Schwarz ohne Klaus Gehrig? Bis zum 2. Juli ist das unvorstellbar. Und dann plötzlich Realität. Nach Jahren der Findungsphase geht der Generationswechsel bei Europas größtem Händler schneller als gedacht.
Im Rückblick erscheint alles ganz logisch: Gerd Chrzanowski ist Komplementär der Schwarz-Gruppe. Kenneth McGrath ist Lidl-Vorstandschef, Christian Härtnagel bereitet sich auf die Übernahme der Verantwortung für Lidl Deutschland vor, die er mit dem Beginn des neuen Geschäftsjahres übernehmen wird. Im Prinzip war der Weg dorthin vorgezeichnet. Und doch war der Übergang alles andere als reibungslos, denn einer fehlt in dieser Gleichung: Klaus Gehrig. Der Mann, ohne den der Erfolg von Lidl und der gesamten Schwarz-Gruppe in den vergangenen Jahrzehnten kaum vorstellbar gewesen wäre.
Zum Jahreswechsel 2020/2021 tritt Gehrig (
Am 12. Mai kommt es zum Schwur. Es ist ein Mittwoch, der Tag vor Himmelfahrt – normalerweise geschieht in solchen Feiertagswochen bei der Schwarz-Gruppe nichts Entscheidendes. Doch an diesem Tag endet plötzlich die steile Karriere von Melanie Köhler (damals 30), die Klaus Gehrig gerne als seine Nachfolgerin gesehen hätte. „Ich habe sie entlassen", sagt Gehrig. Aber nicht freiwillig: Zuvor gibt es einen Krisentermin mit ihm, Gerd Chrzanowski und Melanie Köhler bei Dieter Schwarz. Dabei stellt sich der Inhaber ganz eindeutig hinter Chrzanowski.
Bis dann wirklich klare Verhältnisse herrschen, vergehen aber weitere sieben Wochen. Wochen, in denen es regelmäßig laut wird in der Neckarsulmer Schwarz-Zentrale. Am 2. Juli ist dann Schicht im Schacht. Es ist eine für Gehrig sehr wichtige Personalie, die zum Bruch führt – auch wenn es zunächst heißt, dass das Verhältnis der beiden „weiterhin ungetrübt" sei und Gehrig befindet, dass er bester Laune sei. Kenneth McGraths geplante Berufung zum Lidl-Chef soll der Auslöser für diesen letzten Kampf gewesen sein.
Im Oktober steht Gehrig dann noch einmal auf der Tagesordnung bei der SUT-Sitzung. Bei der Abstimmung über die künftige Rolle des früheren Komplementärs sprechen sich – bis auf Schwarz selbst – alle Mitglieder dagegen aus, Gehrig einen Sitz ohne Stimme in diesem Gremium zu gewähren. Dass das Treffen der Schwarz-Kontrolleure anders als ursprünglich geplant in keinem der Hotels stattfindet, in die Klaus Gehrig investiert hat, ist dabei kein Zufall, sondern durchaus ein Zeichen: Die Schwarz-Gruppe geht neue Wege.
Wohin die führen, das muss das neue Team jetzt zeigen. Erste Lidl-Personalien geben entsprechende Hinweise. Bei Prezero und Schwarz IT zeigen Zukäufe den Weg in eine expansive Phase. Kaufland ist mit der Integration zahlreicher Real-Filialen ohnehin ausgelastet.
mfd/lz 52-21
»Herr Gehrig hat spontan das Mandat als Komplementär niedergelegt.« Interne Mitteilung
PHOTO (COLOR): Mr. Lidl: Klaus Gehrig hat die Schwarz-Gruppe seit 1976 maßgeblich mitgestaltet. Foto: Thomas Fedra
By Manfred Stockburger
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