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Tonio Hölscher, Krieg und Kunst im antiken Griechenland und Rom. Vier Triebkräfte kriegerischer Gewalt: Heldentum, Identität, Herrschaft, Ideologie. (Münchner Vorlesungen zu Antiken Welten, Bd. 4.) Berlin/Boston, De Gruyter 2019.

Ellinghaus, Christian
In: Historische Zeitschrift, Jg. 313 (2021-11-01), Heft 3, S. 732-734
Online review

Tonio Hölscher, Krieg und Kunst im antiken Griechenland und Rom. Vier Triebkräfte kriegerischer Gewalt: Heldentum, Identität, Herrschaft, Ideologie. (Münchner Vorlesungen zu Antiken Welten, Bd. 4.) Berlin/Boston, De Gruyter 2019 

Tonio Hölscher, Krieg und Kunst im antiken Griechenland und Rom. Vier Triebkräfte kriegerischer Gewalt: Heldentum, Identität, Herrschaft, Ideologie. Münchner Vorlesungen zu Antiken Welten, Bd. 4. 2019 Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston, 978-3-11-054950-8, € 99,95

Tonio Hölscher beschreibt in seinem lesenswerten Buch den Einfluss des Krieges auf die Kunst der Antike. Dabei beschränkt er sich nicht auf die Analyse von Kampfdarstellungen, sondern betrachtet das breite Spektrum antiker Monumente wie Statuen, Siegesmonumente und Gebäude mit entsprechendem Bildschmuck. Bei der Analyse wird ein Bogen von der bemalten Keramik geometrischer Zeit im 8. Jahrhundert v. Chr. bis zum spätantiken Konstantinsbogen gespannt. Dabei greift Hölscher auf die Erkenntnisse seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit zurück, die sich eindrucksvoll in der Bibliographie (S. 349 ff.) niederschlägt. Er teilt die Antike in vier Abschnitte. Die geometrische (homerische) und archaische Zeit mit der Dominanz der Aristokraten sei durch Heldentum gekennzeichnet gewesen, während in klassischer Zeit durch die Besinnung auf die Polisgemeinschaft die Identität zum kriegerischen Antrieb geworden sei. Der Hellenismus, beginnend mit Alexander und der Errichtung großräumiger Monarchien, und die Zeit der römischen Republik mit dem expansiven Verhalten der Nobilität hätten den Willen zur Herrschaft als Motivation zur Kriegsführung gehabt. Die römische Kaiserzeit schließlich habe mit Blick auf die Stabilität des Reiches ein Konzept entwickelt, das durch staatliche Ideologie in Ritus und Traditionen Kontinuität gefunden habe.

In jedem Abschnitt dieser groben Struktur werden zahlreiche Monumente besprochen und deutend in den jeweiligen zeitlichen Kontext eingefügt. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass die Auslegung dieser Monumente in der Regel nicht durch antike Quellen gesichert ist, sondern allein durch Plausibilisierung erfolgt. Das Buch spiegelt Hölschers Sicht auf die Dinge wider. Andere Anschauungen sind jedoch ebenfalls möglich. So unterscheidet Hölscher die Bilder in Bildträger privaten Gebrauchs und Denkmäler im öffentlichen Raum mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung (S. 4 f.). Darüber hinaus werde die Aussage der Bilder durch den historischen Kontext beeinflusst. Das ist richtig, doch dürfen dabei nicht Traditionen oder Konstanten in der antiken Wahrnehmung von Bildern ausgeblendet werden. Als Beispiel führe ich das Thema der Amazonomachie an: In der Stoa Poikile aus der Zeit um 460 v. Chr. wird auf Tafelbildern das Thema der Amazonomachie u. a. mit der Schlacht bei Marathon kombiniert. Es handele sich hier um die Vergegenwärtigung des athenischen Kriegsruhms von mythischer Zeit bis zur Gegenwart (S. 107) und ein mythisches Vorbild für die Abwehr der Perser (S. 122). Die Amazonomachie auf dem Schild der Athena Parthenos mit Theseus und Daidalos als Mitkämpfer sei Ausdruck militärischer und kultureller Stärke und entspräche den Vorgaben des Perikles (S. 113). Am Parthenon sei die Amazonomachie der Westmetopen einer von mehreren mythischen Kämpfen der Athener gegen auswärtige Feinde, gleichgesetzt mit der in den Ostmetopen wiedergegebenen Gigantomachie mit Göttern (S. 118). Es seien Kämpfe gegen die Feinde griechischer Lebensordnung (S. 118, 120). Auf den attischen Vasenbildern seit den Perserkriegen zeige die Amazonomachie den Angriff der Frauen auf Athen und sei somit in Bezug auf den persischen Angriff zu sehen.

Statt derart wechselnde Deutungsmöglichkeiten zu bemühen, bietet es sich an, die Amazonomachie grundsätzlich als Paradigma für einen erfolgreichen Kampf von Athenern in der Frühzeit zu sehen, der mit den Schlachten gegen die Perser, aber auch gegen die Spartaner und zukünftige Gegner in einer zeitlichen Abfolge betrachtet wird. Athenische Sieghaftigkeit strahlt in die Zukunft. Auf diese Weise ließen sich auch spätere von Hölscher ausgeklammerte Monumente mit einem Amazonenfries deuten wie das Grab des Metöken Nikeratos in Kallithea aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., der die militärische Leistung Athens akzeptierte und sich so in dessen Gesellschaft integrierte, sowie das Maussoleion des persischen Satrapen Maussolos von Halikarnassos, der sich ebenfalls zu griechischen Vorbildern bekannte.

By Christian Ellinghaus

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Titel:
Tonio Hölscher, Krieg und Kunst im antiken Griechenland und Rom. Vier Triebkräfte kriegerischer Gewalt: Heldentum, Identität, Herrschaft, Ideologie. (Münchner Vorlesungen zu Antiken Welten, Bd. 4.) Berlin/Boston, De Gruyter 2019.
Autor/in / Beteiligte Person: Ellinghaus, Christian
Link:
Zeitschrift: Historische Zeitschrift, Jg. 313 (2021-11-01), Heft 3, S. 732-734
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0018-2613 (print)
DOI: 10.1515/hzhz-2021-1386
Schlagwort:
  • KRIEG und Kunst im antiken Griechenland und Rom. Vier Triebkrafte kriegerischer Gewalt: Heldentum, Identitat, Herrschaft, Ideologie (Book)
  • HOLSCHER, Tonio, 1940-
  • COURAGE
  • IDEOLOGY
  • NONFICTION
  • Subjects: KRIEG und Kunst im antiken Griechenland und Rom. Vier Triebkrafte kriegerischer Gewalt: Heldentum, Identitat, Herrschaft, Ideologie (Book) HOLSCHER, Tonio, 1940- COURAGE IDEOLOGY NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Tonio Hölscher, War and Art in Ancient Greece and Rome. Four driving forces of warlike violence: heroism, identity, domination, ideology. (Munich Lectures on Ancient Worlds, Vol. 4.) Berlin / Boston, De Gruyter 2019.
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Gütersloh, Germany.
  • Full Text Word Count: 631

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