deutung bleibt in ihren Augen problematisch. Eine Ausnahme macht der heilige Pankratius, der im Umfeld der Babenberger beliebt war. Die Burgkapelle von Nürnberg bildet ein Paradebeispiel für eine Doppelkapelle des frühen 13. Jahrhunderts; auch Torkapellen und ,Hauskapellen' mit Chorerkern sind durch mehrere Anlagen vertreten. Das seltene Beispiel einer Memorialmesse ist für Burg Endsee bezeugt; da Gerlach von Hohenlohe und seine Frau Margarethe, eine Tochter Kaiser Ludwigs des Bayern, aber einen extravaganten Lebensstil pflegten, musste die Burg bald verkauft werden und wurde 1408 geschleift. Als besondere Quelle stehen in Franken die Schadenslisten des Bauernkrieges zur Verfügung, die jedoch meist eine kärgliche Ausstattung der Kapellen verraten. -- Die räumliche Abgrenzung erweist sich auch bei,Norddeutschland und Dänemark' als Problem, dem Oliver Auge und Stefan Magnusson durch einen kurzen Ausblick auf die südlichen Randregionen zu Mitteldeutschland, dem Weserraum und Brandenburg begegnen (S. 271-286). In den flachen, häufig moorreichen, aber meist steinarmen Ländern rings um die Ostsee wurden Burgen oft aus Holz gebaut, in Form von Hügeln, auf denen Kapellen selten Platz fanden, wenn man von Alt-Lübeck, Stargard in Mecklenburg oder dem (nicht erwähnten) Starigard-Oldenburg einmal absieht. Die Burgen lagen dafür in der Nähe von Pfarrkirchen, was eigene Kapellen überflüssig machte. Die Burgkirche St. Andreas in Vordingborg besaß andererseits die Dimensionen einer Pfarrkirche. Regionaltypische Rundkapellen gab es in Seborg und Heisingborg; Letztere wurde jedoch durch eine große Kapelle im ,Kärnan'-Turm ersetzt. In Dänemark ließ König Waldemar IV. zum Schmuck des Reiches 1361 mit päpstlicher Genehmigung verschiedene Burgkapellen errichten, während in vielen anderen Fällen keine Sicherheit über die Existenz von Sakralbauten vorliegt. Ob die bedeutenden Schlosskapellen von Gottorf, S0nderborg und Haderslevhus Vorläufer besaßen, bleibt ungewiss. -- Hermann Kamp stützt sich in seinem Überblick über die Burgkapellen in Burgund (S. 287-308) auf die Burgen-Daten- bank von Hervé Mouillebouche, die umfangreiche Quellenbelege enthält, wobei diese aber nur selten Burgkapellen betreffen. Die Herzöge aus dem Haus Valois traten auch nur mäßig als Bauherren hervor, denn sie hielten sich zunehmend außerhalb des Herzogtums auf, und wenn sie anwesend waren, so weilten sie nur kurz in den Burgen. Ausnahmen bilden die Kapellen der Burgen Villaines-en-Du- esmois und Saulx-le-Duc, die durch Philipp den Kühnen mit gotischen Fenstern ausgestattet wurden, oder Germolles, wo seine Frau Margarethe eine zweite Kapelle errichten ließ. Auch das adelige Gefolge wurde nicht vergessen: Die Erweiterung der Kapelle von Saulx-le-Duc sollte die Ritter und Damen explizit vor den Unbilden der Witterung schützen. Für den Adel lässt sich ein vergleichbares Bauprogramm beobachten. Als Patronin war in Burgund Maria besonders beliebt, während regionaltypische Heilige weitgehend fehlen. In der Kapelle von Châteauneuf befand sich ein Kenotaph des bedeutenden Adeligen Philippe Pot, dessen eigentliches Grab in Cîteaux zu finden ist. -- Die Aufsatzfolge schließt ein Beitrag zu den Burgkapellen in England ab, die Jörg Peltzer behandelt (S. 309- 320). Rechtliche Vorschriften aus der sächsischen Zeit nennen als Bedingung für den Status eines Thegns (Adeligen) eine Kapelle auf dem umwallten Hof. Archäologische Befunde zeigen, dass Kapellen damals in den Wohnbau integriert sein konnten, aber auch am Rande des Hofes standen, wo sie vom umliegenden Land aus zu betreten waren. Mit der normannischen Eroberung 1066 begann in England der eigentliche Burgenbau. Kapellen waren nun ein unentbehrliches Element des Donjons (London, Colchester und ihre Nachfolgebauten), aber es gab auch freistehende Kirchen und Kapellen. Im späten Mittelalter erhielten die königlichen und fürstlichen Burgen oft etliche Separatkapellen, und an manchen Kapellen waren mehrere Kapellansstellen dotiert, im seltensten Fall auch ein ganzes Kollegiatstift.

Wer sich durch die langen Aufzählungen von Burgkapellen, Adelsstiftungen und Patrozinien gekämpft hat, erhält in der vergleichenden Zusammenschau doch ein aufschlussreiches Bild zur Rolle von Sakralbauten im mittelalterlichen Wehrbau. So erweist sich der Vergleich mit Oberitalien, England und Burgund als sehr fruchtbar, da die fast .alltäglichen' Befunde auf Burgen nördlich der Alpen mit der Situation in politisch ganz anders strukturierten Gegenden kontrastiert werden. Der eklatante Mangel an Abbildungen und Plänen ist wohl einerseits dem historischen Zugang zum Thema, vor allem aber dem begrenzten Umfang des Buches geschuldet. Vereinzelt, etwa bei Kaiundborg auf Seeland, lässt der Text allerdings nicht einmal ahnen, dass hier eine überaus bedeutende, fünftürmige

Zentralbau-Kapelle steht, und besonders die Ausführungen zu den Baumaßnahmen an burgundischen Kapellen wecken beim Leser den Wunsch, die Quellentexte doch mehr im Bild mit dem Baubefund abgleichen zu können. Die reichhaltige Literatur, die in den Anmerkungen jeweils genannt wird, bietet jedoch einen guten Einstieg für diesbezügliche eigene Recherchen.

By Thomas Küntzel, Göttingen

Titel:
Burgkapellen. Formen - Funktionen - Fragen.
Autor/in / Beteiligte Person: Küntzel, Thomas
Link:
Zeitschrift: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 83 (2019), S. 274-278
Veröffentlichung: 2019
Medientyp: review
ISSN: 0035-4473 (print)
Schlagwort:
  • BURGKAPELLEN: Formen-Funktionen-Fragen: Akten der internationalen Tagung (Book)
  • PFEIFER, Gustav
  • ANDERMANN, Kurt
  • CONFERENCES & conventions
  • NONFICTION
  • Subjects: BURGKAPELLEN: Formen-Funktionen-Fragen: Akten der internationalen Tagung (Book) PFEIFER, Gustav ANDERMANN, Kurt CONFERENCES & conventions NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review

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