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Chancen und Grenzen der Verwendung von fMRT in der neurokriminologischen Forschung.

Kröll B. A., Hannah ; Beckord, Christina
In: Monatsschrift fuer Kriminologie und Strafrechtsreform, Jg. 105 (2022-07-01), Heft 3, S. 203-221
Online academicJournal

Chancen und Grenzen der Verwendung von fMRT in der neurokriminologischen Forschung  Chances and Limits of Using fMRI in Neurocriminology 

Keywords: Neurokriminologie; Delinquenz; funktionelle Magnetresonanztomographie; Hirnfunktion; neurocriminology; delinquency; functional magnetic resonance imaging; brain functionality

1 Einleitung

In den Sozialwissenschaften lag der Fokus bei der Erklärung von Verhalten seit Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem auf Lernmethoden. Unter anderem wegen des Missbrauchs biologischer Erklärungsansätze für rassistische, sexistische und eugenische Politiken blieben diese weitgehend unbeachtet ([7], 2009). Mit dem Aufkommen moderner bildgebender Verfahren kommt es seit den 1980ern zu einem erneuten Anstoß für Forschungen zu biologischen Verhaltensursachen. Als interdisziplinäres Fachgebiet bildete sich in diesem Bereich die Neurokriminologie heraus, welche Techniken und Prinzipien aus den Neurowissenschaften dazu nutzt, um das Verständnis, die Vorhersage und letztendlich auch das Verhindern von Verbrechen zu verbessern ([9], 2014; [11], 2014). Eine der Methoden, derer sich die Neurokriminologie zur Beantwortung ihrer Fragestellungen bedient, ist die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT). »Magnetic resonance imaging (MRI) offers a powerful means to safely and non-invasively study human brain structure and function in vivo« ([46], 2015). Dieses Verfahren stellt eine weit verbreitete Methode dar, welche ein detailliertes Verständnis der neuronalen Funktionsprozesse im Gehirn und deren Einfluss auf das Erleben und Verhalten sowohl von verhaltensunauffälligen als auch von verhaltensauffälligen Menschen ermöglicht ([28], 2010; [33], 2007; [46], 2015).

Vor diesem Hintergrund geht der vorliegende Artikel der Frage nach, welche Chancen und Grenzen die Verwendung der fMRT in neurokriminologischen Forschungskontexten aktuell aufweisen. Diese Fragestellung ist insbesondere aufgrund der wachsenden Beliebtheit der fMRT zur Identifizierung funktionaler und struktureller Funktionen im Hirn, die mit delinquentem Verhalten in Zusammenhang stehen könnten, von Bedeutung (siehe hierzu auch [10], 2017; [46], 2015). Da die Ergebnisse neurokriminologischer Forschung einen direkten Einfluss auf das Leben bestimmter Personengruppen haben können, ist eine Auseinandersetzung mit der Methodik der fMRT und ihrer Verwendung in der Neurokriminologie sinnvoll. Dabei bedarf es insbesondere auch einer kritischen Untersuchung des durch die fMRT möglichen Erkenntnisgewinns sowie der Problematiken, die mit der Anwendung dieses Verfahrens einhergehen können.

Da es für eine methodische Diskussion der Ergebnisse von fMRT-Studien unerlässlich ist, einen Überblick über die Funktionsweise der fMRT als Messmethode zu gewinnen, wird dieser in einem nächsten Schritt gegeben. Anschließend gilt es, den Umgang mit den generierten Daten zu thematisieren. In einem ersten Schritt wird die These, dass die fMRT sensible personenbezogene Daten generiert, genauer behandelt. Dies geschieht vor dem Hintergrund der in der Europäischen Union (EU) geltenden Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und mit Hinblick auf die Schwierigkeit der Anonymisierung von fMRT-Daten. Den juristischen Rahmen für diese Überlegungen stellt das deutsche Rechtssystem dar. Darauffolgend wird die neurokriminologische Verwendung von fMRT exemplarisch anhand von fünf Studien thematisiert. Diese decken dabei sowohl die Zeitspanne als auch die diversen Möglichkeiten der Verwendung von fMRT ab. Insbesondere die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im methodischen Vorgehen dieser Studien werden diskutiert. Im Anschluss erfolgt unter Darstellung der Chancen und Grenzen der Verwendung von fMRT eine methodische Diskussion des Verfahrens im Allgemeinen sowie seiner Verwendung in neurokriminologischen Studien. Abschließend wird ein Ausblick für mögliche Szenarien zukünftiger Anwendungen von fMRT-Daten gegeben.

2 Die funktionelle Magnetresonanztomographie

Die Methode der fMRT wird dazu verwendet, bestimmten Hirnregionen spezifische funktionelle Prozesse zuzuordnen, indem Gehirnaktivität indirekt gemessen wird. Gerade die durch fMRT mögliche nicht-invasive Untersuchung von Struktur-Funktions-Beziehungen an lebenden Gehirnen bietet den Vorteil, dass Dynamiken der Hirnstruktur und -funktion im zeitlichen Verlauf an denselben Patient*innen beobachtet werden können ([9], 2014; Silva, See, Essayed, Golby, & Tie, 2017; [41], 2007; [46], 2015; [47], 2004). Dabei ist zwischen zwei Formen der fMRT zu unterscheiden: Bei der task-based fMRT wird die Versuchsperson dazu aufgefordert, während der fMRT-Messung eine Aufgabe zu bearbeiten, oder sie bekommt einen Stimulus präsentiert. Dadurch können Forscher*innen herausfinden, welche Hirnareale während eines bestimmten kognitiven Prozesses aktiv sind. Bei der resting-state fMRT hingegen findet die fMRT-Messung ohne die Präsentation eines Stimulus oder einer Aufgabenstellung statt. Sie dient dazu, die funktionelle Konnektivität einzelner Hirnbereiche oder die Korrelation bestimmter Aktivierungslevel zwischen Hirnarealen in einem gewissen Zeitraum zu messen ([46], 2015).

Bei der Erfassung der Hirnaktivität macht die fMRT sich das Phänomen zunutze, dass lokal aktivierte Hirnregionen stärker durchblutet werden und die Nervenzellen mehr Sauerstoff aus dem Blut aufnehmen beziehungsweise Kohlendioxyd ins Blut abgeben. Oxyhämoglobin und Desoxyhämoglobin weisen unterschiedliche magnetische Eigenschaften auf. Diese Eigenschaften werden von MRT-Scanner mithilfe polarisierter elektromagnetischer Hochfrequenzimpulse genutzt, um zwei- oder dreidimensionale Aufnahmen des Gehirns zu erstellen. Die Hirnregionen, welche stärker durchblutet sind und in denen somit ein Signalanstieg verzeichnet werden kann, sind darin eingefärbt. Desoxyhämoglobin führt im Gegensatz dazu zu einem schwächeren Signal ([10], 2017; [11], 2014). Es wird also eine Korrelation zwischen dem durch den Blutfluss erzeugten Signal und der Gehirnaktivität angenommen. Die fMRT misst dabei die Unterschiede im blood-oxygen-level-dependent-Signal (BOLD-Signal) über einen gewissen Zeitraum hinweg ([1], 2015; [33], 2007; [35] et al., 2017; [46], 2015). Die vergleichsweise kleinen Signalunterschiede sind ausreichend, um fMRT-Bilder zu generieren, wobei eine Wiederholung des Prozesses notwendig ist, um die Daten mitteln und statistisch verarbeiten zu können ([1], 2015). Auf das BOLD-Signal wird vor allem bei der task-based fMRT zurückgegriffen. Die Veränderungen in der Gehirnaktivität werden dabei mit einer oder mehreren anderen Untersuchungsbedingungen verglichen, sodass die neuronale Aktivität durch die präsentierten Stimuli oder Aufgaben aufgrund der relativen Auswertung des BOLD-Signals indirekt gemessen wird ([32], 2013; [35] et al., 2017).

