Kinder wachsen heute mit dem Internet und einem breiten Medienrepertoire auf. Um Informationen online zu recherchieren, nutzen sie Suchmaschinen, Kindersuchmaschinen oder Videoplattformen. Sie sind dabei verschiedenen Formaten von Inhalten mit unterschiedlicher Qualität ausgesetzt, mit denen sie lernen müssen umzugehen.In diesem Artikel wird das Forschungsvorhaben der Autorin beschrieben. Ziel des Dissertationsprojektes ist es, den Stand der Informationskompetenz von Grundschulkindern zu erheben. Die Ergebnisse sollen als Grundlage dafür dienen, Empfehlungen für die Gestaltung von Unterricht zu formulieren, um die Förderung von Informationskompetenz sinnvoll in die Grundschule zu integrieren.
Children today are growing up with the Internet and a broad media repertoire. To research information online, they use search engines, children's search engines or video platforms. They are exposed to different formats of content with varying degrees of quality, which they have to learn to deal with. This article describes the author's research project. The goal of the dissertation project is to survey the state of information literacy of elementary school children. The results are to serve as a basis for formulating recommendations for the design of lessons in order to integrate the promotion of information literacy into elementary school in a meaningful way.
Résumé: Aujourd'hui, les enfants grandissent avec Internet et un large répertoire de médias. Pour chercher des informations en ligne, ils utilisent des moteurs de recherche, des moteurs de recherche pour enfants ou des plateformes vidéo. Ils sont ainsi exposés à différents formats de contenus de qualité variable, qu'ils doivent apprendre à gérer. Cet article décrit le projet de recherche de l'autrice. L'objectif du projet de thèse est d'évaluer l'état des compétences informationnelles des enfants de l'école primaire. Les résultats doivent servir de base à la formulation de recommandations pour la conception de formation, afin d'intégrer de manière judicieuse la promotion de la maîtrise de l'information dans l'école primaire.
Keywords: Benutzerforschung; Informationsverhalten; Kind; Internet; Medien; Informationskompetenz; User research; Information behaviour; Child; Media; Information literacy; Recherche sur les utilisateurs; Comportement face à l'information; Enfant; Médias; Compétence informationnelle
Ob Tageszeitung, Newsletter, Radiosendung, Lexikoneintrag, Social Media Post, Fernsehbeitrag oder persönliche Gespräche – Informationen können über vielfältige Kanäle ausgespielt und empfangen werden. Eine entscheidende Rolle bei der Sichtbarmachung und Verbreitung von Informationen nehmen digitale Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ein. Eng damit verbunden ist der Zugang zu und Umgang mit dem Informationsraum Internet.
Um sich in einer immer komplexer werdenden technologisierten Lebenswelt zurechtzufinden und um in der Wissensgesellschaft selbstbestimmt handeln, partizipieren und teilhaben zu können, ist der kompetente Umgang mit Informationen eine wichtige Voraussetzung. Die Schlüsselqualifikation, die benötigt wird, um den (digitalen) Chancen und Herausforderungen einer modernen Informationsgesellschaft gewachsen zu sein, kann mit dem vielschichtigen Begriff Informationskompetenz beschrieben werden (Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur, 2011; Informationskompetenz und Demokratie, 2022). Der Begriff Informationskompetenz wurde früh vom Bibliothekswesen aufgegriffen und wird definiert als „Fähigkeit, die es ermöglicht, bezogen auf ein bestimmtes Problem Informationsbedarf zu erkennen, Informationen zu ermitteln und zu beschaffen sowie Informationen zu bewerten und effektiv zu nutzen" ([
Da internetbasierte Dienste und digitale Technik alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens prägen und durchdringen, ist die Entwicklung auch in der Alltagswelt von Grundschulkindern angekommen (Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts, 2013). Sowohl in der Schule als auch in der Freizeit sind sie von digitalen Informationsmöglichkeiten umgeben. Untersuchungen zum Mediennutzungs- und Informationsverhalten der sechs- bis 13-jährigen zeigen, dass sie vorrangig das Internet nutzen, um sich zu informieren (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2020; Feil, Gieger, & Grobbin, 2013). Dabei benötigen vor allem jüngere Kinder Anleitung und Unterstützung ([
Im Folgenden wird das Mediennutzungs-, Informations- und Rechercheverhalten von Kindern näher erläutert. Daran anschließend wird auf die Möglichkeit der Informationskompetenzerfassung von Schülerinnen und Schülern und das methodische Vorgehen im Dissertationsprojekt im Kontext des BMBF-Projekts „Digitale Lernumgebungen in der Grundschule (DigiLeG)" eingegangen. Ausgehend vom Ist-Stand der Informationskompetenz, bedarf es der Entwicklung von Unterrichtskonzepten, die Grundschulkinder in informationskompetentem Handeln fördern. Die Potenziale der Umsetzung im Sachunterricht werden vor dem abschließenden Fazit diskutiert.
