ANDSBERG. Die Hiobsbotschaften mehren sich: Immer mehr Zulieferer, aber auch Autobauer, streichen Stellen. Durch die Corona-Pandemie hat sich die Situation der Automobilindustrie dramatisch verschlechtert: Absätze brechen ein, Werke mussten geschlossen werden. Dazu kommt noch der Strukturwandel, der schon vor Covid-19 zu Problemen in der Branche geführt hat. So ist die Lage bei den einzelnen Unternehmen:
BASF ist im September nur eines von vielen Unternehmen, das Stellenstreichungen bekannt gegeben hat. Für den Chemiekonzern gehört die Automobilindustrie nach eigener Aussage zu den wichtigsten Kundenbranchen. Nun will BASF in der zentralen Dienstleistungseinheit Global Business Services bis Ende 2022 2 000 Stellen streichen. Dadurch sollen ab 2023 jährlich 200 Mio Euro eingespart werden.
Der Autobauer streicht 6 000 Stellen. Auf betriebsbedingte Kündigungen will der Münchner Konzern jedoch verzichten. Stattdessen bekommen freiwillig ausscheidende Mitarbeiter und Frührentner Abfindungen. Auch die Altersteilzeit-Angebote sind laut Betriebsrat "sehr attraktiv".
Schlechte Nachrichten gab es Anfang Juli für die Bosch-Mitarbeiter am Standort in Schwäbisch Gmünd. Dort will der Zulieferer bis 2026 1 850 Arbeitsplätze streichen. Derzeit sind im Werk 4 700 Menschen beschäftigt. Der Stellenabbau soll ohne Entlassungen gelingen, berichtet die 'FAZ'. Das Unternehmen arbeitet nun an Angeboten für Altersteilzeit und Vorruhestands- und Aufhebungsverträgen. Seit August verdienen zudem 35 000 Bosch-Mitarbeiter im Großraum Stuttgart weniger Geld. Darauf haben sich Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter geeinigt, um die Kosten weiter zu senken.
Bei Continental bangen momentan vor allem die Mitarbeiter in Aachen um ihre Jobs. Denn dort soll bis Ende 2021 das Reifenwerk dichtgemacht werden. 1 800 Beschäftigte wären davon betroffen. Endgültig beschlossen ist die Schließung derzeit noch nicht. "Der Kahlschlag im Rubber-Geschäft ist weder mit der Transformation der Autoindustrie zu begründen noch mit der Corona-Krise. Das ist schlicht Streichen um des Streichens Willen", sagte Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der Gewerkschaft IG BCE und des Aufsichtsrats von Continental. Es könne nicht sein, dass die Mitarbeiter florierender Sparten für Managementfehler im Autozulieferergeschäft bezahlen müssten. Das Aachener Werk ist nicht das einzige. Weitere Standorte sind vom Spar- und Umbauprogramm betroffen: Bereits im vergangenen Jahr hat Continental angekündigt, die Produktion von Steuerungselementen in Babenhausen (Hessen) bis 2025 zu beenden. Laut dpa soll auch das Werk in Karben (Hessen) mit 1 100 Beschäftigten geschlossen werden. Der Standort in Mühlhausen (Thüringen) soll nur noch bis Ende 2022 bestehen. Zwei Jahre länger, bis 2024, soll noch die Produktion in Roding (Bayern) laufen. Der Reifenhersteller will aber nicht nur in Deutschland einsparen -- auch Werke in Italien und den USA stehen auf der Kippe. Zuletzt ging das Unternehmen davon aus, dass es global Auswirkungen auf 30 000 der über 232 000 Stellen geben wird -- 13 000 davon in Deutschland. Diese Arbeitsplätze sollen laut Continental "verändert, verlagert oder aufgegeben" werden.
Auch Autobauer wie Daimler wollen Jobs abbauen. Wie viele das sind, ist jedoch offen. Der Stuttgarter Konzern nannte nie eine konkrete Zahl. Personalvorstand Wilfried Porth erklärte lediglich, dass aufgrund der Corona-Pandemie eine Streichung von 10 000 bis 15 000 Stellen nicht ausreichen werde. Einzelne Medien hatten sogar von bis zu 30 000 Stellen berichtet. Die Zahlen kommentiert Daimler bislang nicht. Der Gesamtbetriebsratschef des Autobauers, Michael Brecht, sagte, faktisch machten die Personalkosten weniger als 15 % der Gesamtkosten aus. "Da muss dem Unternehmen mehr einfallen, als uns jedes Mal die Personalkosten um die Ohren zu hauen." Mit dem Betriebsrat besteht jedenfalls bereits die Vereinbarung, die unter anderem Altersteilzeitangebote und ein Abfindungsprogramm enthält. Um Arbeitsplätze zu sichern, wurde im Juli mit dem Betriebsrat vereinbart, dass die Beschäftigten auf Prämien verzichten und die Arbeitszeit reduziert wird. Betriebsratschef Brecht sprach nach den Verhandlungen von einer Beschäftigungssicherung bis 2030. Betriebsbedingte Kündigungen bleiben ausgeschlossen. Inzwischen ist auch bekannt, wo Arbeitsplätze gestrichen werden könnten: Am Stammwerk in Untertürkheim sollen laut dpa bis zum Jahr 2025 rund 4 000 von zurzeit etwa 19 000 Stellen abgebaut werden. Im Berliner Werk könnten rund 1 000 Jobs wegfallen.