Die räumliche Auflösung der Bilder wird dabei von den sogenannten Voxeln bestimmt. Bevor die statistische Auswertung an sich erfolgen kann, müssen einige Vorverarbeitungsschritte durchgeführt werden. Dabei gilt es zunächst, die bekannten Artefakte (Abbildungsfehler) zu eliminieren ([45], 2007). Als Erstes werden meist Bewegungskorrekturen vorgenommen, da während der fMRT-Messung Kopfbewegungen der Proband*innen auftreten können. Insgesamt darf sich die Kopfposition der Versuchspersonen nur um wenige Millimeter ändern, damit die Messergebnisse für eine statistische Auswertung geeignet sind. Durch das Drehen und Verschieben einzelner Bilder können Bewegungsartefakte ausgeglichen werden, indem die einzelnen Bilder beispielsweise auf das erste Bild der Messreihe reorientiert werden ([45], 2007). Darüber hinaus werden weitere Schritte der Vorverarbeitung vorgenommen, etwa eine Koregistrierung, bei der ein räumlicher Abgleich von Volumenaufnahmen derselben Proband*innen mit unterschiedlichen Bildgebungsmodalitäten vorgenommen wird, um Aktivierungen anatomisch genauer zu lokalisieren ([45], 2007). Um die Vergleichbarkeit von Aktivierungsmustern zwischen Studienteilnehmer*innen zu ermöglichen, wird eine Normalisierung auf ein Standardgehirn vorgenommen, um die individuellen Formen und Größen der Gehirne der einzelnen Versuchspersonen aufeinander abbilden zu können ([45], 2007). Ein weiterer Schritt der Vorverarbeitung der Daten ist die räumliche Glättung, bei der die Bildgrauwerte jedes Voxels mit den Bildgrauwerten der benachbarten Voxel verrechnet werden, um die Sensitivität der statistischen Analysen zu erhöhen. Die räumliche Glättung ermöglicht es außerdem, zufällige Effekte innerhalb eines Voxels herauszumitteln, was wiederum die Vergleichbarkeit zwischen den Proband*innen erhöht ([45], 2007).

Nach dieser Vorbereitung der Daten erfolgt die eigentliche Auswertung, wobei bei der task-based fMRT die Frage verfolgt wird, welche Auswirkungen das experimentelle Paradigma auf das BOLD-Signal hat ([45], 2007). In den meisten Fällen werden mittels fMRT Hypothesen über die Ursachen eines zeitlichen Verlaufs des BOLD-Signals in einem Voxel getestet. Dafür wird ein empirisch beobachteter Verlauf mit einem spezifischen Modell verglichen, welches möglichst viele Informationen zum Experiment enthält, um den Signalverlauf weitreichend erklären zu können ([1], 2015; [45], 2007). Das gewählte Modell wird mithilfe des Allgemeinen Linearen Modells (ALM) verbessert. Hierbei wird statistisch getestet, ob das gemessene Signal in einem Voxel mit der Präsentation des interessierenden Reizes oder mit der Kontrollbedingung zusammenhängt oder ob das gemessene Signal gar keine Reaktion auf eine der Bedingungen war ([45], 2007). Nach diesem ersten Schritt der Auswertung der Daten jeder einzelnen Versuchsperson ist es möglich, mehrere Proband*innen mithilfe der t-Statistik zu vergleichen ([45], 2007).

3 fMRT-Scans als Erzeuger sensibler personenbezogener Daten

Bei den so erzeugten fMRT-Bildern als personenbezogene Bildgebungen von Hirnstrukturen und -funktionalitäten handelt es sich um sensible Daten. Als Grundlage dieser Einstufung dient die DSGVO, welche seit dem 25.05.2018 in der EU anzuwenden ist und insbesondere im Hinblick auf die Anonymisierung von fMRT-Daten relevant wird.

Als personenbezogene Daten gelten der DSGVO zufolge »alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (...) beziehen«, wobei eine Identifizierbarkeit unter anderem dann als gegeben angesehen wird, wenn eine natürliche Person aufgrund »besondere[r] Merkmale, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser Person sind, identifiziert werden kann« (Art. 4 Abs. 1 DSGVO). Diese Definition trifft generell auf die durch die fMRT generierten Daten zu, da jeder Mensch ein individuelles Gehirnmuster aufweist, welches die betreffende Person von anderen unterscheidbar und somit eindeutig identifizierbar macht ([32], 2013). Darüber hinaus können fMRT-Bilder zu den personenbezogenen Gesundheitsdaten gerechnet werden (Art. 9 Abs. 1-2 DSGVO). Personenbezogene Gesundheitsdaten werden in der Verordnung als die Daten definiert, welche sich auf den Gesundheitszustand der betreffenden Person beziehen, weshalb aus ihnen Informationen zum früheren, gegenwärtigen oder zukünftigen psychischen oder physischen Zustand der Person abgeleitet werden können (Art. 4 Abs. 15 DSGVO; Erwägungsgrund 35, DSGVO).

Eine Besonderheit der durch fMRT erzeugten Daten im Kontext neurokriminologischer Forschung ergibt sich daraus, dass die erhobenen Daten zwar personenbezogene Gesundheitsdaten sind, aber nicht zum Zweck der Heilung einer bestimmten Symptomatik verwendet werden, sondern um aus ihnen wissenschaftliche Erkenntnisse zu generieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, näher auf die Besonderheiten der Verarbeitung und Nutzung sensibler Daten im wissenschaftlichen Kontext einzugehen. An dieser Stelle bleibt die DSGVO jedoch vage: »Um den Besonderheiten der Verarbeitung personenbezogener Daten zu wissenschaftlichen Forschungszwecken zu genügen, sollen spezifische Bedingungen insbesondere hinsichtlich der Veröffentlichung oder sonstigen Offenlegung personenbezogener Daten im Kontext wissenschaftlicher Zwecke gelten« (Erwägungsgrund 159, DSGVO). Was diese »spezifische[n] Bedingungen« beinhalten sollen, wird jedoch nicht deutlich.

Die hier dargestellte Einordnung von fMRT-Daten in die DSGVO trifft allerdings dann nicht mehr auf die fMRT-Bilder zu, wenn sie im Rahmen der Vorverarbeitung der Daten den Schritt der Normalisierung durchlaufen haben: Infolge der Normalisierung können sie nicht mehr zu einzelnen Personen zugeordnet werden, da die Gehirne aller Versuchspersonen auf ein Standardgehirn reorientiert wurden.

Durch diese Form der Anonymisierung kann die Personenbezogenheit der Daten aufgehoben werden. Die DSGVO definiert anonyme Informationen als »personenbezogene Daten, die in einer Weise anonymisiert worden sind, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann« (Erwägungsgrund 26, DSGVO). Auch die Rekonstruktion der Zugehörigkeit bestimmter Daten unterliegt gewissen Richtlinien. Bei der Anonymisierung sollen daher alle Mittel bedacht werden, die den Verantwortlichen und anderen Personen zu Verfügung stehen könnten, um die Person, deren Daten anonymisiert werden sollen, zu identifizieren. Die zu Verfügung stehenden Mittel sollen dabei unter den Gesichtspunkten der Kosten, der Zeit und der zum Zeitpunkt der Verarbeitung verfügbaren technologischen Entwicklung beurteilt werden (Erwägungsgrund 26, DSGVO).

Unter diesen Gesichtspunkten stellt sich die Anonymisierung von fMRT-Bildern in neurokriminologischen Kontexten als schwierig dar. Es ließe sich die Frage stellen, ob es nicht ausreichend wäre, wenn die normalisierten und damit anonymisierten Gehirn-Scans und die für die Neurokriminologie besonders interessanten Angaben zum betrachteten Verhalten der Personen anstatt mit deren Namen unter einem Pseudonym gespeichert würden. Eine Pseudonymisierung der Ergebnisse reicht jedoch nach Vorgaben der DSGVO nicht aus, um die Daten vollständig zu anonymisieren, sodass »[e]iner Pseudonymisierung unterzogene personenbezogene Daten (...) als Informationen über eine identifizierbare natürliche Person betrachtet werden [sollten]« (Erwägungsgrund 26, DSGVO). Die Frage danach, wie fMRT-Bilder anonymisiert werden können, würde also auch dann bestehen bleiben, wenn die Daten vom Namen der jeweiligen Person abgekoppelt würden. Eine weitere Möglichkeit könnte darin bestehen, nicht nur den Namen der Person zu pseudonymisieren, sondern darüber hinaus die Verhaltensangaben der jeweiligen Person von den angefertigten Bildern abzukoppeln. Dies dürfte allerdings kaum möglich sein, da in vielen Studien die Verhaltensreaktion auf einen Stimulus eine wichtige Rolle in der inhaltlichen Interpretation der fMRT-Ergebnisse einnimmt.

4 Die juristische Diskussion um Verwendungsmöglichkeiten von fMRT-Daten

Nicht nur hinsichtlich des Datenschutzes führt die neurokriminologische Verwendung der fMRT zu neuen Fragestellungen; im Bereich des Strafrechts entstand infolge neurokriminologischer Anwendungen bildgebender Verfahren wie der fMRT eine Debatte um den Fortbestand des Schuldgedankens und damit einhergehend des bestehenden Systems strafrechtlicher Sanktionen ([10], 2017; [24], 2007). Den Mittelpunkt der Diskussion darüber, ob neurowissenschaftliche Erkenntnisse die Grundlagen des Strafrechts verändern oder nicht, bildet die Frage nach menschlicher Willensfreiheit, welche unter anderem mithilfe der fMRT untersucht wurde ([16], 2010): Würde es den Naturwissenschaften gelingen, die Grundlagen des Denkens und Fühlens abzubilden, wäre es angesichts der dadurch suggerierten biologischen Determiniertheit der zugrundeliegenden Prozesse fraglich, ob subjektive Willensbestimmung und Verantwortung als Konstrukte aufrechterhalten werden könnten ([26], 2010).

