Zum Hauptinhalt springen

Bildungsaufstiege in der Wissenschaft. Zur Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit beim Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur.

Zimmer, Lena M.
In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 50 (2021-12-01), Heft 6, S. 415-433
Online academicJournal

Bildungsaufstiege in der Wissenschaft. Zur Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit beim Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur  Educational Advancement in Academia. On the Non-Reproduction of Social Inequality in the Transition from Junior to Full Professorship 

Der Beitrag wendet sich einem in Bildungs- und Ungleichheitssoziologie weitgehend vernachlässigten Phänomen zu: Wie lässt sich die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit in einer bereits stark selektierten Population erklären? Untersucht wird, welche Faktoren dazu beitragen, dass Juniorprofessor*innen sog. bildungsferner Herkunft auf eine Lebenszeitprofessur berufen werden. Dieser Frage wird mit eigenen Befragungsdaten nachgegangen, die 2015 unter Juniorprofessor*innen erhoben wurden; die Ungleichheitssoziologie Bourdieus gibt die analytische Perspektive vor. Die Analysen zeigen, dass soziale Aufstiege durch (1) einen Mangel an bürgerlicher Gelassenheit, (2) einen ungerichteten Arbeitseifer und (3) eine asketische Lebensführung der Aufsteiger*innen erklärt werden können. Der Beitrag ergänzt eine eher defizitorientierte Ungleichheitsforschung dahingehend, dass mit einer sog. bildungsfernen Herkunft nicht nur Mängel und Benachteiligungen identifiziert werden, sondern auch Ressourcen, die den sozialen Aufstieg begünstigen.

The paper focuses on a phenomenon largely neglected in the sociology of education and social inequalities: How can we explain the non-reproduction of social inequality in an already highly selected population? To address this question, the contribution examines factors that explain the appointment of junior professors from underprivileged educational families to a full professorship. The analyses draw on survey data collected among junior professors at German universities in 2015; Bourdieu's sociology of social inequality provides the analytical framework. The analyses indicate that social mobility can be explained by upwardly mobile professors' (1) lack of bourgeois serenity, (2) undirected zeal for work, and (3) ascetic way of living. The study complements rather deficit-oriented research on social inequalities with a perspective that focuses not only on deficiencies and disadvantages associated with an underprivileged educational background but also on resources that facilitate social mobility.

Keywords: Soziale Ungleichheit; Wissenschaftliche Karrieren; Soziale Mobilität; Bildungsaufstiege; Berufungen; Berufungsfaktoren; Juniorprofessur; Professorenschaft; Social Inequality; Academic Career; Social Mobility; First Generation; Educational Advancement; Professorial Appointment; Junior Professorship; Professors

Anmerkung: Ich danke den Herausgeber*innen und anonymen Gutachter*innen für die wertvollen und produktiven Hinweise. Zudem danke ich Sandra Buchholz und Julian Hamann, die mit ihren hilfreichen Anmerkungen ebenfalls zur Verbesserung des Manuskripts beigetragen haben.

1 Einleitung

Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht die übergeordnete Frage nach den Einflussfaktoren auf die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit im Rahmen wissenschaftlicher Karrieren. Damit wird eine Perspektive eingenommen, die konträr zu einer traditionell eher defizitorientierten Ungleichheitsforschung steht. Fokussiert werden nicht die vielfach beschriebenen Mängel und Benachteiligungen, die mit einer sog. bildungsfernen Herkunft einhergehen und die zu einer systematischen Reproduktion sozialer Ungleichheiten im Bildungs- und Hochschulsystem beitragen, sondern jene Ressourcen, die einen sozialen Aufstieg begünstigen.

Dass sich vor allem die deutsche Ungleichheitsforschung bislang überwiegend auf die Reproduktion sozialer Ungleichheit konzentriert, hängt zweifelsohne mit dem Ausmaß der sozialen Vererbung von Bildung in Deutschland zusammen. So kann auf eine Fülle empirischer Forschungsarbeiten verwiesen werden, die auf Grundlage unterschiedlicher Operationalisierungen des Konzepts der sozialen Herkunft über die Reproduktionsmechanismen sozialer Ungleichheit im Bildungs- und Hochschulsystem informieren (z. B. [8] & Lauterbach 2016). Selbst im Rahmen des letzten Bildungsübergangs zur Promotion konnte auf soziale Disparitäten aufmerksam gemacht werden, die jüngst sogar weiter zugenommen haben ([33] & [44] 2018). Den breiten Forschungsstand zu herkunftsspezifischen Selektionsmechanismen im Bildungssystem ergänzen nur wenige Untersuchungen, die sich dezidiert mit der Reproduktion sozialer Ungleichheit im Rahmen wissenschaftlicher Karrieren beschäftigen.

Seit etwa zehn Jahren steht der vor allem an der Reproduktion sozialer Ungleichheit interessierten Forschung eine Debatte über die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit im Rahmen wissenschaftlicher Karrieren gegenüber. In ihr sammeln sich (auto-)biografische Erzählungen, die Möglichkeiten und Bedingungen sozialer Aufstiege in der Wissenschaft reflektieren. Bisher basiert diese Literatur jedoch fast ausschließlich auf Einzelfallstudien und anekdotischen Evidenzen (für Ausnahmen vgl. [31] 2020; [40] 2020). Der Mangel an systematischen Untersuchungen zu sozialen Aufstiegen in der Wissenschaft lässt sich zum einen auf einen allgemeinen Datenmangel zurückführen. Bedingt durch die hohe soziale Selektivität handelt es sich zumindest bei den sog. „Extremaufsteiger*innen" ([25] 2012) im universitären Karrieresystem zudem um eine ausgesprochen kleine Untersuchungspopulation, wodurch quantitative Studien zum anderen vor der Herausforderung des Umgangs mit kleinen Fallzahlen stehen. Der vorliegende Beitrag stellt sich dieser Herausforderung, in dem er die Diskussion über die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit aufgreift und basierend auf eigenen quantitativen Daten eine systematische Analyse der Voraussetzungen sozialen Aufstiegs in der Wissenschaft unternimmt.

Die Konzentration auf die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit ist dabei nicht als Widerspruch zu den dargestellten Forschungsarbeiten zu ihrer Reproduktion zu verstehen. Vielmehr „liegt es in der Logik der Theorie der Reproduktion selbst, sich mit den Gegenbeispielen zu beschäftigen, um deren Status und deren Tragweite besser zu verstehen." ([34] 2018: 14) Gerade vor dem Hintergrund einer systematischen Reproduktion sozialer Ungleichheit stellt sich umso dringlicher die Frage, unter welchen Voraussetzungen sozialer Aufstieg gelingen kann, oder spezifischer gefragt: Wie lässt sich die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit in einer sozial bereits hochgradig positiv vorselektierten Population erklären?

Als empirisches Fallbeispiel dient der vorliegenden Studie der Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur. Mit der Juniorprofessur wurde 2001 eine neue Statuspassage in das Karrieresystem an deutschen Universitäten eingeführt, die im Anschluss an die Promotion direkt für die Übernahme einer Lebenszeitprofessur qualifiziert. Als ausgesprochen strukturierter Karriereweg zeichnet sich die Juniorprofessur durch verschiedene Begutachtungsprozesse aus, die – anders als im Habilitationsmodell – bereits in einem recht frühen Karrierestadium erfolgen. Hierzu zählt vor allem das Berufungsverfahren auf die Juniorprofessur selbst, aber auch die obligatorische Zwischenevaluation. Stelleninhaber*innen sog. bildungsferner Herkunft haben sich folglich nicht nur innerhalb der Selektionsprozesse des allgemeinen Bildungssystems erfolgreich durchsetzen können, sondern darüber hinaus auch erste Hürden im Rahmen ihres wissenschaftlichen Werdegangs erfolgreich überwunden.

Die Analysen konzentrieren sich auf Juniorprofessor*innen aus der niedrigsten Bildungsherkunftsgruppe, d. h. auf jene, bei denen beide Elternteile höchstens über einen Volks- bzw. Hauptschulabschluss verfügen. Mit dieser hoch selektiven Gruppe der Extremaufsteiger*innen wird gewissermaßen die unwahrscheinlichste Ausnahme von der Regel der Reproduktion sozialer Ungleichheit fokussiert. Hierdurch kann aufgezeigt werden, welche Faktoren das Unwahrscheinliche wahrscheinlich werden lassen.

Im Folgenden wird zunächst auf Basis der wenigen, vornehmlich qualitativen Studien zu sozialen Aufstiegen im wissenschaftlichen Karrieresystem eine Reihe von Annahmen zur Erklärung der Berufung von Juniorprofessor*innen sog. bildungsferner Herkunft auf eine Lebenszeitprofessur erarbeitet. Die macht- und ungleichheitssoziologischen Arbeiten Bourdieus geben dabei die analytische Perspektive vor. Die empirischen Analysen erfolgen mithilfe repräsentativer Befragungsdaten, die 2015 unter ehemaligen und aktiven Juniorprofessor*innen erhoben wurden. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion.

2 Faktoren der Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit im Rahmen wissenschaftlicher Karriere...

Forschungsarbeiten zu herkunftsspezifischen Selektionsmechanismen im allgemeinen Bildungssystem stehen nur wenige Ausnahmen gegenüber, die sich mit der Reproduktion sozialer Ungleichheit im Rahmen wissenschaftlicher Karrieren beschäftigen. Die Befunde von Möller (2015) weisen diesbezüglich auf eine zunehmende soziale Schließung der Professor*innenschaft hin. Analog hierzu verzeichnen [11] und Enders (2004) auch für die Gruppe der Promovierten eine Überrepräsentanz von Personen höherer Bildungsherkunft. [42] (2002) kann vor allem in den sog. exakten Wissenschaften eine Benachteiligung von Postdocs aus niedrigeren sozialen Schichten identifizieren. Fachspezifische Unterschiede in der Bedeutung der sozialen Herkunft können auch [37] und Gross (2013) beim Übergang von der Habilitation auf eine Professur aufzeigen.

Studien, die sich nicht auf die Reproduktion sozialer Ungleichheit fokussieren, sondern den sozialen Aufstieg in den Mittelpunkt stellen, sind vergleichsweise rar. Seit den 1980er Jahren findet sich eine Reihe qualitativer Untersuchungen, die sich zunächst vor allem auf die Bildungsaufstiege von Arbeitertöchtern konzentrierten (z. B. [20] 1980). Anfang der 2000er Jahre verschob sich der Forschungsfokus hin zur neuen Bildungsreserve des „Migrantensohn[s] aus bildungsschwachen Familien" ([27] 2008). In der Folge standen soziale Aufsteiger*innen mit Migrationshintergrund im Vordergrund der Forschung (z. B. [38] & Koller 2009; [52] 2007). Gemein haben die genannten Studien, dass sie als Untersuchungspopulation Studierende fokussieren, die noch keinen akademischen Abschluss erlangt haben (vgl. ausführlich El-Mafaalani 2012: 45).

Erste empirische Hinweise zum Phänomen der Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit im Rahmen wissenschaftlicher Karrieren liefert eine Reihe qualitativer Untersuchungen, in denen die persönlichen Werdegänge von Wissenschaftler*innen sog. bildungsferner Herkunft über biografische Interviews bzw. autobiografische Erzählungen ([54] et al. 2020; [32] & Nenga 2016; [62] 2010; [5] & Leste Law 1995) oder über historische Analysen ausgewählter Wissenschaftler*innen-Biografien ([58] 1994) erfasst werden. Darüber hinaus kann auf wenige autobiografische Reflexionen etablierter Wissenschaftler*innen aus Familien mit niedrigem Bildungsstatus zurückgegriffen werden ([26] 2016; [17] 2002).

Aus theoretischer Perspektive ist der Aufstieg aus einem sog. bildungsfernen Elternhaus in das wissenschaftliche Karrieresystem umso erstaunlicher, wenn man die Wissenschaft als soziales Feld begreift, in dem Wissenschaftler*innen um die Deutung und Verteilung feldspezifischen Kapitals kämpfen ([18] & Wacquant 1996). Bildungsaufsteiger*innen erfahren im Rahmen dieser Kämpfe eine doppelte Benachteiligung: Erstens obliegt die Deutungshoheit darüber, was als feldspezifisches Kapital gelten kann, den im Feld Etablierten. Die Regeln und Wertigkeiten des wissenschaftlichen Feldes sind in ihrem Grundtenor also auf den Habitus der Etablierten abgestimmt. Hierdurch werden all jene bei der Kapitalakkumulation bevorteilt, die qua Bildungsherkunft bereits mit dem passenden kulturellen Erbe ausgestattet sind und sich die geltenden Deutungsmuster leichter zu Eigen machen können. Zweitens ist die Stellung in sozialen Feldern nicht allein vom Umfang des akkumulierten feldspezifischen Kapitals abhängig, sondern auch vom strategischen Einsatz des Kapitals als Ressource zur Akkumulation weiteren Kapitals. Diese „Kunst des Erspürens von Tendenzen" ([16] 1998b: 24) setzt jedoch ebenfalls bestimmte Denk- und Handlungsdispositionen voraus, die im Habitus manifestiert und damit an die (Herkunfts-)Position im sozialen Raum rückgebunden sind ([19] & Wacquant 1996). Im Sinne der Bourdieuschen Reproduktionstheorie kann dies als doppelte Absicherung der bestehenden sozialen Ordnung verstanden werden.

