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Harald Wixforth, Vom Stahlkonzern zum Firmenverbund. Die Unternehmen Heinrich Thyssen-Bornemiszas von 1926 bis 1932, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2019, 272 S., € 39,90.

Ellerbrock, Karl-Peter
In: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Jg. 65 (2020-06-01), Heft 2, S. 326-327
Online review

Harald Wixforth, Vom Stahlkonzern zum Firmenverbund. Die Unternehmen Heinrich Thyssen-Bornemiszas von 1926 bis 1932, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2019, 272 S., € 39,90 

Wixforth, Harald Vom Stahlkonzern zum Firmenverbund. Die Unternehmen Heinrich Thyssen-Bornemiszas von 1926 bis 1932 Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 2019 € 39,90. 1 272

Die vorliegende Untersuchung von Harald Wixforth über die ererbten Unternehmen Heinrich Thyssen-Bornemiszas (1875–1947), des jüngsten Sohns von August Thyssen (1842–1926), schließt eine gewichtige Forschungslücke, denn der Name Thyssen steht in der Wirtschaftsgeschichte bislang überwiegend allein für die sehr gut erforschte Thyssen AG und ihre Vorläufer, die bis 1871 zurückreichen. Die Geschichte der Thyssen-Bornemisza-Group ist dagegen weitestgehend unerforscht. Die Studie entstand im Rahmen des Projekts «Die Unternehmerfamilie Thyssen im 20. Jahrhundert», das von der Fritz Thyssen Stiftung und der Stiftung zur Industriegeschichte Thyssen gefördert und von einem Forschungsverbund unabhängiger Historikerinnen und Historiker durchgeführt wird.

Die heutige Thyssen-Bornemisza-Group entstand durch die nach dem Tod August Thyssens 1926 erfolgte Aufteilung des alten Thyssen-Konzerns und umfasste jenseits der in die Vereinigten Stahlwerke AG eingebrachten Unternehmen neben dem Eisen- und Stahlbereich die Sparten Energiewirtschaft, Werften, Handel und Logistik sowie Aktivitäten im Bankwesen. Wixforth verortet ihre Abspaltung während der «zerrissenen Zwischenkriegszeit» im Spannungsfeld zunehmender Funktionsstörungen der Weltwirtschaft, auf die die Mehrzahl der deutschen Industriellen nach amerikanischem Vorbild mit Trust- und Konzernbildung reagierten. Nach der Erb-Aufspaltung des alten Thyssen-Konzerns stand Heinrich Thyssen-Bornemisza vor neuen unternehmerischen Herausforderungen und wollte «beweisen, dass er mit eigenen unternehmerischen Konzepten aus dem Schatten seines Vaters heraustreten konnte. Er musste langjährige Direktoren des Thyssen-Konzerns von der Richtigkeit seiner unternehmensstrategischen Pläne überzeugen, dabei alte Loyalitäten aufbrechen und bestehende Pfadabhängigkeiten beseitigen.» (12)

Wixforth verfolgt in gewohnter wissenschaftlicher Souveränität in vier chronologisch aneinander anschließenden Kapiteln vier leitende Fragestellungen. Wie kam es zur Abspaltung und wie wirkte sie auf das Familiengefüge? Wie gelang es, die einzelnen Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen in Verbundsparten zu organisieren? Waren diese organisatorischen Maßnahmen für die einzelnen Unternehmen nachhaltig? Wurden die übergeordneten strategischen Ziele erreicht? Das in kritischer Diskussion der «kulturalistischen Ansätze», der Netzwerkanalyse und der New Institutional Economics (v. a. des principal-agent-Modells) an den «corporate governance»-Ansatz angelehnte methodische Vorgehen ist hoch reflektiert und wird in der Analyse konsequent umgesetzt.