In Deutschland stellt ein Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1952 das deutlichste Bekenntnis zu einem starken Begriff von Willensfreiheit dar. In diesem Beschluss legte der BGH fest, dass Schuld eine Voraussetzung für Strafe ist, womit eine Vorwerfbarkeit und damit eine willentliche Entscheidung für das Unrecht einhergeht (BGH 1952, Rn. 15 (=juris); [12], 2005; [16], 2010). Dadurch wird vorausgesetzt, dass es Menschen möglich ist, ihr Leben den Gesetzen entsprechend zu führen ([26], 2010; [34], 2010). Die Regelungen im Strafgesetzbuch (StGB) entsprechen dabei dem Konzept, dass der bezüglich einer Tat getroffenen Entscheidung ein freier Wille zugrunde liegt, ohne dass dieser durch von der*m Täter*in »nicht zu verantwortende krankhafte Ereignisse in eine bestimmte Richtung beeinflusst« wird ([34] et al., 2010). Dementsprechend kann ein Mensch, der in seinem Handeln nicht frei ist, für sein Tun nicht verantwortlich gemacht werden. Würde also die Willensfreiheit widerlegt, wäre dem deutschen Strafrecht seine Grundlage entzogen ([12], 2005).

Den Ausgangspunkt der Debatte um den freien Willen bilden die sogenannten Libet-Experimente ([16], 2010; [26], 2010; [27], 2017). Libets Befunde zur zeitlichen Abfolge von Gehirnaktivität und bewusster Wahrnehmung konnten in weiteren Untersuchungen, unter anderem mithilfe der fMRT, bestätigt werden: 2008 untersuchten Soon, Brass, Heinze und Haynes, welche Prozesse einer bewussten Entscheidung vorausgehen. In ihrer Studie konnten die Testpersonen sich entscheiden, ob sie mit der linken oder der rechten Hand einen Knopf drückten, wobei sie im Nachhinein angaben, wann ihre Entscheidung gefallen war. Sieben Sekunden vor der bewussten Entscheidung war es den Forscher*innen möglich, mit einer Genauigkeit von 60 % aus der Aktivität des präfrontalen und des parietalen Kortex zu berechnen, welche Hand die*der Proband*in bewegen würde ([37] et al., 2008). 2013 führten Soon, He, Bode und Haynes eine weitere Studie durch, wobei sie komplexere Handlungsabfolgen fokussierten: Die Versuchspersonen sollten entscheiden, ob sie die präsentierten Zahlen addierten oder subtrahierten. Auch hier war es den Wissenschaftler*innen anhand der neuronalen Aktivierungsmuster möglich, mit einer Genauigkeit von 70 % vier Sekunden vor der Ausführung der Aufgabe zu bestimmen, wie die Proband*innen sich entscheiden würden ([38] et al., 2013). Hinsichtlich solcher Studien stellt sich jedoch die Frage: »Lassen sich die Erkenntnisse aus Experimenten zu basalen Entscheidungsprozessen unter Anleitung im Labor auf Entscheidungen unserer Lebenswelt, in denen komplexe individuelle Kontexte gedeutet und bewertet werden, übertragen?« ([27], 2017)

Aus einer unterschiedlichen Deutung der dargestellten und ähnlicher Studienergebnisse folgen divergierenden Bewertung bezüglich der Existenz eines freien Willens ([27], 2017), wobei sich grob zwei Positionen dazu, ob die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse einen Einfluss auf das Strafrecht haben oder nicht, herauskristallisieren: diejenigen, die eine Veränderung des bestehenden Strafrechts vorschlagen und diejenigen, die keine Veränderung des Strafrechts befürworten. Diejenigen, die für eine Veränderung des Strafrechts auf Grundlage neurowissenschaftlicher Erkenntnisse zum freien Willen eintreten, berufen sich darauf, dass das Bewusstsein aus neuronaler Sicht ein bestimmter systemischer Zustand des Gehirns sei und dass jeder Gehirnzustand von dem jeweils vorherigen abhänge. Der freie Wille sei demnach nur eine nachgeschaltete Instanz ([11], 2014; [28], 2010). Der Argumentation von [31] (2001) folgend, könne Schuld vor dem Hintergrund neurowissenschaftlicher Erkenntnisse nicht mehr angenommen werden, da es dem Menschen aufgrund der neurologischen Determiniertheit seiner Handlungsprozesse nicht möglich sei, sich anders zu verhalten ([16], 2010; [27], 2017). Aus dieser Sichtweise folgt, dass die Gründe und Grenzen staatlicher Rechtspraktiken sowie das Verständnis von Schuldfähigkeit und Strafe neu definiert werden müssen, da der freie Wille dann nicht länger die Grundlage des Strafrechts sein kann ([12], 2005; [36], 2008).

Im Gegensatz zu dieser Deutung neurowissenschaftlicher Untersuchungen zum freien Willen steht unter anderem die Auffassung, dass es dem freien Willen aufgrund seiner Veto-Funktion möglich sei, das Ergebnis der unbewusst eingeleiteten Handlungsprozesse zu steuern. Da die strafrechtlich bewerteten Handlungen demnach vom Menschen bewusst kontrolliert werden können, sei es legitim, eine Person für ihre Handlungen verantwortlich zu machen ([19], 1999; [20], 2005). [25] (2014) stellt diesbezüglich klar: »Neurons, neural networks, and the connectome do not have mental states such as intentions, they do not have a sense of past, present, and future, and they do not have aspirations«.

Auch wenn es sich bei diesen Überlegungen zu den Auswirkungen neurowissenschaftlicher Erkenntnisse hinsichtlich des freien Willens auf das Strafrecht lediglich um hypothetische Szenarien handelt, spielen fMRT-Daten aus neurokriminologischen Studien eine Rolle im deutschen Rechtssystem. Dies ist damit zu begründen, dass das Zusammenspiel zwischen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und Gerichtsprozessen durch das Aufkommen der Neurokriminologie eine andere qualitative Dimension hinzugewonnen hat, schließlich wirft die Verwendung von fMRT-Daten in Gerichtsprozessen eine Reihe von Herausforderungen auf ([46], 2015). Dabei wird sich im Folgenden auf zwei Anwendungsmöglichkeiten der fMRT vor Gericht fokussiert: die Beurteilung von Schuldfähigkeit und die Lügendetektion.

Bei dem Diskurs um die Verwendung von fMRT-Daten vor Gericht handelt es sich um eine globale Diskussion. Der 2009 in den USA verhandelte Fall von Brian Dugan (verurteilter Mörder und Vergewaltiger) gilt als weltweit erster Fall, in dem fMRT-Datenmaterial im Zeug*innenstand auf Ansuchen der Verteidigung erlaubt wurde ([13], 2010; [30], 2018). Der Verteidiger Dugans erhoffte sich von einer Einführung von fMRT-Beweismaterial, dass dieses eine Diagnose Dugans als Psychopath, womit eine eingeschränkte r Empathiefähigkeit, Reue und Kontrolle sowie eine schlechte Entscheidungsfindung in Verbindung gebracht werden, stützen könnte ([13], 2010; [30] et al., 2018; [46], 2015). Das Zeigen der fMRT-Scans selbst vor Gericht wurde allerdings nicht gestattet, da die Staatsanwaltschaft argumentierte, »the bright colours and statistical parameters of which are chosen by the researchers (...) might bias the jury« ([13], 2010). Obwohl unklar bleibt, wieviel Überzeugungskraft die präsentierten fMRT-Befunde für die Jury hatten ([13], 2010), wird Dugans Fall als »landmark intersection between law and neuroscience« bezeichnet ([46], 2015). Infolge dieser Verhandlung erwarteten Expert*innen einen Anstieg der Zahl von Fällen, bei denen fMRT-Daten vor Gericht verwendet werden ([4], 2012; [46], 2015). Das Ziel der Verwendung von fMRT-Daten seitens der Verteidiger*innen scheint hier häufig zu sein, die individuelle Vorwerfbarkeit der Tat als Voraussetzung für einen strafrechtlichen Vorwurf aufgrund einer verminderten Schuldfähigkeit infolge neurophysiologischer Anomalien als nicht gegeben darzustellen ([1], 2015; [13], 2010). Im deutschen Strafrecht kann laut § 20 StGB eine »Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung [Hervorhebung im Original, H.K./C.B.]« vorliegen, aufgrund derer es der*m Angeklagten nicht möglich sei, »das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln«. Um das Vorliegen einer »seelischen Störung« beurteilen zu können, wird das Gericht dazu angehalten, Wissenschaftler*innen als Sachverständige zur Beratung heranzuziehen und deren Beiträge zu interpretieren ([26], 2010). Die Methoden und Erkenntnisse der Neurowissenschaften können hier ansetzen, indem sie die psychiatrische Diagnose anhand gängiger Diagnosemanuale wie dem ICD-10 zwar nicht ersetzen, aber einen Beitrag zur Begründung der gestellten Diagnose leisten können ([16], 2010; [26], 2010). Allerdings ist bei der Interpretation der Aktivierungsmuster im Gehirn Vorsicht geboten, da sie konstant sein müssen, um juristisch verwendet werden zu können. Dies kann problematisch sein, da die Funktionszustände und Aktivierungsmuster des Gehirns intraindividuell variieren ([26], 2010). [9] (2014) fassen zusammen, dass eine kausale Schlussfolgerung von einem biologischen Risiko für kriminelles Verhalten in den meisten Gerichtsprozessen niemals möglich sein werde. Dennoch wird den mittels fMRT generierten Bildern in der Literatur ohne Rücksichtnahme auf sachliche Gründe eine gewisse Überzeugungskraft zugeschrieben, da sie in der öffentlichen Meinung als Möglichkeit, Gedanken zu lesen, verhandelt werden und als direkte Einblicke in arbeitende menschliche Gehirne gedeutet werden könnten. ([1], 2015; [24] et al., 2007; [32], 2013). Diese Wirkung haben fMRT-Scans [8] (2014) zufolge sowohl auf Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Fachgebiete als auch auf Medienberichterstatter*innen und Lai*innen. Dementsprechend gibt es laut [25] (2014) zwar die Sorge, Richter*innen könnten dazu geneigt sein, Bildern des Gehirns unverhältnismäßig viel Gewicht in ihren Entscheidungen zu geben, diese sei aber unbegründet (siehe auch [46], 2015).

