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Wilhelm Wieprecht (1802–1872). Korrespondenz, Schriften und Dokumente zu Leben und Wirken. Hrsg. und komm. von Achim Hofer und Lucian Schiwietz. Mit einem Werkverzeichnis von Achim Hofer, Würzburg: Königshausen & Neuhaus 2020, XXVI, 827 S., EUR 74,00 [ISBN 978‑3‑8260‑7034‑1]

Heidler, Manfred
In: Militärgeschichtliche Zeitschrift, Jg. 80 (2021-11-01), Heft 2, S. 412-414
Online review

Wilhelm Wieprecht (1802–1872). Korrespondenz, Schriften und Dokumente zu Leben und Wirken. Hrsg. und komm. von Achim Hofer und Lucian Schiwietz. Mit einem Werkverzeichnis von Achim Hofer, Würzburg: Königshausen & Neuhaus 2020, XXVI, 827 S., EUR 74,00 [ISBN 978‑3‑8260‑7034‑1] 

Wilhelm Wieprecht (1802–1872). Korrespondenz, Schriften und Dokumente zu Leben und Wirken. Hrsg. und komm. von Achim Hofer und Lucian Schiwietz. Mit einem Werkverzeichnis von Achim Hofer, Würzburg : Königshausen & Neuhaus 2020, XXVI, 827 S., EUR 74,00 [ISBN 978‑3‑8260‑7034‑1]

Achim Hofer und Lucian Schiwietz kommt das Verdienst zu, ein längst überfälliges Standardwerk zu Leben und Wirken von Wilhelm Wieprecht (1802–1872) vorgelegt zu haben. Es gelingt ihnen dabei, mittels erstmals gesammelter Korrespondenz, seiner Schriften und umfänglichen Dokumenten den wohl bekanntesten Repräsentanten vornehmlich der preußischen Militärmusik im Kontext seiner Raum‑ und Zeitbindung zu erschließen.

Hofer und sein Mitarbeiter legen eine Material‑ und Quellenfülle vor, die das bisher bekannte Bild des Kammermusikus und »Direktor[s] sämmtlicher Musikchöre des Garde du Corps«, Wilhelm Wieprecht, um eine Vielzahl von zum großen Teil unbekannten Details erweitert und so einen neuen Zugang gerade zu dessen Bedeutung und Wirkung ermöglicht. Achim Hofer lässt bereits in seiner Einleitung das Kaleidoskop der Persönlichkeit Wieprechts aufscheinen, indem er Hintergründe und Sektionen des Werkes vorstellt und so auf bereits Bekanntes und mithin Unbekanntes verweist. Editionsrichtlinien und allgemeine Hinweise erscheinen beim Umfang der aufgeführten Dokumente unverzichtbar und erleichtern so den weiteren Umgang damit. Die Herausgeber bedienen sich bei ihrer Darstellung einer stringenten und zielführenden Gliederung: Korrespondenz (1833–1872); Wieprechts Schriften (1833–1872); a) Manuskripte; b) Publikationen; Dokumenten zu Leben und Wirken (1822–1878); a) Manuskripte; b) Publikationen.

Das »Kommentierte Wieprecht-Werk-Verzeichnis« (KWWV) von Achim Hofer bildet den Abschluss dieses mit 827 Seiten als Opus Magnum zu bezeichnenden Werkes. Gerade Letzteres fehlte bisher völlig, wenngleich einiges von Wieprechts Schaffen in August Kalkbrenners 1882 publizierter Schrift »Wilhelm Wieprecht. Director sämmtlicher Musikchöre des GardeCorps. Sein Leben und Wirken nebst einem Auszug seiner Schriften« angeführt wurde. Kalkbrenners Sichtweise auf ihn bestimmte darüber hinaus auch über 140 Jahre das »vorherrschende Bild Wilhelm Wieprechts als Militärkapellmeister und Reformer der preußischen Militärmusik« (Hofer, Einleitung, S. X). Seine weitgehend auf Militärmusik reduzierte Betrachtung wird dabei nun durch wesentliche und essenzielle Beiträge als ausübender Musiker, passionierter Erfinder, engagierter Komponist und handwerklich geschickter Arrangeur, der das von ihm konzipierte (Militär‑)Blasorchester als spezielle und populäre Form von Instrumentalmusik begriff, umfassend erweitert. Gerade seine weitgehend unbekannte Tätigkeit als Hofmusiker und damit seine Beiträge zu Hofmusik, Schauspiel, Opernaufführungen und Ballett sind wiederum erstmals dokumentiert und ergänzen den bisher dominierenden Fokus seiner militärmusikalischen Bedeutung.

