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Allen E. Jones, Death and Afterlife in the Pages of Gregory of Tours. Religion and Society in Late Antique Gaul. (Social Worlds of Late Antiquity and the Early Middle Ages.) Amsterdam, Amsterdam University Press 2020.

Stüber, Till
In: Historische Zeitschrift, Jg. 313 (2021-11-01), Heft 3, S. 766-767
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Allen E. Jones, Death and Afterlife in the Pages of Gregory of Tours. Religion and Society in Late Antique Gaul. (Social Worlds of Late Antiquity and the Early Middle Ages.) Amsterdam, Amsterdam University Press 2020 

Allen E. Jones, Death and Afterlife in the Pages of Gregory of Tours. Religion and Society in Late Antique Gaul. Social Worlds of Late Antiquity and the Early Middle Ages. 2020 Amsterdam University Press Amsterdam, 978-94-6298-804-0, € 109,–

Der geschichtsschreibende Bischof Gregor von Tours (538–594) zählt sicher zu den meiststudierten Autoren des Frühmittelalters. Das verwundert nicht, denn ohne sein umfangreiches Œuvre wüssten wir von der frühen Merowingerzeit weitaus weniger als ohnehin schon. Allen E. Jones, bereits durch seine Arbeit zur „Social Mobility in Late Antique Gaul" (2009) ein ausgewiesener Gregor-Kenner, wendet sich nun zwei Themen zu, die in der bisherigen Forschung nicht primär im Fokus standen. „Death and Afterlife" – hierunter versteht Jones Todesbeschreibungen und jenseitige Retaliationen für Wohl- und Fehlverhalten – sind in vielen Arbeiten zu Gregor zwar immer wieder gewürdigt worden, eine systematische Untersuchung lag bisher, jedenfalls nach Kenntnis des Rezensenten, noch nicht vor. Diese Lücke will der Verfasser schließen. Dabei sind „Death and Afterlife" für Jones allerdings weitaus mehr als zwei vernachlässigte Aspekte, unter denen sich das Schaffen eines bedeutenden Autors untersuchen lässt. Für ihn handelt es sich um nicht weniger als den Schlüssel zum Verständnis von Gregors Werk. Gregor habe, so die Hauptthese des Buches, nachgerade seine „Historien" mit einer schlechthin pastoralen Zielsetzung geschrieben.

Jones stellt zu Recht fest, dass Gregor das gottgefällige Leben der Heiligen und die frevelhaften Taten der Sünder, die er mixte confuseque (vgl. Prolog zu Buch II) nebeneinanderstellt, fast immer mit Blick auf das Ende seiner Protagonisten beschreibt. Wenn Gregor besondere Sorgfalt darauf verwendet, die Akteure nach ihrem Tod entweder im Himmel oder der Hölle zu verorten, dann habe dies gleichsam didaktische Zwecke. Die Leser sollten sich an den abschreckenden bzw. erstrebenswerten Geschicken ein Beispiel nehmen, um ihr eigenes Seelenheil zu retten. Gregor schrieb Geschichte(n), „not simply because he enjoyed chronicling salvific and retributive miracles, although he obviously did, but to edify with the intent of ushering souls to heaven" (S. 142). Unplausibel ist diese Hypothese nicht, denn dass Gregors Werke – und nicht nur die „Miracula" – einen starken paränetischen Einschlag haben, wird man kaum bestreiten können. Auch ist es an sich gut vorstellbar, dass die traumatischen Bruderkriege, die der Touraine besonders zu Beginn von Gregors Pontifikat zu schaffen machten, für den Autor den Ausschlag gaben, sich der – pastoral motivierten – Geschichtsschreibung zuzuwenden. Im Anschluss an eine These Guy Halsalls stellt Jones fest: „It was not simply death and destruction that caused Gregory to augment his fledgling hagiographical writing program in the mid-570s with history; rather, it was an immeasurable increase in the loss of souls which the civil war was producing" (S. 272). Allerdings müssen diese Hypothesen, so plausibel sie scheinen mögen, letztendlich doch Spekulation bleiben; ein sicherer Beweis lässt sich weder dafür noch dagegen erbringen. Auch die hierfür in Anschlag gebrachten Jahresberechnungen am Schluss der Bücher IV und X (S. 105–111) lassen andere Interpretationsmöglichkeiten zu als die von Jones favorisierten.

