Patrick Reinard, Geschichte auf Scherben. Das Leben in der östlichen Wüste Ägyptens in römischer Zeit. 2020 Computus Druck Satz & Verlag Gutenberg, 978-3-940598-47-9, € 20,–
Studierende an Grundwissenschaften heranzuführen, ist mitunter kein leichtes Unterfangen: Der große Respekt vor der Arbeit mit nichtliterarischen Zeugnissen oder fehlende Sprachkenntnisse schrecken Studierende häufig ab. Dabei gewähren gerade Papyri, Inschriften und Ostraka einen unmittelbaren Einblick in die Lebenswelt der Bevölkerung des Imperium Romanum jenseits der Eliten. Schafft man es trotz Anfangsschwierigkeiten, das Interesse der Studierenden zu wecken, dann lässt sich häufig beobachten, wie motivierend der grundwissenschaftliche Zugang ist und wie viel Arbeit Studierende dann für die Veranstaltung aufwenden – so offensichtlich auch in diesem Fall: Eine Einführungsveranstaltung zu den griechischen und lateinischen Ostraka führte zunächst zu einer studentischen Ausstellung an der Universität Trier (und andernorts) und schließlich, ermöglicht durch einen Lehrpreis, zu vorliegender Publikation.
Das Buch ist zweigeteilt: Der erste Teil umfasst neben Geleitwort, Vorwort und Einleitung insgesamt sieben Beiträge, davon sechs aus studentischer Feder sowie einer vom Seminarleiter und Herausgeber Patrick Reinard. Der zweite Teil stellt einen rund fünfzigseitigen Katalog der insgesamt 119 Ostraka, Papyri und Inschriften dar, die in den vorherigen Aufsätzen behandelt und sowohl in Originalsprache als auch in Übersetzung präsentiert werden.
Die Beiträge geben einen Überblick über wichtige Aspekte des Alltagslebens in der östlichen Wüste Ägyptens, deren unwirtlicher Lebensraum an der Peripherie des Imperium Romanum Spezifika aufwies: Prägend waren einerseits die Lage als Grenzzone, durch den der Handel mit Indien floss, und andererseits die Steinbrüche wie beispielsweise die des Mons Claudianus. Beide Faktoren machten die engmaschige militärische Stationierung u. a. zum Schutz vor Überfällen notwendig, was wiederum zum Ausbau der Wasserversorgung und – aufgrund des demographischen Überhangs an Männern – zur Präsenz von Prostituierten führte.
Die Kombination von Ostraka, Papyri und Inschriften liefert somit wichtige Erkenntnisse zu Verwaltung, Arbeitsbedingungen, Preis- und Ernährungssituation, Sicherheit, geschlechtsspezifischen Lebensbedingungen mit ihren unterschiedlichen ökonomischen Chancen, aber auch zur Verbreitungsgeschwindigkeit imperialer Nachrichten. Die Beiträge zeichnen sich durch ihren quellennahen Zugang aus, was den Sammelband auch für methodisch orientierte Quellenübungen attraktiv macht. Dazu trägt insbesondere auch der Katalog bei: So können auch diejenigen Studierenden ohne (ausreichende) Griechisch- oder Latein-Kenntnisse die Beiträge diskutieren und anhand der Zeugnisse überprüfen. Daher sei der Sammelband zum einen für die Lehre, zum anderen auch all denjenigen empfohlen, die einen Einblick in das Alltagsleben in einer spezifischen Region des kaiserzeitlichen Ägyptens gewinnen wollen.
By Dorothea Rohde
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