Obgleich damit auch in der theoretischen Arbeit Bourdieus die Reproduktion sozialer Ungleichheit im Mittelpunkt steht, finden sich hier Hinweise darauf, welche Strategien auf individueller Ebene dazu beitragen können, dass der Aufstieg von Angehörigen sog. bildungsferner Herkunft in das wissenschaftliche Karrieresystem gelingt. Als Grundlage dienen dabei nicht allein Bourdieus Arbeiten zum sozialen Aufstieg in der Wissenschaft (Bourdieu 1998b). Die vorliegende Analyse ist auch informiert durch Bourdieus Studien zur Reproduktion sozialer Ungleichheit im allgemeinbildenden Schulsystem (Bourdieu & Passeron 2007). Dahinter steht die Grundannahme, dass sich bestimmte Mechanismen und Merkmale der sozialen Reproduktion und Nicht-Reproduktion in allen Bildungs- und Karrierestadien zeigen. Ergänzt durch die autobiografischen Erzählungen und qualitativen Studien liefert die Reproduktionstheorie Bourdieus das Fundament, auf dem im Folgenden drei zentrale Faktoren für die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit in der Wissenschaft formuliert werden können: Sozialer Aufstieg im Rahmen wissenschaftlicher Karrieren steht demnach in einem Zusammenhang mit (1) einem Mangel an bürgerlicher Gelassenheit, (2) einem ungerichteten Arbeitseifer und (3) einer asketischen Lebensführung von sog. Bildungsaufsteiger*innen.

2.1 Der Mangel bürgerlicher Gelassenheit

Als relativ autonomes soziales Feld verfügt die Wissenschaft über spezifische Regeln und Kapitalien (Bourdieu 1998b). Akteure im wissenschaftlichen Karrieresystem entwickeln einen auf diesen Zusammenhang abgestimmten feldspezifischen Habitus. Dazu gehört, dass sie sich jene Wert- und Sinnstiftungen aneignen, die im Feld angenommen und nicht weiter hinterfragt werden ([15] 1998a: 140 f.). Erst die Aneignung dieser feldspezifischen Illusio ermöglicht es, als Spieler*in in das jeweilige Feld einzutreten, seine Relevanzen anzuerkennen und um feldspezifisches Kapital sowie die eigene Position im Feld zu kämpfen. Der feldspezifische Habitus entwickelt sich dabei aus bereits in der Primärsozialisation angelegten und in der schulischen Laufbahn weiter entwickelten Dispositionen. Je stärker die Handlungs- und Einstellungsdispositionen der Feldspieler*innen mit den Spielregeln des Feldes und seinen Einsätzen korrespondieren, desto selbstverständlicher erscheint ihnen das Spiel. Hingegen kämpfen Spieler*innen, die ihre Einstellungen und Haltungen fernab des wissenschaftlichen Feldes erworben haben, stets mit dem Gefühl, „fehl am Platz" zu sein bzw. „gegen die Zeit anrennen zu müssen." (Bourdieu 1998b: 25)

Dieses Gefühl resultiert nicht allein aus dem wahrgenommenen Mangel an kultureller Beflissenheit, welche beim Aufwachsen in einem bildungsnahen Elternhaus bereits früh vermittelt und in der schulischen Laufbahn weiter kultiviert wird, sondern auch aus der daran anschließenden mangelnden Selbstverständlichkeit, mit der sich andere im Feld der Wissenschaft bewegen. Diese theoretische Annahme findet sich auch in den autobiografischen Aufstiegserzählungen wieder: „Those graduate students who are to the manor born have been groomed; everything in their backgrounds has prepared them for this life. To me, they are the diners at Lahiere's with their easy grace [...]." ([22] 1995: 38) Für sog. Bildungsaufsteiger*innen scheinen die Handlungs- und Denkdispositionen der Etablierten elegant auf das wissenschaftliche Feld abgestimmt zu sein. Sie erlauben eine souveräne Distanz zum Spiel der Wissenschaft, eine Gelassenheit im Umgang damit, die Zeugnis einer angeborenen Vertrautheit sind und den Etablierten erlauben, sich in ihrer Welt „wie ein Fisch im Wasser" ([14] 1987: 161) zu bewegen.

Bildungsaufsteiger*innen mangelt es an dieser bürgerlichen Gelassenheit. Sie „haben kein spielerisches Verhältnis zum Bildungsspiel" ([13] 1982: 518). Die symbolische Gewalt, die vom impliziten Wissen um die Notwendigkeit bestimmter habitueller Dispositionen und die eigenen vermeintlichen Unzulänglichkeiten ausgeht, lässt sie in der Wissenschaft fremd bleiben (ebd.; Bourdieu 1998b: 24 f.). [35] (2014: 16) beschreibt das damit verbundene Gefühl als „punishing psychological cocktail of survivor guilt, imposter syndrome, and a sense of anomie (placelessness)." Welchen eigenen Stellenwert sich sog. Bildungsaufsteiger*innen im Feld der Wissenschaft zuschreiben, zeigt sich auch in der körperlichen Hexis (Bourdieu 1982: 739). Auf der einen Seite wird das eigene Auftreten als ängstlich und schüchtern beschrieben (vgl. u. a. [49] 1995), auf der anderen Seite zeugen autobiografische Erzählungen von einer Unruhe und Nervosität, wenn es um das eigene Fortkommen im Karriereverlauf geht. So fasst Kovacovic (1995: 239) zusammen: „I live in a frenzy."

Ursächlich für den Mangel an bürgerlicher Gelassenheit ist nicht allein das bereits beschriebene diffuse Gefühl des Nichtgenügens, sondern auch die konkrete Sorge um die riskante – soziale wie finanzielle – Investition, die an den Bildungsaufstieg gekoppelt ist. Der Aufstieg aus einem sog. bildungsfernen Elternhaus wird nicht als Selbstzweck verstanden. Vielmehr sind oft konkrete und mitunter existenzielle Hoffnungen daran gebunden: „Education was a primal force for social change; it gave us hope. [...] But it wasn't for its own sake, it was for where it might take us." ([57] & Sackrey 1996: 149) Als Antrieb dient vielen die Erfahrung aus dem Elternhaus, in dem finanzielle Nöte den Alltag und die eigene Kindheit prägten. Um diesem Schicksal der sozialen Herkunft zu entkommen, werden hohe Investitionen getätigt. Diese betreffen zum einen die Finanzierung des Bildungsweges. Sie muss bei sog. Bildungsaufsteiger*innen häufig selbst erarbeitet bzw. in Form von Stipendien oder Krediten organisiert werden, was mit hohen physischen und psychischen Belastungen verbunden ist (vgl. u. a. die Erzählungen von [9] & Ewalt 2014). Zum anderen besteht die Investition aber in der Regel auch aus einer Entfremdung und Ablösung vom familiären Herkunftsmilieu: „The necessity of having the investment pay off is more than just economic. Higher education has distanced us from our working class family" ([50] & Sullivan Barak 2014: 28). Vor allem als Konsequenz aus dieser emotionalen Investition gibt es für sog. Bildungsaufsteiger*innen häufig keinen Weg zurück. Die Fallhöhe einer wissenschaftlichen Karriere ist folglich ungleich höher (vgl. auch Bourdieu 1982: 529). Dies wird besonders dann deutlich, wenn der Bildungsaufstieg in Frage gestellt wird oder zu scheitern droht: „I used to cry on the phone with my mom that first semester and she would beg me to just come home. But I didn't belong there either." ([63] 2014: 12) Oder, bei Ryan und Sackrey (1996: 201): „What I found at college was disillusioning; but I had invested heavily in my bet on education."

Der Mangel an bürgerlicher Gelassenheit erklärt sich auch dadurch, dass mit höheren Bildungs- und Karrierestufen der Einsatz steigt. Obgleich sog. Bildungsaufsteiger*innen aufgrund geringerer finanzieller und beratender Unterstützung aus dem Elternhaus gerade zu Beginn ihres Bildungsweges häufiger Umwege gehen – etwa über alternative Bildungswege an die Hochschule kommen (vgl. z. B. [21] & Pratter 2017) – und in der Regel mehr Zeit benötigen, um Bildungsstufen abzuschließen, zeigt sich spätestens im Rahmen der wissenschaftlichen Karriere das gegenteilige Bild. Im Vordergrund steht die möglichst schnelle finanzielle und soziale Sicherung: „Working-class job candidates, male or female, usually have meager familial or personal financial resources but sizable student loan debt and therefore generally have more pressure to enter post-PhD jobs quickly." ([3] 2014: 23)

Auch wenn es reichhaltige anekdotische Evidenzen zum Mangel an bürgerlicher Gelassenheit gibt, bleibt analytisch unklar, wie daraus eine Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit in wissenschaftlichen Karrieren erwächst. Ein zu verfolgender Faktor kann etwa das Bewerbungsverhalten darstellen. So kann das hohe Bedürfnis nach sozialer und finanzieller Sicherheit dazu führen, dass sich Nachwuchswissenschaftler*innen aus einem sog. bildungsfernen Elternhaus konsequenter und zu einem vergleichsweise früheren Zeitpunkt um eine Anschlussbeschäftigung bemühen. Bewerbungen auf Professuren können dabei konkret die Wahrscheinlichkeit steigern, frühzeitig berufen zu werden. Bei der Gruppe der Juniorprofessor*innenschaft wird die Eignung als Hochschullehrer*in formalrechtlich über das Instrument der Zwischenevaluation festgestellt. Die Zwischenevaluation erfolgt in der Regel nach drei Jahren und gilt unter den Stelleninhaber*innen als Voraussetzung für die Berufbarkeit auf eine Lebenszeitprofessur. Aufgrund des erhöhten Bedürfnisses nach finanzieller und sozialer Sicherheit wird jedoch angenommen:

H1: Juniorprofessor*innen aus der niedrigsten Bildungsherkunftsgruppe bewerben sich vergleichsweise häufiger bereits vor der Zwischenevaluation auf Lebenszeitprofessuren und steigern hierdurch ihre Berufungschancen.

Zudem wird angenommen:

H2: Juniorprofessor*innen aus der niedrigsten Bildungsherkunftsgruppe bewerben sich vergleichsweise häufiger auf Lebenszeitprofessuren und steigern hierdurch ihre Berufungschancen.

2.2 Der ungerichtete Arbeitseifer

Als zentrale „Aufstiegsstrategie" identifiziert Bourdieu (1982: 528) Arbeitseifer und Fleiß. Dem fehlenden ererbten Kapital werde mit einem streng disziplinierten „Akkumulationstrieb" (ebd.: 519) begegnet, der in seiner Ernsthaftigkeit und Verzweiflung zugleich Ausdruck für die mangelnde habituelle Passung mit dem Feld der Wissenschaft sei. Über den Begriff „Erwerbsmenschen" (ebd.: 518) grenzt Bourdieu Aufsteiger*innen von jenen ab, die bereits durch ihre Herkunft über die im Feld erforderlichen Denk- und Handlungsdispositionen verfügen. Die radikale Konzentration auf „Erwerb, Akkumulation, Schatzbildung" (ebd.: 517) erklärt sich also dadurch, dass Aufsteiger*innen das implizite Wissen darüber fehlt, welches Kapital konkret an welcher Stelle notwendig ist, um die eigene soziale Position im Feld zu verbessern. Als Konsequenz bleibt ein zwar umfassender, aber auch eher ungerichteter Arbeitseifer (vgl. Bourdieu 1982: 518 f.; Bourdieu & Passeron 2007: 36 f.).

