Brian Patrick McGuire, Bernard of Clairvaux. An Inner Life. 2020 Cornell University Press Ithaca, NY, 978-1-5017-5104-2, $ 34,95
Angesichts der drohenden methodischen Untiefen gehört einiger Mut dazu, eine Biographie mit dem Untertitel „An Inner Life" zu veröffentlichen. McGuire will so andeuten, dass er Erleben, Wahrnehmungen und Selbstwahrnehmungen des großen Zisterzienserabtes Bernhard zum Angelpunkt der Lebenserzählung nimmt. Seine wichtigsten Quellen, die Briefe Bernhards und die „Vita prima" (zu den Quellen S. 251–255), liest er mit hoher Empathie als Zeugnisse der Beziehungen, in welchen Bernhard sich entwickelte, sowie seiner handlungsleitenden Motive, soweit sie sich in dichter Lektüre erschließen lassen. McGuire weiß, dass er dabei gelegentlich spekulativ vorgehen muss (S. 73 u. ö.). Der Versuch soll dazu dienen, die vielen, oft als auseinanderklaffend wahrgenommenen Facetten Bernhards anhand des roten Fadens einer inneren Biographie zusammen zu denken und zu halten – eine Art Gegenentwurf zu Michael Clanchys Abaelard-Biographie, die nur noch ein Sein in Rollen kennt. Manchmal möchte man McGuire Mut machen, dieses Zusammendenken noch etwas weiter zu treiben. So könnte man im Blick auf Bernhards Engagement für den Zweiten Kreuzzug und die Templer neben dem von McGuire zu Recht hervorgehobenen ritterlichen Hintergrund Bernhards auch in Anschlag bringen, dass er die Heiligen Stätten auf eine visionäre Weise beschrieb, die seinen mystischen Hoheliedpredigten nahekam. Der Verfasser lässt erkennen, dass er durchaus cum ira et studio schreibt. Er will Bernhard als den „ersten Europäer" (S. 247) präsentieren, wozu neben einer tour d'horizon durch dessen europäische Wirkung (eindrucksvoll das sechste Kapitel) auch gehört, ihn mit den Werten des heutigen Europa zu konfrontieren. Dass die berühmte Kontroverse mit Abaelard da zu Irritationen führen muss, ist klar, und McGuire legt gleich an zwei Stellen dieses Buches (S. 141–150 u. 289 ff.) seine eigenen Schwierigkeiten, Bernhard hier nachzuvollziehen, offen. Aber er wirbt auch dafür, nicht dem einfachen Narrativ zu folgen, das Abaelard auf Seiten der Aufklärung und Modernisierung sieht und Bernhard als Ewiggestrigen. Beide haben auf je ihre Weise zur Transformation des Christentums im 12. Jahrhundert beigetragen (S. 150). Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll gewesen, die politische Agenda Bernhards noch etwas schärfer auszuarbeiten, auch in der hochpolitischen Schrift „De consideratione" für Eugen III., die durch die Deutung als Testament Bernhards (S. 208 ff.) stark ins Persönliche gezogen wird.
McGuire verliert sich aber nicht in Bernhard-Apologie. Er legt durchweg offen, auf welche Quellen er sich mit seinen Aussagen bezieht bzw. wo er sich räsonierend von ihnen löst. Zudem stellt er in 15 Erörterungen am Ende des Buches seine Einschätzungen zu Forschungsproblemen dar, besonders lesenswert ist der kundige Überblick über Bernhard-Biographien (S. 255–266). So bietet McGuire eine Biographie, die in ihrer Widerständigkeit gegenüber gegenwärtigen kulturwissenschaftlichen Diskursen zu lesen lohnt, wenn man bereit ist, Selbstverständlichkeiten in Frage stellen zu lassen.
By Volker Leppin
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