Die juristische Debatte, welche durch neuere neurowissenschaftliche Erkenntnisse unter anderem mittels fMRT angestoßen wurde, ging in Deutschland darüber hinaus noch in eine andere Richtung. Auf Grundlage neurowissenschaftlicher Studien stellten sich Expert*innen die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der geistigen Reifeentwicklung sowie der Entwicklung internaler Selbstkontrolle und der neurologischen Reifung des Gehirns ([6], 2014). Darauf aufbauend wurde thematisiert, inwiefern diese Prozesse mit der Alters-Kriminalitäts-Kurve – und insbesondere der geringeren Häufigkeit kriminalisierter Delikte bei zunehmendem Erwachsenenalter – korrespondieren ([6], 2014). Neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse zeigten, dass sich das Gehirn während der Adoleszenz weiterhin umstrukturiert und sich insbesondere im Bereich der höheren kognitiven Prozesse zur Emotionssteuerung sowie Verhaltensorganisation und -planung mindestens bis zum 25. Lebensjahr in starkem Ausmaß weiterentwickelt ([6], 2014). Diese Erkenntnis legt nahe, dass die Entwicklung der für Entscheidungsfindungen relevanten Bereiche des menschlichen Gehirns nicht mit Vollendung des 18. Lebensjahres abgeschlossen ist und dass junge Menschen bis zum 25. Lebensjahr unabhängig individueller Reifeprozesse andere Entscheidungsstrukturen sowie eine andere Verantwortungsreife aufweisen als ältere Erwachsene. Hieraus ließe sich zumindest die Frage nach der Erweiterung der Anwendung jugendstrafrechtlicher Sanktionen ableiten.

Neben der Suche nach neurophysiologischen Indikatoren für die Festlegung des Alters, ab welchem das Strafrecht und nicht mehr das Jugendstrafrecht anzuwenden ist (§ 1 Abs. 2 JGG), wurde auch die Forschung nach biologischen Indikatoren für das Lügen durch das Aufkommen der fMRT verstärkt ([15], 2010). Dabei wird davon ausgegangen, dass es die BOLD-Kontraste zwischen zwei Bedingungen (dem Sagen einer den Forscher*innen bekannten Wahrheit und dem Lügen) in Studien ermöglichen, die Hirnregionen zu identifizieren, deren Aktivierung signifikant mit dem Lügen korreliert ([1], 2015; [15] et al., 2010; [32], 2013). Bei dieser Korrelation ist allerdings unklar, ob das Signal aufgrund der gestellten Frage, aufgrund der Antwort auf diese Frage oder aufgrund des Nachdenkens über die Fragestellung auftritt ([1], 2015). Darüber hinaus wurden in Studien dieser Art Aktivierungen in verschiedenen Regionen des Gehirns gefunden. Dies könnte zum einen daran liegen, dass eine Hirnregion immer mehrere Funktionen innehat, woraus folgt, dass unterschiedliche Funktionen dieselbe Hirnregion aktivieren können; zum anderen handelt es sich beim Lügen um einen vielschichtigen Prozess, der verschiedene kognitive Leistungen erfordert und dadurch unterschiedliche Hirnregionen aktivieren kann ([1], 2015; [15] et al., 2010; [32], 2013). Ein weiterer Grund könnte es sein, dass die jeweiligen Forschungsgruppen unterschiedliche experimentelle Bedingungen gewählt und sich verschiedener Auswertungsmethoden bedient haben ([15] et al., 2010).

Dennoch werden einige Regionen, wie der präfrontale Kortex, häufiger thematisiert als andere. Dahinter steht die Annahme, dass das Lügen verglichen mit dem Sagen der Wahrheit einen größeren kognitiven Aufwand bedeute, was bislang allerdings weder bestätigt noch widerlegt werden konnte. Hinzu kommt, dass der kausale Rückschluss, ein Mensch täusche immer, wenn sein präfrontaler Kortex aktiviert ist, nicht möglich ist ([15] et al., 2010; [32], 2013). Im Rahmen von klinischen Studien ist eine solche Schlussfolgerung nicht notwendig, da die Wahrheit bereits bekannt ist (exemplarisch Spence, Farrow, Herford, Wilkinson, Zheng, & Woodruff, 2001). Bei der Verwendung von fMRT vor Gericht werden aber gerade kausale Rückschlüsse vom Aktivierungsmuster des Gehirns auf den Wahrheitsgehalt der Aussage angestrebt ([32], 2013; [40], 2008). Es stellt sich also die Frage, ob die fMRT überhaupt reliable und valide Aussagen in diesem Zusammenhang treffen kann, wenn keine eindeutigen Aktivierungsmuster mit dem Lügen in einen Kausalzusammenhang gesetzt werden können. Darüber hinaus gilt bezüglich der Studien, die als Grundlage für die fMRT-Lügendetektion dienen, zu beachten, dass die Untersuchungen unter kontrollierten Laborbedingungen durchgeführt wurden. Eine Übertragbarkeit auf andere Kontexte ist fraglich, da situative Bedingungen eine Rolle für das Verhalten spielen; kontrollierte Experimente weisen das »emotional weight of real-life situations where the ability to deceive may literally be life or death« nicht auf ([1], 2015). Hinzu kommt, dass wissenschaftliche Studien zu Lügendetektion häufig Gruppenmittelwerte nutzen, um Aussagen zu neuronalen Aktivierungsmustern zu treffen. Anhand dessen sind stichhaltige Schlussfolgerungen für den Einzelfall, wie sie in Gerichtsprozessen gefordert wären, allerdings kaum möglich ([24] et al., 2007; [46], 2015). Eine weitere Limitation der fMRT als Lügendetektor liegt in der Art und Weise der Datengenerierung begründet. Wie bereits dargestellt, ist es bei einer fMRT-Messung notwendig, Messwiederholungen durchzuführen und Mittelwerte zu berechnen. Aufgrund dessen ist es nicht möglich, die neurologische Aktivierung auf eine bestimmte Frage zurückzuführen ([1], 2015). Hieran anknüpfend stellt sich erneut die Frage des Mehrwerts, die fMRT vor Gericht einzusetzen, wenn sie keine eindeutigen Belege dafür liefern kann, bei welchen Aussagen es sich um Lügen handelt ([32], 2013). [24] et al. (2007) schlussfolgern vor dem Hintergrund all dieser Argumente: »[B]rain imaging is unlikely to be universally admissible in court until it is shown to be valid, reliable, and relevant«.

Es wird deutlich, dass die durch fMRT gewonnenen Kenntnisse derzeit noch keineswegs ausreichend sind, um sie direkt und als validen Wissensstand zum Beispiel in die strafrechtliche Praxis zu implementieren, zumal Neurowissenschaftler*innen den aktuellen Erkenntnisstand als Grundlagenforschung einordnen (Jurjako, Malatesti & Barazil, 2020). Um einen Einblick in die Entwicklung und derzeitigen Möglichkeiten von fMRT-Studien zu geben, werden im folgenden Abschnitt fünf exemplarische Studien vorgestellt und hinsichtlich ihrer Chancen und Grenzen diskutiert.