Das Narrativ des Fleißes findet sich auch empirisch in nahezu allen Aufstiegserzählungen wieder (zur Bedeutung des Motivs Fleiß in Erzählungen über wissenschaftliche Biografien insgesamt vgl. [30] 2016). Bereits in der historischen Analyse von Schmeiser (1994: 101) wird im 19. Jahrhundert einem Professor sog. bildungsferner Herkunft aufgrund seines „sozialen Erbes" die „Fähigkeit des Arbeitens bis zum Umfallen" bescheinigt. Auch zeitgenössische Erzählungen von sog. Bildungsaufsteiger*innen bedienen sich dieses Motivs, wenn auch in einer anderen Tonalität: „I work my ass off." ([53] 2014) Dass über den gezeigten Arbeitseifer herkunftsbedingte Nachteile ausgeglichen werden sollen, wird in vielen Erzählungen explizit gemacht. So berichtet beispielweise [43] (2020: 267) über seine erste Zeit als Professor: „Diese persönlich empfundenen Defizite habe ich mit Leistungsbereitschaft [...] zu kompensieren versucht."

In autobiografischen Erzählungen von Wissenschaftler*innen sog. bildungsferner Herkunft finden sich zahlreiche Hinweise darauf, dass die Realisierung des Aufstiegswillens zwingend mit harter Arbeit und einem unermüdlichen Arbeitseifer verknüpft wird: „If I were going to get anywhere, I was going to have to work, and work hard [...]." (Ryan & Sackrey 1996: 235) Orientierung geben die offensichtlichen „Verhaltensmaßstäbe und -techniken", die im jeweiligen Feld vorherrschen und deren Umsetzung mit harter Disziplin verfolgt wird (Bourdieu 1982: 519).

Das Arbeitsethos, das sog. Bildungsaufsteiger*innen aufweisen, zeugt auch von der Hysteresis des Habitus, d. h. der Trägheit der inkorporierten Handlungs- und Einstellungsdispositionen. So passen sich der Habitus und die damit zusammenhängenden Wahrnehmungs- und Wertungsschemata nur langsam und schwerfällig an veränderte Strukturen an. Je stärker die neuen Bedingungen dabei jenen gleichen, unter denen der Habitus gebildet und geprägt wurde, desto müheloser gestaltet sich der Anpassungsprozess (Bourdieu 1987: 116). Gerade bei der Gruppe der Extremaufsteiger*innen kann demgemäß von einem beharrlichen „Weiterwirken der Erstkonditionierung" (ebd.: 117) ausgegangen werden. In Bezug auf das Verständnis von harter Arbeit und Fleiß wird in vielen Erzählungen das Arbeitsethos des Herkunftsmilieus hervorgehoben und teilweise auch als Gelingensbedingung für den eigenen Erfolg gerahmt: „Mom and Dad raised me on a steady diet of such clichés as ‚Money doesn't grow on trees' and ‚Nothing comes without hard work'" (Charlip 1995: 34), oder: „Work, as well as the work ethic, of my childhood gave me perspective in my academic career." ([2] 2014: 13) Die im Herkunftsmilieu erworbene Idee einer strengen Arbeitsethik dient also auch im Feld der Wissenschaft als leitendes Handlungsschema.

Wenn es jedoch um die konkrete Ausgestaltung von Arbeit geht, dann lässt sich der Arbeitsethos des Herkunftsmilieus nur schwerlich mit jenem der Wissenschaft in Passung bringen. In den autobiografischen Erzählungen wird häufig auf das fehlende familiäre Verständnis und auf die mangelnde Anerkennung für die eigene Arbeit hingewiesen. Zwar erfahren viele sog. Bildungsaufsteiger*innen während der Schulzeit und im Studium vor allem aufgrund der eigenständigen Finanzierung über Nebenjobs Achtung durch ihr Elternhaus. Spätestens mit Eintritt in die Wissenschaft und der Konzentration auf intellektuelle Arbeit mangelt es jedoch in der Regel an Verständnis: „After a long day at the kitchen table revising a final paper, one of us made the comment that we needed a shower. ‚Shower? All you've done is write all day'." (Philpot & Sullivan Barak 2014: 28) In den Herkunftsmilieus der sog. Bildungsaufsteiger*innen werden harte Arbeit und Fleiß mit körperlicher Arbeit assoziiert und definieren sich über „sweat, body aches, tangible results, a clear beginning point and a clear end point." ([36] 2014: 38; vgl. auch [59] 1995; [61] 2014)

Die Diskordanz zwischen dem im Herkunftsmilieu vorherrschenden und die Primärsozialisation anleitenden Verständnis von harter Arbeit auf der einen Seite und der Deutung und Praxis von Arbeit im Feld der Wissenschaft auf der anderen Seite führt bei vielen Aufsteiger*innen zu einem zerrissenen Habitus (Bourdieu & Wacquant 1996: 160 f.): „The values I was brought up with told me that hard work was important; sitting and reading seemed almost decadent, as though I were wasting time. There were many times when I asked myself, ‚Who do you think you are, going to school like this?'" ([51] 1995: 295) Der im Rahmen der Primärsozialisation ausgebildete Habitus bleibt durch seine Hysteresis beständig und verbindet sich mit den neuen, hierzu im Widerspruch stehenden Einstellungs- und Handlungsschemata zu einem zerrissenen Habitus. Die Zerrissenheit zeigt sich u. a. bei Tiffe (2014: 16) sehr deutlich, wenn sie schreibt: „The concept of ‚living a life of the mind' never sat well with me. [...] How dare I have a ‚job' that allows me to create my own hours, to sit in my air-conditioned apartment or coffee shop and read and think? How dare I not be participating in something that breaks my body and poisons my lungs, the same way my mother and father's bodies have been broken [...]. How dare I?".

Vor dem Hintergrund der theoretischen Ausführungen und anekdotischen Evidenzen aus den autobiografischen Erzählungen von Wissenschaftler*innen sog. bildungsferner Herkunft kann angenommen werden, dass sog. Bildungsaufsteiger*innen versuchen, herkunftsbedingte Defizite durch einen hohen, aber auch eher ungerichteten Arbeitseifer zu kompensieren. Es wird weiterhin angenommen, dass das skizzierte Arbeitsethos von sog. Bildungsaufsteiger*innen eine besondere Kompatibilität mit den Erfordernissen der Juniorprofessur aufweist. Als stark formalisierter Karriereweg zur Professur sieht die Konzeption der Juniorprofessur vor, dass den Stelleninhaber*innen konkrete Kriterien ihrer Bewertung – wie etwa die erwartete Anzahl an Publikationen – explizit gemacht wird. So existieren transparente „Verhaltensmaßstäbe und -techniken" (Bourdieu 1982: 519), an denen sog. Bildungsaufsteiger*innen ihren Arbeitseifer ausrichten können.

Daher wird angenommen:

H3: Juniorprofessor*innen aus der niedrigsten Bildungsherkunftsgruppe weisen einen ungerichteten Arbeitseifer auf und steigern hierdurch ihre Berufungschancen auf eine Lebenszeitprofessur.

2.3 Die asketische Lebensführung

Neben dem Mangel an bürgerlicher Gelassenheit und einem ungerichteten Arbeitseifer zeichnen sich sog. Bildungsaufsteiger*innen durch einen weiteren Aspekt aus, den Bourdieu als „‚moralische' Ressource" (1982: 520) definiert. Gemeint ist die Fähigkeit zur Askese, die mit der disziplinierten Konzentration auf die für den Aufstieg notwendige Kapitalakkumulation einhergeht. Wie dargestellt, bedarf es großer Anstrengungen, die Defizite einer sog. bildungsfernen Herkunft zu kompensieren und gegenüber jenen konkurrenzfähig sein zu können, die früh auf die Erfordernisse des wissenschaftlichen Feldes vorbereitet wurden. Zwangsläufig sind damit auch tiefgreifende Einschränkungen verbunden, die alle Lebensbereiche betreffen. Diese Einschränkungen deuten sich bereits an, wenn Bourdieu (1982: 528) über die aufsteigende Kleinbourgeoisie schreibt: „Dort wo andre [sic] wirkliche Garantien, Geld, Bildung oder Beziehungen für sich sprechen lassen können, hat sie nur moralische Garantien auf ihrer Seite; verhältnismäßig arm an ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital, kann sie ihre ‚Ansprüche' nur ‚nachweisen' und sich damit Aussichten auf deren Realisierung eröffnen, wenn sie bereit ist, dafür durch Opfer, Verzicht, Entsagung [...] zu zahlen. In diesem Sinne schreibt Bourdieu (1982) den Aufsteiger*innen „asketische Fähigkeiten" (ebd.: 528), „asketische Prinzipienstrenge" (ebd.: 552) bzw. „asketische Tugenden" (ebd.: 206) zu. Dabei gilt es jedoch zwischen der aus einer Zwangslage heraus begründeten asketischen Lebensführung der Aufsteiger*innen und einer „Askese als frei gewählte[r] Selbstbeschränkung" (Bourdieu 1982: 397) der herrschenden Klassen zu unterscheiden. Für Aufsteiger*innen ist Askese keine freiwillige Selbstkontrolle und sie ist demzufolge auch nicht als Distinktionspraxis zu deuten. Vielmehr fußt Askese hier auf der Notwendigkeit, alle verfügbaren Ressourcen für den Ausgleich des fehlenden Kapitals zu mobilisieren (ebd.: 520).

Zahlreiche autobiografische Erzählungen von Wissenschaftler*innen sog. bildungsferner Herkunft zeugen davon, dass die starke Konzentration auf die eigene Bildungs- und Wissenschaftskarriere und die damit verbundene asketische Lebensführung mit großen Entbehrungen verbunden sind. So schreibt etwa [60] (2014: 1): „Running after a high salary, garnered by obtaining tenure, at all costs to community, family ties, and one's physical and emotional health, is clearly the expectation after the Ph.D. is in hand." Die anekdotischen Evidenzen der herangezogenen autobiografischen Erzählungen unterstreichen das theoretische Argument, dass sog. Bildungsaufsteiger*innen „über alle Formen der Selbstausbeutung und insbesondere durch asketische Fähigkeiten [...] die für den Aufstieg notwendigen ökonomischen und kulturellen Mittel aus sich herausholen." (Bourdieu 1982: 528)

Als konkreter Indikator für die angenommene asketische Lebensführung von sog. Bildungsaufsteiger*innen kann eine geringere Investition in Familienarbeit gelten. Bourdieu selbst schreibt den aufsteigenden Klassen „malthusianistische Einstellungen" (Bourdieu 1982: 528), „Fruchtbarkeitsstrategien" (ebd.: 519) bzw. eine „restriktive und selektive Fortpflanzung" (ebd.: 530) zu.

In Schmeisers (1994) historischer Analyse professoraler Karrierewege an deutschen Universitäten zwischen 1870 bis 1920 finden sich Hinweise, dass bereits zu jener Zeit der soziale Aufstieg in das Feld der Wissenschaft mit Einschränkungen im Familienleben verbunden ist; beispielsweise rät ein Philosophieprofessor jener Zeit: „So etwas wie Professor kann man bei vermögensloser Herkunft dann werden, wenn man zunächst an so etwas wie Heiraten überhaupt nicht denkt.'" (Schmeiser 1994: 142) Aktuellere autobiografische Erzählungen geben jedoch Hinweise darauf, dass sich die sog. Bildungsaufsteiger*innen in Bezug auf die private Lebensführung auch an den Modellen ihres Herkunftsmilieus orientieren, denen zufolge Heirat und Familiengründung häufig als selbstverständlich gelten. Entsprechende Passagen finden sich vor allem in den Erzählungen männlicher sog. Bildungsaufsteiger. So führt etwa Jones (Ryan & Sackrey 1996: 226) aus: „‚working class' for me [...] had to do with a lot more than just what kind of job your father had. It meant a whole complex of values, including virginity at marriage and, of course, implicitly, marriage itself." Trotz Heirat und Familiengründung wird jedoch auch in diesen Erzählungen die disziplinierte Konzentration auf die wissenschaftliche Karriere zu Lasten eines aktiven Familienlebens hervorgehoben (vgl. ebd.; vgl. auch die Erzählung von [39] 1995).

Vor diesem Hintergrund wird angenommen:

H4: Juniorprofessor*innen aus der niedrigsten Bildungsherkunftsgruppe investieren vergleichsweise weniger Zeit in eine aktive Familienarbeit und steigern hierdurch ihre Berufungschancen auf eine Lebenszeitprofessur.

