Darius Adamczyk, Monetarisierungsmomente, Kommerzialisierungszonen oder fiskalische Währungslandschaften? Edelmetalle, Silberverteilungsnetzwerke und Gesellschaften in Ostmitteleuropa (800–1200). DHI Warschau. Quellen und Studien, Bd. 38. 2020 Harrassowitz Verlag Wiesbaden, 978-3-447-11464-6, € 64,–
Thema der Untersuchung sind die im frühen und hohen Mittelalter im Ostseeraum sowie im östlichen Europa verbreiteten Silberhorte und ihre wirtschafts- und kulturgeschichtliche Interpretation. Adamczyk betrachtet diese archäologische Fundgruppe als Historiker und analysiert die sich nach seinem Verständnis aus den Schlussmünzen ergebenden Verbergungszeitpunkte und die Zusammensetzung der Schätze sowohl typologisch als auch hinsichtlich der Herkunft der enthaltenen Münzen, Schmuckobjekte und ihrer Fragmentierungen. Aus der Häufigkeit und geografischen Schwerpunktbildung sowie dem Wandel ihrer Zusammensetzungen sucht Adamczyk geschichtliche und ökonomische Entwicklungen abzulesen. Er will den vermeintlich entstandenen Eindruck überprüfen, „dass die Nutzung von Edelmetallen als Zahlungsmittel sowie die Ausbreitung des Marktes und einer ökonomischen Handlungslogik im Leben der betreffenden Gesellschaften weit fortgeschritten waren" (S. XI), und sich bemühen, in der bisherigen Forschung vorhandene „Denk- und Herangehensweisen in Einklang zu bringen, also zwischen dem Zufluss von Edelmetallen, das heißt der äußeren Zirkulation, und dem innergesellschaftlichen Umlauf zu unterscheiden" (S. XXI).
Diesen Anspruch kann die Arbeit, die ohne die Rezeption der archäologischen Diskussion um Horten und Deponieren auszukommen glaubt und auf die Vergleiche erleichternde Vorlage eines Kataloges der analysierten Horte verzichtet, nicht halten. Ihre Einordnung „in den historischen Zusammenhang anhand schriftlicher Quellen" (S. XXII) ist methodisch einseitig. Es geht Adamczyk um die Frage, wer die Idee aufbrachte, an den großen Flüssen der Waldsteppenzone abbasidische Silberprägungen gegen Felle und andere Produkte des Waldes einzutauschen und den Bewohnern das so erworbene Edelmetall als Tribut gleich wieder abzunehmen. Wie fanden diese „Dirhemverteilungsnetzwerke" (S. 16 f.) auch an den zur Ostsee verlaufenden Flüssen Nachahmer skandinavischer Herkunft? Wirkte das im 10. Jahrhundert von den transoxanischen Samaniden geprägte Silber für Ostmitteleuropa wie ein „massives Konjunkturprogramm" (S. 44), dem Piasten und Kiewer Rus' ihren Aufstieg verdankten? Führte die von den slawischen Fürsten angestrebte „Endogenisierung der Silberabschöpfung" durch eigene Prägungen und Imitationen westlicher Münzen im 11./12. Jahrhundert zur Entstehung einer hybriden, „verschiedene fiskalische, politisch-repräsentative und kommerzielle Elemente umfassende[n] Wirtschaftsform", die als „Burgwallökonomie" bezeichnet werden kann (S. 221)? Ob die Horte ohne die Konfrontation mit den Texten nicht auch andere Schlüsse zugelassen hätten, steht für Adamczyk nahezu außer Frage. So wurde das Potential vergeben, dem Phänomen auf der Basis aktueller transdisziplinärer Forschungen näherzukommen, ohne es in ein Korsett moderner wirtschaftswissenschaftlicher Terminologie zu pressen.
By Matthias Hardt
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