Der Autozulieferer Eberspächer schließt sein Werk für Fahrzeugheizungen am Stammsitz in Esslingen laut dpa Ende 2021. Für die 300 betroffenen Mitarbeiter sei ein Sozialplan vereinbart worden. Zudem solle auch eine Transfergesellschaft für die Beschäftigten gegründet werden. Eberspächer hatte bereits Ende Mai angekündigt, die Produktion von Fahrzeugheizungen von Esslingen nach Polen verlagern zu wollen. Allerdings war bis zuletzt offengeblieben, wann das Werk in Esslingen genau dichtgemacht wird. Grund für die Entscheidung seien strukturelle Probleme, die Corona-Pandemie habe das Aus lediglich beschleunigt, hatte das Unternehmen damals mitgeteilt. In Esslingen sind damit künftig nur noch Bereiche wie Forschung und Entwicklung, Verwaltung und Vertrieb ansässig. Rund 1 000 Beschäftigte sollen dann nach Firmenangaben dort noch tätig sein.
140 Stellen stehen bei Faurecia in Augsburg auf der Kippe. Durch die anhaltende Schwäche des Automobilmarktes sowie der Wandel des Automobilantriebs müsse das Werk, die Forschung und Entwicklung sowie Zentralbereiche am Standort Augsburg angepasst werden, um weiterhin wettbewerbsfähig und nachhaltig agieren zu können, erklärte das Unternehmen. Die Unternehmensleitung habe nun Gespräche mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft aufgenommen, um einen Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln. 'Mobile Mitarbeiter' könnten auch an anderen Standorten unterkommen.
Weil der Insolvenzverwalter keinen Investor gefunden hat, muss JD Norman sein Werk bei Eisenach schließen, berichtet der 'MDR'. Damit verlieren beim insolventen Zulieferer Ende September rund 600 Menschen ihren Job -- 450 bei Eisenach (Thüringen) und 150 im Werk in Witzenhausen (Hessen).
7 600 Jobs werden beim Autozulieferer Mahle weltweit gestrichen -- 2 000 davon in Deutschland. "Wir haben es aktuell mit einer Krise zu tun, wie wir sie noch nicht erlebt haben", sagte CEO Jörg Stratmann. Deshalb sei es wichtig, weiter konsequent Kosten zu senken und die strategischen Ziele noch stärker in den Fokus zu rücken. Seit 2018 hat der Autozulieferer weltweit bereits 6 700 Stellen abgebaut.
Eine weitere Hiobsbotschaft kam auch von MAN: Beim Lkw- und Bushersteller sollen bis zu 9 500 Stellen wegfallen. Dadurch soll bis 2023 eine Ergebnisverbesserung von knapp zwei Milliarden Euro erreicht werden. Auch Werksschließungen stehen im Raum. Davon betroffen sind die Standorte Plauen (Sachsen), Wittich (Rheinland-Pfalz) und Steyr in Österreich. "Wir stehen vor großen Herausforderungen durch den technologischen Wandel -- bei Digitalisierung, Automatisierung und alternativen Antrieben", sagte MAN-Chef Andreas Tostmann. "Wir brauchen deshalb eine Neuaufstellung von MAN Truck & Bus, um deutlich innovativer, digitaler und nachhaltig profitabler zu werden." Mit den Arbeitnehmervertretern sollen nun Details für eine sozialverträgliche Vorgehensweise besprochen werden. In Deutschland gilt laut dpa ein Kündigungsschutz bis 2030 für die Tarifbeschäftigten. Der Betriebsrat hat bereits Widerstand gegen den Jobabbau angekündigt.
Bereits im Juli hat das Unternehmen Mann + Hummel angekündigt, die Produktion im Ludwigsburger Werk nicht fortzuführen. Am Standort werden unter anderem Kraftstoff-, Öl- und Luftfiltersysteme für die Automobilerstausrüstung hergestellt. Bestehende Fertigungen sollen auslaufen oder verlagert werden. Wann das Werk genau schließt, wird noch mit Kunden und Arbeitnehmervertretern festgelegt, so das Unternehmen. 400 Mitarbeiter sind von der Maßnahme betroffen. Die Entscheidung sei mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens nötig gewesen, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Fischer.
Schlechte Zeiten auch beim fränkischen Zulieferer Schaeffler. Das Unternehmen kündigte an, bis Ende 2022 4 400 weitere Stellen abbauen zu wollen. "Trotz einer Belebung der Nachfrage in allen drei Sparten und vier Regionen in den letzten Monaten bleibt die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie und die daraus resultierende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage hoch", erklärte das Unternehmen. Von der Streichung betroffen sind vor allem zwölf Standorte in Deutschland -- darunter auch der Stammsitz in Herzogenaurach -- sowie zwei Werke im Europa. Der Standort in Wuppertal könnte komplett dichtgemacht werden. "Wir werden das Werk nicht kampflos aufgeben", sagte die Geschäftsführerin der IG Metall Wuppertal, Clarissa Bader. Jahrelang habe man sich von Schaeffler anhören müssen, der Standort müsse gesundschrumpfen, um zukunftsfähig zu sein, ergänzte NRW-Bezirksleiter Knut Giesler laut dpa. Nun zeige sich, dass es eine große Fehlentscheidung des Managements war, Produkte und Kapazitäten abzuziehen. Zudem könnte das Werk in Luckenwalde (Brandenburg) verkauft werden, sagte Vorstandschef Klaus Rosenfeld der Deutschen Presse-Agentur. Durch den Stellenabbau sollen laut Unternehmen 250 bis 300 Millionen Euro jährlich eingespart werden. Auch bei Schaeffler gab es schon vor der Corona-Krise Sparmaßnahmen: Momentan wird noch ein Freiwilligenprogramm umgesetzt, durch das rund 2 000 Stellen abgebaut werden sollen.
Eine Branche tief in der strukturellen Krise. In der Automobilindustrie bauen sowohl OEMs als auch Zulieferer weltweit tausende Stellen ab. Ein Ende ist nicht absehbar. Bild: adobe stock - jeson
By ANJA RINGEL