In theoretischer Hinsicht handelt es sich beim Mangel an bürgerlicher Gelassenheit, ungerichtetem Arbeitseifer und bei der asketischen Lebensführung um Wahrnehmungs- und Wertungsschemata, die Teil eines umfassenden Systems habitueller Dispositionen sind und daher aufeinander verweisen. Analytisch handelt es sich hingegen um unterscheidbare Einflussfaktoren auf die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit. Dabei können ein Mangel bürgerlicher Gelassenheit, ein ungerichteter Arbeitseifer und eine asketische Lebensführung grundsätzlich und unabhängig von der sozialen Herkunft als zentrale Erfolgsfaktoren wissenschaftlicher Karrieren gelten. So kann gerade der Befund, dass sich Fleiß – etwa gemessen über einen hohen Publikationsoutput – positiv auf die Erlangung einer Professur auswirkt, als gesichert gelten (z. B. [4] et al. 2017; [45] & Schröder 2016; Jungbauer-Gans & Gross 2013). Hinsichtlich der privaten Einschränkungen weist eine Reihe von Studien auf die vergleichsweise niedrige Fertilitätsrate von Wissenschaftler*innen insgesamt hin (z. B. [46] et al. 2009). Das historisch begründete Bild des Wissenschaftlers, der frei von ökonomischen Bedürfnissen allein der Wissenschaft verpflichtet und getrieben von einer nicht erlernbaren, sondern angeborenen Inspiration ist, ist insgesamt tief im Feld der Wissenschaft verankert und besteht unabhängig von der sozialen Herkunft (vgl. Hamann 2016; [7] 2015). Auf Grundlage der theoretischen Überlegungen und anekdotischen Evidenzen aus (auto)biographischen Erzählungen von Wissenschaftler*innen sog. bildungsferner Herkunft wird jedoch angenommen, dass sich vor allem im Ausmaß dieser Faktoren wesentliche Unterschiede zwischen den Extremaufsteiger*innen und der sonstigen Herkunftsgruppe zeigen und sich die Berufungschancen der Extremaufsteiger*innen vor allem hierdurch erklären lassen.

3 Daten und Methoden

Den vier Hypothesen wird mit Hilfe einer quantitativen Primärdatenanalyse nachgegangen. Die Grundgesamtheit umfasst alle Personen, die zwischen der Einführung der Juniorprofessur 2002 und dem 01. Juni 2015 an einer der zehn staatlichen Universitäten in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland als Juniorprofessor*in beschäftigt waren. Die Konzentration auf die drei Bundesländer ergibt sich aus ihrer zentralen Lage sowie der Struktur der jeweiligen Hochschullandschaft. Mit Rheinland-Pfalz und Hessen sind zwei größere Flächenländer im Sample enthalten, die das gesamte Spektrum deutscher Universitäten abdecken. Mit dem Saarland wurde zusätzlich ein angrenzendes Bundesland aufgenommen, das formal zwar ebenfalls zu den Flächenländern zählt, hinsichtlich Größe und Struktur aber eher einem Stadtstaat gleicht.

Bei der Juniorprofessur handelt es sich um einen jungen Karriereweg, der bisher von verhältnismäßig wenigen Stelleninhaber*innen durchlaufen wurde. Die Grundgesamtheit, auf der die vorliegende Untersuchung fußt, ist folglich relativ klein. Gerade vor dem Hintergrund, dass mit den Extremaufsteiger*innen zusätzlich eine ausgesprochen kleine Untersuchungspopulation fokussiert wird, bestand das Ziel der Erhebung darin, die Grundgesamtheit möglichst vollständig zu erfassen. Um eine systematische Verzerrung der Daten aufgrund einer Überrepräsentanz von zum Zeitpunkt der Befragung noch aktiven sowie den bereits auf eine Lebenszeitprofessur berufenen ehemaligen Juniorprofessor*innen zu vermeiden, lag der Fokus darauf, die Grundgesamtheit genau bestimmen zu können. Zur Grundgesamtheit gehören nämlich auch jene, die im Anschluss an die Juniorprofessur aus dem Wissenschaftssystem ausgestiegen sind. Da kein zentrales Register zu ehemaligen und aktuellen Juniorprofessor*innen existiert, wurden in einem ersten Schritt alle Universitäten im Untersuchungsgebiet kontaktiert. Über dieses Verfahren konnten alle 556 ehemaligen und zum Zeitpunkt der Befragung noch aktiven Juniorprofessor*innen im Untersuchungsgebiet identifiziert werden.

Insgesamt konnten mit der Befragung Daten von 309 ehemaligen und aktuellen Juniorprofessor*innen erhoben werden, was bei einer Brutto-Population von 556 Fällen einer Brutto-Ausschöpfungsquote von 55,6 % entspricht. Hinsichtlich der Geschlechterverteilung, der Fächergruppenverteilung sowie der Zugehörigkeit zur Gruppe der ehemaligen bzw. zum Zeitpunkt der Befragung noch aktiven Juniorprofessor*innen zeigen sich keine signifikanten Abweichungen zwischen der Brutto-Population und dem Befragungssample (zur Repräsentativität des Samples vgl. Zimmer 2018).

Zur Analyse der herausgearbeiteten Forschungsannahmen bedarf es zunächst einer Operationalisierung der sog. Bildungsherkunft. Um eine möglichst starke Kontrastierung zu erreichen, konzentriert sich die Analyse dabei auf Juniorprofessor*innen aus der niedrigsten Bildungsherkunftsgruppe, d. h. auf Extremaufsteiger*innen, bei denen beide Elternteile höchstens über einen Haupt- bzw. Volksschulabschluss verfügen (vgl. [47] et al. 2012). So kann vorausgesetzt werden, dass die Sozialisation in dieser Bildungsherkunftsgruppe am wenigsten auf die Erfordernisse des Feldes der Wissenschaft vorbereitet.

Der Blick auf den Anteil der sog. Extremaufsteiger*innen in der Juniorprofessor*innenschaft macht deutlich, dass es sich – im Einklang mit der eingangs rezipierten Forschungsliteratur – auch bei der Juniorprofessor*innenschaft um eine stark positiv selektierte Gruppe handelt. Abbildung 1 weist zudem darauf hin, dass sich die Extremaufsteiger*innen nicht zufällig über die Fächergruppen verteilen: Während die Naturwissenschaften und Mathematik eine vergleichsweise große soziale Offenheit erkennen lassen, erweisen sich die Rechts- und Geisteswissenschaften als besonders selektiv (vgl. im Einklang hiermit auch [48] 2015).

Graph: Abb. 1: Anteil der Extremaufsteiger*innen1 in der Juniorprofessor*innenschaft nach FächergruppeQuelle: Juniorprofessor*innen-Befragung 2015.Anmerkungen: Cramer's V=0,20, p=0,012, N=288.1 beide Elternteile verfügen höchstens über Volks- bzw. Hauptschulabschluss.

Die in Kapitel 2 abgeleiteten Hypothesen werden im Rahmen einer Mediationsanalyse getestet (vgl. Abb. 2).

Graph: Abb. 2: MediationsmodellQuelle: [6] & Kenny (1986): 1176, eigene Darstellung.

Dem Mediationsmodell von Baron und Kenny (1986) folgend, werden die Analysen in drei Schritten durchgeführt. Im (1.) Schritt des Modells wird überprüft, ob sich in der Gruppe der Extremaufsteiger*innen die Faktoren Mangel bürgerlicher Gelassenheit, ungerichteter Arbeitseifer und asketische Lebensführung in den angenommenen Ausprägungen zeigen und ob signifikante Unterschiede im Vergleich mit Juniorprofessor*innen sonstiger Bildungsherkunft feststellbar sind. Hierzu wird vor allem auf t-Tests zurückgegriffen, die sich besonders gut zur Analyse kleiner Fallzahlen eignen ([41] 2011).

Im zweiten und dritten Schritt des in Abbildung 2 definierten Modells wird überprüft, ob die identifizierten Faktoren auch tatsächlich zur Erklärung der Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit im Feld der Wissenschaft beitragen, d. h. ob sie als Mediatoren positiv auf den Übergang von der Junior- auf eine Lebenszeitprofessur von Extremaufsteiger*innen wirken. Hierzu wird (2.) zunächst überprüft, ob sich der erwartete direkte Effekt zwischen der Bildungsherkunft der Extremaufsteiger*innen und der Berufung von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur auch empirisch zeigt. Schließlich wird über Analyseschritt (3.) überprüft, inwieweit sich der Effekt der sog. Bildungsherkunft unter Hinzunahme der angenommenen Mediatoren Mangel bürgerlicher Gelassenheit, ungerichteter Arbeitseifer und asketische Lebensführung verändert. Die Analyseschritte (2.) und (3.) im Modell (vgl. Abb. 2) erfolgen über Ereignisanalysen. Der Outcome bildet dabei die Zeit zwischen Antritt der Juniorprofessur und dem Erlangen des Erstrufes auf eine Lebenszeitprofessur. Ereignisanalysen bieten sich vor allem im Fall einer Rechtszensierung von Daten an, da auch jene Fälle in die Analyse einfließen können, bei denen das Ereignis Berufung auf eine Lebenszeitprofessur (noch) nicht stattgefunden hat ([23] et al. 2010). Mit der Cox-Regression wird auf ein relativ robustes und weit verbreitetes Modell der Ereignisanalyse zurückgegriffen, das vor allem Anwendung findet, wenn a priori keine belastbaren Annahmen über die Baseline-Hazard – d. h. über die Form der Übergangsrate im Zeitverlauf – getroffen werden können. Anders als bei den nicht-parametrischen Verfahren der Ereignisanalyse ist es aber dennoch möglich, Effekte von Kovariaten im Sinne von Hazard Ratios auf die Übergangsrate zu schätzen, weshalb die Cox-Regression zu den semi-parametrischen Verfahren gezählt wird ([10] et al. 2007). Insgesamt bietet sich die Cox-Regression also dann an, wenn Richtung und Effektstärke der Kovariaten – in der vorliegenden Untersuchung: die sog. Bildungsherkunft – auf den Eintritt eines Ereignisses – in der vorliegenden Untersuchung: die Berufung auf eine Lebenszeitprofessur – unter Kontrolle der Zeit im Vordergrund stehen. Die Schätzergebnisse der Analysemodelle werden in Hazard Ratios berichtet. Hazard Ratios sind multiplikative Effekte, d. h. der Hazard verändert sich um den Faktor exp(β1), wenn x um eine Einheit erhöht wird (vgl. ausführlich Blossfeld et al. 2007). Um die Datenbasis aufgrund von Item-Nonresponse nicht weiter verkleinern zu müssen und eine potenzielle Nonresponse-Bias zu korrigieren, wurde bei der Datenaufbereitung auf das Verfahren der multiplen Imputation zurückgegriffen ([56] 1987). Die Schätzung der fehlenden Werte auf den unabhängigen Variablen erfolgte dabei über das Stata ICE Ado. Die Datenaufbereitung insgesamt und alle statistischen Analysen erfolgten mit Stata 12.

Den theoretischen Ausführungen folgend wird der Faktor Mangel bürgerlicher Gelassenheit zum einen darüber abgebildet, ob die Juniorprofessor*innen bereits vor der Zwischenevaluation Bewerbungsanstrengungen unternommen haben (1 = Bewerbungsstart vor Zwischenevaluation), und zum anderen über die durchschnittliche Anzahl der jährlichen Bewerbungen auf eine Lebenszeitprofessur. Als weitere Indikatoren für einen Mangel an bürgerlicher Gelassenheit können zudem die Anzahl an Bewerbungen auf dem außerakademischen Arbeitsmarkt sowie das parallele Beschreiten zweier Karrierewege gelten. Bei letzterem wird überprüft, ob sich die Juniorprofessor*innen sog. bildungsferner Herkunft vergleichsweise häufiger habilitieren. Da eine zusätzliche Habilitation jedoch keinen fächerübergreifenden Einfluss auf die Übergangschancen von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur nimmt (Zimmer 2018), ist dieser Indikator, wie auch die außerakademischen Bewerbungen, lediglich Teil der deskriptiven Analysen. Hinsichtlich des Faktors Arbeitseifer wird der Publikationsoutput der Juniorprofessor*innen herangezogen. Um den Einfluss unterschiedlicher fachkultureller Publikationskulturen zu minimieren, werden die durchschnittliche Anzahl an Publikationen insgesamt sowie Konferenzbeiträge insgesamt als Indikatoren gewählt. Um die Ungerichtetheit des Arbeitseifers erfassen zu können, wird zusätzlich überprüft, ob sich die sog. Bildungsaufsteiger*innen auch vergleichsweise häufiger in der Doktorand*innenbetreuung und der universitären Selbstverwaltung engagieren. Da von diesem Engagement bestenfalls ein geringer Einfluss auf die Berufungschancen erwartet wird, werden lediglich deskriptive Unterschiede in der Verteilung analysiert. Als Indikator für die asketische Lebensführung wird die während der Juniorprofessur genommene Elternzeit in Monaten integriert. Wie bereits dargestellt, kann nicht zwangsläufig von einem höheren Ausmaß an Kinderlosigkeit unter den sog. Bildungsaufsteiger*innen ausgegangen werden, gleichwohl wird angenommen, dass die zeitlichen Investitionen von Extremaufsteiger*innen in die Familienarbeit geringer ausfallen.

