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Von vielem zu wenig: Corona, das Wetter und politische Verwerfungen machen viele Rohstoffe zu Mangelware – Hersteller kämpfen für höhere Preise.

Varnholt, Hendrik ; Sachsenröder, Delphine
In: Lebensmittel Zeitung, 2021-12-30, Heft 52, S. 10-10
Online serialPeriodical

Von vielem zu wenig: Corona, das Wetter und politische Verwerfungen machen viele Rohstoffe zu Mangelware – Hersteller kämpfen für höhere Preise 

Im zweiten Corona-Jahr trifft das Virus viele Konsumgüterhersteller auf eine neue Weise. Lockdowns lassen Lieferketten reißen. Das Wetter, politische Verwerfungen und Nachfrageverschiebungen kommen hinzu. In der Folge mangelt es an wichtigen Rohstoffen und steigen die Kosten.

Das Jahr 2021 verleitet zu Einordnungen im großen historischen Kontext: Eine ähnliche Situation habe er seit DDR-Zeiten nicht mehr erlebt, sagt im Oktober ein Manager eines ostdeutschen Konsumgüterherstellers. Westdeutsche Branchenverantwortliche sprechen zuweilen von einer Lage, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben habe. Im zweiten Jahr der Corona-Krise müssen Konsumgüterhersteller mit echtem Mangel umgehen. Die Knappheit lässt die Börsenpreise steigen (siehe Grafik) und erhöht damit oft die Kosten. Der Mangel sorgt für Lücken im Angebot – die nur mit großem Aufwand zu kaschieren sind. Und er lässt Konflikte zwischen Herstellern und Händlern eskalieren.

Die Beispiele für fehlende Vorprodukte sind vielfältig – und teils erstaunlich: Mars zum Beispiel leidet unter einem Mangel an Kokosnüssen. Der Hersteller kann deshalb nicht so viele Bounty-Riegel liefern, wie die Händler bestellen. Selbst Coca-Cola gibt im Herbst zu, unter Lieferschwierigkeiten zu leiden. Dem Weltkonzern fehlen Dosen. Hintergrund ist vor allem ein Nachfrageschub. „Die echte Knappheit wird uns noch heimsuchen", sagt im November ein Manager eines Dosenherstellers. Denn es drohen weitere Verwerfungen: China kündigt an, die Exporte des in der Aluminiumproduktion benötigten Magnesiums zu drosseln, weil dem Land Strom fehlt. Dies liegt wiederum daran, dass China im Streit mit dem Kohle-Exportland Australien liegt und in Indonesien starke Regenfälle zeitweise den Kohleabbau verhindern. Chinas Energiemangel legt auch einen Teil der Phosphor-Produktion lahm – sodass Waschmittelhersteller in Deutschland ihre Rezepturen ändern müssen.

Die größten Schwierigkeiten bereitet vielen Herstellern aber der Einkauf von Verpackungsmaterial. Die Nachfrage nach Papier und Pappe ist weltweit derart gestiegen, dass solches Material nur mit langer Vorlaufzeit zu bekommen ist. Kurzfristige Änderungen des Verpackungsdesigns oder schnelle Produkteinführungen sind im Jahr 2021 deshalb kaum möglich. Wellpappe ist unter anderem wegen des Versandhandelsbooms so knapp, dass Verantwortliche von Ritter Sport im Oktober darüber nachdenken, Verkaufsaufsteller von Händlern zurückzuholen und wiederzuverwenden. Die angespannte Lage auf dem Papiermarkt trifft naturgemäß auch die Anbieter von Toilettenpapier und ähnlichen Produkten. Sie sehen sich angesichts hoher Einkaufs- und konstant niedriger Verkaufspreise Ende des Jahres in einer Notsituation. Essity argumentiert laut Informanten im Dezember mit einer „Störung der Geschäftsgrundlage" – und sieht sich vor diesem Hintergrund offenbar nicht mehr an einen Vertrag mit Edeka gebunden.

