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Heimatzeitschriften.

Schirmer, Corinna
In: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 259-260
Online review

Heimatzeitschriften  TILMAN KASTEN, ELISABETH FENDL (Hg.): Heimatzeitschriften. Funktionen, Netewerke, Quellenwert (Schriftenreihe des Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa 18), Münster: Waxmann 2017, 335 S. ISBN: 978-3-8309-3774-6.

Das vorliegende Buch wurde von Tilman Kasten und Elisabeth Fendl herausgegeben und geht auf eine Arbeitstagung zum Thema 'Heimatbriefe' der Deutschen aus dem östlichen Europa nach 1945 zurück. Es stellt eine hilfreiche überblicksartige Einführung in die Thematik dar. Die Tagung fand vom 26.-28. Oktober 2016 im Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa in Freiburg statt. Die Beiträge geben Einblicke in unterschiedliche Formen von Publikationen der Ostvertriebenen, die von Heimatbriefen bis Heimateeitschriften reichen und von denen einzelne Formen in den Beiträgen des Sammelbandes näher beleuchtet und in ihrem Quellenwert sowie ihrer Aussagekraft über politische sowie identitätskonstruierende Ambitionen eingeordnet werden.

Tilman Kasten, Gregor Ploch und Albert A. Feiber führen in das Sujet der Heimatbriefe ein. Kasten erläutert die Begrifflichkeiten des Kompositums 'Heimatvertriebenenpresse', setet sie in ihre soziohistorischen Kontexte und gibt den Forschungsstand wieder (S. 9-38). Ploch stellt den Heimatbrief der Katholiken des Erzbistums Breslau vor und gibt einen Überblick über dessen Geschichte wie auch eine kulturhistorische sowie identitätspolitische Einordnung (S. 95-112). Albert A. Feiber durchleuchtet die Differenz zwischen zeitgenössischen Quellen und rückblickender Erinnerung und stuft Heimatbriefe als interessante Quellengattung ein, die genau dort einseteen (S. 173-198). Aufgrund dieser Tatsache ruft Feiber zu weiterer Forschung auf -- unter Berücksichtigung der stark variierenden Bedeutung sowie des Quellenwerts der Heimatbriefe -- und schließt sich somit Ploch und Kasten an.

Wolfgang Kessler 'Lionel Picard' Harald Lönnecker und Beata Mache widmen sich der Quellengattung 'Heimatblätter' und geben Einblick in verschiedene Publikationen, deren Vorläufer und Hintergründe sowie Bearbeitung, Methodik und Einordnung. Kessler konstatiert, dass die regionale oder gruppenspezifische Publikationsform über ihren anvisierten Adressat*innenkreis hinaus bislang wenig Beachtung gefunden habe (S. 39-76). Picard fragt nach der Bewertungsmöglichkeit schlesischer Heimatblätter durch eine politische Komponente (S. 77-94). Am Beispiel des 'Graf- schafter Boten' analysiert er mögliche politische Zusammenhänge der identitätsstiftenden Blätter, die als Verbindung zwischen Alt und Neu Teil einer Erinnerungspolitik sind und fasst zusammen: "Tout est politique!". Lönnecker wirft ein Schlaglicht auf akademische Heimatblätter und führt an, dass die Forschung hierzu bislang dünn und aufgrund von Schwierigkeiten bei Nuteung und Zugang auch zukünftig kaum mit einer ausführlicheren Bearbeitung der Blätter zu rechnen sei (S. 133-150). Mache gibt einen Werkstattbericht über die Forschung zur Beziehung vertriebener Posener Juden zu ihrer Heimat bis 1938 und erläutert Vorgehen, Zielseteung sowie relevante historische Kontexte, Akteur*innen und Inhalte (S. 257-274).

