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War and the City. The Urban Context of Conflict and Mass Destruction.

Koller, Christian
In: Militärgeschichtliche Zeitschrift, Jg. 80 (2021-05-01), Heft 1, S. 155-156
Online review

War and the City. The Urban Context of Conflict and Mass Destruction. Ed. by Tim Keogh, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2020, IV, 200 S. (= War (Hi)Stories, 6), EUR 98,00 [ISBN 978‑3‑506‑70278‑4] 

War and the City. The Urban Context of Conflict and Mass Destruction. Ed. by Tim Keogh, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2020, IV, 200 S. (= War (Hi)Stories, 6), EUR 98,00 [ISBN 978‑3‑506‑70278‑4]

Ausgangs‑, Kulminations‑ und Wendepunkte großer Kriege sind häufig mit den Namen von Städten verbunden: Leipzig, Sarajevo, Verdun, Gernika, Stalingrad. Dennoch ortet der Herausgeber des anzuzeigenden Bandes ein Defizit bei der Erforschung stadtspezifischer Aspekte von Kriegen. Es ist denn auch das erklärte Ziel des auf eine Konferenz in New York von 2017 zurückgehenden Sammelbandes, Fragestellungen, Perspektiven und Ansätze von Stadt‑ und Militärgeschichte zusammenzubringen. In der Einleitung breitet der Herausgeber eine Reihe von Themenfeldern der bisherigen Forschung aus: Neben dem »urban warfare« im engeren Sinne stehen etwa die Stadt-Land-Beziehungen zu Kriegszeiten oder der Wiederaufbau und die Erneuerung von Städten nach Kriegsende.

Der vorliegende Band präsentiert Beiträge zu unterschiedlichen Aspekten: Konventionelle militärgeschichtliche Aufsätze werden gefolgt von Studien zur militärischen Besetzung von Städten, zum Umgang mit kriegsbedingten Flüchtlingsströmen, zum Wiederaufbau nach Kriegsende sowie zur städtischen Memorialisierung von Kriegen und Kriegshandlungen. Jonathan Beall befasst sich mit der US-amerikanischen 1. Infanteriedivision im Zweiten Weltkrieg, die den Stadtkrieg gleichsam »on the job« erlernte. Alexander Querengässer analysiert die Verflechtungen zwischen Kriegsfront und urbaner Heimatfront in Sachsen im Großen Nordischen Krieg. Die Städte waren dabei in unterschiedlichster Hinsicht wichtig, etwa als Festungen für Zivilisten, als Kreditgeber, Materiallieferanten, Spitäler, Unterkunft, Gefängnisse, Stellenmarkt für nicht gebrauchte oder Rekrutierungsort für zusätzliche Truppen.

Linda Parker diskutiert private und staatliche Reaktionen in Großbritannien auf die deutschen Luftangriffe auf London durch Gotha-Bomber 1917/18 und durch V2-Raketen 1944/45. Die Angriffe führten nicht nur wegen der angerichteten Schäden zur Demoralisierung der Bevölkerung, sondern auch wegen falscher Kommunikation und schlechter Vorbereitung auf solche Ereignisse seitens der Regierung. James Horncastle befasst sich mit »urbicide« und den internationalen Reaktionen auf die Belagerung von Vukovar durch die Jugoslawische Volksarmee von August bis November 1991. Er zeigt, dass die Zerstörungen und die durch die Belagerung hervorgerufene Flüchtlingskrise stark dazu beitrugen, dass sich die zunächst schwankende internationale Meinung zugunsten Kroatiens veränderte. Simon Davis untersucht die Rolle von Städten während der großen arabischen Rebellion im britischen Mandatsgebiet Palästina von 1936 bis 1939. Städte wie Jaffa wurden von den Briten negativ wahrgenommen und vernachlässigt. Dies schuf die Bedingungen für einen Aufstand, der die kleinen Polizeitruppen überraschte und überforderte und massive Militäreinsätze nach sich zog.

Stefan Laffin analysiert die Lebensmittelversorgung und ‑verteilung unter der alliierten Besatzung von Neapel im Zweiten Weltkrieg. Die logistischen Probleme der Alliierten beeinträchtigten dabei bei der Stadtbevölkerung ihren Ruhm als »Befreier«. Andrew Demshuk schließlich befasst sich mit dem Wiederaufbau der Städte Frankfurt am Main, Leipzig und Wrocław nach dem Zweiten Weltkrieg. Er zeigt, wie die Planerinnen und Planer Zerstörungen auch dazu nutzen konnten, um unter völlig verschiedenen politischen Vorzeichen jeweils ein »usable past« zu erschaffen.

Insgesamt sind die im anzuzeigenden Band versammelten Beiträge durchweg lesenswert und sie demonstrieren exemplarisch die Breite des Forschungsfeldes Stadt und Krieg. Allerdings fehlt dem Band die thematische Kohärenz. In der Einleitung weist der Herausgeber selbstkritisch auf den Eurozentrismus, die Vernachlässigung der Gender-Perspektive und den Fokus auf die Moderne als konzeptionelle Probleme des Sammelbandes hin. Hinzu kommt eine schwer nachvollziehbare zeitlich-thematische Verzettelung: Die überwiegende Mehrzahl der Beiträge fokussiert auf das Zeitalter der Weltkriege, je ein Aufsatz befasst sich aber mit dem frühen 18. und dem späten 20. Jahrhundert. Da zudem die thematische Ausrichtung der einzelnen Beiträge sehr vielfältig ist, sind sowohl syn‑ als auch diachrone Vergleiche oder auch das Aufzeigen längerfristiger Entwicklungslinien kaum möglich. Was bleibt, ist eine lockere und eher zufällig wirkende Auslegeordnung, die durchaus Lust auf weitere Forschung macht, aber kaum ein kohärentes Forschungsprogramm zu skizzieren vermag.

By Christian Koller

Reported by Author

Titel:
War and the City. The Urban Context of Conflict and Mass Destruction.
Autor/in / Beteiligte Person: Koller, Christian
Link:
Zeitschrift: Militärgeschichtliche Zeitschrift, Jg. 80 (2021-05-01), Heft 1, S. 155-156
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 2193-2336 (print)
DOI: 10.1515/mgzs-2021-0013
Schlagwort:
  • WAR & the City: The Urban Context of Conflict & Mass Destruction (Book)
  • KEOGH, Tim
  • MILITARY history
  • MILITARY science
  • NONFICTION
  • Subjects: WAR & the City: The Urban Context of Conflict & Mass Destruction (Book) KEOGH, Tim MILITARY history MILITARY science NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Zürich, Switzerland
  • Full Text Word Count: 633

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