Vielfach lösen fehlende Transportkapazitäten zusätzliche Schwierigkeiten aus: „Die Ware ist da, aber wir bekommen sie aus den Häfen nicht weg", sagt im Herbst etwa der Lieferketten-Direktor von Eckes-Granini Deutschland, Andreas Niesig. Auch das Wetter spielt – womöglich vom Klimawandel unterstützt – eine Rolle. Etwa angesichts von Missernten in Chile und Mexiko werden Himbeeren rar. Schwartau setzt die Unverbindliche Preisempfehlung für Himbeermarmelade denn auch mit 2,89 Euro deutlich über der für Erdbeermarmelade (2,39 Euro) an. Der Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft berichtet, es sei „derzeit schwierig bis nahezu unmöglich, Getreide mit passenden Qualitäten in ausreichenden Mengen zu beschaffen". Das vorhandene Getreide werde dort verkauft, „wo die höchste Zahlungsbereitschaft besteht". Dies sei „derzeit nicht der deutsche Markt".

Viele Hersteller beschreiben ihre Lage im Jahr 2021 mit drastischen Worten – um letztlich Händlern gegenüber Preiserhöhungen durchzusetzen. Den Anfang macht im Juli Unilever: „Natürlich" werde es Preiserhöhungen geben, sagt der Deutschland-Vertriebschef des Konzerns, Stefan Pfeifer, der LZ. Die steigenden Rohstoffkosten seien „eine große Herausforderung". Im Juli folgt Nestlé. An „zeitnahen Preiserhöhungen über das gesamte Portfolio hinweg" führe „kein Weg vorbei", sagt Nestlé-Manager Klaus Hebekus. Viele weitere Unternehmen fordern mehr Geld: große wie Coca-Cola, mittlere wie Bitburger und kleine wie der Chupa-Chups-Anbieter CFP Brands.

Händler allerdings reagieren darauf betont abweisend. Vor allem Edeka-Chef Markus Mosa tritt den Forderungen vieler Hersteller öffentlich entgegen. Er spricht im Dezember etwa von „unredlichem Verhalten einiger Konsumgüterhersteller". Das Jahr 2021 endet für viele Produzenten deshalb mit ungelösten Konflikten. Hendrik Varnholt/des/lz 52-21

Graph: Öl - Preis pro Barrel Brent in US-Dollar / Weizen - Preis pro Tonne in Euro / Mais - Preis pro Scheffel in US-Dollar

PHOTO (COLOR): Leer gefegt: Zum Beispiel Getreideverarbeiter müssen mit einem knappen Angebot auf dem Weltmarkt umgehen. Foto: DcByte/Shutterstock

1 Auch der Export stockt

Deutsche Konsumgüterhersteller stellt im Jahr 2021 auch das Exportgeschäft vor zuvor unbekannte Schwierigkeiten. „Die Containerlaufzeiten fühlen sich endlos an", sagt der Chef des Süßwarenherstellers Wawi, Richard Müller. In den USA zum Beispiel dauere allein die Schiffsentladung mittlerweile zwei bis drei Wochen. Bei dem Süßwarenproduzenten, der viele Weihnachtsartikel exportiert und deshalb auf pünktliche Lieferungen angewiesen ist, steht es 2021 deshalb „mehrmals Spitz auf Knopf", wie Müller sagt. Letztlich kommt das Unternehmen nach seinen Worten aber „mit einem hellblauen Auge davon".

Der Backwarenhersteller Kuchenmeister bringt im zweiten Corona-Jahr Saisonware für Abnehmer in Asien und den USA wegen der „angespannte Logistiksituation" teils schon im Sommer auf den Weg, wie der Marketingchef des Unternehmens, Fabian Meiberg, sagt.

Auch ein Sprecher des Süßwarenhersteller Rübezahl-Riegelein, der ebenfalls viel Saisonware an ausländische Abnehmer verkauft, berichtet von Herausforderungen. Vor allem Lieferungen nach Nordamerika, Asien, Chile und Südafrika sind 2021 von Verzögerungen betroffen, wie ein Sprecher des Unternehmens sagt. Letztlich wird nach seinen Worten zwar nur „sehr, sehr wenig Ware" nicht rechtzeitig ausgeliefert. Dies aber gelingt nur zu hohen Kosten: Der Sprecher berichtet von „massiv erhöhten Preisen" in der Logistik. hv/lz 52-21

By Hendrik Varnholt and Delphine Sachsenröder

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Titel:
Von vielem zu wenig: Corona, das Wetter und politische Verwerfungen machen viele Rohstoffe zu Mangelware – Hersteller kämpfen für höhere Preise.
Autor/in / Beteiligte Person: Varnholt, Hendrik ; Sachsenröder, Delphine
Zeitschrift: Lebensmittel Zeitung, 2021-12-30, Heft 52, S. 10-10
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0947-7527 (print)
DOI: 10.51202/0947-7527-2021-52-010
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Full Text Word Count: 895

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