Neben den erklärenden Variablen wird zusätzlich eine Reihe von Kontrollvariablen in die Hauptanalyse aufgenommen. Eine zentrale Kontrollvariable stellt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Fächergruppe dar. Die Chancen für einen Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur variieren zwischen den Fächergruppen, was vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten, nicht-zufälligen Verteilung der Extremaufsteiger*innen über die Fächergruppen zu artifiziellen Befunden führen würde. Als weitere Kontrollvariable wird das Geschlecht aufgenommen. Auch hinsichtlich des Geschlechts kann von einer ungleichen Verteilung zwischen den Angehörigen der niedrigsten und der sonstigen Bildungsherkunft ausgegangen werden (Möller 2015). Einen unweigerlichen Einfluss auf den Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur hat außerdem das Vorhandensein einer Tenure-Track-Option. Dabei zeigt sich, dass die von Extremaufsteiger*innen signifikant unterbesetzte Gruppe der Rechts- und Geisteswissenschaften signifikant seltener mit Tenure-Track-Optionen ausgestattet ist (Zimmer 2018). Da über den Schoenfeld Residuen-Test eine Interaktion zwischen dem Vorhandensein einer Tenure-Track-Option und der Verweildauer identifiziert wurde, wird die Zeitveränderlichkeit des Effekts ebenfalls in das Modell integriert. Über den Dummy Berufungskohorte (1 = bis einschließlich 2004 auf die Juniorprofessur berufen) wird zudem berücksichtigt, dass den Universitäten bis Ende 2004 erhebliche Mittel zur Förderung der Juniorprofessur durch den Bund bereitgestellt wurden. Es kann angenommen werden, dass die Förderung auch Einfluss auf die universitäre Personalpolitik hatte. Zudem kann ein möglicher Einfluss des erst Mitte der 2000er Jahre eingeführten Elterngeldes auf die Übernahme von Elternzeit kontrolliert werden. Schließlich wird zur Kontrolle der Opportunitätsstrukturen auf die selbsteingeschätzte universitäre Stellensituation im eigenen Arbeitsgebiet zurückgegriffen.

4 Empirische Analyse

Im ersten Schritt der Analyse steht die Frage im Mittelpunkt, ob sich hinsichtlich der drei formulierten potenziellen Einflussfaktoren tatsächlich die angenommenen Unterschiede zwischen Extremaufsteiger*innen und Juniorprofessor*innen sonstiger Bildungsherkunft zeigen. Diese Frage zu ergründen, ist die Grundlage dafür, im zweiten Schritt der Analyse zu untersuchen, ob die Einflussfaktoren auch dazu beitragen, die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit im Übergang von der Juniorprofessur auf die Lebenszeitprofessur zu erklären.

4.1 Ausmaß und Verteilung der potenziellen Einflussfaktoren

Mangel bürgerlicher Gelassenheit

Als zentrale Indikatoren für einen Mangel bürgerlicher Gelassenheit bei Extremaufsteiger*innen wurden erstens der vergleichsweise frühzeitige Beginn des Bewerbens auf eine Lebenszeitprofessur – und zwar bereits vor der Zwischenevaluation – und zweitens eine vergleichsweise hohe Anzahl an Bewerbungen auf Lebenszeitprofessuren identifiziert. Die Annahme ist, dass sich beide Faktoren positiv auf die Berufungschancen von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur auswirken und – weil sie von Extremaufsteiger*innen „übererfüllt" werden – sich damit die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit im Rahmen wissenschaftlicher Karrieren erklären lässt.

Der Vergleich zwischen der Juniorprofessor*innenschaft sog. niedriger Bildungsherkunft und sonstiger Bildungsherkunft zeigt: Extremaufsteiger*innen bewerben sich mit 61 % deutlich häufiger bereits vor der Zwischenevaluation auf Lebenszeitprofessuren im Vergleich zu Juniorprofessor*innen sonstiger Bildungsherkunft (48 %). Auch bewerben sich Extremaufsteiger*innen mit im Schnitt 9,1 Bewerbungen deutlich häufiger auf Lebenszeitprofessuren. Der Mangel an bürgerlicher Gelassenheit zeigt sich aber nicht allein im Bewerbungsverhalten auf dem akademischen Arbeitsmarkt: Mit durchschnittlich 1,7 Bewerbungen bewerben sich Extremaufsteiger*innen auch über dreimal häufiger auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt (vgl. Tab. 1).

Tab. 1: Korrelationen/T-Tests: Ausmaß und Verteilung der Indikatoren des Faktors Mangel einer bürgerlichen Gelassenheit nach Bildungsherkunft

Anteil Bewerbungsstart vor der Zwischenevaluation1

Bewerbungen im akademischen Bereich (Ø)2

Bewerbungen im nichtakademischen Bereich (Ø)3

Anteil

Habilitationen4

niedrige

Bildungsherkunft (A) 5

61 %

9,1

1,7

15 %

sonstige

Bildungsherkunft (B)

48 %

6,3

0,5

10 %

Korrelation

Phi=0,09, p=0,129

Phi=0,06, p=0,340

T-Test: p (A>B)

0,043

0,039

Quelle : Juniorprofessor*innen-Befragung 2015, N=288.

1Anteil der sich bereits vor der Zwischenevaluation auf Lebenszeitprofessuren bewerbenden Juniorprofessor*innen;

2durchschnittl. Anzahl an Bewerbungen auf Lebenszeitprofessuren während der Juniorprofessor*innenschaft;

3durchschnittl. Anzahl an Bewerbungen im außeruniversitären Bereich während der Juniorprofessor*innenschaft;

4Anteil abgeschlossener Habilitationen/aktive Arbeit an einer Habilitation;

5beide Elternteile verfügen höchstens über einen Volks- bzw. Hauptschulabschluss.

Als weiteres Indiz für einen Mangel an Gelassenheit kann das mühsame Durchlaufen von zwei parallelen Karrierewegen zur Professur gelten, auch wenn hiervon keine höheren Berufungschancen auf eine Lebenszeitprofessur zu erwarten sind (vgl. zur Bedeutung einer zusätzlichen Habilitation z. B. [55] et al. 2003: 13 ff.). Während unter den Extremaufsteiger*innen 15 % neben den Anforderungen der Juniorprofessur zusätzlich habilitieren, sind es unter den Juniorprofessor*innen sonstiger Bildungsherkunft lediglich 10 % (vgl. Tab. 1).

Insgesamt weisen die gewählten Indikatoren also durchaus auf eine vergleichsweise geringere Gelassenheit unter Extremaufsteiger*innen hin.

Ungerichteter Arbeitseifer

Als Indikatoren für einen ungerichteten Arbeitseifers wurden Publikationen und Konferenzbeiträge herausgearbeitet. Von beiden Leistungsmarkern kann ein positiver Effekt auf die Berufungswahrscheinlichkeit erwartet werden.

Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, weisen die Extremaufsteiger*innen erwartungskonform im Durchschnitt nicht nur mehr Publikationen, sondern auch mehr Konferenzbeiträge pro Jahr auf. Den theoretischen Ausführungen folgend kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der ungerichtete Arbeitseifer und Fleiß der Extremaufsteiger*innen gezielt auf die Akkumulation wertvollen Kapitals – wie etwa Publikationen oder Konferenzbeiträge – beschränkt. Als empirisches Indiz dafür, dass sich das Arbeitsethos des Elternhauses eher ungerichtet auswirkt, kann gelten, dass sich die Extremaufsteiger*innen durchschnittlich auch stärker in Hochschulgremien sowie in der Doktorand*innenbetreuung engagieren (vgl. Tab. 2).

Tab. 2: T-Tests: Ausmaß und Verteilung der Indikatoren des Faktors ungerichteter Arbeitseifer nach Bildungsherkunft

Publikationen insgesamt (Ø/Jahr)1

Konferenzbeiträge (Ø/Jahr)1

Engagement

Hochschulgremien (Skala)2

Engagement Doktorand*innen-betreuung (Skala)2

niedrige Bildungsherkunft (A)3

3,4

2,8

4,1

5,6

sonstige Bildungsherkunft (B)

3,1

2,6

3,9

4,9

T-Test: p (A>B)

0,172

0,287

0,212

0,036

Quelle : Juniorprofessor*innen-Befragung 2015, N=283–287.

1durchschnittliche Anzahl pro Jahr während der Juniorprofessur;

2Skalen-Mittelwerte „Bitte geben Sie an, wie stark Sie sich während der Juniorprofessur in den folgenden Bereichen aktiv engagiert haben." (1 überhaupt nicht bis 7 sehr stark);

3beide Elternteile verfügen höchstens über Volks- bzw. Hauptschulabschluss.

Asketische Lebensführung

Bezüglich der asketischen Lebensführung wurde vor allem eine geringere Investition in die Familienarbeit als Indikator herausgearbeitet.

Tabelle 3 weist darauf hin, dass sich hinsichtlich des Ausmaßes und der Verteilung einer Elternschaft nicht nur Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen zeigen, sondern auch deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede innerhalb der Gruppe der Extremaufsteiger*innen. Während der Anteil an Mutterschaft in der Gruppe der Extremaufsteigerinnen signifikant höher ist im Vergleich zu den Juniorprofessorinnen sonstiger Bildungsherkunft, zeigt sich bei den Männern im Sample das eher umgekehrte Bild. Hier ist der Anteil an Vaterschaft in der Gruppe der Extremaufsteiger vergleichsweise geringer. Analog hierzu verhält es sich, wenn man die durchschnittliche Kinderanzahl in den Blick nimmt. Mit durchschnittlich 2,1 Kindern unterscheidet sich der Mittelwert der Mütter mit niedriger Bildungsherkunft signifikant vom durchschnittlichen Mittelwert der Mütter mit sonstiger Bildungsherkunft, der bei 1,5 Kindern liegt. Bei den Vätern liegt die durchschnittliche Kinderanzahl in der Gruppe der Extremaufsteiger kaum unter jenem der Väter mit sonstiger Bildungsherkunft.

Tab. 3: Korrelationen/T-Tests: Ausmaß und Verteilung von Elternschaft nach Geschlecht und Bildungsherkunft

Anteil Elternschaft

Anzahl Kinder (Ø)1

Frauen

Männer

insgesamt

Mütter

Väter

insgesamt

niedrige

Bildungsherkunft (A)2

77 %

56 %

63 %

2,1

1,9

2,0

sonstige

Bildungsherkunft (B)

51 %

61 %

57 %

1,5

2,0

1,8

Korrelation

Phi=0,18, p=0,075

Phi=0,04, p=0,610

Phi=0,04, p=0,525

T-Test: p (A>B)

0,028

0,719

0,262

Quelle : Juniorprofessor*innen-Befragung 2015, N=285.

1durchschnittliche Kinderanzahl von Eltern, N=161;

2beide Elternteile verfügen höchstens über Volks- bzw. Hauptschulabschluss.

Im Zentrum des Faktors einer asketischen Lebensführung stand jedoch weniger die Frage nach dem tatsächlichen Ausmaß und der Verteilung von Elternschaft, sondern vielmehr die Frage, ob extreme Bildungsaufsteiger*innen weniger Zeit in eine aktive Familienarbeit investieren. Tabelle 4 macht erwartungskonform deutlich, dass die Extremaufsteiger*innen – unabhängig vom Geschlecht – seltener Elternzeit nehmen. Im Fall der Frauen ist der Mittelwertunterschied auch statistisch signifikant. Noch deutlicher unterscheiden sich die Bildungsaufsteiger*innen von ihren Kolleg*innen sonstiger Bildungsherkunft hinsichtlich der durchschnittlichen Dauer der Elternzeit: Mit 0,9 Monaten gegenüber 2,0 Monaten ist der Mittelwertunterschied der in Anspruch genommenen Elternzeit unter Extremaufsteiger*innen signifikant geringer, was vor allem auf die Extremaufsteigerinnen zurückzuführen ist.

