Zum Hauptinhalt springen

Brennpunkte der Jülicher Stadtgeschichte 1921-1942.

Saam, Alena
In: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 353-354
Online review

Brennpunkte der Jülicher Stadtgeschichte 1921-1942  GÜNTER BERS: Brennpunkte der Jülicher Stadtgeschichte 1921-1942. Eine Aufsatzsammlung (Forum Jülicher Geschichte 72), Jülich: Verlag der Joseph-KuhlGesellschaft e.V. 2018, 180 S. ISBN: 978-3-949568-17-2.

Günter Bers und Dieter P.J. Wynands nehmen sich mit der Publikation ,Brennpunkte der Jülicher Stadtgeschichte' insgesamt sieben historische Schlaglichter in den Jahren 1921 bis 1942 vor. Mit der Publikation möchten sie einerseits die politische Vergangenheit aufarbeiten und die ,örtliche Erinnerungskultur' erweitern, andererseits nachfolgende, tiefergehende Forschungen anstoßen. Gleich zu Beginn wird von Günter Bers die schwierige Quellenlage betont, die den Kriegszerstörungen geschuldet sei. Die Quellengrundlage bilden deswegen neben den spärlich überlieferten Akten im Stadtarchiv Jülich und im Landesarchiv NRW häufig Zeitungsartikel. Der Fokus der Publikation liegt auf ,Ideen und Geistesströmungen', deren Untersuchung während der turbulenten wirtschaftlichen und politischen Jahre zwischen 1921 bis 1942 gerade für eine Stadt wie Jülich mit einer starken katholischen Prägung spannend erscheint.

Der erste Beitrag widmet sich Carl Dank, einem aktiven kommunistischen Funktionär in Jülich, dessen Lebensweg als ein ,typisches' Beispiel eines Kommunisten in der Zwischenkriegszeit angesehen werden kann. Bers arbeitet die Persönlichkeit Carl Danks u.a. durch akribische Aufarbeitung der Aktivitäten Danks im Stadtrat heraus, sodass man einen sehr guten Eindruck von der Person erhält. Der Beitrag eignet sich außerdem hervorragend als Einstieg für die Publikation, da Bers anhand Danks Biografie die wichtigsten historischen Entwicklungen in Jülich sowie im Reich nachzeichnet und dem Leser damit einen guten Überblick über Stadt- und Reichsgeschichte bietet. So geht der Autor auf Probleme des Kommunalrechts, auf interne und externe Konflikte der KPD sowie auf politische Entwicklungen auf Reichsebene ein, die wiederum Einfluss auf Carl Danks Biografie hatten. Bers hat hierfür neben einer ausführlichen Auswertung des Jülicher Kreisblattes' erstmals erhellende Dokumente aus dem Besite der Familie Dank verwendet.

Da Jülich im Untersuchungszeitraum stark katholisch geprägt war, ist Carl Dank nicht als repräsentativ für das Gros der Jülicher Bevölkerung anzunehmen. Aus diesem Grund folgen im Weiteren vier Beiträge, die sich eingängig mit dem (politischen) Katholizismus in Jülich befassen. Dabei spricht Bers auch dessen Konflikte mit den Kommunisten und dem aufsteigenden Nationalsozialismus an. So beschreibt er anhand von zwei Beispielen -- dem katholischen (Kolping-)Gesellenverein und der Gründung einer Sterbe-Notgemeinschaft -- den Antagonismus zwischen Katholizismus und Kommunismus innerhalb der Stadt, der sich in den verschiedensten Alltagsbereichen und in unterschiedlichen Initiativen zeigen konnte. Letetlich fanden solche Aktivitäten eine Zäsur im Nationalsozialismus. Bemerkenswert ist diese im Beitrag über das katholische Presseorgan Jülicher Kreisblatt' nachvollzogen, das sich ab 1933 massiven Repressionen von nationalsozialistischer Seite ausgesetet sah und gleichzeitig keine Unterstüteung durch das Bistum Aachen erfuhr. Die darauffolgende, im Vergleich zu den restlichen Beiträgen sehr kurze Schilderung der Beiseteung des Jülicher Dechanten Johannes Brandt im November 1933, an der tausende Menschen teilnahmen, wertet Bers als „stillen Protest" gegen den Nationalsozialismus. Anhand von zahlreichen Zeitungsartikeln, die im Anhang folgen, kann der Leser trote des knappen Beitrags fast minutiös die Beiseteung nachvollziehen. Eine weiterführende Einordnung dieser, beispielsweise in den Kontext von katholischem bzw. sogenanntem Alltagswiderstand, hätte sich an dieser Stelle angeboten.

