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Die Kölner Regierungspräsidenten im Nationalsozialismus.

Löffelsender, Michael
In: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 356-357
Online review

Die Kölner Regierungspräsidenten im Nationalsozialismus  ROBERT BECKER:Die Kölner Regierungspräsidenten im Nationalsozialismus. Zum Versagen von Vertretern einer Funktionselite (Veröffentlichungen des Kölner Geschichtsvereins 51), Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2018, 420 S. ISBN: 978-3-412-50101-3.

Der Jurist Robert Becker, selbst viele Jahre bei der Bezirksregierung in Köln tätig, legt mit dem vorliegenden Band eine Darstellung der drei vom NS-Regime eingeseteten Kölner Regierungspräsidenten vor. Der Zugriff auf das Thema ist primär biographisch-deskriptiv und folgt weniger analytischen Fragestellungen oder einer erkennbaren methodischen Ausrichtung. Gegliedert ist das Buch, das sich größtenteils auf die vorhandene Literatur stütet, in fünf Kapitel. Nach einem Hintergrundkapitel zur Weimarer Republik und der Rolle der Bürokratie in Preußen folgen drei Großkapitel, in denen die drei Protagonisten einzeln vorgestellt werden. Abschließend folgt der Blick auf ihre Werdegänge in der Nachkriegszeit.

Mit Rudolf zur Bonsen (1886-1952), Rudolf Diels (1900-1957) und Eggert Reeder (1894-1959) standen der Kölner Bezirksregierung in der NS-Diktatur drei Präsidenten vor, die sich in ihren Werdegängen deutlich unterschieden. Der gebürtige Sauerländer zur Bonsen amtierte ab April 1933 für ein Jahr als Regierungspräsident. Für ihn, der eine „solide Beamtenkarriere" (S. 49) aufweisen konnte, war die Ernennung ein Karrieresprung. Er verdankte ihn vor allem seiner Mitgliedschaft in der NSDAP, der er bereits 1932 beigetreten war. Als gläubiger Katholik und Nationalsozialist vereinte er scheinbar Widersprüchliches. Im Amt versuchte er die „Vereinbarkeit zwischen praktiziertem Katholizismus und Nationalsozialismus zu beweisen" (S. 99). Mit diesem Vorhaben scheiterte er. Seine Kirchenpolitik stieß auf den Widerstand der übrigen Kölner Nationalsozialisten, weshalb er 1934 abgelöst wurde. Nach Intermezzos in Pommern und in der preußischen Bau- und Finanzdirektion trat er 1936 in den Ruhestand. Robert Becker führt das „Scheitern" seiner Karriere auf die innere Abkehr vom NS-Regime und ein „bemerkenswerte^] Maß an Charakterfestigkeit" (S. 99) zurück und stellt ihm somit ein nachvollziehbares positives Urteil aus.

Auf zur Bonsen folgte der 33-jährige Rudolf Diels, ein aus dem Taunus stammender Protestant. Seinen Karrierehöhepunkt hatte der „gänzlich ungewöhnliche Beamte" (S. 215) und „leichtgesinnte Flattergeist" (ebd.) schon hinter sich. 1933 war er von Hermann Göring -- seinem Gönner -- zum ersten Chef des neu eingerichteten Geheimen Staatspolizeiamtes in Berlin ernannt worden. Infolge der ausbrechenden Machtkämpfe um die Leitung der Gestapo war er im April 1934 nach Köln versetet worden. Dort verfolgte er gegenüber der Kirche einen deutlich rigideren Kurs als sein Vorgänger. Seine Ablösung im Juni 1936 lag vor allem an seinem schwierigen Verhältnis zu Gauleiter Josef Grohé, der ihm von Beginn an kritisch gegenüberstand. Er wurde zunächst Regierungspräsident in Hannover, wechselte 1942 zu den Reichswerken Hermann Göring und geriet wiederholt in Konflikt mit dem Regime.

Auf Diels folgte mit dem aus Schleswig-Holstein stammenden Eggert Reeder ein Mann, der für Becker „in noch größerem Maße als zur Bonsen den Typus des höheren preußischen Verwaltungsbeamten" (S. 217) verkörperte. Der Kriegsfreiwillige des Ersten Weltkriegs wies eine klassische Beamtenkarriere auf. Bevor er 1936 nach Köln kam, war er u.a. als Landrat in Flensburg und Regierungspräsident in Aachen tätig gewesen. Formal blieb er in Köln bis 1945 im Amt. Sein Hauptbetätigungsfeld lag seit 1940 jedoch in Brüssel, wo er als Militärverwaltungschef für Belgien und Nordfrankreich fungierte und für zahlreiche Besateungsverbrechen mitverantwortlich war. In Köln stütete Reeder im Schulwesen den verschärften Kurs des NS-Regimes gegenüber der katholischen Kirche.

Die Wege der drei unterschieden sich auch nach Kriegsende: Zur Bonsen lebte als ,entlasteter' Ruheständler in Bayern. Diels trat als Zeuge in den Nürnberger Prozessen auf und vermarktete seine Rolle als erster Gestapochef publizistisch. Reeder wurde als Kriegsverbrecher verurteilt und kehrte erst 1951 nach Deutschland zurück. Beim Bund der Steuerzahler fand er eine neue Beschäftigung.

Angesichts des Buchtitels hätte man eine eingehendere Analyse der Amtspraxis der drei Regierungspräsidenten erwarten können. Gerade diese Passagen bleiben vor allem bei Diels und Reeder relativ blass und auf Momentaufnahmen beschränkt. Ihre Tätigkeiten in Berlin und Brüssel nehmen demgegenüber breiten Raum ein und werden in aller Detailliertheit geschildert, wobei weitgehend Bekanntes rekapituliert wird. Möglicherweise ist dies der Quellenlage geschuldet. Relativ offen bleibt zudem die Frage, wo unter den Bedingungen der NS-Diktatur überhaupt Handlungsspielräume und Verantwortlichkeiten eines Regierungspräsidenten und seiner Behörde lagen. Insofern füllt Robert Beckers Darstellung weniger eine Forschungslücke, sondern führt in erster Linie die verstreut vorhandenen Erträge der bisherigen Forschung erstmals zusammen. Dies war ihr Anspruch und hierin liegt der Wert seiner Studie zu den Kölner Regierungspräsidenten im Nationalsozialismus.

By Michael Löffelsender, Weimar

Titel:
Die Kölner Regierungspräsidenten im Nationalsozialismus.
Autor/in / Beteiligte Person: Löffelsender, Michael
Link:
Zeitschrift: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 356-357
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0035-4473 (print)
Schlagwort:
  • DIE Kolner Regierungsprasidenten im Nationalsozialismus Zum Versagen von Vertretern einer Funktionselite (Book)
  • BECKER, Robert
  • NATIONAL socialism
  • REEDER, Eggert
  • NONFICTION
  • Subjects: DIE Kolner Regierungsprasidenten im Nationalsozialismus Zum Versagen von Vertretern einer Funktionselite (Book) BECKER, Robert NATIONAL socialism REEDER, Eggert NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Full Text Word Count: 708

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