Wolfgang Stürner, Die Staufer. Eine mittelalterliche Herrscherdynastie. Bd. 1: Aufstieg und Machtentfaltung (975 bis 1190). 2020 Kohlhammer Stuttgart, 978-3-17-022590-9, € 29,–
Nach knapp 50 Jahren hat der Kohlhammerverlag Odilo Engels' Taschenbuch über die Staufer nicht mehr nur neuaufgelegt, sondern Wolfgang Stürner beauftragt, ein neues Buch zu verfassen. Der erste Teil ist nun erschienen und profitiert dabei von dem neuen Erscheinungsbild der Reihe. Das Format ist gewachsen, für eine angenehme Lektüre sorgt nun ein Druckbild mit großzügigem Zeilenabstand und einzelne Abbildungen in Schwarz-weiß liefern zudem Anschauungsmaterial. Neu sind auch das Verzeichnis der einschlägigen Quellen und, besonders hervorzuheben, die Fußnoten oder genauer die Endnoten. Solche Vorteile gibt es nicht umsonst. Der Preis hat sich mehr als verdoppelt und wo einst ein Band genügte, wird man nun zwei ins Regal stellen müssen.
Aber es lohnt sich. Mit Wolfgang Stürner hat der Verlag nämlich einen Autor gewonnen, der zur schönen Aufmachung eine flüssig, teils auch spannend geschriebene Darstellung gesellt. Sie nimmt ihren Ausgang häufig in der Betrachtung der Quellen, folgt über weite Strecken der politischen Ereignisgeschichte und nutzt diese geschickt, um die Grundstrukturen der politischen Ordnung sichtbar zu machen. Dieses Vorgehen erlaubt es Stürner, das in den letzten 20 Jahren entstandene Bild von den frühen Stauferkönigen und ihrer konsensorientierten, von Rang- und Ehrfragen bestimmten Herrschaft aufzugreifen und zugleich eigene Akzente zu setzen. Zum Tragen kommt dies vor allem bei der Behandlung Friedrich Barbarossas, dem zwei Drittel der Darstellung gewidmet sind. Ihn zeichnet Stürner stärker als derzeit üblich als aktiven Herrscher, der sein in Italien geschärftes, auf zentrale Lenkung abzielendes Herrschafts- und Rechtsverständnis zur Not auch kompromisslos durchsetzen wollte. Zwar erkennt auch Stürner in der Suche nach dem Konsens der Fürsten die Grundlage für eine erfolgreiche Königsherrschaft. Doch zugleich wendet er sich gegen die Vorstellung eines von den Fürsten getriebenen Kaisers, etwa mit Blick auf den Vertrag von Venedig und den Sturz Heinrichs des Löwen. In erster Linie ist Friedrich Barbarossa für Stürner ein Herrscher, der den Frieden im Reich als Schlichter, Richter oder durch seine Landfriedensgesetze herzustellen suchte, und zwar häufig mit Erfolg. Ob Barbarossa durchgehend in solchen Kategorien dachte und danach handelte, sei dahingestellt. Heinrich den Löwen und Heinrich Jasomirgott söhnte er jedenfalls expressis verbis um des Familienfriedens willen aus. Auch dass von Ehre im Rückblick auf die Herrschaft und Konflikte Barbarossas dann gar keine Rede mehr ist, wirkt nicht minder diskussionswürdig. Das ändert aber nichts an der Güte dieses Buches, das ebenso als ein grundsolides Handbuch wie als eigenständige Stellungnahme zur jüngst erfolgten Neubewertung der frühen Staufer gelesen werden kann. Dass sich beides hier bestens miteinander verträgt, hat einen einfachen Grund. Dank der Anmerkungen kann Stürner seine Quellen nennen und darauf hinweisen, wem er folgt und wem er widerspricht, so dass der Leser sich selbst ein Bild machen kann.
By Hermann Kamp
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