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Mit Quellen arbeiten.

Bechtold, Jonas
In: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 414-415
Online review

Mit Quellen arbeiten  WOLFGANG BUCHBERGER, ELMAR MATTLE, SIMON MÖRWALD (Hg.): Mit Quellen arbeiten. Aufgaben für historisches Lernen in der Primar- und Sekundarstufe, Salzburg: Edition Tandem 2020, 107 S. ISBN: 978-3-904068-15-4.

Das vorliegende Arbeitsheft für Lehrer*innen will Quellenarrangements für Primar- bis Sekundarstufe II zu verschiedenen Themen und Quellengattungen von der Antike bis zur neueren Geschichte anbieten. Die zwölf Autor*innen aus österreichischen Universitäten und Bildungseinrichtungen orientieren sich dabei an den österreichischen Lehrplanvorgaben und haben elf vollständig entworfene Aufgabensets erstellt mit Kopiervorlagen, Hinweisen zur Umseteung und formulierten Aufgabenstellungen zum Einsate in der Lehr-Lern-Praxis.

Das Heft stellt im Sinne des ,shift from teaching to learning' den Lernprozess der Schüler*innen in den Mittelpunkt. Ziel ist dabei, das den Fachhistoriker*innen gängige Grundverständnis der Standort- und Perspektivgebundenheit historischer Narrative und des Gemachtseins von Geschichte für Lernende durch eine quellennahe Analyse aufzubauen und zu fördern. So soll ,historisches Denken' statt reproduktives, deklaratives Faktenwissen initiiert werden.

Die dafür exemplarischen elf Quellenanalysen sind transepochal von der Antike bis zur Neuzeit. Sie sind transregional, da, obgleich ein gewisser österreichischer Schwerpunkt unverkennbar bleibt, innerhalb der einzelnen Aufgabensets auch andere deutschsprachige Regionen repräsentiert sind. Eine Analyse hispanisch-mesoamerikanischer Quellen sorgt für den (mittlerweile auch lehrplanbedingt) unverzichtbaren globalgeschichtlichen Einschlag. Des Weiteren regt das Heft transmediales Arbeiten an, da neben diversen Quellengattungen von Verordnungen und Zeitungen bis hin zu Bildern und Karikaturen auch wiederholt Online-Angebote zur Akquise von Arbeitswissen oder Medienkritik historischer Darstellungen eingebunden werden.

Jedoch ergibt sich dieser Eindruck nur in der Gesamtschau auf das Heft. Die einzelnen Quellenarrangements bleiben häufig auf ein Medium, eine Region oder nur einen einzelnen Schritt der Quellenkritik als Kompetenzziel begrenzt. Mal erschöpft sich das Ziel im Formulieren der Fragestellung, mal in der Differenzierung von Recherchekriterien für geeignetes Material, oder aber es reicht von der Analyse bis hin zur vollständigen Interpretation einer Quelle und der von ihr ausgehenden historischen Narration.

In sich sind die Quellenarrangements ähnlich aufgebaut: Ein ,geschichtsdidaktischer Hintergrund' führt die Lehrenden knapp in die Relevanz und den Hintergrund der Quelle ein. ,Lehrplanbezüge' legitimieren die Anbindung an die Bildungsnorm, ,Hinweise zur Umseteung' geben Erläuterungen zur Anforderung und unterrichtspraktischen Umseteung oder warnen vor möglichen didaktischen Schwierigkeiten. Die Beschreibung möglicher ,Follow-up-Aktivitäten' und der ,Möglichkeiten der Differenzierung' runden die Vorstellung der Lernaufgaben ab. Für jedes Arrangement folgt aufbereitetes Quellenmaterial und dazugehörige Lernaufgaben für alle Anforderungsbereiche.