5 Anwendungsbeispiele von fMRT in der neurokriminologischen Forschung

Wie bereits einleitend erwähnt und in der Einordnung der rechtlichen Nutzungsmöglichkeiten von fMRT-Daten in der Praxis herausgearbeitet, dient die fMRT in neurokriminologischen Studien unter anderem dem Erkenntnisgewinn zum Zusammenhang zwischen Hirnfunktionalität und abweichenden Verhaltensformen. Die folgenden Studien wurden ausgewählt, da sie einerseits einen Überblick über den Zeitraum der Verwendung von fMRT in der Neurokriminologie ermöglichen und sich andererseits mit unterschiedlichen Formen abweichenden beziehungsweise delinquenten Verhaltens beschäftigen. Der Fokus liegt auf methodischen Erwägungen.

5.1 Studie 1: Dreßing, Obergriesser, Tost, Kaumeier, Ruf und Braus (2001)

Die Autor*innen führten eigenen Angaben zufolge 2001 die erste fMRT-Studie mit einem homosexuell pädophilen Mann durch. Zum Zeitpunkt der Untersuchung, bei der zwei heterosexuelle, nicht-pädophile Männer als Kontrollpersonen fungierten, befand sich der 33-jährige homosexuell pädophile Mann wegen fünffachen sexuellen Missbrauchs an Kindern in einer psychiatrischen Fachklinik. Während der Messung bekamen die Versuchspersonen randomisiert Bilder aus drei Gruppen präsentiert: Bilder erwachsener junger Frauen in Badekleidung oder Unterwäsche, Bilder von Jungen im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren in Badekleidung oder Unterwäsche sowie Bilder gleicher farblicher Intensität und Komplexität, jedoch ohne Darstellung von Gegenständen oder Personen. Die fMRT-Messung ergab, dass der homosexuell pädophile Mann bei der Präsentation der Jungen-Bilder verglichen mit der Kontrollgruppe eine signifikant stärkere Aktivierung in visuellen Kortexarealen aufwies. Dreßing et al. führten dies auf Aufmerksamkeitseffekte zurück, da auch im von ihnen definierten Aufmerksamkeitsnetzwerk (Hirnstamm, Basalganglien, Cingulum und präfrontaler Kortex) bei der homosexuell pädophilen Person eine signifikante Aktivierung bei der Präsentation von Jungen-Bildern gefunden werden konnte, welche die Kontrollpersonen nicht aufwiesen. Es wurde geschlussfolgert, dass der homosexuell pädophile Mann eine präfrontale Funktionsstörung aufweise.

Auffällig ist in dieser Studie zunächst die Stichprobengröße. Auch Dreßing et al. betonten, dass die Befunde »mit Zurückhaltung interpretiert werden« müssten, da es sich lediglich um einen betrachteten Fall handelt. Aufgrund des neuartigen Untersuchungsparadigmas sei die Untersuchung jedoch als Chance der Erkenntniserweiterung gegenüber psychiatrischen und psychologischen Diagnostiken einzustufen. Die Studie verfolgt zu diesem Zeitpunkt demnach nicht das Ziel, Verhalten anhand einer funktionalen Hirnauffälligkeit vorhersagen zu können, sondern vielmehr eine Erweiterung der Erklärung eines sozial unerwünschten und kriminellen Verhaltens. Neben sozialen und psychologischen Merkmalsausprägungen, die eine bestimmte Verhaltensausprägung begünstigen, können mit Hilfe derartiger Untersuchungsparadigmen ganzheitlichere Zusammenhänge erkannt werden. Die Kombination von Erkenntnissen verschiedener Datenerhebungstechniken (z. B. fMRT, psychologische Skalen und soziales Umfeld) wurde innerhalb dieser Studie jedoch noch nicht vorgenommen.

5.2 Studie 2: Mathiak und Weber (2006)

Die Autoren legten den Fokus in ihrer Studie darauf, die mit Gewalt korrespondierende Gehirnaktivität mittels fMRT während des Spielens eines »first-person shooter video game« zu beobachten. Zu diesem Zweck rekrutierten sie 13 männliche spielerfahrene Freiwillige zwischen 18 und 26 Jahren und zeichneten jeweils zwölf Minuten ihrer Spielaktivität (Bild und Ton des Spiels sowie die Gehirnaktivität) auf. Bezüglich der Hirnaktivierung fokussierten sich die Forscher auf limbische Strukturen (anteriorer zingulärer Kortex und Amygdala). Während des Spiels wurde zwischen Situationen mit gewaltbeinhaltender Interaktion und Situationen mit gewaltloser Interaktion unterschieden, wobei versuchspersonenübergreifende Unterschiede zwischen der Gehirnaktivität bei gewaltsamen und gewaltlosen Situationen festgestellt wurden: In Gewalt-Situationen waren die für Affekte verantwortlichen Hirnregionen nicht aktiv, wobei gleichzeitig ein BOLD-Signalanstieg in den Hirnarealen beobachtet werden konnte, die für kognitive Operationen verantwortlich gemacht werden. Dies spreche für eine Unterdrückung der affektiven Verarbeitung gegebener Reize in gewaltbeinhaltenden Situationen.

Allerdings, so auch die Autoren, ist die Aussagekraft dieser Ergebnisse begrenzt, da unklar sei, ob dieselben Aktivierungsmuster auch bei Interaktionen abseits der virtuellen Realität des Computerspiels in Zusammenhang mit gewalttätigem Verhalten auftreten würden. Um dies belegen zu können, hätten sie entweder Gewalttäter*innen als Versuchspersonen rekrutieren oder von dem künstlichen Setting in reale gewaltvolle Szenarien wechseln müssen. Letzteres wäre ethisch allerdings sehr bedenklich. Um die Ergebnisse besser einordnen zu können, wäre bei der gegebenen Auswahl der Versuchspersonen zumindest eine Vergleichsgruppe aus gewalterfahrenen Personen notwendig gewesen. Ohne diese Vergleichsgruppe ist eine Aussage darüber, ob die gefundenen Hirnaktivitäten besonders stark oder schwach ausgeprägt waren, nicht möglich. Auch fehlen Kontrollvariablen, wie zum Beispiel die individuelle Gewaltdisposition, um die Befunde besser interpretieren zu können. Dennoch wird deutlich, dass in dieser Studie der Versuch unternommen wurde, möglichst realitätsnahe Szenarien, die gewalttätiges Verhalten provozieren, zu kreieren, um entsprechende Hirnaktivitäten in konkreten Trigger-Situationen messen zu können.

5.3 Studie 3: Krämer, Riba, Richter und Münte (2011)

Diese Studie beschäftigte sich mit der Rolle des Neurotransmitters Serotonin bei reaktiver Aggression. Zum Zweck der Untersuchung wurden 30 männliche Freiwillige mit einem Durchschnittsalter von 24,8 Jahren rekrutiert. 15 Teilnehmer erhielten vor der fMRT-Messung einen Aminosäuredrink mit und die anderen 15 Probanden ohne Tryptophan. Vor dem Trinken des Aminosäuredrinks und unmittelbar vor der fMRT-Messung wurde mithilfe eines Fragebogens für jeden Probanden ein Factor of Aggression bestimmt. Während des fMRT-Scans spielten die Teilnehmer ein Reaktionsspiel nacheinander gegen zwei (fiktive) Gegner*innen. Der*die jeweilige Sieger*in durfte den*die Verlierer*in mittels eines thermalen Stimulus via Knopfdruck bestrafen, wobei eine*r der beiden Gegner*innen aggressiver spielte. Anschließend wurden die Probanden in vier Gruppen eingeteilt, zunächst in diejenigen mit und ohne Tryptophan und innerhalb dieser Gruppen noch einmal anhand der Höhe ihres Factor of Aggression. Die weniger aggressiven Probanden ohne Tryptophan unterließen eine aggressive Rache der*dem aggressiven Gegner*in gegenüber, wogegen die Gruppe weniger aggressiver Teilnehmer mit Tryptophan-Verabreichung aggressiv reagierte. Die Autor*innen berechneten mithilfe einer Varianzanalyse für die Gruppe ohne Tryptophan-Verabreichung eine signifikante Korrelation zwischen der Persönlichkeit und dem Effekt der Provokation. Es wurden zwar unterschiedliche Aktivierungsmuster je nach Provokation der*s Gegner*in gefunden, jedoch blieben die Effekte bezüglich des Serotoninspiegels klein, weswegen unklar ist, wie die Aktivität der untersuchten neuronalen Netzwerke von Serotonin beeinflusst wurde.

