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Studying Situational Interaction. Explaining Behaviour by Analysing Person-Environment Convergence.

Hirtenlehner, Helmut
In: Monatsschrift fuer Kriminologie und Strafrechtsreform, Jg. 104 (2021-06-01), Heft 2, S. 174-175
Online review

Hardie, Beth: Studying Situational Interaction. Explaining Behaviour by Analysing Person-Environment Convergence: Springer Verlag, Cham 2020, 106 Seiten, € 52,49 

Beth Hardie Studying Situational Interaction. Explaining Behaviour by Analysing Person-Environment Convergence Cham Springer Verlag 2020.

Inspiriert von ihrer langjährigen Mitarbeit an der »Peterborough Adolescent and Young Adult Development Study« (PADS+) Wikström, Per-Olof, Oberwittler, Dietrich, Treiber, Kyle & Hardie, Beth (2012). Breaking Rules. The Social and Situational Dynamics of Young People's Urban Crime. Oxford: Oxford University Press. widmet Beth Hardie ihre in der Reihe »Springer Briefs in Criminology« erschienene Monographie »Studying Situational Interaction« der Frage, wie man situative Person-Umwelt-Interaktionseffekte empirisch am besten prüft. Im Zentrum steht die Diskussion der Probleme rund um die Erhebung und statistische Analyse von Person-Umwelt-Wechselwirkungen bei der Genese krimineller Handlungen und die Erarbeitung von Empfehlungen für eine den verschiedenen sozialwissenschaftlichen Handlungstheorien gerecht werdende methodische Vorgehensweise. Um es gleich vorwegzunehmen: Wer eine profunde Einführung in die von der Autorin mitgeformte Situational Action Theory (Wikström et al. 2012) erwartet, wird enttäuscht werden. Wiewohl diese Theorie allen angestellten Reflexionen zugrunde liegt, richtet Hardie's aktuelles Werk das Hauptaugenmerk auf methodologische Belange – namentlich auf die Wahrung des situativen Charakters der postulierten Wechselwirkungsbeziehungen und die Implikationen einer gegenwärtigen Forschungspraxis, die sich vielfach auf einer theorieinadäquaten Analyseebene bewegt.

Hardie eröffnet ihr Werk mit einem Plädoyer für theoretische Integration. Potenziale für die Überwindung der Fragmentierung der Disziplin in unzählige eher personen- oder eher umweltorientierte Kriminalitätstheorien, die einander wechselseitig nur Lippenbekenntnisse zollen, sieht sie vor allem in der handlungstheoretischen Tradition der Sozialwissenschaften und in einer auf Mechanismen fokussierten analytischen Kriminologie. Erklärt werden muss individuelles regelwidriges Handeln in konkreten sozialen Settings. Die ersten beiden Kapitel der hier zu besprechenden Monographie adressieren daher die Frage, wie man die verschiedenen Perspektiven am besten integriert. Hardie befürwortet diesbezüglich eine »interaktive Weltsicht«, die sich um das Konzept der Situation, Person-Umwelt-Konvergenzen, kausale Mechanismen und natürlich die Situational Action Theory rankt. Datenpunkte sollten idealerweise Person-Umwelt-Kombinationen und deren Verhaltensergebnis sein. Ein großes Anliegen ist ihr die Hervorhebung der Gefahren, die sich aus der Verwendung von auf der falschen Analyseebene angesiedelten Daten ergeben. Der Verallgemeinerung einer auf der Personenebene beobachteten Wechselwirkungsbeziehung auf die Situationsebene haftet stets das Risiko eines ökologischen Fehlschlusses an.

