Bilder aus dem Erzgebirge sorgen derzeit nicht für positive Schlagzeilen. Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 1554,6 (Datenstand laut RKI vom 5. Dezember 2021) stellt der Kreis zwar deutschlandweit keinen Rekord auf, aber Medienberichte von Montags-Spaziergängern, die gegen staatlich verordnete Corona-Maßnahmen protestieren, geben weiteren Anlass zur Sorge.
Sicherheit für Gäste und Mitarbeiter
Dieses negative Image wollen Uwe Staab, Bürgermeister der Erzgebirgsstadt Eibenstock, Ralf Schibelius, Geschäftsführer der Hotel Am Bühl GmbH, Alexander Böhm, Geschäftsführer der Sachsen Incoming GmbH, und Roberto Fricker, Prokurist Badegärten Eibenstock GmbH, nicht unkommentiert im Raum stehen lassen. Doch die Gesamtsituation gibt Grund zu höchster Besorgnis. „Nach erfolgreichen Monaten, die wir nach einer achtmonatigen Schließung im Sommer und Herbst 2021 verzeichnen konnten, stehen wir wieder vor einem wirtschaftlichen Scherbenhaufen", eröffnet Ralf Schibelius das Gespräch im Rahmen einer Videokonferenz. Innerhalb von zwei Tagen musste der gesamte touristische Betrieb nach der sächsischen Corona-Verordnung vom 19. November 2021 von 100 auf 0 Prozent heruntergefahren werden.
Uwe Staab merkt an, dass nach 1990 durch den Niedergang der Textilindustrie, des Maschinenbaus und des Handwerks in erster Linie der Aufbau einer touristischen Infrastruktur mit hoher Aufenthaltsqualität neue Arbeitsplätze in der Region geschaffen hat. Tagestouristen, Urlauber und Familien reisen aus einem Umkreis von bis zu 180 Kilometern an, vor allem aus Dresden, Leipzig, Halle/Saale, Nordbayern, Ostthüringen und Berlin.
Mit 80 Mitarbeitern ist das Hotel Am Bühl einer der größten Arbeitgeber in Eibenstock, ebenso die Badegärten Eibenstock und Wurzelrudis Erlebniswelt. Die 132 Hotelzimmer für bis zu 400 Gäste hatten in den stark frequentierten Sommermonaten eine Auslastung von 90 bis 97 Prozent. Da der Geschäftstourismus laut Staab mit weniger als 10 Prozent Anteil kaum eine Rolle spielt, trifft die Schließung die Region ins Mark. Roberto Fricker spricht auch für seine Kollegen, wenn er sagt: „Wir haben bereits vor einem halben Jahr alle Corona-Vorschriften in den Beherbergungs-, Freizeit- und Kultureinrichtungen für einen sicheren Aufenthalt erfüllt und ein umfangreiches Hygienekonzept eingereicht, um als Modellprojekt bestätigt zu werden.
Weder Pandemietreiber noch Virenschleudern
Das wurde aber vom Landratsamt Erzgebirgskreis abgelehnt, weil es schon zwei Modellprojekte gab." Umgesetzt, aktualisiert und an die neuen Vorschriften zu 3G und 2G wurde es trotzdem. Was die Betroffenen kritisieren ist, dass die Politiker auf Landes- und Bundesebene nicht anerkennen, dass touristische Betriebe weder Pandemietreiber noch Virenschleudern sind. Selbst nach dem Drei-Talsperren-Marathon mit 1100 Teilnehmern im Juni des Jahres, eines der größten Volkssportereignisse im Erzgebirge, kamen im Nachhinein keine Anfragen an das Gesundheitsamt zu Kontaktnachverfolgung. Die Vorsorge- und Hygienekonzepte bewährten sich also.
Woher kommen dann aber die hohen Inzidenzzahlen? Staab hat eine differenzierte Erklärung: „In manchen Orten der Region müssen die Menschen, auch Schüler, oft weitere Wege in Bussen in Kauf nehmen. Dazu wurden in den vergangenen Monaten die kostenlosen Tests runtergefahren und Impfzentren geschlossen. Landes- und Bundespolitik ziehen sich aus der Verantwortung." Zugeben muss er aber auch, dass in manchen gastronomischen Betrieben die geltenden Corona-Regeln nicht eingehalten werden, zu wenig kontrolliert und vor allem durchgesetzt wird.
Was tun? Schibelius: „Wir könnten mit einer 2G-plus-Regel leben, die die Masken und Abstandsregeln einschließt". Er befürchtet, dass „mit jeder weiteren Schließungsphase Mitarbeiter in andere Branchen abwandern, weil der Tourismus ihnen keine sichere, berufliche Perspektive mehr bietet." Die aktuellen Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz verschärfen das Problem weiter.
Mittel- und langfristige Strategien
Alexander Böhm: „Politiker sollen mit den Berufs- und Fachverbänden sprechen. Diese rufen aktuelle Infos und Erfahrungswerte von ihren Mitgliedern ab, haben Gutachten in Auftrag gegeben und führen Statistiken. Das alles fließt aber nicht in die relevanten, politischen Entscheidungen ein." Staab fordert von der Politik "Instrumente, mit denen sich die Spreu von Weizen trennen lässt. Man sollte rigoros nur noch Tourismusbetriebe die Öffnung erlauben, die alle Regeln konsequent umsetzen. Dann ist die Ansteckungsgefahr geringer als im Supermarkt!" Böhm fordert „einen harten Lockdown drei Wochen lang. Das bringt Planungssicherheit für alle Betriebe." Roberto Fricke ergänzt: „Sie ist das A und O, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Gästen bewusst!
Der Tourismus muss in der Bundes- und Landespolitik eine stärkere, strategische Rolle widerspiegeln. Ralf Schibelius wünscht sich von dieser Seite eine langfristige Planung: „Sie muss die Kompetenz der Tourismusbranche anerkennen, Hygiene ist eines unserer Grundprinzipien."
Klage gegen Corona-Notverordnung
Den Blick nach vorn soll eine weitere Aktion lenken: Die Hotel Am Bühl GmbH klagt die gegen die Anordnung aus der sächsischen Corona-Notverordnung vom 19. November 2021, nach der touristische Übernachtungsbetriebe schließen mussten. „Der Dehoga Sachsen unterstützt das Verfahren fachlich und finanziell, weil wir gemeinsam mit der Klägerin prüfen lassen wollen, ob der gravierende Eingriff in die Geschäftstätigkeit der betroffenen Unternehmen angesichts der geringen Infektionsrisiken in Beherbergungsbetrieben überhaupt gerechtfertigt ist. Wir haben daran erhebliche Zweifel", sagt Axel Klein, Hauptgeschäftsführer des Dehoga Sachsen. Die Klage soll nun im Eilverfahren auf dem Rechtsweg Klarheit über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme schaffen.
Petra Mewes
PHOTO (COLOR): Alles dicht: Die Badegärten und das Hotel am Bühl in Eibenstock haben wegen der strengen Corona-Regelungen in Sachsen ihren Betrieb bis mindestens 12. Dezember eingestellt. Foto: Badegärten Eibenstock
By Petra Mewes
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