In dieser Studie lassen sich deutliche Erweiterungen gegenüber den ersten beiden berichteten Untersuchungen feststellen. Zwar ist die Stichprobengröße weiterhin diskutabel, aber in diesem Fall wurde der Versuch unternommen, das Aggressionspotential der Personen in der Versuchsgruppe zu manipulieren. Auf diese Weise lassen sich Erkenntnisse auf mehreren Ebenen gewinnen: Einerseits kann mit Hilfe des fMRT-Scans in dieser Studie verbildlicht werden, welchen Einfluss Tryptophan in vergleichbaren Situationen auf die Hirnaktivität haben könnte. Andererseits könnten diese Erkenntnisse durch die konkrete Manipulation der Serotoninproduktion dazu genutzt werden, präventive Maßnahmen zur Regelung des Serotoninspiegels zu entwickeln.

5.4 Studie 4: Bueso-Izquierdo, Verdejo-Román, Contreras-Rodríguez, Carmona-Perera, Pérez-Garc...

Im Rahmen dieser Studie wurden die Gehirne von wegen intimer Partnerschaftsgewalt gegen Frauen verurteilten Männern untersucht, die sich zum Zeitpunkt der Untersuchung in einem Centro de Inserción Social (einer Rehabilitationseinrichtung für erstmalig Verurteilte mit niedrigem Strafmaß) befanden. Die Stichprobe dieser Studie bestand aus 21 Männern, die wegen intimer Partnerschaftsgewalt verurteilt waren (Gruppe eins) und 20 wegen anderer Gewaltdelikte Verurteilten (Gruppe zwei). Ziel war es, die Hirnfunktionalität der beiden Gruppen zu vergleichen. Während der fMRT-Untersuchung wurden den Probanden Bilder von intimer Partnerschaftsgewalt gegen Frauen, Bilder anderer Gewaltverbrechen sowohl gegen Menschen (allerdings keine Frauen) als auch gegen Tiere sowie neutrale Bilder (beispielsweise das eines Stuhls) präsentiert. Um die emotionale Verhaltensreaktion zu erfassen, wurden die Teilnehmer im Anschluss gebeten, die präsentierten Bilder auf drei Skalen zu bewerten: Fröhlichkeit, Erregung und Dominanz. Insgesamt konnte herausgefunden werden, dass die erste Gruppe andere Gehirnaktivitäten aufwies als die zweite, sowohl beim Betrachten von Bildern mit intimer Partnerschaftsgewalt gegen Frauen als auch von anderen Gewaltdarstellungen im Vergleich zu neutralen Bildern: Gruppe eins wies eine höhere Aktivierung im anterioren und posterioren zingulären Kortex beim Betrachten von Bildern mit intimer Partnerschaftsgewalt im Vergleich zu neutralen Bildern auf. Bei Bildern mit anderen Gewaltdarstellungen konnten höhere Aktivierungen im mittleren präfrontalen Kortex festgestellt werden, ebenso wie eine verminderte Aktivierung des superioren präfrontalen Kortex bei allen Bildern mit Gewaltdarstellungen. Obwohl auf einer funktionellen Ebene Unterschiede zwischen den beiden hier definierten Gruppen festgestellt werden konnten, gab es keine hinreichenden Unterschiede bezüglich der Bewertung der emotionalen Verhaltensreaktion auf die unterschiedlichen präsentierten Stimuli.

Durch das Untersuchungsdesign wurden zwei wegen unterschiedlicher Gewaltformen vorbelastete Gruppen miteinander verglichen. Gegenüber den bislang berichteten Studien ist die Kombination aus Erkenntnissen durch fMRT-Scans und selbst-berichteten Bewertungen als Weiterentwicklung zu nennen. Die Ergebnisse zeigen, dass gefundene Unterschiede der Hirnaktivitäten nicht zwingend zu unterschiedlichen Messungen auf anderer Ebene führen. Somit würde die Interpretation nur einer Erkenntnisquelle zu einem anderen Ergebnis führen als die gewählte Kombination des Untersuchungsdesigns.

5.5 Studie 5: Meldrum, Trucco, Cope, Zucker und Heitzeg (2018)

Hierbei handelt es sich um eine der ersten Studien, welche den Zusammenhang zwischen Gehirnaktivität, niedriger Selbstkontrolle und Delinquenz in der Adoleszenz aus kriminologischer Perspektive beleuchtete. Die Forscher*innen zogen dafür eine Stichprobe von 85 Personen aus der Michigan Longitudinal Study. Die Proband*innen waren vornehmlich weiß (69,4 %) und männlich (65,9 %). Aufgrund der Stichprobenkonstruktion konnten die Daten von 85 Teilnehmer*innen für die Frage nach dem Zusammenhang zwischen niedriger Selbstkontrolle und Gehirnaktivität und von 43 dieser 85 Proband*innen für die Frage danach, wie die Gehirnaktivität, Delinquenz und eine niedrige Selbstkontrolle zusammenhängen, verwendet werden. Den Proband*innen wurden während der fMRT-Untersuchung Buchstaben präsentiert und sie sollten bei jedem Buchstaben außer dem X einen Knopf drücken. Es zeigte sich, dass eine größere Aktivierung des anterioren zingulären Kortex während der fMRT-Messung negativ mit einer von den Eltern berichteten niedrigen Selbstkontrolle zusammenhing. Eine während der frühen Adoleszenz festgestellte niedrige Selbstkontrolle hing wiederum positiv mit der drei Jahre später gemessenen Delinquenz zusammen. Damit konnte ein signifikanter indirekter Effekt der Aktivierung im anterioren zingulären Kortex auf die spätere Delinquenz festgestellt werden, wobei eine niedrige Selbstkontrolle als Mediatorvariable fungiert.

Diese Studie zeigt noch deutlicher als die zuvor berichtete Studie auf, welche Möglichkeiten aus einer Kombination neurologischer, soziologischer und psychologischer Erhebungsmethoden im Längsschnitt entstehen. Es lassen sich durch die Triangulation direkte und indirekte beziehungsweise Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen sozialen, psychologischen und neurologischen Eigenschaften untersuchen.

5.6 Zusammenfassende Diskussion der Befunde

Wie deutlich geworden ist, weisen die fünf vorgestellten Studien einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich ihrer Vorgehensweise auf. Ihre Vergleichbarkeit wird durch die Wahl der fMRT als Messmethode und die Grundannahme, dass die gemessene Hirnaktivität mit dem jeweils betrachteten Verhalten zusammenhängt, ermöglicht, auch wenn unterschiedliche Verhaltensweisen im Fokus standen.

Eine Gemeinsamkeit der betrachteten Studien ist ihre im Vergleich zu quantitativen Befragungen mit tausenden Teilnehmenden kleine Anzahl an Proband*innen. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass neurobiologische Daten weniger leicht zu erheben sind als soziale, psychologische oder verhaltensbezogene Daten. Hinzu kommt, dass bildgebende Verfahren wie die fMRT sehr aufwändig bezüglich des Personals und der (finanziellen) Mittel sind ([9], 2014; [47], 2004). Durch die kleine Stichprobengröße können allerdings die Aussagekraft und die Generalisierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt sein ([1], 2015; [2] et al., 2016; [5] et al., 2001; [23] et al., 2018).

Doch nicht nur die Größe der Stichproben kann problematisiert werden, sondern auch ihre Zusammensetzung. Bei homogenen Stichproben ist nicht bekannt, ob die gefundenen Ergebnisse sich auf andere Populationen übertragen lassen ([1], 2015; [24] et al., 2007). Alle Stichproben der betrachteten Studien waren zumindest männlich dominiert, wobei die Studien von Dreßing et al., Mathiak und Weber, Krämer et al. und Bueso-Izquierdo et al. eine rein männliche Stichprobe untersuchten. Obwohl Meldrum et al. im direkten Vergleich mit den anderen vier Studien die heterogenste Stichprobe zogen, sprachen die Forscher*innen von einer homogenen Stichprobe bezüglich des Geschlechts (männlich) und der Hautfarbe (weiß) und wiesen darauf hin, dass künftige Studien das Geschlecht sowie »race differences« in ihrem Einfluss auf den dargestellten Zusammenhang berücksichtigen sollten ([23] et al., 2018). Bei rein männlichen oder männlich dominierten Stichproben ist generell fraglich, ob sich die Studienergebnisse auf alle Geschlechter verallgemeinern lassen. [23] et al. (2018) weisen zudem darauf hin, dass die meisten fMRT-Messungen zu delinquentem Verhalten an erwachsenen Populationen durchgeführt werden, was die Verallgemeinerbarkeit auf andere Altersgruppen beeinträchtigen könnte; ihre Studie stellt vor diesem Hintergrund gewissermaßen eine Ausnahme dar. [2] et al. (2016) zweifelten die Repräsentativität ihrer Stichprobe auch aus einem anderen Grund an: Da alle von ihnen untersuchten Personen zum Zeitpunkt der Studie in einem Centro de Inserción Social untergebracht waren, könne davon ausgegangen werden, dass es sich um erstmals Verurteilte mit einem geringen Strafmaß handelte. Die Möglichkeit einer Verallgemeinerbarkeit beispielsweise auf Mehrfachtäter*innen benötige einer weiteren Untersuchung.