Um Kinder in ihrem informationskompetenten Handeln zu stärken, ist es nach [
In der Schule steht zur regelmäßigen Nutzung der klassische Computer an erster Stelle (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2020, S. 56). Werden digitale Lerngelegenheiten im Grundschulunterricht angeboten, überwiegen folgende Tätigkeiten: Texte und Wörter mit dem Computer schreiben, etwas im Internet nachlesen oder ein Lernprogramm nutzen (vgl. Abb. 1).
Graph: Abbildung 1 Digitale Tätigkeiten in der Schule (aus: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2020, S. 58).
Kinder sind an einem durchschnittlichen Wochentag bis zu 46 Minuten online und surfen zunehmend allein (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2020, S. 17). Mit dem Internet verbinden die sechs- bis 13-jährigen vor allem Informationsaspekte. Entsprechend steuern sie mehrmals pro Woche bis täglich Suchmaschinen an (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2020, S. 39). Bei der Erhebung 2018 wurde gefragt, welche Suchmaschinen die Kinder nutzen, um sich zu informieren. Es zeigte sich, dass Google bei nahezu allen Themen als erste Anlaufstelle dient und auch die Videoplattform YouTube zunehmend zur Recherche herangezogen wird (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2018, S. 49). Die Kindersuchmaschinen FragFinn, Helles Köpfchen und Blinde Kuh werden zwar genannt, erfahren in der Popularität aber nicht den gleichen Stellenwert, wie in Abbildung 2 deutlich wird.
Graph: Abbildung 2 Quellen, die Kinder zur Online-Recherche heranziehen (aus: Medienpädagogischer Forschungsverbund, 2018, S. 49).
Im digitalen Zeitalter sind das Suchen und Finden von Informationen im Internet scheinbar leicht zu bewältigende Aufgaben. Wie Schülerinnen und Schüler recherchieren, ist in den letzten Jahren von ausgewählten Studien untersucht worden. Die Untersuchung von [
Weiterhin wurde aufgezeigt, dass sich die Rechercheaktivitäten von Kindern in Schul- und Ferienzeit unterscheiden. Kinder starten Suchanfragen in der Ferienzeit deutlich seltener, was sich darin begründet, dass Suchanfragen während der Schulzeit fremdgesteuert sind und durch schulische Belange hervorgerufen werden (Feil, Gieger, & Grobbin, 2013, S. 227).
Erhalten Kinder nach erfolgreicher Sucheingabe eine Trefferliste, sichten sie in drei Viertel der Fälle nur die erste Trefferseite und davon wiederum meist die obersten Ergebnisse, weil Kinder die Trefferseite von oben nach unten durchklicken oder nicht nach unten scrollen (Feil, Gieger, & Grobbin, 2013, S. 227–228). Die Studie zeigt zudem, „dass Kinder die Glaubwürdigkeit von Ergebnissen in der Regel nicht in Frage stellen. Skeptisch werden sie nur, wenn verschiedene Suchmaschinen unterschiedliche Ergebnisse liefern. In diesem Fall fehlt Kindern die Erfahrung, die Glaubwürdigkeit von Webseiten und deren Inhalten zu beurteilen" (Internet-ABC e.V. & EU-Initiative klicksafe, 2016, S. 11).
