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RIGOMAGUS - Remagen.

Flach, Dietmar
In: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 410-413
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RIGOMAGUS - Remagen  KLAUS FLINK: RIGOMAGUS -- Remagen. Beiträge zur Stadtgeschichte 4. Von den Kelten bis zu den Preußen und Geschichte einer Reichspfandschaft. Anhang zu den Teilen 1-3. Bibliographie, Nachtrag, Quellen, Register, Rosenboom Goch und Selbstverlag 2019, 183 S. (I-X, 325-498), Tabb., Abb., Karten.

Der vierte und letete Teil seines über 500 Seiten reichenden Gesamtwerkes zu Remagen bietet endlich den lang ersehnten Zugang zu den ersten drei Teilen aus den Jahren 2010, 2013 und 2016, die in den Rheinischen Vierteljahrsblättern 76 (2012), 78 (2014) und 81 (2017) angezeigt worden sind. Dieser Zugang in Form eines Orts- und eines Sachregisters wird ergänzt um eine breit angelegte Sammlung (S. 343-445) von 60 durchnummerierten und im vollen Wortlaut wiedergegeben Quellentexten, die als archivtechnisches Meisterstück nicht nur den seit dem 15. Jahrhundert allmählich vollzogenen Wandel von der Urkunden- zur Amtsbuch- und Aktenüberlieferung verdeutlichen, sondern auch beredtes Zeugnis von der Tiefe des Quellenstudiums und von der Vielfalt der aufgesuchten Archive ablegen, in denen Vf. über Jahrzehnte hinweg intensiv geforscht hat. Wiewohl zu vielen der vorgelegten Stücke bereits in den voraufgegangenen Textteilen 1-3 Entscheidendes gesagt worden ist, entfalten sie im Volltext doch ihren ganz eigentümlichen und unabhängigen Reiz. Der darin angebotene Lesestoff erschließt sich sprachlich wie auch inhaltlich nicht immer leicht. Dennoch ist es lohnend, mit Hilfe des im Kopfregest kurz angegebenen Inhalts nach interessierenden Stücken Ausschau zu halten, sich mittels der hier aufgeführten Seitenzahlen zu den Textteilen 1-3 leiten zu lassen und die dort enthaltenen Informationen dazu ergänzend einzuholen. Die für alle vier Teile durchgängige Seitenzählung erleichtert den Rückgriff darauf ungemein.

Die durchgängige Seitenzählung dient vor allem dem Register, das in ein Sach-, Wörter- und Namenregister speziell für Remagen und in ein darüber hinausreichendes Ortsregister unterteilt ist. Beide sind der eigentliche Schlüssel zu den Textteilen 1-3 und ermöglichen dem Leser, auf seine Fragen die zusammengehörigen Antworten finden, sie thematisch einordnen und in ihre zeitliche Abfolge seteen zu können. Das war bislang in den nach Themenkreise gegliederten drei Textteilen mitunter nur nach langer Suche möglich. Leider sind Verweise auf die Quellentexte im Anhang (Teil 4) nicht mehr aufgenommen worden. Die zahlreichen weiteren Besonderheiten dieses Anhangs hat Franz Irsigler in seiner ausführlichen und persönlich gehaltenen Einführung zu Klaus Flinks abschließendem Teilband 2019 in Remagen eingehend gewürdigt. Sie ist im Internet unter www.uni-trier-irsigler.de bei den dort angezeigten Wissenschaftlichen Texten' einzusehen.

