Alan V. Murray, The Medieval Tournament as Spectacle. Tourneys, Jousts and Pas d'Armes, 1100–1600. Royal Armouries Research Series, Vol. 1. 2020 Boydell & Brewer Ltd. Woodbridge, 978-1-78327-542-7, £ 60,–
Die Forschung zum ritterlichen Turnier im Mittelalter gelang zu einem Durchbruch mit dem Sammelband von Josef Fleckenstein, der als Direktor des damaligen Max-Planck-Instituts für Geschichte in Göttingen im Jahr 1982 jene Tagung mit Experten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, der Schweiz, der damaligen Tschechoslowakei und Ungarn zusammenbrachte, deren Ergebnisse die Referenz für die weitere internationale und vergleichende Beschäftigung setzte (J. Fleckenstein, Das ritterliche Turnier im Mittelalter. Göttingen 1985). Zunächst in England, dann auch in deutscher Übersetzung haben Richard Barber und Juliet Barker eine Gesamtdarstellung der Geschichte des Turniers im Mittelalter geliefert, die sich großer Beliebtheit erfreut (R. Barber/J. Barker, Tournament. Woodbridge 1989; dies., Die Geschichte des Turniers. Darmstadt 2001). Zwischen Geschichte, Literatur und materieller Kultur hat sich das Turnier zwar in den letzten Jahrzehnten als Themenfeld fest etabliert, doch fand in Analogie zu den großen Turnieren des 13. Jahrhunderts im gleichen Zeitraum kaum eine Veranstaltung statt, auf der sich die internationalen „Mannschaften" begegnet sind.
Ausgehend von Sektionen auf dem International Medieval Congress an der Universität Leeds im Jahr 2018 haben die ausgewiesenen Spezialisten Alan Murray und Karen Watts in der neubegründeten Reihe der Royal Armouries als das nationale Museum für Waffen und Rüstungen im Vereinigten Königreich einen englischsprachigen Sammelband vorgelegt, der für eine internationale Forschungsgemeinschaft einerseits Ergebnisse der Forschung der letzten Jahrzehnte bündelt und andererseits aktuelle Tendenzen vorstellt. Erweitert wird das Angebot durch zahlreiche Abbildungen und eine sehr nützliche und aktuelle Auswahlbibliographie von Alan Murray zum Stand der Forschung zum Turnier (1100–1600) im Allgemeinen, und dann noch präzisiert zum Forschungsstand nach regionalen und thematischen Kriterien. Die folgenden zehn Beiträgen des Bandes reichen von Taktik und Ethos in der Darstellung von Turnieren im hochmittelalterlichen höfischen Roman über die Formen und Funktion des Turniers an den Höfen der englischen Könige Richard II. und Heinrich VIII., am burgundischen Hof Philipps des Guten, am Hof Maximilians I. bis hin zur Ausrüstung. Die Beiträge vereinen historische, literarische und materialitätsgeschichtliche Ansätze, unter denen letzterer im Vergleich zur Tagung von 1982 deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Im Sinne von Alan Murray ist zu wünschen, dass der Sammelband die Diskussion und die Zusammenarbeit zwischen Spezialisten fördere und dazu beitrage, Turniere als internationales und diverses Untersuchungsobjekt voranzutreiben (S. 6).
By Nils Bock
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