Die Untersuchung „Wie entdecken Kinder das Internet?" von Feil, Gieger und Decker aus 2004, bei der die Internetaktivitäten fünf- bis zwölfjähriger Schülerinnen und Schüler beobachtet wurden, zeigt, dass vor allem jüngere Kinder beim Umgang mit Webseiten schnell überfordert sein können und eine Begleitung durch Erwachsene unabdingbar ist (Feil, Decker, & Gieger, 2004, S. 147). Dies steht insbesondere in Zusammenhang mit der fehlenden oder noch geringen Lese- und Schreibfertigkeit (Feil, Decker, & Gieger, 2004, S. 147). Sibylle [
Die hier dargestellten Problematiken veranschaulichen, dass der kompetente Umgang mit dem Internet allgemein und die Recherche mit Suchmaschinen und (Kinder-) Webseiten im Speziellen angeleitet und geübt werden muss. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Förderung der Informationskompetenz der Kinder im Unterricht notwendig ist. Damit dies gelingt, sind neben dem Wissen zu Mediennutzungs- und Informationsverhalten Kenntnisse zum konkreten Stand der Informationskompetenz entscheidend.
„Durch die wachsende Bedeutung der Informationskompetenz im Schul- und Hochschulbereich entstanden in den letzten Jahren sowohl nationale als auch internationale Standards. Diese wandeln Definitionen und Modelle [der Informationskompetenz] in konkrete Indikatoren um, durch die sowohl die Vermittlung von Informationskompetenzen standardisiert als auch der Stand der Informationskompetenz festgestellt werden kann" (Dreisiebner, Beutelspacher, & Henkel, 2017, S. 330). In Deutschland steht mit dem Referenzrahmen Informationskompetenz ein Bezugsrahmen für alle Bildungsebenen zur Verfügung, welcher die in den Definitionen von Informationskompetenz genannten (Teil-)Kompetenzen aufgreift und in unterschiedlichen Niveaustufen beschreibt, was es heißt informationskompetent zu sein ([
Um Informationskompetenz zu messen, werden in der Regel folgende Ansätze verfolgt und oftmals miteinander kombiniert: Selbstauskunft durch die Nutzer, Beobachtung des Nutzerverhalten oder explizite Wissens- und Leistungstests ([
Bei Auswertung der Forschungsaktivitäten im deutschsprachigen Raum zeigt sich, dass bei der Erhebung und Förderung der Informationskompetenz der Schwerpunkt bei den Studierenden liegt (u. a. SteFi-Studie 2001 und Projekt i-literacy 2008). [
Abbildung 3 Beispiele für Testfragen (eigene Darstellung).
Informationsbedarf erkennen Du hast in einer Suchmaschine etwas gesucht. Es wurde kein Text gefunden. Warum? Informationen suchen und finden Du suchst Informationen über Autos, darfst aber „Auto" nicht verwenden. Welches Wort benutzt du stattdessen? Informationen beurteilen Um die aktuellsten Informationen zu finden, sucht man am besten in...? Informationen nutzen Du hast zu einem Thema mehrere Texte im Internet gefunden. Wie schreibst du eine Zusammenfassung? Informationen kommunizieren und publizieren Wer darf im Internet etwas berichten und veröffentlichen?
Um Kinder in ihrem informationskompetenten Handeln zu fördern und um ihnen Strategien und Fähigkeiten im Umgang mit unterschiedlichen Informationsquellen frühzeitig an die Hand zu geben, sollte die Vermittlung von Informationskompetenz bereits in der Grundschule umgesetzt werden. An deutschen Grundschulen wird Informationskompetenz nicht als eigenständiges Schulfach unterrichtet und es existiert im Gegensatz zu anderen Ländern (u. a. Kanada, Slowenien, Großbritannien) kein spezifisches Curriculum zur Förderung von Informationskompetenz (Gust von Loh & Stock, 2013). Empirische Untersuchungen oder evaluierte Konzepte zur Informationskompetenzvermittlung im Grundschulbereich fehlen. An die Thematik angelehnte Publikationen, die sich auf die Primarstufe fokussieren, sind rar (Ader, Orszullok, & Stock, 2013). Lena [
Im Perspektivrahmen Sachunterricht thematisiert der perspektivenvernetzende Bereich „Medien" das Lernen mit und über Medien und greift das Themenfeld „Medien als Informationsträger" explizit auf (Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts, 2013, S. 83–86). Die im Themenbereich Medien formulierten Kompetenzbeschreibungen lassen sich Kriterien und Teilkompetenzen der Informationskompetenz zuordnen. Beispielsweise sollen die Schülerinnen und Schüler verschiedene Informationsformen erkennen und nutzen, in verschiedenen medialen Beständen und/ oder in zur Verfügung stehenden medialen Diensten nach Informationen suchen (z. B. Bibliotheken, Datenbanken, Nachschlagewerken, Kinderwebseiten, Lehrmittel, Kindersachbücher) und Hilfsmittel (z. B. Kataloge, Schlagworte, Suchmaschinen) gezielt einsetzen, Informationen vergleichen, eine Auswahl treffen und für Kommunikation verwenden (Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts, 2013, S. 85). Die hier aufgeführten Beispiele veranschaulichen, welches Potenzial die Integration informationskompetenzförderlicher Inhalte im Sachunterricht bietet.