Die von Heinrich Thyssen-Bornemisza angestrebte Bildung eines «Baron-Konzerns» scheiterte letztendlich, weil er als Unternehmer zunehmend überfordert war, die Pfadabhängigkeiten nicht aufbrechen konnte, Kompetenzen und Entscheidungsgewalt delegieren musste, obwohl er neue Führungsstrukturen eigentlich ablehnte und an seinem Ziel der Konzernbildung unbeirrt festhielt, nicht zuletzt, um seinem Bruder nachzueifern. Dabei entstanden inverse principal-agent-Beziehungen als Merkmal einer besonderen «corporate governance»; Heinrich als Prinzipal und Eigentümer-Unternehmer gab schrittweise Verfügungsrechte und Kontrollfunktionen an seine Betriebsdirektoren ab, die wiederum selbst in den von ihnen geleiteten Unternehmen in die Rolle eines Prinzipals hineinwuchsen. Heinrich zog sich schließlich aus den Entscheidungsgremien zurück und nahm immer mehr die Rolle eines «shareholders» ein, bis er sich schließlich konsequenterweise 1932 komplett aus dem Unternehmen in sein Schweizer Domizil in Lugano zurückzog, um sich fortan überwiegend als Kunstsammler zu engagieren. Die wirtschaftliche Bilanz des heterogenen Unternehmensverbundes war indes deutlich positiver als bei der Mehrzahl der deutschen Großkonzerne und der Autor stellt zu Recht die abschließende Frage nach der Modellhaftigkeit der «corporate-governance» bei Thyssen-Bornemisza «für einen geglückten Übergang vom Eigentümer- zum Manager-Kapitalismus», hat sich doch, wenn auch so «keineswegs gewollt», der Familienkapitalismus Thyssen'scher Prägung in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld behauptet.

Einzig die zeitliche Beschränkung des Untersuchungszeitraums bis zum Jahr 1932 überzeugt nicht wirklich. Die Entwicklung der Unternehmensgruppe im Nationalsozialismus zu verfolgen, bleibt ebenso eine Forschungslücke wie der Wunsch, mehr über die Haltung des Industriellen Heinrich Thyssen-Bornemisza im fernen Lugano zum Nationalsozialismus, auch und gerade im Vergleich zu seinem älteren Bruder Fritz Thyssen (1873–1951) zu erfahren. Offenbar ist diese zeitliche Beschränkung forschungsstrategisch zu erklären, denn mit Blick auf die Ankündigungen der Stiftungen dürften zu diesen Fragen bald mit Spannung erwartete Antworten aus der Feder von Boris Gehlen zu erwarten sein. Wünschenswert ist natürlich, dass die in der Stiftung Industriegeschichte Thyssen neu geschaffene umfangreiche Quellengrundlage zur Thyssen-Bornemisza-Group über das Projekt hinaus zugänglich bleibt; eine Biographie über das bewegte Leben Heinrich Thyssen-Bornemiszas, der als ungarischer Staatsbürger bereits 1945 uneingeschränkte Verfügungsrechte über seinen Firmenverbund erhielt, ist nach diesen wissenschaftlichen Vorarbeiten ebenso ein Desiderat wie die Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte in den 50er und 60er Jahren, in denen die Thyssen-Bornemisza-Group in neue Dimensionen vorstieß.

By Karl-Peter Ellerbrock

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Titel:
Harald Wixforth, Vom Stahlkonzern zum Firmenverbund. Die Unternehmen Heinrich Thyssen-Bornemiszas von 1926 bis 1932, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2019, 272 S., € 39,90.
Autor/in / Beteiligte Person: Ellerbrock, Karl-Peter
Link:
Zeitschrift: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Jg. 65 (2020-06-01), Heft 2, S. 326-327
Veröffentlichung: 2020
Medientyp: review
ISSN: 0342-2852 (print)
DOI: 10.1515/zug-2020-0013
Schlagwort:
  • VOM Stahlkonzern zum Firmenverbund: Die Unternehmen Heinrich Thyssen-Bornemiszas von 1926 bis 1932 (Book)
  • WIXFORTH, Harald
  • THYSSEN, August, 1842-1926
  • THYSSEN-Bornemisza Group (Company)
  • NONFICTION
  • Subjects: VOM Stahlkonzern zum Firmenverbund: Die Unternehmen Heinrich Thyssen-Bornemiszas von 1926 bis 1932 (Book) WIXFORTH, Harald THYSSEN, August, 1842-1926 THYSSEN-Bornemisza Group (Company) NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Dortmund, Deutschland

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