Johannes Mötsch, Das Benediktinerinnenkloster Rohr. Regesten zur Klostergeschichte. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Große Reihe, Bd. 22. 2020 Böhlau (Köln) Köln, 978-3-412-51731-1, € 55,–
Das Kloster für adlige Damen im thüringischen Rohr (nicht zu verwechseln mit dem Benediktinerkloster zu Rohr in Niederbayern) wurde um 1200 gegründet und unterstand dem Abt von Fulda. Ein vom Abt eingesetzter Propst war geistliches und wirtschaftliches Oberhaupt des Konvents adliger Damen, deren Äbtissinnen die inneren Verhältnisse regelten und dabei nicht selten in Konflikte mit den Pröpsten gerieten. Aufgrund ausgedehnter Besitzungen und Verbindungen zum lokalen Adel bildete das Kloster ein bedeutendes Element in der Geschichte und vor allem der wirtschaftlichen Entwicklung der Region.
Der Landeshistoriker Hermann Pusch konnte in seinen Regesten (Kloster Rohr, 1932) in großen Teilen nur auf ein Kopialbuch sowie Abschriftsammlungen zurückgreifen (vgl. zur Archivgeschichte S. 257 f.), weil das Klosterarchiv als verschollen galt; es wurde unlängst durch Jörg Brückner in Wernigerode wiederentdeckt (heute Archiv der Fürsten zu Stolberg-Wernigerode, Schlossgut Luisenlust in Hirzenhain). Dies war der Anlass für Johannes Mötsch, den Quellenkomplex zum Kloster Rohr „auf einer überprüften und ergänzten Quellengrundlage" (S. 8) zu überarbeiten und neu zu publizieren. Mötsch, pensionierter Leiter des Staatsarchivs Meiningen, ist als Bearbeiter der Regesten des Archivs der Grafen Henneberg-Römhild (2 Bde., 2006) ausgewiesener Kenner der Materie, denn die Grafen waren im Spätmittelalter Schirmvögte von Rohr. Mötsch entschied sich wie schon Pusch für die Regestenform, zumal inzwischen zahlreiche Originalurkunden digital zur Verfügung stehen (arcinsys Hessen und weitere Portale).
Den Auftakt zur eigentlichen Klostergeschichte bilden zehn Nummern aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Es handelt sich um Schenkungen an ein fuldisches Nebenkloster für Männer am selben Ort, das Anfang des 10. Jahrhunderts nicht mehr bestand und einem Königshof Platz machte, der den Schauplatz ottonischer Herrscheraufenthalte von 926 bis 1003 bildete.
Im Zentrum des Bandes stehen die 237 Regesten zur Klostergeschichte. Die Überlieferung setzt 1206 ein, als das Kloster bereits bestand. Zum 13. Jahrhundert werden 38 Regesten verzeichnet; der Schwerpunkt der Überlieferung liegt mit 134 Nummern im 14. und 15. Jahrhundert. 98 Stücke des 16. Jahrhunderts zeugen vor allem von zähen Auseinandersetzungen zwischen Kloster Fulda und den Grafen von Henneberg um Besitz und Gerechtsame, denn das Kloster wurde nach Einführung der Reformation durch die Henneberger bis Ende des 16. Jahrhunderts aufgehoben. Die Archivalien wurden durch Verkäufe und Erbteilungen in den folgenden Jahrhunderten stark zerstreut. Die den Regesten zugrunde liegenden Stücke stammen daher aus einer Vielzahl von Archiven, neben dem erwähnten Privatarchiv auch aus Staatsarchiven mehrerer Länder (u. a. Würzburg, Magdeburg, Meiningen). Umfangreiche Anhänge mit Aktenstücken juristischen und wirtschaftsgeschichtlichen Inhalts von 1460 bis 1648 beschließen den Band, der überdies mit Personal- und Besitzlisten, Verzeichnis der Siegel sowie Orts- und Personenregister keine Wünsche offen lässt.
By Letha Böhringer
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