Der jetet vorliegende vierte Teil des Gesamtwerks zu Remagen trägt den Untertitel: ,Von den Kelten bis zu den Preußen und Geschichte einer Reichspfandschaft'. Er spannt damit den Bogen über annähernd zweieinhalb Jahrtausende, in die das im Haupttitel genannte ,Rigomagus-Remagen' eingebunden bleibt. Der Verweis auf die mangels schriftlicher Quellen im Text nicht eigens behandelten Kelten ist dem sogenannten ,Keltenfund' geschuldet, der bei Ausschachtungsarbeiten am Remagener RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz vor wenigen Jahren erst gemacht worden ist und Relikte der frühkeltischen Hunsrück-Eifel-Kultur aus der Zeit um 550 v.Chr. zu Tage gebracht hat. Eine gute Reproduktion des Zeitungsberichtes dazu aus der Rhein-Zeitung, Ausgabe Ahrweiler vom 29. März 2018, hat Vf. als Beilage 2 seiner Arbeit beigefügt. Innerhalb dieser gewaltigen Zeitspanne steht also Remagens Geschichte, soweit sie aus der schriftlichen Überlieferung gewonnen werden kann, im Mittelpunkt der Betrachtung über das Mittelalter hinweg bis in die Neuzeit hinein. Und Remagens Mittelalter erscheint hier thematisch gewichtet als ,Geschichte einer Reichspfandschaft'. Damit wird Rigomagus ins Reichsgut eingebettet, aus dem heraus die Könige Verpfändungen bevorzugt vorgenommen haben. Diese Einbettung hat schon in Teil 1, der ,Vom Römerkastell über den Fiskalbezirk zur Freien Stadt' reichte, den Schwerpunkt gebildet. Vf. war hier dem weit nach Norden und Süden ausgreifenden Remagener Krongutkomplex in merowingischer Zeit intensiv nachgegangen. Dieser Komplex erfuhr noch um die Mitte des 8. Jahrhunderts, als Sinzig zum königlichen Pfalzort aufgestiegen war und den südlichen Teil des einst von Remagen aus verwalteten Gesamtkomplexes mit sich genommen hatte, eine Aufteilung, die aus späteren Nachrichten hier als auch in den Untersuchungen von Ulrich Helbach aus dem Jahr 1989 zum Reichsgut Sinzig nur aus Bruchstücken noch rekonstruiert werden konnte.

Remagen gibt seine Zugehörigkeit zum Reichsgut erst spät zu erkennen. 755 bei einer Privatschenkung aus dem castrum Rigomo wird nicht nur seine aus dem spätrömischen Auxiliarkastell übernommene Befestigungstradition erkennbar, sondern auch seine Zugehörigkeit zu einer Herrschaft, die über den Befestigungsbann verfügte. Auch die Kenntnis leichter Pfennige des Reiches aus der Zeit zwischen 996-1002 und 1030 -- ca. 1080, die der Prägestätte Remagen zugeschrieben werden, sind ein deutliches Indiz für diese herrschaftliche Zuordnung, der eine historiographische Nennung als königlicher Wirtschaftshof (villa publica) entspricht. Auch wenn die Schenkung von zwei Dritteln des Zolles und der Münze in der villa Rigemaga durch Erzbischof Heribert von Köln im Jahre 1003 an Kloster Deute nur in einer Fälschung überliefert ist, hätte der Fälscher sich seinen Zeitgenossen gegenüber selbst entlarvt, wenn seine Schenkungsobjekte -- gleichgültig, in wessen Besite -- reine Fiktion gewesen wären. Die vom Vf. auf S. 12 bis zum Jahre 1248 zusammengetragenen Belege sind beredtes Zeugnis für Remagens Zughörigkeit zum Reichsgut. Daraus hervorzuheben sind Konrads III. territorium noster Reumacense zu 1151, das die benachbarten Orte Lorsdorf, Heimersheim und Green einschloß, und das gleichzeitige Tafelgüterverzeichnis des römischen Königs aus den Jahren 1152/53, das unter den Rheinfränkischen Höfen (curie de Franca circa Rhenum) Remagen und Sinzig mit je zwei königlichen Servitien (II regalia servitia) nennt. Das waren, sobald die königliche Tafel ihrer bedurfte, für jeden Hof u.a. 80 Schweine, 100 Hühner, 10 Kühe, 1000 Eier, 20 Gänse, 10 Pfund Pfeffer, 180 Käse, 20 Pfund Wachs und 8 große Fuder Wein (MGH Const. I 440). Auffallend an dieser auf die Viehhaltung und deren Erträge fokussierten Zusammenstellung ist der Pfeffer, der gekauft werden musste, so dass im domanialen Wirtschaftskreislauf auch Geld erwirtschaftet wurde.