Den Schluss der Publikation bilden die Darstellungen von Verfolgung und Verbrechen durch den Nationalsozialismus in Jülich anhand von zwei bisher stadtgeschichtlich unbekannten Ereignissen und ihrer quellengestüteten Rekonstruktion. So beschreibt Bers zum einen die Beschlagnahmung einer Reihe von Büchern der Jülicher Gewerkschaftsbibliothek im Jahr 1933. Im Anschluss liefert der Autor zusätelich eine Liste dieser Beschlagnahmungen, die zuvor der Jülicher Geschichtsforschung unbekannt war. Ebenso war die Hinrichtung eines polnischen Zwangsarbeiters ein bislang der Forschung unbekanntes Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes auf Jülicher Stadtgebiet. Der letete Beitrag, der dieses Verbrechen zum Thema hat, ist neben dem Aufsate über Carl Dank der umfangreichste und macht einen zeitlichen Sprung in das Jahr 1942. Bers lässt den Leser an seinen Überlegungen über die Herkunft des Zwangsarbeiters und die Umstände seines Todes teilhaben. Hierbei stößt er aufgrund fehlender Quellen jedoch schnell an Grenzen und kann leider nur bei der Formulierung einer Hypothese mit dem Hinweis auf weitere notwendige Forschungen bleiben.

Die Aufsatesammlung ,Brennpunkte der Jülicher Stadtgeschichte' wirft das Licht auf bisher vernachlässigte oder vollkommen unbekannte Aspekte in der Geschichte der Stadt und leistet deswegen einen wichtigen Beitrag für die historische Regionalforschung. Insbesondere der erste und der letete Beitrag über Carl Dank bzw. die Hinrichtung eines Zwangsarbeiters bieten neueste Erkenntnisse und unterstreichen den Bedarf an weiteren historischen Forschungen. Im Hinblick darauf ist jedoch das Fehlen eines Quellen- und Literaturverzeichnisses zu bemängeln, das insbesondere für weiterführende Forschungen eine Hilfe darstellt. Mit der Publikation werden nicht nur (Nachwuchs-)Historiker als Zielgruppe angesprochen. Der Leser bekommt in jedem Beitrag eine historische Einordnung der thematisierten Geschehnisse und wird somit nicht in den ,Tiefen' der Stadtgeschichte allein gelassen. Deshalb ist die Aufsatesammlung für jeden stadtgeschichtlich Interessierten gut lesbar und verständlich. Außerdem fallen die auf jeden Beitrag folgenden Anhänge positiv auf, die aus Bildern und/oder Dokumenten bestehen, die teilweise erstmalig veröffentlicht wurden. Diese runden den jeweiligen Beitrag gelungen ab, wenn auch überlegt werden könnte, ob nicht gerade die anhängenden Fotos zur visuellen Auflockerung innerhalb des Textes hätten integriert werden können.

By Alena Saam, Bonn

Titel:
Brennpunkte der Jülicher Stadtgeschichte 1921-1942.
Autor/in / Beteiligte Person: Saam, Alena
Link:
Zeitschrift: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 353-354
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0035-4473 (print)
Schlagwort:
  • BRENNPUNKTE der Julicher Stadtgeschichte 1921-1942: Eine Aufsatzsammlung (Book)
  • BERS, Gunter
  • URBAN history
  • NONFICTION
  • JULICH (Germany)
  • Subjects: BRENNPUNKTE der Julicher Stadtgeschichte 1921-1942: Eine Aufsatzsammlung (Book) BERS, Gunter URBAN history NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Geographic Terms: JULICH (Germany)
  • Full Text Word Count: 820

Klicken Sie ein Format an und speichern Sie dann die Daten oder geben Sie eine Empfänger-Adresse ein und lassen Sie sich per Email zusenden.

oder
oder

Wählen Sie das für Sie passende Zitationsformat und kopieren Sie es dann in die Zwischenablage, lassen es sich per Mail zusenden oder speichern es als PDF-Datei.

oder
oder

Bitte prüfen Sie, ob die Zitation formal korrekt ist, bevor Sie sie in einer Arbeit verwenden. Benutzen Sie gegebenenfalls den "Exportieren"-Dialog, wenn Sie ein Literaturverwaltungsprogramm verwenden und die Zitat-Angaben selbst formatieren wollen.

xs 0 - 576
sm 576 - 768
md 768 - 992
lg 992 - 1200
xl 1200 - 1366
xxl 1366 -