Tab. 4: Korrelationen/T-Tests: Ausmaß und Verteilung einer aktiven Familienarbeit nach Geschlecht und Bildungsherkunft

Anteil Elternzeit (Eltern)

Dauer der Elternzeit in Monaten (Ø)1

Mütter

Väter

insgesamt

Mütter

Väter

insgesamt

niedrige

Bildungsherkunft (A)2

30 %

7 %

17 %

1,8

0,4

0,9

sonstige

Bildungsherkunft (B)

60 %

11 %

27 %

4,9

0,7

2,0

Korrelation

Phi=0,23, p=0,096

Phi=0,04, p=0,662

Phi=0,05, p=0,433

T-Test: p (A<B)

0,087

0,309

0,097

Quelle : Juniorprofessor*innen-Befragung 2015, N=159.

1durchschnittliche Dauer der Elternzeit in Monaten von Eltern;

2beide Elternteile verfügen höchstens über Volks- bzw. Hauptschulabschluss.

Vor dem Hintergrund der theoretischen Ausführungen können die vorliegenden Befunde ein Hinweis dafür sein, dass sich die Extremaufsteigerinnen bei der Frage, ob eine Mutterschaft eingegangen wird, an den herrschenden Fertilitätsmustern ihres Herkunftsmilieus orientieren. Knapp drei Viertel dieser Gruppe sind zum Zeitpunkt der Juniorprofessur (bereits) Mutter. Gleichwohl investieren sie im Vergleich zu ihren Geschlechtsgenossinnen sonstiger Bildungsherkunft deutlich weniger Zeit in die Familienarbeit. Insgesamt zeigt sich also durchaus ein Muster geringerer Investitionen in eine aktive Familienarbeit.

4.2 Die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit beim Übergang von der Junior- auf die Lebens...

Die ersten bivariaten Korrelationsanalysen zeigen bei allen drei theoretisch abgeleiteten Faktoren weitgehend die erwarteten Unterschiede zwischen Extremaufsteiger*innen und ihren Kolleg*innen sonstiger Bildungsherkunft. Die Frage im zweiten Schritt der Analyse ist, ob sich über diese Unterschiede auch die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit beim Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur statistisch belastbar erklären lässt. Um einen ersten Eindruck von der Wahrscheinlichkeit des Übergangs auf eine Lebenszeitprofessur nach Bildungsherkunft zu erhalten, bietet sich zunächst der vergleichende Blick auf die jeweiligen Survivorfunktionen an (Abb. 3). Die Survivorfunktion gibt die geschätzte Entwicklung des Anteils (noch) nicht auf eine Lebenszeitprofessur berufener (ehemaliger) Juniorprofessor*innen ab Start der Juniorprofessur (time at risk) an.

Abbildung 3 zeigt, dass den Extremaufsteiger*innen der Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur offensichtlich nicht nur häufiger, sondern im Vergleich mit ihren Kolleg*innen sonstiger Bildungsherkunft auch schneller gelingt. Die insgesamt höhere Übergangswahrscheinlichkeit der Extremaufsteiger*innen erstreckt sich ab Monat 0 (Start der Juniorprofessur) über den gesamten Analysezeitraum. Nach 72 Monaten – und damit nach Ablauf der in der Regel auf 6 Jahre befristeten Juniorprofessur – sind gut 75 % der Juniorprofessor*innen niedriger Bildungsherkunft bereits auf eine Lebenszeitprofessur berufen worden, während es unter den Juniorprofessor*innen sonstiger Bildungsherkunft knapp 50 % sind. Der Unterschied zwischen den Survivorfunktionen ist signifikant (Log-Rank-Test: chi2=4,5, p<0,05, N=309).

Graph: Abb. 3: Survivorfunktionen (Kaplan-Meier-Schätzer): Anteil der noch nicht auf eine Lebenszeitprofessur berufenen Juniorprofessor*innen im Analysezeitraum nach BildungsherkunftQuelle: Juniorprofessor*innen-Befragung 2015.Anmerkung: Monat 0 = Antritt der Juniorprofessur; Log-Rank-Test: chi2=4,5, p<0,05, N=309.*beide Elternteile verfügen höchstens über Volks- bzw. Hauptschulabschluss.

Dieser zunächst kontraintuitive Befund verweist bereits darauf, dass es sich bei den Extremaufsteiger*innen im Feld der Wissenschaft um eine hochgradig selektive Gruppe handelt. Umso deutlicher stellt sich die Frage, welche Faktoren dazu beitragen, dass sie sich nicht nur über alle Selektionshürden des Bildungs- und Hochschulsystems hinweg erfolgreich durchsetzen konnten, sondern beim Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur sogar eine vergleichsweise höhere Übergangsrate aufweisen.

Tab. 5: Cox-Regression: Einflussfaktoren der Berufung auf eine Lebenszeitprofessur

M 1

M 2a

M 2b

M 3a

M 3b

M 4a

M 4b

sog. Bildungsherkunft

Extremaufsteiger*innen (=1)1

1,66* (0,34)

1,45

(0,34)

1,67* (0,35)

1,46

(0,32)

Mangel bürgerlicher Gelassenheit

Bewerbungsstart vor Zwischenevaluation (=1)

1,73** (0,34)

1,72**

(0,35)

# Bewerbungen auf

Lebenszeitprofessuren/Jahr (log)

1,25* (0,11)

1,24*

(0,11)

Arbeitseifer

# Konferenzbeiträge insgesamt/Jahr (log)

1,33+

(0,21)

1,37+

(0,22)

# Publikationen insgesamt/Jahr (log)

1,06

(0,14)

1,04

(0,14)

Asketische Lebensführung

Elternzeit in Monaten (log)

0,58**

(0,11)

0,60**

(0,11)

Kontrollvariablen

Fächergruppe

(Referenz=Naturwiss./Mathematik)

Rechts- und Geisteswissenschaften

0,90

(0,21)

0,95

(0,22)

1,00

(0,23)

0,88

(0,21)

0,96

(0,22)

0,90

(0,21)

0,97

(0,23)

Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

1,45+

(0,33)

1,34

(0,34)

1,40

(0,35)

1,46+

(0,34)

1,51+

(0,35)

1,49+

(0,35)

1,55+

(0,35)

Technik- und Ingenieurwissenschaften

1,03

(0,32)

1,14

(0,33)

1,20

(0,35)

1,10

(0,36)

1,20

(0,38)

1,01

(0,33)

1,06

(0,34)

Geschlecht (1=Frau)

0,87

(0,19)

0,94

(0,20)

0,97

(0,20)

0,88

(0,19)

0,92

(0,20)

1,11

(0,23)

1,13

(0,23)

Tenure-Track-Option (=1)

0,18+ (0,14)

0,20* (0,14)

0,20*

(0,14)

0,18*

(0,13)

0,17*

(0,13)

0,17*

(0,13)

0,17*

(0,13)

Kohorte

(1=Antritt der JP bis einschließlich 2004)

0,80

(0,16)

0,67*

(0,14)

0,70+

(0,15)

0,73

(0,14)

0,77

(0,15)

0,66+

(0,14)

0,70+

(0,15)

Stellensituation

(1 viele Stellen bis 7 keine Stellen)

0,71***

(0,05)

0,70***

(0,05)

0,70***

(0,05)

0,72***

(0,05)

0,72***

(0,05)

0,70***

(0,05)

0,70***

(0,05)

TVC (zeitveränderliche Effekte)

Tenure-Track-Option (=1)

1,05**

(0,02)

1,05** (0,01)

1,05** (0,01)

1,05** (0,01)

1,05** (0,01)

1,05**

(0,02)

1,05** (0,02)

N

309

309

309

309

309

309

309

vollständige Fälle

282

295

276

297

278

281

269

Wald Chi² (vollständige Fälle)

39,47***

74,42***

78,87***

32,93***

43,78***

39,53***

40,54***

Quelle : Juniorprofessor*innen-Befragung 2015.

Anmerkung : Hazard Ratios und robuste Standardfehler in Klammern; Datenaufbereitung mit Hilfe multipler Imputation; Berechnungen auf Basis der vollständigen Fälle ergeben nur kleine Abweichungen und können bei der Autorin angefragt werden; +p<0,1, * p<0,05, **p<0,01, ***p<0,001

1beide Elternteile verfügen höchstens über Volks- bzw. Hauptschulabschluss.

Fügt man im Rahmen der Hauptanalyse zunächst lediglich die Herkunft aus der niedrigsten Bildungsherkunftsgruppe als erklärende Variable ein, dann bestätigt sich das Bild, welches bereits über den vergleichenden Blick auf die Survivorfunktionen gewonnen wurde: Der Extremaufstieg erhöht die Wahrscheinlichkeit auf eine Lebenszeitprofessur berufen zu werden signifikant (Tab. 5, Modell 1). Um sich der Frage zu nähern, ob die drei herausgearbeiteten Faktoren Mangel bürgerlicher Gelassenheit, ungerichteterArbeitseifer sowie asketische Lebensführung diesen Haupteffekt mediieren, werden im Folgenden jeweils separate Modelle berechnet (Tab. 5, Modelle 2a bis 4b).

Mit den Modellen 2a und 2b wird überprüft, ob die theoretisch hergeleiteten Indikatoren des Faktors Mangel bürgerlicher Gelassenheit grundsätzlich die erwarteten Effekte auf die Berufungschancen von Juniorprofessor*innen beim Übergang auf eine Lebenszeitprofessur aufweisen – und zwar zunächst einmal unabhängig von ihrer sog. Bildungsherkunft. Aus Modell 2a wird deutlich, dass sich sowohl das frühzeitige Bewerben auf Professuren als auch die Anzahl an Bewerbungen signifikant positiv auf die Berufungschancen auswirken. Die Hinzunahme der sog. Bildungsherkunft in Modell 2b ändert dabei nichts an den Effekten der Mediatoren auf die Berufungswahrscheinlichkeit. Zudem zeigt sich, dass die beiden Mediatoren – der theoretischen Annahme entsprechend – den sog. Bildungsherkunftseffekt wie angenommen aufklären: Der positive Effekt eines Extremaufstiegs wird durch Kontrolle des Faktors Mangel an bürgerliche Gelassenheit insignifikant.

Analog zu diesem Vorgehen wird in den Modellen 3a und 3b die Bedeutung des Faktors ungerichteterArbeitseifer überprüft. Dabei zeigt sich zunächst einmal, dass zwar die Anzahl an Konferenzbeiträgen einen signifikanten Einfluss auf die Berufungschancen hat, die Anzahl an Publikationen jedoch in beiden Modellen insignifikant ist. Ein Erklärungsansatz liegt darin, dass sich die Gesamtzahl der Publikationen nicht in allen Fächergruppen gleichermaßen auszahlt und sich fächerspezifisch variierende Publikationskulturen nur schwer abbilden lassen. Vor dem Hintergrund der aufgestellten Hypothesen ist jedoch vor allem relevant, dass beide Indikatoren des ungerichteten Arbeitseifers den sog. Bildungsherkunftseffekt nicht mediieren: Der Extremaufsteiger*innen-Effekt bleibt in Modell 3b auch unter Kontrolle der Anzahl an Konferenzbeiträgen sowie Publikationen robust.

Schließlich wird in den Modellen 4a und 4b der angenommene mediierende Effekt des Faktors asketische Lebensführung überprüft. In beiden Modellen zeigt sich der erwartete signifikante negative Effekt der Elternzeitdauer. Zudem weist Modell 4b darauf hin, dass die dargestellte asketische Lebensführung der Extremaufsteiger*innen – mindestens im Hinblick auf die investierte Familienzeit – ihre höheren Berufungswahrscheinlichkeiten von der Junior- auf eine Lebenszeitprofessur erklären kann: Unter Kontrolle der Dauer der Elternzeit wird der Effekt eines Extremaufstieges insignifikant.

Dem theoretischen Rahmen entsprechend und auf Basis der vorliegenden Befunde können die Faktoren Mangel an bürgerlicher Gelassenheit sowie asketische Lebensführung als Mediatoren des festgestellten Extremaufsteiger*innen-Effekts beim Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur gelten. Extremaufsteiger*innen weisen demgemäß nicht nur bivariat einen Mangel an bürgerlicher Gelassenheit sowie eine asketische Lebensführung auf. Die Analyse liefert darüberhinausgehend empirische Evidenz dafür, dass diese beiden Faktoren direkten Einfluss auf die Berufungschancen der Extremaufsteiger*innen nehmen und damit zur Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit im Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur – und schlussendlich zu sozialen Aufstiegen in der Wissenschaft – beitragen.