Die Beispiele mögen genügen, um das Remagener Reichsgut als eine um einen Hof (curia) organisierte, einzelne Besiteungen des Umlandes einbeziehende Wirtschaftseinheit sowohl agrarischer wie auch fiskalisch-finanzieller Art zu erkennen, deren Erträge als Dienste vom reisenden König bis weit ins 12. Jahrhundert hinein unmittelbar vor Ort oder auf andere Weise in Anspruch genommen worden sind. Mit Remagens Verpfändung, die wohl noch gegen Ende des 12. Jahrhunderts eingeleitet (S. 101) und 1248 durch König Wilhelm von Holland dem Grafen von Berg verbrieft worden ist, sind die Hoheitsrechte über die aus dem Pfand fließenden Einkünfte (omnes redditus et proventus nobis et imperio apud Rymaghen attinentes -- 1248, S. 12) an den Pfandherrn übergegangen, nicht aber das Objekt selbst und seine in der Reichzugehörigkeit begründeten Rechte. Dieser Sachverhalt wird aus der Urkunde von 1245 deutlich, in der Herzog Heinrich von Limburg als Graf von Berg dem gefesteten Plate (oppidum) Remagen mit seinem ganzen Zubehör an Mönchen, Klerikern und Laien (cum omnibus suis attinentiis monachorum, clericorum et laicorum) bestätigt, dass er von Beginn seiner Errichtung an (ab initio institutionis sue) frei gewesen sei und frei bleibe (semper liberum extitit et esse debuit) und alle seine Einwohner von Erhebungen und Forderungen jeder Art unbelastet sein sollen (et omnes habitantes in eo ab omni exactione et qualibet petitione fuerunt liberi et immunes et esse debuerunt). Ganz offensichtlich hatte der Pfandherr die auf Reichsgut wahrgenommenen Rechte und Freiheiten akzeptiert und auf die Einführung eines eigenen, vielleicht auch moderneren Besteuerungsrechts verzichtet. Im Gegenzug -- und hier drängen sich die 8 Fuder Wein an die königliche Tafel aus dem vormaligen Reichsdienst des Tafelgüterverzeichnisses von 1151/52 assoziativ wieder auf -- revanchierten sich die Stadtbürger damit, ihm einen 5 Morgen großen Acker bei der Stadt zu übertragen und als Weingarten herzurichten zum Zeugnis ihrer vorgenannten immerwährenden Freiheit (testimonium sue supradicte perpetue libertatis) (S. 99-108, S. 351-353 Nr. 9 und 9/1).

Die Urkunde von 1245 wird von der Forschung und vom Vf. aber noch viel weitgehender interpretiert. Aus städtischer Sicht dokumentiert sie zweifelsfrei das Ende der Aufbruchsphase des 12. Jahrhunderts, in dem sich die Gemeinde als handelnder Part unter Führung des königlichen villicus, dem vom Reich eingeseteten Verwalter des Königshofs, und einer gemeindlichen Führungsschicht, dem aus der Reichsministerialität erwachsenen Meliorat, durch gemeinsames Handeln zu akzentuieren begann. Gemeinsam verfügten sie schon in den Jahren 1110/17 und 1139 rechtsverbindlich über gemeindliche Liegenschaften. Die Wahrung eines eigenen Ortsrechts (ius… loci eiusdem), das 1158 einem Gütertausch zugrunde lag, und die 1221 erschienene Bürgergemeinde (universitas civium) mit Siegel ihrer freien Stadt (civitas nostre libere) sind wohl die entscheidenden Vorausseteungen für den in jeder Weise gelungenen Versuch gewesen, die im Schutee der Reichsfreiheit und der zunehmenden Königsferne entwickelte Handlungsfreiheit 1245 vom Pfandherrn in eine rechtsverbindliche Form bringen zu lassen, auf die sich die Stadt auch in späteren Jahrhunderten noch mit Erfolg hat berufen können. Sollten die Freiheiten ab initiuo institutionis sue der Urkunde von 1245 auf eine verschollene Verleihung der Stadtfreiheit aus dem Ende des 12. Jahrhunderts (S. 100) hinweisen, stellt sich die Frage, ob sie wesentlich anders hätte lauten können, als ihre Bestätigung von 1245. Unabhängig von derlei Gedankenspielen war die 1245 erreichte Garantie des Pfandherrn zum Verbleib der Bewohner in den überkommenen Rechtsformen des Reiches für ihr in der Entfaltung befindliches städtisches Gemeinwesen von zentraler Bedeutung.

