Bis heute prägt der Wein die Wirtschaft, den Tourismus, die Kultur und Sprache an Rhein, Nahe und Mosel. Folgerichtig hat das Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz 2016 eine Veranstaltungsreihe organisiert, die die Rebe und ihre Wirkung in den Vordergrund stellt. Aus dieser Reihe ist das zu besprechende, auf Rheinland-Pfalz fokussierte Buch hervorgegangen. Neu ist das Thema für Herausgeber und Institut nicht (S. 8), doch liegt nun ein neuer disziplinen- sowie epochenübergreifender und dabei populärwissenschaftlich ausgerichteter Band vor, der wissenschaftliche Ergebnisse für eine interessierte Leserschaft zumeist sehr verständlich aufbereitet.
Den Auftakt des Bandes bilden zwei Beiträge zur Spätantike und dem Frühmittelalter. Dabei geht die Archäobotanikerin Margarethe König anhand von Pollenfunden, verkohlten Obstkernen und archäologischen Funden von Keltern des 3. und 4. Jahrhunderts der Frage nach, wann der Weinbau an der Mosel und in der Pfalz einsetete (S. 13-26). Da sich solche Keltern nicht für Rheinhessen finden lassen, diskutiert Michael Matheus, ausgehend vom Befund, dass in der Öffentlichkeit das Bild vorherrscht, die Römer hätten den Weinbau dorthin gebracht, was für und was gegen diese Ansicht spricht (S. 27-48). Hierbei kommt er insbesondere anhand des Beispiels Dienheim zu dem Schluss, dass der römerzeitliche Anbau wahrscheinlich, jedoch zum jeteigen Zeitpunkt archäologisch noch nicht nachweisbar ist.
Der wirtschaftliche Aspekt des Weinbaus steht in einigen Beiträgen des Bandes im Vordergrund, so auch bei Andreas Lehnardts Ausführungen zu Handel und Verkostung von koscherem Wein in den SchUM-Städten (S. 49-61). Nach einer instruktiven Einführung in die Bedeutung des Weins für das Judentum allgemein stellt der Judaist Abschnitte aus einer jüdischen Brauchsammlung des 17. Jahrhunderts aus Worms vor und kann dadurch den sich wandelnden Umgang mit diesem Getränk in einer von Christen geprägten Weinregion nachvollziehen (S. 61). Einen Blick auf das Spätmittelalter wagt Michael Rothmann, der die Handelsnetee für den Rebensaft und dessen herausragende wirtschaftliche Bedeutung für die Städte am Mittel- und Oberrhein hervorhebt (S. 63-73). Die ,Krise' des Weinbaus nach dem ersten Weltkrieg dient als Ausgangspunkt für die drei Beiträge von Henning Türk, Christof Krieger und Pia Nordbloom. Die insgesamt angeschlagene wirtschaftliche Lage der Weimarer Republik führte in Verbindung mit einem Handelsabkommen mit Spanien dazu, dass die rheinischen Winzer in enorme wirtschaftliche Probleme gerieten. Um den hiesigen Weinbau zu stärken, wurde bei der ,Reichsausstellung Deutscher Wein' und in deren Umfeld Wein zum Nationalgetränk stilisiert (Türk, S. 93-104, hier S. 102). Der Bernkasteler Finanzamtsturm führte dazu, dass der ,Reichsausschuss für Weinpropaganda' gegründet wurde. Das Gremium, das wenig nachhaltig wirkte, versuchte den deutschen Wein insbesondere beim Bürgertum als ebenso qualitätvolles wie nationales Getränk zu bewerben (Krieger, S. 105-125). Die ,Beziehungsgeschichte von Weinbau und Nationalsozialismus in Rheinhessen' war wiederum von nur bedingt erfüllten Erwartungen der Winzer an den Nationalsozialismus geprägt (Nordbloom, S. 125-141).
Den interdisziplinären Charakter des Buches machen neben den einführenden archäobotanischen Ausführungen die Beiträge von Rudolf Steffens zum Thema ,Wein und Sprache' (S. 75-91), von Daniel Decker zu den ungewollten persönlichen Auswirkungen von Carl Zuckmayers ,Der fröhliche Weinberg' (S. 142-158) und von Martin Sachse-Weinert zur Multifunktionalität von Weinetiketten (S. 159-180) aus. Diese drei Beiträge erweitern den Band um spannende, teils aktuelle Aspekte, wobei die Ausführungen von Steffens stellenweise ein wenig wissenschaftlicher und somit stellenweise ein bisschen weniger verständlich ausfallen als die Übrigen.
Dem Reihencharakter entsprechend wird in dem Band auf Anmerkungen verzichtet. Am Ende eines jeden Beitrags finden sich Hinweise zu verwendeten Quellen und der Literatur. Dagegen ist bei populärwissenschaftlichen Publikationen nichts einzuwenden, doch könnte dieser Aspekt im Vorwort stärker betont werden. Ein kleiner Wermutstropfen ist bei dem insgesamt sehr gelungenen Band der Preis von 42,00€ für ein populärwissenschaftliches Softcoverbuch mit weniger als 200 Seiten.
By Tjark Wegner, Tübingen