Die bivariaten Analysen liefern zudem Hinweise für einen ungerichteten Arbeitseifer in der Gruppe der Extremaufsteiger*innen. Zumindest auf Basis der Operationalisierung über die Indikatoren „Anzahl an Konferenzbeiträge" sowie „Anzahl an Publikationen" konnte jedoch kein mediierender Effekt auf die Berufungswahrscheinlichkeit der Extremaufsteiger*innen festgestellt werden.

5 Diskussion

Der Blick in autobiografische Erzählungen von Wissenschaftler*innen sog. bildungsferner Herkunft macht deutlich wie vielfältig Bildungsaufstiege und wie individuell die damit verbundenen Geschichten sind. Trotz dieses hohen Ausmaßes an Diversität konnte unter Rückgriff auf die macht- und ungleichheitssoziologischen Ausführungen Bourdieus eine Systematisierung der anekdotischen Evidenzen erfolgen, über die schließlich drei zentrale Erklärungsfaktoren für die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit im Rahmen wissenschaftlicher Karrieren identifiziert wurden. Ungeachtet der feinen Unterschiede zwischen den individuellen Aufstiegsgeschichten zeigt sich erstens, dass es Extremaufsteiger*innen häufig an bürgerlicher Gelassenheit mangelt, die charakteristisch für jene ist, die mit den Erfordernissen des wissenschaftlichen Feldes bereits durch ihre Bildungsherkunft vertraut sind. Ausgehend von den enormen Investitionen und der damit einhergehenden hohen Fallhöhe, streben Extremaufsteiger*innen spätestens mit Eintritt in das wissenschaftliche Karrieresystem eine möglichst schnelle soziale und finanzielle Sicherung an. Das vermeintliche Defizit eines Mangels an Gelassenheit wird dann zu einer Ressource, wenn es in ein umfassendes und zielgerichtetes Bewerbungsverhalten übersetzt wird. Als zweiter Faktor konnte ein ungerichteter Arbeitseifer unter Extremaufsteiger*innen herausgearbeitet werden. Die hohe, aber letztlich ungerichtete Leistungsbereitschaft konzentriert sich nicht allein auf die Akkumulation der im Feld der Wissenschaft wertvollen Kapitalsorten. Aus theoretischer Perspektive zeigt sich hier der Versuch, den Mangel ererbten Kapitals über eine ausgeprägte Arbeitsethik zu kompensieren. Drittens konnten Einsichten in eine asketische Lebensführung von Extremaufsteiger*innen gewonnen werden. Sie zeigt sich empirisch in einer vergleichsweise geringeren Investition in eine aktive Familienarbeit – vor allem von Extremaufsteigerinnen. Die Aneignung der in der Wissenschaft notwendigen habituellen Denk- und Handlungsdispositionen erfordert ein hohes Maß an Ehrgeiz, was mit Entbehrungen und Anstrengungen in allen Lebensbereichen der Extremaufsteiger*innen verbunden ist, aber gleichzeitig zu ihrem erfolgreichen Aufstieg beiträgt. Schließlich weisen die empirischen Analysen darauf hin, dass sich zumindest der Mangel an Gelassenheit und die asketische Lebensführung direkt auf die Berufungswahrscheinlichkeit von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur auswirken und damit als Ressource von Extremaufsteiger*innen im Feld der Wissenschaft gelten können.

Um Hinweise darüber zu erhalten, welche Faktoren die unwahrscheinlichste Ausnahme der Regel der Reproduktion sozialer Ungleichheit im Feld der Wissenschaft wahrscheinlich werden lassen, konzentrierte sich die vorliegende Analyse allein auf die hoch selektive Gruppe der Extremaufsteiger*innen. Dieser Konzentration ist es geschuldet, dass sich in der Vergleichsgruppe „sonstige Bildungsherkunft" ganz unterschiedliche Herkunftsbiographien subsumieren. Eine differenzierte Analyse etwa von Wissenschaftler*innen (groß-)bürgerlicher Herkunft lässt jedoch ebenfalls wichtige Erkenntnisse erwarten. Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob und wie sich die angenommene kulturelle und soziale Vertrautheit mit der wissenschaftlichen Welt bei Angehörigen aus dieser Herkunftsgruppe darstellt.

Die vorliegenden Ergebnisse bieten darüber hinaus weitere vielfältige Anschlussmöglichkeiten für vertiefende Untersuchungen zu sozialen Aufstiegen in der Wissenschaft. Neben dem Rückgriff auf alternative theoretische Konzepte, wie etwa zur institutionellen Diskriminierung ([29] & Radtke 2009) oder zur Bedeutung von Herkunftseffekten ([12] 1974), wäre es wünschenswert, wenn anschließende Forschungsarbeiten über die Juniorprofessur hinausgehend auch aktuelle Dynamiken im wissenschaftlichen Karrieresystem erfassen. Über eine vergleichende Analyse unterschiedlicher Karrierewege zu Professur, wie etwa der jüngst eingeführten Tenure-Track-Professur oder der klassischen Habilitation, aber auch über einen Fächervergleich könnte die Generalisierbarkeit der identifizierten Erklärungsfaktoren überprüft und ggf. um weitere Erklärungsfaktoren der Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit ergänzt werden. So ist es den vergleichsweise kleinen Fallzahlen geschuldet, dass Analysen auf Ebene von Fächergruppen nicht durchgeführt werden konnten. Eine solche Perspektive scheint aber nicht nur aufgrund fachspezifischer Publikationskulturen erforderlich. Vielmehr liefern die hier diskutierten Befunde auch Hinweise dafür, dass neben den herausgearbeiteten individuellen Einflussfaktoren auch strukturelle Rahmenbedingungen einen entscheidenden Einfluss auf die Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit nehmen. Die Überrepräsentanz von Extremaufsteiger*innen in den Naturwissenschaften und der Mathematik stützt etwa die Annahme, dass der soziale Aufstieg in Fächern, in denen sprachliche Gewandtheit eine eher untergeordnete Rolle spielt, deutlich besser gelingt (Bourdieu 1982). Als weitere strukturelle Rahmenbedingung für den erfolgreichen Aufstieg in der Wissenschaft sollte zudem die Bedeutung sozialen Kapitals, wie etwa im Rahmen einer Mentor*innenschaft, in den Blick genommen werden. So wird in vielen Erzählungen von sog. Bildungsaufsteiger*innen die Rolle eines „Lehrmeister[s] im Denken und Leben" (Bourdieu & Passeron 2007: 58) betont. Wie die berichtete Befundlage zur Frage der Elternschaft bereits andeutet, bietet sich schließlich auch eine stärkere Konzentration auf Geschlechterunterschiede an. Die empirischen Ergebnisse legen die Annahme nahe, dass die Zerrissenheit zwischen den Rollenvorstellungen des Herkunftsmilieus und den Erfordernissen einer wissenschaftlichen Karriere bei Extremaufsteigerinnen vergleichsweise ausgeprägter ist als bei Extremaufsteigern.

Die Operationalisierung der theoretisch herausgearbeiteten Handlungs- und Einstellungsdispositionen folgt der Habitustheorie Bourdieus (vgl. Bourdieu & Wacquant 1996: 147–175), nach der habituelle Dispositionen selbst für die Forschung nicht unmittelbar zugänglich sind. Daher lag der Fokus vornehmlich auf aus den habituellen Dispositionen resultierenden Praktiken, wie etwa das Bewerbungs- und Publikationsverhalten oder auch die Fertilität. Aufbauend auf die hier in Anschlag gebrachte Indikatorik wäre jedoch auch ein Einbezug von Konstrukten aus der Persönlichkeitspsychologie gut denkbar. Der Faktor eines ungerichteten Arbeitseifers könnte dann beispielsweise nicht nur über ein sich hieraus ableitendes Publikationsverhalten erschlossen werden, sondern zusätzlich auch über ein latentes Konstrukt von Fleiß erfasst werden (in diesem Zusammenhang würde sich bspw. die Grit Scale for Perseverance and Passion for Long-Term Goals anbieten, vgl. [24] et al. 2007). Während sich Extremaufsteiger*innen hinsichtlich der hier ausgewählten Leistungsindikatoren wie Publikationen oder Konferenzteilnahmen nur gering von anderen Herkunftsgruppen unterscheiden (vgl. Tab. 2), könnten mit psychologischen Konstrukten wie Fleiß, Kreativität oder Konkurrenzorientierung alternative, Karrierestufen-übergreifende Erfolgsfaktoren wissenschaftlicher Karrieren in den Blick genommen werden, die womöglich noch deutlicher zur Erklärung der Positivselektion von Extremaufsteiger*innen beitragen.

Mit dem Mangel an bürgerlicher Gelassenheit, dem ungerichteten Arbeitseifer und einer asketischen Lebensführung fokussiert die Untersuchung drei potenzielle Faktoren für den Erfolg von Extremaufsteiger*innen in der Wissenschaft. Alle drei Faktoren zeugen davon, wie die Reproduktionsmechanismen des Feldes die Extremaufsteiger*innen unter Druck setzen, die Handlungs- und Einstellungsdispositionen ihrer Primärsozialisation als vermeintliche Defizite kompensieren und anpassen zu müssen. Dies weist auf die ausgeprägte Ambivalenz von Bildungsaufstiegen hin: Sozialer Aufstieg ist mit hohen Investitionen und Einschränkungen verbunden, die nicht nur auf die Karriereführung beschränkt sind, sondern sich bis in die private Lebensführung hinein ziehen. Hier zeigt sich die umfassende Wirkmacht der Reproduktionsmechanismen des Feldes der Wissenschaft.

Im Lichte dieser Wirkmächtigkeit sollen die vorgelegten Ergebnisse nicht als Rezept für eine kollektive und generalisierte Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit in der Wissenschaft missverstanden werden. Sie beschränken sich darauf zu zeigen, wie sich Ausnahmen von der Regel der Reproduktion sozialer Ungleichheit erklären lassen – nämlich über ebenso mühsame wie existenziell eingreifende Anpassungs- und Kompensationsstrategien Einzelner an die herrschenden Regeln des Feldes.