Jana Noskovas, Sandra Kreisslova, Miriam Braun, Sarah Scholl-Schneider und Jan Lipinsky beleuchten Heimateeitschriften und ordnen diese in ihre gesellschaftlichen Kontexte und Forschungsdiskurse ein. Noskova beschäftigt sich zum einen mit Soziolekten als Gegenstand erinnerungspolitischer Kontroversen am Beispiel des 'Brünner Heimatboten' und dessen Liedbeilage 'Ich bin aus Brünn' der Ausgabe von 1953 (S. 113-132). Zum anderen legt sie gemeinsam mit Kreisslova einen Studienbericht vor, der Konstruktionen von Heimatbildern in Heimateeitschriften behandelt (S. 199-236). Die regionenübergreifende Untersuchung zeigt auf, dass Heimatberichte multifunktional sind: Loslösung von der alten Heimat durch pejorative Zuschreibungen scheinen ebenso wichtig wie Informationsmöglichkeiten über Reisen in die alte Heimat. Braun gibt einen Werkstattbericht zu Netewerken der Karlsbader Zeitung und kommt bei der Analyse des Organs als "Akteur innerhalb der Netewerke" sowie als eigenes "Handlungsfeld" zu dem Schluss, dass ein netewerktheoretischer Zugang einen geringen Einblick in das Netewerk des Mediums geben kann und eine umfangreichere Erforschung der Zeitung im Kontext weiterer Heimateeitschriften wünschenswert sei (S. 151-172). Scholl-Schneider geht ebenfalls auf Heimatreisen ein und gibt eine Literaturübersicht sowie Einblick in den teils empirischen Quellenzugang (S. 237-256). Darüber hinaus unternimmt sie den "Versuch einer Reise-Rekonstruktion". Scholl-Schneider empfiehlt eine Methodenkombination und die Beschäftigung mit unterschiedlichsten Typen von Periodika. Heimateeitschriften werden als identitätsstiftende Medien eingeordnet, die gegen das Vergessen agieren und Rückschlüsse auf politische Auffassungen, Akteur*innen, Zielseteungen sowie Aushandlungsprozesse geben.

Lipinsky bestätigt diese Einschäteungen und geht auf das Sujet im Kontext der Bestände des Herder-Instituts ein (S. 275-292). Er gibt einen Überblick der Sammlungstätigkeit des Instituts. Hier schließt sich Ingrid Sauer an, die sich den Beständen des Sudetendeutschen Archivs widmet (S. 293-308), dessen Geschichte und die dort lagernden Quellen zur Erforschung der Heimatpresse vorstellt und zudem die Organe der Heimatpresse als Informationsmedien mit moralischer Ausrichtung klassifiziert. Ein Einblick in die Heimatpressesammlung der Martin-Opite-Bibliothek gibt Hans-Jakob Tebarth (S. 309-324), der auf die Heterogenität der Heimatpresse hinweist, welche gerade auch in Bezug auf neuere Bestrebungen der Digitalisierung der Bibliotheksbestände augenfällig wird. Tilman Kasten beschließt den Band mit einem Hinweis auf das Online-Handbuch Heimatpresse, das sich als erste quellenkritische Annäherung an die Quellen versteht (S. 325-330).

Die Beiträge verdeutlichen den Quellenwert der Vertriebenenpresse, die nicht nur im Kontext identitätspolitischer Überlegungen ein untersuchenswertes Sujet darstellt. Das heterogene Quellenmaterial bietet sich dabei für multimethodische wie transdisziplinäre Zugänge und divergente Forschungsperspektiven an.

By Corinna Schirmer, Bonn

Titel:
Heimatzeitschriften.
Autor/in / Beteiligte Person: Schirmer, Corinna
Link:
Zeitschrift: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 259-260
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0035-4473 (print)
Schlagwort:
  • HEIMATZEITSCHRIFTEN: Funktionen, Netzwerke, Quellenwert (Book)
  • KASTEN, Tilman
  • FENDL, Elisabeth
  • SOCIOHISTORICAL analysis
  • NONFICTION
  • Subjects: HEIMATZEITSCHRIFTEN: Funktionen, Netzwerke, Quellenwert (Book) KASTEN, Tilman FENDL, Elisabeth SOCIOHISTORICAL analysis NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Full Text Word Count: 784

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