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NS-„Rassenhygiene" im Raum Trier.

Behr, Sarah
In: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 359-360
Online review

NS-„Rassenhygiene" im Raum Trier  MATTHIAS KLEIN: NS-„Rassenhygiene" im Raum Trier. Zwangssterilisationen und Patientenmorde im ehemaligen Regierungsbezirk Trier 1933-1945 (Rheinisches Archiv 161), Köln: Böhlau Verlag 2020, 394 S. ISBN: 978-3-412-51647-5.

Die Dissertation von Matthias Klein behandelt Zwangssterilisationen und Patientenmorde während des Nationalsozialismus im katholisch geprägten ehemaligen Regierungsbezirk Trier.

Im einleitenden Teil gibt Klein den Forschungsstand detailliert wieder, formuliert seine Fragestellung präzise und erläutert Quellen, Methodik und die Gliederung der Arbeit. Er zeigt zunächst anschaulich in der gebotenen Kürze die medizinhistorischen Grundlagen zu Eugenik/,Rassenhygiene' sowie zur öffentlichen Gesundheitsverwaltung und zum Anstaltswesen auf. Zudem stellt er die berufsbiographische Vita des Direktors der Heil- und Pflegeanstalt der Barmherzigen Brüder in Trier, Dr. Jakob Faas, vor, der ab 1939 auch Beisiteer des Trierer Erbgesundheitsgerichts war.

Daraufhin beleuchtet Klein den Ablauf von Zwangssterilisationen im Regierungsbezirk Trier mit Blick auf die Akteure, angefangen von Anzeigen und Anträgen über Verhandlungen des Trierer Erbgesundheitsgerichts bis hin zu den eigentlichen Unfruchtbarmachungen. In einem zweiten Schritt liegt der Blick auf den Betroffenen, ihrem Sozialstatus und ihren Reaktionen auf den geplanten Eingriff. Auch die Verhaltensweisen kirchlicher Amtsträger und Einrichtungen stellt er am Beispiel des Bischofs Bornewasser und anderer Geistlicher sowie anhand des katholischen Fürsorgeerziehungsheims St. Josef und der Waldbreitbacher Franziskanerinnen im Krankenhaus Saarburg dar.

Im daran anschließenden Kapitel zur NS- ,Euthanasie' untersucht der Autor die Heil- und Pflegeanstalt der Barmherzigen Brüder von 1933 bis 1939 sowie die Transporte der Patienten von 1939 bis 1941, um abschließend auf die Reaktion des Trierer Bischofs auf die Patientenmorde einzugehen.

Auch die Quellenlage zum katholischen St. Vinzenzhaus in Schönecken, das zwar den T4-Behörden bekannt war, im Kontext der ,Euthanasie' jedoch unbedeutend gewesen zu sein scheint, wertet er aus.

Kleins Dissertation schließt eine Lücke in der regionalgeschichtlichen Forschung zu NS-Medizinverbrechen. Sämtliche Aspekte der Zwangssterilisationen und der NS-,Euthanasie' werden ausführlich dargestellt. Klein zeichnet dabei ein sehr deutliches Bild nicht nur der damaligen Strukturen und Ereignisse, sondern auch einzelner Akteure. Die Arbeit ist nicht zuletet handwerklich sehr gut umgesetet: Die Fakten sind solide recherchiert und die gesamte Untersuchung fußt auf umfassenden Quellen.

In einigen Punkten decken sich die Ergebnisse der Arbeit mit den Erkenntnissen neuerer Studien (z.B., dass die Hauptakteure bei der Anzeigenerstattung die Amtsärzte waren und dass bei der Diagnose ,angeborener Schwachsinn' vorwiegend soziale Kriterien ausschlaggebend waren), an mehreren anderen Stellen gelingt es dem Autor, neue Forschungsfragen aufzuwerfen, beispielsweise hinsichtlich der Rolle von Haftanstalten oder der Wehrmacht bei der Umseteung des Sterilisationsgesetees. Häufig arbeitet er feine Unterschiede zu bisherigen Forschungsergebnissen heraus, wenn er zum Beispiel die vielzitierte „Nichtbeteiligung der niedergelassenen Ärzte" vor dem Hintergrund von deren Lebenswirklichkeit und Berufsalltag interpretiert.

Der eloquente und präzise Schreibstil des Autors macht Kleins Buch absolut lesenswert. Klein erklärt Begrifflichkeiten und Zusammenhänge so, dass auch interessierte Laien die Inhalte gut verstehen können, behält dabei aber konstant sein hohes wissenschaftliches Niveau bei. Selbst komplexe Themen und solche, zu denen bereits sehr viel geschrieben wurde, ordnet und präsentiert Klein so anschaulich, dass der Leser einen sehr guten Überblick erhält. Der Autor interpretiert dabei Zahlen und Ereignisse stets mit Bedacht und unvoreingenommen. Er hat ein Gespür dafür, relevante Informationen, die in den Quellen lediglich ,zwischen den Zeilen' zu finden sind, herauszulesen und einzuordnen.

Die Dissertation setet neue Maßstäbe bezüglich regionalgeschichtlicher Studien zum Thema ,Zwangssterilisationen und Patientenmorde' und ist hoffentlich ein Anreiz für weitere Untersuchungen dieser Art. In einem Sate zusammengefasst: Besser hätte man eine Aufarbeitung zu diesem Thema nicht schreiben können.

By Sarah Behr, Grafschaft

Titel:
NS-„Rassenhygiene" im Raum Trier.
Autor/in / Beteiligte Person: Behr, Sarah
Link:
Zeitschrift: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 359-360
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0035-4473 (print)
Schlagwort:
  • NS-'Rassenhygiene im Raum Trier: Zwangssterilisationen und Patientenmorde im ehemaligen Regierungsbezirk Trier 1933-1945 (Book)
  • KLEIN, Matthias
  • NATIONAL socialism
  • INVOLUNTARY sterilization
  • NONFICTION
  • Subjects: NS-'Rassenhygiene im Raum Trier: Zwangssterilisationen und Patientenmorde im ehemaligen Regierungsbezirk Trier 1933-1945 (Book) KLEIN, Matthias NATIONAL socialism INVOLUNTARY sterilization NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Full Text Word Count: 562

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