Literatur 1 Allmendinger, J., 1999: Bildungsarmut: Zur Verschränkung von Bildungs- und Sozialpolitik. Soziale Welt 50: 35–50. 2 Apel, S.B., 2014: Aerodynamics. Rhizomes. 3 Arner, L., 2014: Working-Class Women at the MLA Interview. Rhizomes. 4 Auspurg, K., T. Hinz & A. Schneck, 2017: Berufungsverfahren als Turniere. Zeitschrift für Soziologie 46: 283–302. 5 Barney Dews, C.L. & C. Leste Law (Hrsg.), 1995: This Fine Place So Far from Home. Philadelphia: Temple University Press. 6 Baron, R. M. & Kenny, D. A., 1986: The Moderator–Mediator Variable Distinction in Social Psychological Research: Conceptual, Strategic, and Statistical Considerations. Journal of Personality and Social Psychology 51: 1173–1182. 7 Beaufaÿs, S., 2015: Die Freiheit arbeiten zu dürfen. Akademische Laufbahn und legitime Lebenspraxis. Beiträge zur Hochschulforschung 37: 40–59. 8 Becker, R. & W. Lauterbach (Hrsg.), 2016: Bildung als Privileg. Wiesbaden: VS. 9 Blanton, R. & J.P. Ewalt, 2014: Rhetorical Maneuvers: Reflections on Being Blue Collar in an Academic World. Rhizomes. Blossfeld, H.-P., K. Golsch & G. Rohwer, 2007: Event History Analysis with Stata. Mahwah: Lawrence Erlbaum Associates. Bornmann, L. & J. Enders, 2004: Social Origin and Gender of Doctoral Degree Holders. Scientometrics 61: 19–41. Boudon, R., 1974: Education, Opportunity, and Social Inequality. New York: Wiley. Bourdieu, P., 1982: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Bourdieu, P., 1987: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bourdieu, P., 1998a: Praktische Vernunft zur Theorie des Handels. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bourdieu, P., 1998b: Vom Gebrauch der Wissenschaft. Für eine klinische Soziologie des wissenschaftlichen Feldes. Konstanz: UVK. Bourdieu, P., 2002: Ein soziologischer Selbstversuch. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bourdieu, P. & J.-C. Passeron, 2007: Die Erben. Studenten, Bildung und Kultur. Konstanz: UVK. Bourdieu, P. & L.J.D. Wacquant, 1996: Reflexive Anthropologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Bublitz, H., 1980: Ich gehörte irgendwie so nirgends hin ... Arbeitertöchter an der Hochschule. Giessen: Focus. Buchholz & M. Pratter, 2017: Wer profitiert von alternativen Bildungswegen? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 69: 409–435. Charlip, J.A., 1995: A Real Class Act: Searching for Identity in the ‚Classless' Society. S. 26–40 in: C.L. Barney Dews & C. Leste Law (Hrsg.), This Fine Place So Far from Home. Philadelphia: Temple University Press. Cleves, M., W. Gould, R.G. Gutierrez & Y.V. Marchenko, 2010: An Introduction to Survival Analysis Using Stata. College Station: Stata Press. Duckworth, A. L., Peterson, C., Matthews, M. D., & D. R. Kelly, 2007: Grit: Perseverance and Passion for Long-Term Goals. Journal of Personality and Social Psychology 92: 1087–1101. El-Mafaalani, A., 2012: BildungsaufsteigerInnen aus benachteiligten Milieus. Habitustransformation und soziale Mobilität bei Einheimischen und Türkeistämmigen. Wiesbaden: VS. Eribon, D., 2016: Rückkehr nach Reims. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Geißler, R., 2008: Die Metamorphose der Arbeitertochter zum Migrantensohn. S. 71–100 in: P.A. Berger & H. Kahlert (Hrsg.), Institutionalisierte Ungleichheiten. Weinheim: Juventa. Geldfand, L.A., MacKinnon, D.P., DeRubeis, R.J. & A.N. Baraldi, 2016: Mediation Analysis with Survival Outcomes. Frontiers in Psychology 7: 423. Gomolla, M. & F.-O. Radtke, 2009: Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. Wiesbaden: VS. Hamann, J., 2016: ‚Let us salute one of our kind'. How Academic Obituaries Consecrate Research Biographies. Poetics 56: 1–14. Hartmann, M., 2020: Vom „Arbeiterkind" zur Professur. Merkmale eines erfolgreichen Aufstiegs. S. 379–388 in: J. Reuter, M. Gamper, C. Möller & F. Blome (Hrsg.), Vom Arbeiterkind zur Professur. Bielefeld: Transcript. Hurst, A.L. & S.K. Nenga (Hrsg.), 2016: Working in Class. Lanham: Rowman & Littlefield. Jaksztat & M. Lörz, 2018: Ausmaß, Entwicklung und Ursachen sozialer Ungleichheit beim Promotionszugang zwischen 1989–2009. Zeitschrift für Soziologie 47: 46–64. Jaquet, C., 2018: Zwischen den Klassen. Über die Nicht-Reproduktion sozialer Macht. Göttingen: Konstanz University Press. Jensen, B., 2014: Dreams and Nightmares: Survivor Guilt in Working Class Crossovers. Rhizomes. Jones, H.J., 2014: This Circle Has an End: Teaching „Myself", Fifteen Years Later. Rhizomes. Jungbauer-Gans, M. & C. Gross, 2013: Determinants of Success in University Careers: Findings from the German Academic Labor Market. Zeitschrift für Soziologie 42: 74–92. King, V., & H.-C. Koller (Hrsg.), 2009: Adoleszenz – Migration – Bildung. Bildungsprozesse Jugendlicher und junger Erwachsener mit Migrationshintergrund. Wiesbaden: VS. Kovacovic, M., 1995: Workin' at the U. S. 233–248 in: C.L. Barney Dews & C. Leste Law (Hrsg.), This Fine Place So Far from Home. Philadelphia: Temple University Press. Lange-Vester, A., 2020: Über Habitusmuster und Milieuherkunft von Bildungsaufsteiger*innen im akademischen Feld. S. 389–410 in: J. Reuter, M. Gamper, C. Möller & F. Blome (Hrsg.), Vom Arbeiterkind zur Professur. Bielefeld: Transcript. Lavrakas, P., 2011: t-Test. https://methods.sagepub.com/reference/encyclopedia-of-survey-research-methods/n594.xml (15.12.2021). Leemann, R. J., 2002: Chancenungleichheiten im Wissenschaftssystem. Wie Geschlecht und soziale Herkunft Karrieren beeinflussen. Chur: Rüegger. Lörsch, M., 2020: Die Entdeckung am Sonnentor von Tiahuanaco. S. 261–274 in: J. Reuter, M. Gamper, C. Möller & F. Blome (Hrsg.), Vom Arbeiterkind zur Professur. Bielefeld: Transcript. Lörz, M. & S. Schindler, 2016: Soziale Ungleichheiten auf dem Weg in die akademische Karriere. Beiträge zur Hochschulforschung 38: 14–39. Lutter, M. & M. Schröder, 2016: Who Becomes a Tenured Professor, and why? Panel Data Evidence from German Sociology, 1980–2013. Research Policy 45: 999–1013. Metz-Göckel, S., C. Möller & N. Auferkorte-Michaelis, 2009: Wissenschaft als Lebensform – Eltern unerwünscht? Opladen: Verlag Barbara Budrich. Middendorff, E., B. Apolinarski, J. Poskowsky, M. Kandulla & N. Netz, 2012: Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. Hannover. Möller, C., 2015: Herkunft zählt (fast) immer. Soziale Ungleichheiten unter Universitätsprofessorinnen und -professoren. Weinheim: Beltz Juventa. Pegueros, R.M., 1995: Todos Vuelven: From Potrero Hill to UCLA. S. 87–105 in: C.L. Barney Dews & C. Leste Law (Hrsg.), This Fine Place So Far from Home. Philadelphia: Temple University Press. Philpot, J. & K. Sullivan Barak, 2014: As Long as You Think We Are White: Our Experience as Working Class Academics in the Humanities. Rhizomes. Piper, D., 1995: Psychology's Class Blindness: Investment in the Status Quo. S. 286–296 in: C.L. Barney Dews & C. Leste Law (Hrsg.), This Fine Place So Far from Home. Philadelphia: Temple University Press. Raiser, U., 2007: Erfolgreiche Migranten im deutschen Bildungssystem – es gibt sie doch. Lebensläufe von Bildungsaufsteigern türkischer und griechischer Herkunft. Berlin: LIT. Rennels, T., 2014: From the Trailer Park to the Ivory Tower and Somewhere in Between: A Critical Autoethnography of Class Performativity in Academe. Rhizomes. Reuter, J., M. Gamper, C. Möller & F. Blome (Hrsg.), 2020: Vom Arbeiterkind zur Professur. Sozialer Aufstieg in der Wissenschaft. Bielefeld: Transcript. Rössel, J., K. Landfester, & U. Schollwöck, 2003: Die Juniorprofessur. Eine Bilanz ihrer Umsetzung. DRV. Die Junge Akademie: Erfurt. Rubin, D.B., 1987: Multiple Imputation for Nonresponse in Surveys. New York: Wiley. Ryan, J. & C. Sackrey, 1996: Strangers in Paradise. Academics from the Working Class. Lanham: University Press of America. Schmeiser, M., 1994: Akademischer Hasard. Das Berufsschicksal des Professors und das Schicksal der deutschen Universität 1870–1920. Stuttgart: Klett-Cotta. Schwalbe, M., 1995: The Work of Professing (A Letter to Home). S. 309–331 in: C.L. Barney Dews & C. Leste Law (Hrsg.), This Fine Place So Far from Home. Philadelphia: Temple University Press. Sellers, S., 2014: Homespace: Rejecting Academic Relocation and Honoring Working-Class Roots. Rhizomes. Tiffe, R., 2014: Nuanced White Trash: Embodying Class, Moving Through Time, and Caretaking in the Neoliberal University. Rhizomes. Wakeling, P., 2010: Is There Such a Thing as a Working-Class Academic? S. 35–52 in: Y. Taylor (Hrsg.), Classed Intersections. Farnham: Ashgate. Warnock, D.M., 2014: On the Other Side of What Tracks? The Missing Discussion of Social Class in the Academy. Rhizomes. Footnotes Wenn im Folgenden eine sog. bildungsferne Herkunft adressiert wird, dann ist hiermit die Herkunft aus einer Familie mit niedrigem formalen Bildungsstatus gemeint. Der Bildungsbegriff bezieht sich also ausschließlich auf die formalen schulischen bzw. hochschulischen Bildungszertifikate der Elterngeneration. Unbeachtet bleiben informelle, berufliche und non-formale Bildungserträge der Eltern, obgleich diese nicht minder wertvoll sind (vgl. zum Unterschied zwischen Zertifikats- und Kompetenzarmut [1] 1999). Hinsichtlich der Geschlechter- und Altersverteilung zeigen sich keine gravierenden Unterschiede zwischen den Extremaufsteiger*innen und ihren Kolleg*innen sonstiger Bildungsherkunft. Auch wenn in der Literatur parametrische Verfahren der Ereignisanalyse im Rahmen von Mediationsanalysen präferiert werden, kann bei Verletzung der notwendigen Anwendungsvoraussetzungen auf das semi-parametrische Verfahren der Cox-Regression zurückgegriffen werden (vgl. Gelfand et al. 2016). Zur Interpretation: Wenn exp(β1) > 1, dann erhöht x die Übergangsrate (im vorliegenden Fall der Übergang auf eine Lebenszeitprofessur), wenn exp(β1) < 1, dann verringert x die Übergangsrate, und, wenn exp(β1) = 1, dann hat x keinen statistischen Effekt auf die Übergangsrate. Weitere Informationen zum Imputationsmodell können bei der Autorin angefragt werden. Statistisch sind die Unterschiede jedoch nicht signifikant. Über den Log-Rank-Test wird H0 getestet, ob die Survivorfunktionen der Gruppen gleich sind. Zur Überprüfung werden die Anzahl der eingetroffenen Ereignisse mit der Anzahl der erwarteten Ereignisse zu jedem Zeitpunkt im Analysezeitraum pro Gruppe verglichen (Cleves et al. 2010: 122 f).

By Lena M. Zimmer

Reported by Author

Wichtigste Publikationen: Das Kapital der Juniorprofessur. Einflussfaktoren bei der Berufung von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur, Wiesbaden 2018; Kleine Fächer im Fokus. Die Rolle der kleinen Fächer in der deutschen Hochschullandschaft (mit K. Bahlmann & S. Hoffmann), Handbuch Qualität in Studium, Lehre und Forschung 68, 2019: 1–22; Studieren in Deutschland zu Zeiten der Corona-Pandemie. Fachspezifische Besonderheiten des digitalen Studiums (mit M. Lörz & A. Marczuk), in: I. Neiske, J. Osthushenrich, N. Schaper, U. Trier, & N. Vöing (Hrsg.), Hochschule auf Abstand, Bielefeld 2021

Titel:
Bildungsaufstiege in der Wissenschaft. Zur Nicht-Reproduktion sozialer Ungleichheit beim Übergang von der Junior- auf die Lebenszeitprofessur.
Autor/in / Beteiligte Person: Zimmer, Lena M.
Link:
Zeitschrift: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 50 (2021-12-01), Heft 6, S. 415-433
Veröffentlichung: 2021
Medientyp: academicJournal
ISSN: 0340-1804 (print)
DOI: 10.1515/zfsoz-2021-0025
Schlagwort:
  • EDUCATORS
  • EQUALITY
  • SOCIAL mobility
  • COLLEGE teachers
  • Subjects: EDUCATORS EQUALITY SOCIAL mobility COLLEGE teachers
  • Academic Career
  • Educational Advancement
  • First Generation
  • Junior Professorship
  • Professorial Appointment
  • Professors
  • Social Inequality
  • Social Mobility
  • Berufungen
  • Berufungsfaktoren
  • Bildungsaufstiege
  • Juniorprofessur
  • Professorenschaft
  • Soziale Mobilität
  • Soziale Ungleichheit
  • Wissenschaftliche Karrieren Language of Keywords: English; German
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Educational Advancement in Academia. On the Non-Reproduction of Social Inequality in the Transition from Junior to Full Professorship.
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Author Affiliations: 1 = Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Lange Laube 12, 30159 Hannover Hannover, Deutschland
  • Full Text Word Count: 10686

Klicken Sie ein Format an und speichern Sie dann die Daten oder geben Sie eine Empfänger-Adresse ein und lassen Sie sich per Email zusenden.

oder
oder

Wählen Sie das für Sie passende Zitationsformat und kopieren Sie es dann in die Zwischenablage, lassen es sich per Mail zusenden oder speichern es als PDF-Datei.

oder
oder

Bitte prüfen Sie, ob die Zitation formal korrekt ist, bevor Sie sie in einer Arbeit verwenden. Benutzen Sie gegebenenfalls den "Exportieren"-Dialog, wenn Sie ein Literaturverwaltungsprogramm verwenden und die Zitat-Angaben selbst formatieren wollen.

xs 0 - 576
sm 576 - 768
md 768 - 992
lg 992 - 1200
xl 1200 - 1366
xxl 1366 -