So widmet sich zum Beispiel das Quellenarrangement von Beatrix Oberndorfer (S. 61-68) einer Auseinanderseteung mit Quellen zum Umgang mit der Pest in Mittelalter und Früher Neuzeit. Ihr Ziel ist dabei, die Lernenden die gattungsspezifischen Aussageunterschiede zwischen Tagebuch, Chronik, Liedgut und herrschaftlicher Verordnung erkennen zu lassen. Irmgard Plattner und Claus Oberhauser (S. 33-40) hingegen arbeiten den Mendoza-Codex, der aztekische Geschichte und Kultur für Karl V. in spanischer Sprache und mesoamerikanischer Bilderzählung vorstellen soll, für die 7. Klasse auf. Ausgehend von der Feststellung, dass in den österreichischen Schulbüchern die „Debatte um den Postkolonialismus nur oberflächlich" (S. 33) und unter der Prämisse des vermeintlichen ,Entdeckers' Kolumbus geführt werde, erarbeiten die Autor*innen zum Codex Mendoza (um 1540) und seinen Darstellungen aztekischer Kultur Lernaufgaben, die das Alteritätsbewusstsein der Lernenden fördern sollen. In ähnlicher Weise beabsichtigt der von Robert Hummer gestaltete Entwurf eine Erörterung der Ersten Republik als ,Konfliktdemokratie' durch die Analyse von Karikatur- und Bildquellen. Durch angeleitetes Herausfiltern bildlicher Codes und Stereotypisierungen sollen Schüler*innen Kommunikationsstrategien in einem politisch konfliktären Medienumfeld analysieren und mit aktueller Medienkritik in Verbindung seteen. Noch früher (und auch ambitionierter) setet Nikolaus Eigleran, der Schüler*innen der österreichischen Primarstufe (Volksschule) über die Auseinanderseteung mit den Olympischen Spielen an historische Quellenarbeit heranführen will (S. 101-106). Dazu lesen die Schüler*innen einen kurzen Historikertext über die Olympiaden, in dem verschiedene Aussagen nummeriert sind. Aus einer Auswahl von Quellen sollen sie dann die jeweils unterstüteende Quelle der nummerierten Aussage zuordnen. Sie können so verstehen, dass Aussagen über die Vergangenheit zum einen aus Quellen gewonnen werden müssen, zum anderen aber, dass diese Quellen je nach Typ unterschiedliche Aussagen transportieren.

In dieser ausschnitthaft verdeutlichten Vielfalt des Arbeitshefts steckt das Potenzial, den selbstgesteckten Anspruch zu erfüllen, den Unterricht „spannend" (S. 5) zu gestalten. Dafür sorgen die Quellen und ihre gründliche Aufbereitung durch die Autor*innen. Erwähnenswert ist dabei auch die häufige Integration (und eingebaute Medienkritikübung) von Online-Angeboten: Bilder werden direkt mit einem Link zu der rechtefrei nutebaren Internetdatei versehen und auch weitere inhaltlich-didaktische Angebote aus dem Nete sind eingebunden. Ob dabei jeder der abgedruckten Links in dieser Form stabil bleiben wird, bleibt allerdings zu hoffen. Hier wäre eine hybride Heftvariante nachhaltiger gewesen, zumal es die Nuteer*innen davon befreite, die Links einzutippen. Bedauernswert bleibt zudem die teils in den Quellentexten vorkommende alte Rechtschreibung (auch für die Primarstufenbeispiele!) und die sehr unterschiedlich gestalteten wie auch verschiedentlich unzureichenden Quellen- und Literaturangaben. Auch die Materialteile der elf Beispiele wurden unterschiedlich gestaltet, was nicht deren Nutebarkeit, aber deren Übersichtlichkeit einschränkt.

Die größte Nuteungseinschränkung für Lehrer*innen wird durch die fehlende Binnendifferenzierung in der Sekundarstufe entstehen. Welches Beispiel für welchen Teil des Lehrplans oder welchen Jahrgang vorbereitet wurde, wird erst durch Lektüre der Einführungen selbst deutlich. Lehrkräfte müssen hier ein konkretes Themeninteresse an den Beispielen des Heftes mitbringen und dann das Glück haben, dass die Aufbereitung dem gesuchten Sekundarstufenniveau entspricht, um die Vorlagen kopierfertig nuteen zu können. Wenn sie dies aber tun, können sie sicher sein, ihren Schülerinnen einen spannenden und lernorientierten Unterricht zu bieten, der im besten Fall tatsächlich Interesse am geschichtswissenschaftlichen Arbeiten fördert oder weckt.

By Jonas Bechtold, Bonn

Titel:
Mit Quellen arbeiten.
Autor/in / Beteiligte Person: Bechtold, Jonas
Link:
Zeitschrift: Rheinische Vierteljahrsblatter, Jg. 85 (2021), S. 414-415
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 0035-4473 (print)
Schlagwort:
  • MIT Quellen arbeiten (Book)
  • BUCHBERGER, Wolfgang
  • GERMAN history
  • URBAN history
  • NONFICTION
  • GERMANY
  • Subjects: MIT Quellen arbeiten (Book) BUCHBERGER, Wolfgang GERMAN history URBAN history NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Geographic Terms: GERMANY
  • Full Text Word Count: 880

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