Wiewohl Hardie eine Verwendung von Situationen (Person-Setting-Konvergenzen) als Beobachtungseinheit präferiert, anerkennt sie, dass die Erhebung situationsspezifischer Daten eine enorme Herausforderung darstellt, der viele Untersuchungen nicht nachkommen können. Nicht zuletzt deshalb dominieren im empirischen Schrifttum zur Situational Action Theory Analysen von Individualdaten. Der Rückgriff auf »individual-level data« bringt eine Reihe von Problemen mit sich – die zugrundeliegende Konvergenzannahme kann empirisch nicht abgesichert werden – und erfordert eine Substituierung der Analyse von Person-Umwelt-Kombinationen durch das Testen statistischer Moderationsbeziehungen. Auch letztere besitzen aber eine gewisse Aussagekraft für die zu betrachtenden Wechselwirkungshypothesen. Kapitel 3 der Arbeit gibt daher einen Überblick über diverse Möglichkeiten der Überprüfung von interaktiven Effekten auf Zielvariablen, die einer null-inflationären negativen Binomialverteilung folgen. Die Autorin unterscheidet dabei drei grundsätzliche Zugänge: Transformationen der abhängigen Variable, lineare Regressionsanalysen mit Schutzmaßnahmen (gegen Verletzungen der Modellannahmen) und nichtlineare Analysemodelle. Die Vorteile und Probleme der verschiedenen Techniken des Testens statistischer Moderationsbeziehungen werden überblicksartig diskutiert, um dann in die Empfehlung der Kombination multipler Herangehensweisen zu münden.

Wenn eine gegebene Person-Umwelt-Kombination einen Wahrnehmungs-Entscheidungs-Prozess aktiviert, der dann individuelles Handeln steuert (Wikström et al. 2012), kristallisieren sich Person-Umwelt-Konvergenzen als ideale Beobachtungseinheit heraus. Das finale vierte Kapitel der Monographie detailliert daher verschiedene Methoden der Erhebung und Analyse genuin situativer Daten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Space-Time-Budgets und randomisierten Szenarios. Im Gegensatz zu unabhängigen Messungen von Personeneigenschaften, generalisierter Exposition und aggregierter Kriminalitätsbelastung gewährleisten diese eine raumzeitliche Koinzidenz von Personenmerkmalen, Settingcharakteristika und Verhaltensergebnissen. Aufgrund der immanenten Erfüllung der Konvergenzbedingung kann sich die Analyse hier auf simple Vergleiche der Kriminalitätsraten oder -wahrscheinlichkeiten in unterschiedlich »kriminogenen« Person-UmweltKombinationen beschränken. Deren inferenzstatistischer Absicherung ist natürlich nichts entgegenzusetzen. Graphische Darstellungsmöglichkeiten und komplexere Analyseansätze werden ebenfalls angeschnitten.

Eine Beurteilung der hier zu behandelnden Monographie fällt leicht. Hardie beschreibt sehr anschaulich die der Analyse situativer Interaktionsbeziehungen zugrundeliegende Logik und identifiziert Methoden zur statistischen Testung interaktiver Effekte auf das Explanandum »kriminelles Handeln«. Gerade der zweite Teil eignet sich hervorragend als basale Einführung in die Probleme und Möglichkeiten der Überprüfung von Person-Umwelt-Interaktionen im Bereich der Kriminologie. Ihrem Plädoyer für eine Kombination verschiedener Auswertungstechniken kann man sich vorbehaltlos anschließen. Eine Lektüre des Buches wird sich für jeden methodologisch interessierten Verhaltenswissenschaftler, dessen Zielvariable sich der lieb gewonnenen Normalverteilung verweigert, zweifelsfrei lohnen.

By Helmut Hirtenlehner

Reported by Author

Titel:
Studying Situational Interaction. Explaining Behaviour by Analysing Person-Environment Convergence.
Autor/in / Beteiligte Person: Hirtenlehner, Helmut
Link:
Zeitschrift: Monatsschrift fuer Kriminologie und Strafrechtsreform, Jg. 104 (2021-06-01), Heft 2, S. 174-175
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0026-9301 (print)
DOI: 10.1515/mks-2021-0112
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Johannes Kepler Universität Linz, Austria
  • Full Text Word Count: 722

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