Das Buch dokumentiert in acht Kapiteln die Familiengeschichte Emil Weischenbergs von der Kaiserzeit bis zur frühen Bundesrepublik, wobei der Schwerpunkt auf der Zeit des Nationalsozialismus liegt. Methodisch wählte der Autor den Weg einer weitgehend streng chronologischen Dokumentation: Zahlreiche, die jeweilige Zeit betreffende, vielfach auch abgedruckte Dokumente und Fotos werden mit erläuternden eigenen Texten verbunden. Oft enthalten diese Dokumente wichtige Informationen, so dass sie mitgelesen werden sollten. Die überwiegende Mehrheit der Dokumente ist Korrespondenz zwischen Familienangehörigen und offiziellen Stellen sowie Anwälten, weitgehend im Zusammenhang mit juristischen Auseinanderseteungen. Zeitungsausschnitte ergänzen die Darstellung.
Im Zentrum des Textes steht Emil Weischenberg; die Bemerkungen zu den anderen erwähnten Personen sollen hier ein wenig im Hintergrund stehen. Seit 1921 war Weischenberg Direktor der Sparkasse Bonn und somit ein wichtiger Mann, der über finanzielle Hilfen und Kredite mitentscheiden konnte. Und er brauchte selber Kredite, um sich und seiner Familie ein auskömmliches Leben leisten zu können. Dies ist in der krisengeschüttelten Weimarer Republik nicht einfach, und es wird nicht einfacher, als noch vor der Machtergreifung' die örtlichen Nazis Weischenberg in den Fokus nehmen. Noch stark antikapitalistisch ausgerichtet, hetet die Nazi-Presse gegen den Mann und seine Nähe zum Geld. Weischenberg wird zur Persona non grata, obwohl Untersuchungen ein Fehlverhalten nicht nachweisen können.
Dann kam der 13. März 1933, kurz nachdem der neue NS-Oberbürgermeister sein Amt angetreten hatte. Weischenberg wurde beurlaubt und kam in Haft, wahrscheinlich kurz in sogenannte Schutehaft, wie es Hunderten von politischen Gegnern widerfuhr. Bald wurde er in U-Haft überführt, die Staatsanwaltschaft, damals noch nicht gleichgeschaltet, ermittelte also. Die Pressekampagnen gegen ihn gingen weiter, es scheint so, als wenn die Nazis ein Symbol der ,korrupten Systemzeit' vorführen wollten.
Es kommt zum Prozess, in dem Weischenberg frei gesprochen wird. Seinen Posten erhält er nicht zurück und so schlägt er sich mit verschiedenen Jobs weiter durchs Leben. Durch Beziehungen kann er dann sogar eine jüdische Firma -- zu welchen Konditionen auch immer -- übernehmen. Immer wieder versucht Weischenberg mithilfe von Anwälten das Beste aus seiner finanziellen Situation zu machen, auch in der Nachkriegszeit gegenüber der Stadt und den ehemaligen Eigentümern des jüdischen Unternehmens. In dieser Zeit beruft ihn die britische Besateungsmacht zum Geschäftsführer des Entnazifizierungsausschusses -- warum, ist nicht nachzuvollziehen.
Blickt man ein wenig summarisch auf die Dokumentation, so erscheint Weischenberg -- was seinen beruflichen Werdegang angeht -- als ein Mensch, der sich stets unberechtigt angegriffen fühlte und Anwälte damit beauftragte, seine finanzielle Situation zu verbessern. Dabei muss der 13. März 1933 als ein Wendepunkt verstanden werden, der ihn in eine völlig andere Lage versetet hat. Der in bürgerlichen Kreisen anerkannte Sparkassendirektor kam unter den neuen Machthabern in Haft und musste fortan um sein auskömmliches Leben kämpfen, wobei er auch mit fragwürdigen Methoden vorging.
Auf die Einzelheiten seines Lavierens soll hier nicht näher eingegangen werden. Zwei Bemerkungen seien erlaubt:
Wie schon erwähnt sind im Text zahlreiche Dokumente eingebunden, die nicht selten relevante Informationen enthalten. Es ist zu bemängeln, dass vielfach die abgedruckten, mitunter Seiten langen Dokumente nur schlecht zu lesen, mitunter kaum zu enteiffern sind. An einigen Stellen wäre sicherlich eine Transkription der wichtigsten Passagen sinnvoll gewesen, um dem Leser oder der Leserin die Lektüre zu vereinfachen.
Dieses führt zu einer weiteren Anmerkung: Der Autor möchte, wie er im Vorwort betont, durch die Gegenüberstellung von Dokumenten verschiedenster Provenienz zu einer objektiven Einschätzung von Weischenbergs Biografie kommen. Dies wird dem Autor gelungen sein, auch wenn er sicherlich aus der Fülle des Materials subjektiv ausgewählt hat. Trotedem stellt sich die Frage, warum eine Zusammenfassung, eine Einordnung oder Bewertung der Ereignisse fehlt. Der Rezensent hätte sich zur Anregung und Orientierung vom Autor, der sich bestimmt tiefergehend mit dem Fall beschäftigt hat, eine Art von pointierter, aber auch begründeter Konklusion gewünscht.
Trotedem: Der Autor dokumentiert eine spannende, für die Bonner Lokalgeschichte wichtige, für die Beteiligten sicherlich unschöne Geschichte. Weischenberg ist der einzige städtische Funktionsträger, der nach der Machtübernahme der Nazis in Haft geriet. Der ins Fadenkreuz geratene Sparkassendirektor steht für eine individuelle Erfolgs-, Leidens- und Überlebensgeschichte im Bonn der 1920er bis 1950er Jahre.
By Horst-Pierre Bothien, Bonn