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Benjamin Schulte, Veteranen des Ersten Weltkrieges. Der Kyffhäuserbund von 1918 bis 1933. Bielefeld, Transcript 2020.

Stegmann, Natali
In: Historische Zeitschrift, Jg. 313 (2021-08-01), Heft 1, S. 260-261
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Benjamin Schulte, Veteranen des Ersten Weltkrieges. Der Kyffhäuserbund von 1918 bis 1933. Bielefeld, Transcript 2020 

Benjamin Schulte, Veteranen des Ersten Weltkrieges. Der Kyffhäuserbund von 1918 bis 1933. 2020 Transcript Verlag Bielefeld, 978-3-8376-5089-1, € 55,–

Die Geschichte des Kyffhäuserbundes muss vor dem Hintergrund des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) verstanden werden: Die siegreichen Soldaten errichteten ihrem Kaiser auf dem Kyffhäuser ein Nationaldenkmal, ein zentrales nationalpolitisches Projekt. Nachdem es 1899 vollendet war, einte der Kyffhäuserbund die Kriegervereine des Deutschen Reichs. Schultes Abhandlung setzt nun 1918 ein, zu einem Zeitpunkt, als mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages Nationalismus und Kaisertreue keine naheliegenden Orientierungspunkte für die massenhaft und häufig verwundet aus dem Krieg heimkehrenden Soldaten mehr waren. Die Studie endet mit der Auflösung des Bundes nach der Niederlage in Stalingrad 1943. Sieg und Niederlage rahmen demnach die Organisations- und Deutungsgeschichte des Verbandes.

Methodisch fokussiert die Studie auf Kriegserfahrungen und betont den Konstruktionscharakter des Veteranenstatus, nicht zuletzt im Kontext sozialpolitischer Erfordernisse. Der Verfasser stellt wiederholt fest, der Bund habe sich 1918 und darüber hinaus im Sinne einer Abgrenzung gegen „links und rechts" mit der Weimarer Republik arrangiert (S. 62, 229, 257). Die Behauptung, der Kyffhäuserbund sei die „mit Abstand größte Veteranenorganisation" der Republik gewesen (S. 62), ist dabei zumindest irreleitend, denn wenn dies 1918 gestimmt haben mag, so war seit dessen Gründung im Jahr 1924 das republiktreue Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold tatsächlich an Mitgliedern stärker. Das Ineinssetzen von Bolschewismus und Nationalsozialismus („links und rechts") verstellt mithin den Blick auf diese Mehrheit jenseits des Nationalkonservativen.

Schultes Analyse stützt sich auf bislang nicht systematisch ausgewertete Periodika und andere publizistische Erzeugnisse des Bundes und geht über diese Binnenperspektive nur punktuell hinaus. Der Einleitung folgen vier Kapitel, die sich erstens der Vorgeschichte bis 1918, zweitens den Deutungskämpfen (Bildern der Vergangenheit), drittens der Organisationsgeschichte und den tagespolitischen Verwerfungen und viertens den Zukunftsvorstellungen widmen. Dieses Aufspannen eines zeitlichen Horizontes ist überzeugend. In Kapitel zwei geht es um die Ablehnung des Versailler Vertrages, „Kriegsschuldlüge" und „Dolchstoß", um das Beharren auf soldatischer Ehre und Kameradschaft. Kapitel drei zeigt die Bemühungen um eine Verbreiterung der beständig schwindenden Mitgliederbasis, insbesondere um Frauen und Jugendliche, das vergebliche Ringen um Neutralität bei den Reichskanzlerwahlen 1925 und 1933 (Hindenburg war der Ehrenpräsident des Bundes), um die Ablehnung des Internationalismus sowie um den Umgang mit dem kriegsbeschädigten Körper. Kapitel vier schließlich zeigt auf, wie der Kyffhäuserbund in der Erwartung eines neuen Krieges aktiv paramilitärisch tätig wurde und strategische Überlegungen anstellte. Der Systemwechsel von 1933, und hier schließt sich der Zeithorizont, konnte so als Erlösung, Hitler als Retter und die Einreihung an der Seite nationalsozialistischer Verbände als verspätete Rückkehr von der Front gedeutet werden.

Der Verfasser legt eine methodisch versierte und gründlich recherchierte Studie vor, welche die wesentlichen Elemente der Organisationsgeschichte und der ideologischen Auseinandersetzungen reflektiert. Dies geschieht jedoch überwiegend in einer Binnenperspektive. Ohne Referenz zu anderen deutschen und europäischen Veteranenverbünden bleibt die Analyse dabei letztlich der nationalen Perspektive ihres Gegenstandes- -– ob gewollt oder ungewollt – verhaftet. Vor dem Hintergrund einer differenzierten Forschungsdebatte über die politischen Orientierungen der europäischen Veteranenorganisationen zwischen Chauvinismus und Pazifismus, um Kulturen des Sieges und der Niederlage, ist dies ein schwerwiegendes Versäumnis.

By Natali Stegmann

Reported by Author

Titel:
Benjamin Schulte, Veteranen des Ersten Weltkrieges. Der Kyffhäuserbund von 1918 bis 1933. Bielefeld, Transcript 2020.
Autor/in / Beteiligte Person: Stegmann, Natali
Link:
Zeitschrift: Historische Zeitschrift, Jg. 313 (2021-08-01), Heft 1, S. 260-261
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0018-2613 (print)
DOI: 10.1515/hzhz-2021-1277
Schlagwort:
  • VETERANEN des Ersten Weltkrieges: Der Kyffhauserbund von 1918 bis 1933 (Book)
  • SCHULTE, Benjamin
  • WORLD War I
  • VETERANS
  • NONFICTION
  • Subjects: VETERANEN des Ersten Weltkrieges: Der Kyffhauserbund von 1918 bis 1933 (Book) SCHULTE, Benjamin WORLD War I VETERANS NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Universität Regensburg, Institut für Geschichte, Osteuropaforschung, Regensburg,, 93053, Germany.
  • Full Text Word Count: 521

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