Der Verfasser gliedert sein Buch, dem Titel entsprechend, in zwei Hauptteile: „Death" (S. 25–142) und „Afterlife" (S. 143–296). Breiten Raum nimmt im ersten Teil die Frage ein, welche Rolle der Tod nicht nur in Gregors Schriften, sondern auch in dessen persönlicher Biographie gespielt habe, daneben wendet sich Jones auch dem intellektuellen Werdegang Gregors zu. Besonders gelungen scheint dem Rezensenten der Abschnitt „Becoming Gregory II" (S. 66–76), worin Jones aufzeigt, auf welche Weise kirchlicherseits Dämonenbeschwörungen und Heilungswunder inszeniert werden konnten – es handelt sich bei den Indizien, die Jones zusammenträgt, um ein gutes Stück Detektivarbeit.

Im zweiten Teil zeichnet Jones nach, was Gregor über den Heilsstand verstorbener Personen zu berichten weiß und welcher sprachlicher Mittel er sich hierzu bedient. Hervorzuheben sind etwa die gut recherchierten Abschnitte zu den von Gregor genutzten Vokabeln, die die Verdammnis bzw. die Errettung von berüchtigten Bösewichtern und Heiligen signalisieren (migrare, transire, interitus, obitus, spiritum exhalare etc.). Erwartungsgemäß liegt ein Schwerpunkt auf dem „Afterlife" der verstorbenen Merowinger, eine für Gregor zentrale Thematik, die Jones ausführlich behandelt (S. 201–273). Besonders interessant, da am wenigsten eindeutig, ist hier sicher der Fall Chlodwigs: Jones kann aufzeigen, dass Chlodwig in Gregors Darstellung aller Atrozitäten zum Trotz als guter Herrscher gilt, als gottesfürchtiges Modell, an dem sich spätere Generationen orientieren konnten.

Ungeachtet vereinzelter Mängel – genannt sei nur der Hang des Verfassers zu ausgedehnten, nicht immer nachvollziehbaren Spekulationen (z. B. S. 284–289) – handelt es sich um einen durchaus hilfreichen Beitrag zur Historiographie des Frühmittelalters. Jones vermag den Quellen vielfach Neues zu entlocken und erweitert damit unsere Kenntnisse über den wohl wichtigsten Autor der Merowingerzeit.

By Till Stüber

Reported by Author

Titel:
Allen E. Jones, Death and Afterlife in the Pages of Gregory of Tours. Religion and Society in Late Antique Gaul. (Social Worlds of Late Antiquity and the Early Middle Ages.) Amsterdam, Amsterdam University Press 2020.
Autor/in / Beteiligte Person: Stüber, Till
Link:
Zeitschrift: Historische Zeitschrift, Jg. 313 (2021-11-01), Heft 3, S. 766-767
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0018-2613 (print)
DOI: 10.1515/hzhz-2021-1402
Schlagwort:
  • DEATH & Afterlife in the Pages of Gregory of Tours: Religion & Society in Late Antique Gaul (Book)
  • JONES, Allen E.
  • GAUL, Antique
  • AFTERLIFE
  • NONFICTION
  • Subjects: DEATH & Afterlife in the Pages of Gregory of Tours: Religion & Society in Late Antique Gaul (Book) JONES, Allen E. GAUL, Antique AFTERLIFE NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Allen E. Jones, Death and Afterlife in the Pages of Gregory of Tours. Religion and Society in Late Antique Gaul. (Social Worlds of Late Antiquity and the Early Middle Ages.) Amsterdam, Amsterdam University Press 2020.
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Freie Universität Berlin, Friedrich-Meinecke-Institut, Berlin,, 14195, Germany.
  • Full Text Word Count: 788

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