Außerdem ist die Zusammenführung des Schriftgutes zum Streit Wilhelm Wieprechts mit Adolphe Sax für eine differzierte Betrachtung dieses besonderen Aspektes besonders hilfreich und bietet wiederum so Gelegenheit, sich beide Seiten argumentativ gegenüberzustellen. Ebenfalls ist Wieprechts Instrumentationslehre dokumentiert; diese Dokumentation verschafft Zugang zu seiner Auffassung von Instrumentation im Kontext seiner Zeit. Hervorzuheben ist, wie diese Beispiele zeigen, dass der besondere Wert des Buches darin liegt, dass bekannte Einzeldarstellungen, wie sie zum Beispiel die verschiedenen Fachzeitschriften zu Wieprecht in loser Folge druckten, nun quasi als Gesamtdarstellung vorliegen; langwierige Recherchen werden dadurch obsolet.

Achim Hofers besonderes Engagement um militärmusikalische Belange sind seit Langem bekannt und ihm sind aufgrund seiner detailgenauen Recherchen etliche musik-wissenschaftliche Richtigstellungen von Sachverhalten wie z. B. zum Militärmarsch oder zur königlichen preußischen Armeemarschsammlung zu verdanken. Angemerkt sei hierzu, dass bereits 1879 in der ersten Ausgabe der »Deutschen Militärmusiker Zeitung« eine überzeugende musik-wissenschaftliche Präsenz der (preußisch-deutschen) Militärmusik selbst eingefordert wurde.

Dass bei Wilhelm Wieprecht Patriotismus und Nationalismus im Lebenszusammenhang zusammenflossen, ist dabei nicht sonderlich überraschend. Sein musikalisch-künstlerisches Können verschaffte ihm die Möglichkeit, auf Augenhöhe mit Komponistinnen und Komponisten und Musikerinnen und Musikern seiner Zeit zu kommunizieren. Sein Selbstbewusstsein und ein doch deutlich erkennbarer Hang zu Egozentrik und Selbstvermarktung lassen sich ebenfalls wiederum durch die hier versammelten Dokumente und erstmals zusammengefassten Schriften als Wesensmerkmale seiner Persönlichkeit deutlich skizzieren. Achim Hofer hat dieses Materialkompendium bewusst nicht ausgewertet und überlässt dies »zukünftiger Forschung«, wenngleich er mittels Kommentierung versucht, »Leserinnen und Lesern verständlich zu machen, was aufgrund historischer oder fachlicher Distanz Schwierigkeiten bereiten kann« (Hofer, Einleitung, S. X).

Wilhelm Wieprecht war ein »Netzwerker« seiner Zeit und ein Musikdarsteller mit eigenem Profil. Er erkannte und förderte mit seinen Mitteln eine musikalische Form der »Volksbildung«, indem er große Kunstmusik auch den »einfachen Menschen« darbot. Hierzu ließ er »alle großen Meister« über seine Klinge springen, indem er mittels überzeugender Arrangements deren Kompositionen mit seinen »Monstre-Concerten« einem Massenpublikum darbot. Seine Neigung zu Musikermassen, samt »bengalische[m] Feuer und Kanonendonner« (Theodor Rhode) wurden Teil seiner Inszenierungen und damit sein nicht unumstrittenes Markenzeichen.

Es ist Achim Hofer zuzustimmen, der in seiner Einleitung darlegt: »Wer Wieprecht war, wie er agierte und ›netzwerkte‹, wie sein Wirken – darunter auch sein publizistisches – zu bewerten ist, welche Bedeutung seine nicht direkte militärmusikalischen Tätigkeiten hatten, allen voran seine Bemühungen im Bereich des Musikinstrumentbaus und der Instrumentation, überhaupt wie er als eine Art ›Schlüsselfigur‹ am preußischen Hof und im Berliner Musikleben einzuordnen ist, all' dies sind Fragen, deren differenzierte Antworten noch ausstehen und zu deren Beantwortung die vorliegende Edition Quellenmaterial bereitstellen möchte« (Einleitung, S. XII).

In diesem Sinne sei dieser richtungsweisenden Publikation eine breite Leserschaft gewünscht.

By Manfred Heidler

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Titel:
Wilhelm Wieprecht (1802–1872). Korrespondenz, Schriften und Dokumente zu Leben und Wirken. Hrsg. und komm. von Achim Hofer und Lucian Schiwietz. Mit einem Werkverzeichnis von Achim Hofer, Würzburg: Königshausen & Neuhaus 2020, XXVI, 827 S., EUR 74,00 [ISBN 978‑3‑8260‑7034‑1]
Autor/in / Beteiligte Person: Heidler, Manfred
Link:
Zeitschrift: Militärgeschichtliche Zeitschrift, Jg. 80 (2021-11-01), Heft 2, S. 412-414
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: review
ISSN: 2193-2336 (print)
DOI: 10.1515/mgzs-2021-0068
Schlagwort:
  • WILHELM Wieprecht (1802-1872): Korrespondenz, Schriften und Dokumente zu Leben und Wirken (Book)
  • HOFER, Achim
  • SCHIWIETZ, Lucian
  • WIEPRECHT, Wilhelm
  • NONFICTION
  • Subjects: WILHELM Wieprecht (1802-1872): Korrespondenz, Schriften und Dokumente zu Leben und Wirken (Book) HOFER, Achim SCHIWIETZ, Lucian WIEPRECHT, Wilhelm NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Bonn, Germany
  • Full Text Word Count: 847

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