Die Folie dehnte schon längere Zeit Günther Jochers Geduldsfaden. Weit über 1000 Meter der transparenten Kunststoff-Folie wickelten die Maschinen täglich um die Paletten in den Logistikhallen von Group7 am Münchner Flughafen. Pro Jahr viele hundert Kilometer. Damit hätten die Künstler Christo und Jeanne-Claude spektakuläre Verhüllungen schaffen können. Bei Group7 ebenso wie bei tausenden anderen Logistik- und Speditionsunternehmen dient das Material profanen Zwecken, der Sicherung von Kartons auf Paletten. Per Luftfracht ankommende Kartons der Kunden werden von den Group7-Logistikern nach der Sortierung auf Paletten gestapelt und vor der Weiterbeförderung mit der Folie gesichert.
Wer nicht weiß, wie das funktioniert, kennt Stretchfolie vielleicht von Urlaubsreisen. An vielen Flughäfen gibt es Dienstleister, die Koffer in Stretchfolie einwickeln. Das Gepäck wird dadurch gegen Beschädigungen und Diebstahl gesichert.
In der Logistik funktioniert es ähnlich. Wenn Kartons auf Paletten gestapelt werden, fallen sie beim Transport leicht herunter. Um das zu verhindern, werden sie zumeist von Maschinen mit Stretchfolie umhüllt. Die Außenseite der Folie ist glatt, die Innenseite haftet. Werden die Kartons umwickelt, hält die reißfeste Folie sie zusammen. Nach dem Transport wird die Folie von den Empfängern zumeist aufgeschnitten und weggeworfen. Stretchfolie ist mit 8 bis 23 tausendstel Millimeter zwar extrem dünn, bei der verwendeten Menge kommt trotzdem einiges an Gewicht zusammen.
Allein bei Group7 wären es in diesem Jahr mehrere Tonnen gewesen. Wären, denn Hauptaktionär und Alleinvorstand Günther Jocher hat Schluss gemacht mit dem immensen Plastikmüll. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern hat er überlegt, wie Pakete auf Paletten gesichert werden können, ohne Müll zu produzieren. Die Lösung ist ebenso simpel wie effektiv und war längst am Markt vorhanden: Seit 2020 werden bei den Oberbayern die Paletten statt mit Folie mit einer Manschette mit Klettverschluss gesichert. Bei den Kunden des Unternehmens befinden sich Behälter, in denen die Manschetten nach Gebrauch gesammelt werden. Group7 wechselt volle Behälter regelmäßig gegen leere aus. Jocher: „Das schont nicht nur die Ressourcen, sondern ist auch betriebswirtschaftlich sinnvoll. Die Investition macht sich relativ schnell bezahlt." Der Group7-Chef ist der Ansicht, dass es inzwischen in vielen Bereichen betriebswirtschaftlich sinnvolle Lösungen gibt, um ressourcenschonend zu wirtschaften. Angesichts steigender Energiepreise würden sich ständig mehr Möglichkeiten ergeben.
Um noch einmal auf die Folie zurück zu kommen. Die erzielte Einsparung bei Group7 ist enorm. Waren es 2020 noch 297 Kilometer Folie mit einem Gewicht von 2,8 Tonnen, die nicht verwendet wurde, betrug die Einsparung aufgrund des gestiegenen Frachtaufkommens in diesem Jahr bis Mitte November schon 453 Kilometer bzw. knapp 4,4 Tonnen.
Mehrweg-Manschetten statt Folie – das ist bei weitem kein Einzelprojekt bei Group7 mit Hauptsitz im oberbayerischen Schwaig am Münchner Flughafen. Sondern das Ergebnis der Lebensphilosophie von Gründer und Inhaber Günther Jocher. Er wuchs in einem kleinen bayerischen Ort auf und erinnert sich lebhaft an den großen Garten und die vielen dort angebauten Gemüse- und Obstsorten. Das damalige Leben sei für die Erwachsenen mit viel Arbeit verbunden gewesen, doch mal habe im Einklang mit der Natur gelebt. Im Winter kamen keine exotischen Früchte auf den Tisch, sondern das, was im Spätsommer eingekocht worden sein. „Das prägt", sagt Jocher.
Auf vielen Asienreisen sah er in seinem späteren Berufsleben, wie verheerend die Auswirkungen auf die Natur in den Textilregionen gewesen sind, in denen giftige Abwässer in Gewässer geleitet wurden. Auch das prägt, sagt er. In ständigem Austausch mit seinen Mitarbeitern treibt Jocher daher in seinem Unternehmen schon lange die Philosophie voran, dass betriebswirtschaftlich sinnvolles Handeln auch ressourcenschonend möglich ist.
PHOTO (COLOR): Foto: Stephan Goerlich