Dieser Rechtsschute und diese Freiheiten blieben -- und hier sei stellvertretend ein nur kurzer Verweis auf zwei im Anhang wiedergegebene Volltexte erlaubt -- bis weit ins 15. und 16. Jahrhundert hinein erhalten. Im Jahre 1475 schlichtete Kaiser Friedrich III. einen Streit zwischen dem Abt von Deute als Inhaber des Deuteer Hofs in Remagen und vnsen vnd des Reichs lieben getrewen, schul- teissen, Scheffen und ganzer gemeinden der Phlege zu Remagen (S. 115, S.409-413 Nr.38), für die er sich in beredten Worten immer noch in der Verantwortung sah. Und schließlich wird aus einem Bericht des kurkölnischen Schultheißen in Remagen und Kellners in Sinzig aus beiden Ämtern zu 1559 die alte Rechtsposition erneut deutlich. Er habe beide Ämter, darunter auch Remagen, frei von Dienstpflichten gefunden, weil es alle zeit ein frey vnd Reichs Landt geacht, gehalten (worden) vnd gewest (sei) (S. 117 f.; S. 418, Nr. 42) und diese alten Rechte, Freiheiten und Privilegien mit Einschluss der freien Jagd im königlichen Forst und der Fischerei in Ahr und Rhein von den Pfandherren weitgehend respektiert worden seien.

Die zentrale Urkunde von 1245 markiert im weitesten Sinne den Wandel von der zu Ende gehenden domanialen Struktur unter Führung von Villicus und Ministerialität, die beide um diese Zeit verschwinden bzw. unbedeutend werden, hin zu bürgerlichen Selbstverwaltungsstrukturen unter Bürgermeister (seit 1269) und Rat unter Führung des stadtherrlichen Schultheißen (seit 1254) und des in Rechtsprechung und Verwaltung gleichermaßen tätigen Schöffenkollegs im Zusammenspiel mit umfassenden hofrechtlichen Relikten und Begleitstrukturen, die in den Teilen 2 und 3 ausgiebig behandelt und vorgestellt worden sind. Dies hier zu wiederholen erübrigt sich. Es bleibt aber festeuhalten, dass Klaus Flink am Ende seiner jahrzehntelangen Publikationstätigkeit und seines ergiebigen Forscherlebens mit diesem vierteiligen Werk zu Remagen nicht nur eine bewundernswerte Arbeitsund Altersleistung, sondern dank einer immensen Quellendichte auch ein bleibendes Fallbeispiel für die Erforschung der seit dem Hochmittelalter auf Reichsgut gewachsenen Städte am Rhein und deren Umland gelungen ist. Der Ertrag dieses selbst als Arbeits- und Studienbuch deklarierten Werkes dient darüber hinaus auch Beobachtungen zur Reichs- und frühen Landesgeschichte und hält weit über Remagen hinaus thematische und methodische Hilfen für Fragestellungen aller Grade bereit.

By Dietmar Flach, Koblenz

Titel:
RIGOMAGUS - Remagen.
Autor/in / Beteiligte Person: Flach, Dietmar
Link:
Zeitschrift: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 410-413
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0035-4473 (print)
Schlagwort:
  • REMAGEN. Beitrage zur Stadtgeschichte 4. Von den Kelten bis zu den (Book)
  • FLINK, Klaus
  • URBAN history
  • GERMAN history
  • NONFICTION
  • GERMANY
  • Subjects: REMAGEN. Beitrage zur Stadtgeschichte 4. Von den Kelten bis zu den (Book) FLINK, Klaus URBAN history GERMAN history NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Geographic Terms: GERMANY
  • Full Text Word Count: 1820

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