Jacco Pekelder, Der Kaiser und das „Dritte Reich". Die Hohenzollern zwischen Restauration und Nationalsozialismus. 2021 Wallstein-Verlag GmbH Göttingen, 978-3-8353-3956-9, € 22,–
Die Entschädigungsforderung der Hohenzollern, präziser eigentlich: Georg Friedrich Prinz von Preußens, sowie die öffentliche Debatte darüber haben das Interesse, auch das wissenschaftliche, an der Geschichte des „Hauses" Hohenzollern nach 1918 spürbar verstärkt. Zu den wissenschaftlichen bzw. wissenschaftsnahen Institutionen, die sich schon seit langer Zeit mit der Geschichte des ehemaligen preußischen Königs- und deutschen Kaiserhauses beschäftigen, gehört das Museum Huis Doorn in den Niederlanden. Das Herrenhaus Doorn in der Nähe von Utrecht war der Wohnsitz Wilhelms II. zwischen 1920 und seinem Tod 1941; der Besitz wurde nach 1945 enteignet und 1952 vom niederländischen Staat in eine Stiftung umgewandelt, um den Ort der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zusammen mit Jacco Pekelder und Joep Schenk, Historikern an der Universität Utrecht, hat das Museum 2020 die Ausstellung „De Keizer en het Derde Rijk" („Der Kaiser und das Dritte Reich") konzipiert. Der Begleitband zu dieser pandemiebedingt zunächst nur eingeschränkt geöffneten Ausstellung, verfasst von Pekelder und Schenk zusammen mit dem Ausstellungskurator Cornelis van der Bas, ist nun als Buchpublikation auch in deutscher Sprache erschienen.
Mit grundstürzend neuen Erkenntnissen wartet der Band nicht auf. Das war freilich auch nicht zu erwarten, weil es in der deutschen und internationalen Forschung einen konsolidierten Forschungsstand zur Rolle von Angehörigen des „Hauses" Hohenzollern im Zusammenhang mit dem Aufstieg und der Machtübernahme des Nationalsozialismus gibt. Das gilt ganz besonders für den ehemaligen Kronprinzen Wilhelm von Preußen. Ob sein Agieren in den Jahren um 1933 dem nationalsozialistischen Regime „erheblichen Vorschub" geleistet hat, wie es im für die Entschädigungsforderungen seines Urenkels Georg Friedrich Prinz von Preußen einschlägigen Gesetz von 1994 heißt, steht im Zentrum der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion. Das Entschädigungsinteresse Prinz von Preußens führte dabei zu einer zunächst rechtsgutachterlichen Kontroverse, die im weiteren Verlauf auch als wissenschaftliche Kontroverse erschien bzw. als solche dargestellt wurde, um dadurch die Entschädigungschancen der Familie zu erhöhen.
Das Buch erwähnt diese Entwicklungen zwar, es versteht sich aber nicht als Beitrag zu der Auseinandersetzung. Vielmehr richtet es aus der Distanz des Auslands nüchtern den Blick auf die unterschiedlichen Dimensionen und Facetten des Verhältnisses von Angehörigen des „Hauses" Hohenzollern zum Nationalsozialismus. Das Buch hat weder den Duktus eines Gerichtsgutachtens – und erst recht nicht einer Gefälligkeitsschrift –, noch argumentiert es geschichtspolitisch. Stattdessen trägt es die bisherigen Forschungserkenntnisse kompetent in einer so kompakten wie informativen Darstellung zusammen. Drei große Kapitel gelten dem ehemaligen Kaiser und seiner – zweiten – Frau Hermine, seinem viertältesten Sohn August Wilhelm von Preußen (Prinz „Auwi") sowie schließlich dem „Kronprinzen" Wilhelm und seiner Frau Cecilie. Deutlich wird dabei insbesondere, wie das Ziel einer Restauration der Monarchie durchgehend das politische Denken und Handeln der Protagonisten, am wenigsten noch bei August Wilhelm von Preußen, beherrschte, ebenso freilich, in welchem Maße dies insbesondere im Umfeld von 1933 auf eine Unterstützung der Nationalsozialisten hinauslief. Der Wert des Buches liegt dabei auch in den zahlreichen Bilddokumenten, die demonstrieren, auf welche Weise Angehörige des „Hauses" Hohenzollern ihr symbolisches Kapital einsetzten, um den aufsteigenden Nationalsozialismus zu unterstützen und sodann das junge NS-Regime zu stabilisieren. Im „Tag von Potsdam" erschöpfte sich das keineswegs. Dass sie von den neuen Machthabern rasch fallen gelassen wurden, war kein Akt des Widerstands, auch wenn das in den Entlastungserzählungen der Zeit nach 1945 vielfach so dargestellt wurde.
Mit dieser politischen Geschichte verweben die Verfasser die Geschichte des Bemühens der Familienmitglieder, allen voran der „Chefs des Hauses", um den Erhalt bzw. die Rückgewinnung verlorenen Eigentums und, vor diesem Hintergrund, um das Bild der Familie in der Geschichte. Das zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, das deswegen auch nicht 1945 endet, sondern bis an die Schwelle der Gegenwart führt. Hier werden Handlungsmuster erkennbar, deren Analyse sich gerade im Licht der gegenwärtigen Auseinandersetzungen durchaus lohnen dürfte. Da geht es um Kontinuitäten der Selbstdarstellung und Selbstinszenierung, um Geschichtsbilder, um den Umgang mit Kritik und Kritikern und um Strategien der Interessenwahrung. Jenseits der Hohenzollern und jenseits der im Kern beantworteten Frage nach ihrem Verhältnis zum Nationalsozialismus scheinen hier Forschungsperspektiven auf, die nicht nur für die Adelsgeschichte im engeren Sinne erhebliches Potential haben dürften.
By Eckart Conze
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