Für viele Kinder gehört es in der heutigen Zeit dazu, von digitaler Technik und elektronischen Medien alltäglich umgeben zu sein. Sie sind Teil einer Generation, die den schnellen technischen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandel selbst erfährt und diese Zeit mitgestalten und mitbestimmen sollte. Das Internet als Wissensspeicher und Kommunikationsraum bietet ihnen dabei scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten zu partizipieren. Sechs- bis 13-Jährige surfen täglich im Durchschnitt bis zu 46 Minuten im Internet und tun dies zunehmend allein (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2020, S. 17). Auf der Suche nach Informationen aber brauchen gerade jüngere Kinder Orientierung und Begleitung durch Erwachsene. Während ihrer Internetnutzung können sie auf Inhalte treffen, die sie ablenken oder überfordern oder die sie selbst als unangenehm empfinden. Es fehlt ihnen noch an ausreichend Urteilsvermögen, um die Glaubwürdigkeit von Inhalten und Webseiten einschätzen zu können. Die 2011 veröffentlichte Forderung der Kommission Zukunft der Informationsinfrastrukturen (2011, S. 30), die Bedeutung von Informationskompetenz in allen Teilen der Gesellschaft zu verankern und die Vermittlung von Informationskompetenz bereits in der Schule anzusetzen, ist durch die aktuellen IKT-Entwicklungen und der damit in Verbindung stehenden veränderten Wege, auf Informationsquellen zuzugreifen, wichtiger denn je.
Um alle Kompetenzbereiche der Informationskompetenz fördern zu können, müssen Lehrkräfte selbst informationskompetent sein und Kenntnisse über das Mediennutzungs- und Informationsverhalten ihrer Schülerinnen und Schüler haben. Sie benötigen zudem Konzepte, um fachspezifischen und fächerübergreifenden Unterricht anzubieten, der zum Informationskompetenzerwerb beiträgt. „Eine Kombination aus neuen Technologien, die den Bedarf der Kinder ansprechen, und unterstützenden Unterrichtskonzepten, die ins Bildungssystem verankert werden, scheint eine erfolgversprechende Maßnahme zu sein, um Kinder beim Erwerb von Informationskompetenz zu begleiten und ihnen Strategien für einen kompetenten Umgang mit dem Informationsmedium Internet zu vermitteln" ([
Zuletzt trägt die Erhebung des Stands der Informationskompetenz wesentlich dazu bei, die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu kennen, ihre Stärken und Schwächen sichtbar zu machen und darauf aufbauend curriculare Inhalte zu verändern oder Unterstützungsangebote zu entwickeln (Foo, Majid, & Chang, 2017).
By Gesine Andersen
Reported by Author
Gesine Andersen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Lehrerbildung der Technischen Universität Chemnitz und promoviert im BMBF-Projekt „Digitale Lernumgebungen in der Grundschule (DigiLeG)". Davor absolvierte sie das Volontariat zur wissenschaftlichen Dokumentarin am Leibniz Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) in Frankfurt am Main in Kooperation mit dem Fachbereich Media der Hochschule Darmstadt (h_da) in Dieburg.