Neben dieser Gemeinsamkeit einer homogenen Zusammensetzung weisen die Stichproben auch Unterschiede auf. Die Proband*innen waren zum Zeitpunkt der fMRT-Messung unterschiedlich untergebracht: Sowohl die von Bueso-Izquierdo et al. untersuchten Personen als auch die von Dreßing et al. fokussierte homosexuell pädophile Versuchsperson lebten in juristisch relevanten Einrichtungen, wobei unklar ist, wie lange die Taten zurücklagen, wegen derer die Männer verurteilt waren. Aufgrund der vorliegenden Neuroplastizität kann davon ausgegangen werden, dass die Zeit zwischen der Tat und der fMRT-Messung einen Einfluss auf die Gehirnfunktionalität der untersuchten Personen hatte; das Gehirn zum Zeitpunkt der Tat und das Gehirn zum Zeitpunkt der Untersuchung müssen also nicht zwangsläufig dasselbe sein ([46], 2015). Dies wird allerdings in keiner der Studien mitberücksichtigt, wobei sich die Frage stellt, welchen Mehrwert eine Berücksichtigung dieses Umstands hätte, da unbekannt ist, wie genau sich das Gehirn mit der Zeit verändert ([10], 2017; [28], 2010). Die beiden Studien von Dreßing et al. und Bueso-Izquierdo et al. sind darüber hinaus auch die einzigen, die explizit mit verurteilten Straftäter*innen arbeiten, wobei Bueso-Izquierdo et al. anders als Dreßing et al. auch für die Kontrollgruppe nur Straftäter auswählten. Bei Meldrum et al. wurden straffällige Personen partiell berücksichtigt, zum einen, da zum Teil Kinder von Vätern, die wegen Alkoholkonsum am Steuer verurteilt wurden, untersucht wurden, zum anderen, weil die Delinquenzdaten von 43 der Studienteilnehmer*innen mit erhoben wurden.

Auch bezüglich des methodischen Vorgehens lässt sich ein Vergleich anstellen. Dreßing et al., Mathiak und Weber sowie Meldrum et al. stellten bereits vor ihrer Untersuchung Hypothesen darüber auf, welche Hirnstrukturen an dem von ihnen fokussierten Verhalten beteiligt sein könnten und untersuchten nur diese. Bei der Generierung dieser Hypothesen stützen die Forscher*innen sich auf den bisherigen Forschungsstand. Durch diese Einschränkung auf bestimmte Hirnareale ergibt sich allerdings das Problem, dass lediglich lokale, aber keine globalen Maxima der Gehirnaktivierung detektiert werden können ([22], 2006). Dies kann einen Verlust von Informationen zur Folge haben.

Darüber hinaus fällt auf, dass alle Studien sich der Methode des task-based fMRT bedienten, um die Hirnregionen zu identifizieren, die bei der Präsentation des jeweils gewählten Stimulus beziehungsweise beim Bearbeiten der gestellten Aufgabe aktiviert sind ([35] et al., 2017). Allerdings lassen sich auch hier Unterschiede feststellen: Während Dreßing et al. und Bueso-Izquierdo et al. den Probanden einen Stimulus in Bildform präsentierten, entschieden sich Mathiak und Weber, Krämer et al. und Meldrum et al. dazu, die Versuchspersonen während des fMRT-Scans eine Aufgabe absolvieren zu lassen. Bei Krämer et al. und Meldrum et al. handelte es sich dabei um eine Form von Reaktionsaufgabe, während Mathiak und Weber ihre Versuchspersonen während des Spielens eines Videospiels untersuchten. Diese unterschiedlichen Formen der task-based fMRT stellen Möglichkeiten der Operationalisierung davon dar, wie sich bestimmte Stimuli oder Situationen auf die Gehirnaktivität auswirken. Mithilfe dieser Operationalisierungen versuchen Forscher*innen dem Umstand beizukommen, dass die Messung von Gehirnaktivität zwar in vivo, aber nicht in realen Situationen, wie beispielsweise während einer strafrechtlich relevanten Tat, möglich sind.

6 Chancen und Grenzen von fMRT in der (Neuro-)Kriminologie

Ausgehend von den bisherigen Diskussionen sowohl auf inhaltlicher als auch auf empirischer Ebene lassen sich Chancen und Grenzen der möglichen Verwendung von fMRT in (neuro-)kriminologischen Zusammenhängen ableiten. Abseits der diskutierten Probleme der Anonymisierbarkeit von fMRT-Daten und den Auswirkungen neurowissenschaftlicher Ergebnisse auf das Konzept der Willensfreiheit sowie hinsichtlich der Übertragbarkeit von Studienergebnissen auf andere als die untersuchten Populationen lässt sich bezüglich der Verwendung von fMRT in der Neurokriminologie insgesamt ein Erkenntnisgewinn konstatieren. Es kann festgehalten werden, dass die fMRT ein tiefergehendes Verständnis der neurobiologischen Grundlagen bestimmter Verhaltensweisen und des Zusammenhangs zwischen individuellem Verhalten und der Hirnfunktionalität ermöglicht. Letztlich kann durch das Verständnis solcher Wirkungszusammenhänge auch das resultierende Verhalten besser verstanden werden ([9], 2014; [10], 2017; [24] et al., 2007; [32], 2013; [46], 2015). Bei den implizierten Zusammenhängen handelt es sich jedoch zumeist nicht um Kausalaussagen, sondern um statistisch nachweisbare Korrelationen. Aus diesen korrelativen Beziehungen lassen sich hirnfunktionelle Risikofaktoren als einer von vielen Einflüssen auf delinquentes Verhalten herausarbeiten ([2] et al., 2016; [10], 2017; [21], 2009). Wie sich insbesondere im obigen Beispiel der Studie 4 zeigte, kann das alleinige Betrachten von fMRT-Daten allerdings – ebenso wie die alleinige Interpretation anderer Informationsquellen – zu einer anderen Risikoeinschätzung führen als in Kombination mit weiteren Informationen. Das bedeutet, dass Aussagen zur Funktionalität des Gehirns in Kombination mit ergänzenden sozialen und psychologischen Kenntnissen über eine Person dabei hilfreich sein können, Individuen mit einem erhöhten Risiko zu delinquentem Verhalten zu identifizieren ([9], 2014). Generell muss bei der Interpretation von fMRT-Ergebnissen allerdings beachtet werden, dass die gefundenen Aktivierungsmuster unterschiedliche Gründe haben können. Die Zuordnung einer Person zu einer bestimmten Risikogruppe anhand neuronaler Merkmale erlaubt daher keine automatisierten Rückschlüsse auf ihre Gefährlichkeit, kann aber in der Gesamtbetrachtung hilfreich sein und eventuell eine fundiertere Einschätzung des Gefahrenpotentials einer Person erleichtern ([42], 2010). Es gilt stets auch soziale und umweltbedingte Faktoren einzubeziehen, da diese wiederum beeinflussen, wie sich das Gehirn entwickelt.

Ein tiefergehendes zusätzliches Verständnis zum Ausmaß der biologischen Bedingtheit delinquenten Verhaltens kann darüber hinaus zu einer verlässlicheren Vorhersage betreffender Verhaltensweisen in der Zukunft beitragen ([30] et al., 2018). »Die aktuelle Datenlage erlaubt [zwar] noch keine regelhafte direkte Anwendung der Ergebnisse (neuro-)biologischer Forschung in Präventions- und Behandlungsprogrammen, aber biologische Marker werden zur prognostischen Einschätzung der Gefährlichkeit schon heute berücksichtigt« ([42], 2010). Dies kann damit begründet werden, dass die Kenntnis der neurobiologischen Grundlagen delinquenten Verhaltens einen wertvollen Beitrag zur Erweiterung von Prognosekriterien leisten kann, auch wenn methodisch bedingt keine Kausalaussagen möglich sind ([9], 2014; [42], 2010).

Darüber hinaus ermöglicht ein besseres Verständnis neuronaler Korrelate bestimmter Verhaltensweisen es, neue therapeutische und diagnostische Ansätze zu formulieren, aus denen sich individuell abgestimmte Behandlungspläne ableiten lassen ([26], 2010), wovon sowohl die Pharmakologie als auch die Psychotherapie profitieren können ([46], 2015). Insbesondere die Annahme, dass menschliches Verhalten sich aufgrund der Neuroplastizität auch bis ins hohe Alter verändert, hat die Debatte sowie auch therapeutische Anstrengungen in diesem Bereich weitergebracht ([42], 2010; [43], 2007). Wenn dementsprechend bestimmte Funktionsauffälligkeiten in der neuronalen Aktivität als bedeutsam für die Entstehung devianten Verhaltens angesehen werden können, dann besteht aufgrund der Neuroplastizität auch die Möglichkeit, diese Aktivität (beispielsweise mit repetitiver transkranieller Magnetstimulation) und damit auch das Verhalten zu beeinflussen ([26], 2010). Im Anschluss an eine Therapie kann mithilfe von fMRT unter Umständen nachgewiesen werden, inwiefern die Behandlung angeschlagen und welche Effekte sie provoziert hat ([42], 2010).

Abseits der praktischen Ebene können die fMRT-Studienergebnisse für eine Erweiterung bestehender neurokriminologischer ätiologischer Theorien zu delinquentem Verhalten genutzt werden. Mithilfe der fMRT wird eine Integration neurobiologischer Modelle in solche Theorien gefördert, was wiederum ein umfangreicheres Verständnis der Ursachen delinquenten Verhaltens ermöglicht ([23] et al., 2018). Es gilt diesbezüglich auch abseits funktioneller Daten Studienergebnisse neurokriminologischer Untersuchungen in die Theorien einzubeziehen, da zum korrelativen Verhältnis zwischen Hirnaktivität und Verhalten hinzukommt, dass die Funktionsweisen bestimmter Hirnregionen von anderen biologischen Faktoren (wie beispielsweise der Sättigung mit bestimmten Hormonen oder Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin oder Testosteron) abhängig sind. Die individuelle Genetik sowie Faktoren des psycho-sozialen Hintergrunds dürfen ebenfalls nicht vernachlässigt werden ([30] et al., 2018).

Neben diesen Stärken wirft die fMRT in ihrer neurokriminologischen Verwendung allerdings auch einige Problematiken auf. Dabei können zwei miteinander in Zusammenhang stehende Schwerpunkte gesetzt werden: Zunächst werden methodische Limitationen der fMRT-Messung beleuchtet, um anschließend auf methodische Schwierigkeiten bezüglich der neurokriminologischen Verwendung von fMRT einzugehen. Zum Abschluss werden ethische Bedenken thematisiert.

Die fMRT als Verfahren birgt wie alle physikalischen Messverfahren einige Fehlerquellen. Neben den Artefakten, welche durch die Vorverarbeitung der fMRT-Daten weitgehend eliminiert werden können, gehört auch eine Veränderung der Atmung der Versuchsperson zu den Einflüssen, welche auf das BOLD-Signal einwirken und somit die Ergebnisse verfälschen können. Darüber hinaus kann das Desoxyhämoglobin im venösen System des Gehirns (vor allem bei hohen Feldstärken) die Empfindlichkeit des Magnetfelds beeinflussen; Venen können zu einer Veränderung des BOLD-Signals von 5-10 % führen ([35] et al., 2017). Außerdem können bei einer task-based fMRT die Aufgabenstellung sowie eine minimale Änderung der Aufgabenausführung die Qualität und Verwertbarkeit der fMRT-Ergebnisse beeinträchtigen ([35] et al., 2017).

Doch nicht nur der Zustand der untersuchten Person im MRT-Scanner kann die Ergebnisse der Untersuchung beeinflussen, sondern auch bereits vor der Messung vorhandene Eigenschaften. Daher gibt es bestimmte Kriterien, aufgrund derer Versuchspersonen aus fMRT-Studien ausgeschlossen werden. Dazu zählen unter anderem Krankheiten wie Parkinson, da es Erkrankten ohne die Einnahme von Medikamenten oftmals nicht oder kaum möglich ist, still zu halten, aber auch Klaustrophobie oder medizinische Implantate führen zum Ausschluss. Aufgrund dieser Ausschlusskriterien ist eine Verallgemeinerbarkeit der fMRT-Ergebnisse auf alle Gruppen der Bevölkerung eingeschränkt ([32], 2013; [35] et al., 2017). Auch der Vergleich zwischen Einzelpersonen ist nur bedingt möglich, da die Größe von Blutgefäßen interindividuell variieren kann. Größere Blutgefäße führen zu mehr Blutzirkulation als kleinere und somit zu einem stärkeren BOLD-Signal. Dies kann beim Vergleich zwischen zwei Einzelpersonen zu der Missinterpretationen führen, dass eine Hirnregion bei einer Person stärker aktiviert ist als bei einer anderen, der Effekt aber eigentlich (zumindest zum Teil) auf die unterschiedliche Größe der Blutgefäße zurückgeführt werden kann ([1], 2015). Zusätzlich gilt zu beachten, dass die Intensität des BOLD-Signals mit steigendem Alter abnimmt, da es zu einer geringeren Erweiterung der Blutgefäße infolge neuronaler Aktivierungen kommt ([35] et al., 2017). Vor diesem Hintergrund ist beim Stichprobendesign zu beachten, dass alle Proband*innen etwa im gleichen Alter sind. Eine Änderung des BOLD-Signals ist darüber hinaus aufgrund bestimmter Medikationen oder wegen der Einnahme von Koffein, Tabak oder Alkohol möglich. Auch Einflüsse wie Schlafentzug können das BOLD-Signal verändern ([35] et al., 2017). Es ist wichtig, solche Parameter vor der fMRT-Messung abzufragen, um mögliche Effekte beachten zu können.

Wie deutlich geworden ist, kann das BOLD-Signal von vielen, nicht immer vollständig kontrollierbaren Störfaktoren beeinflusst werden. Für viele dieser Einflüsse stehen jedoch Möglichkeiten der Korrektur zu Verfügung. »Data processing provides an opportunity to optimize the sensitivity and specificity of fMRI, especially in the context of patient-specific and task-related disruptions to BOLD signal changes« ([35] et al., 2017). Allerdings gilt es auch hier zu beachten, dass die Datenverarbeitung und -auswertung nicht immer fehlerlos sind. Die Auswertungsmethode der fMRT mittels eines statistischen Auswertungsalgorithmus wird gemeinhin als objektiv wahrgenommen, was bei näherer Betrachtung allerdings nicht der Fall ist, da Algorithmen immer eine bestimmte Subjektivität in Form von Bias, welche die Annahmen der Programmierer*innen reproduzieren, eingeschrieben ist. Auch abseits der Algorithmen ist die Auswertung von fMRT-Daten nicht objektiv, sondern beinhaltet eine Reihe von meist konsensuellen Entscheidungen des Forschungsteams ([32], 2013). Eine mögliche Überlegung wäre es, angelehnt an Strategien qualitativer Sozialforschung, die Subjektivität des Auswertungsprozesses zu reflektieren und in der Ergebnispräsentation offen zu legen.

Neben der Subjektivität ist es allerdings auch wichtig, die technischen Einschränkungen bei der Interpretation von fMRT-Daten zu beachten ([35] et al., 2017). Zu diesen zählt auch eines der mathematischen Grundmodelle der fMRT-Datenverarbeitung, das ALM. Dieses stützt sich auf hypothesengesteuerte statistische Tests, um aufgabenbezogene Aktivierung zu erfassen. Es kann allerdings sein, dass die fMRT-Daten nicht mit den statistischen Grundannahmen des Modells übereinstimmen, was eine Verzerrung der Ergebnisse zur Folge haben kann, welche sich wiederum unter anderem auf die Varianz der Daten und die Teststatistik auswirken kann. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sich nicht nur die bildgebenden Verfahren, sondern auch die der Datenanalyse zugrunde liegenden statistischen Methoden verbessern müssen ([9], 2014).

Auch bezüglich der Ergebnisse von fMRT-Messungen lassen sich einige Schwierigkeiten herausarbeiten. Zunächst ist zu beachten, dass die Identifikation der beteiligten Hirnregionen nicht unmittelbar möglich ist, da die meisten psychologischen und Verhaltensprozesse nicht in einer einzigen Hirnregion zu lokalisieren sind ([1], 2015). Zudem ist eine Differenzierung zwischen Tat und Vorstellung nicht immer eindeutig möglich, da beides weitreichende und überlappende Funktionssysteme aktiviert ([26], 2010; [42], 2010). Problematisch ist zudem, dass es bei einer task-based fMRT nicht möglich ist, zwischen den essentiell an dem beobachteten Prozess beteiligten und den lediglich daran teilnehmenden Hirnarealen zu unterscheiden ([35] et al., 2017). Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass Erlebenszustände sich bei verschiedenen Personen in unterschiedlichen Aktivierungsmustern abbilden können. Dies impliziert, dass es – selbst wenn Auffälligkeiten oder Veränderungen in Aktivierungsmustern nachweisbar sind – einer gesonderten Prüfung ihrer Auswirkungen auf Erleben und Verhalten bedarf ([42], 2010). Neben dieser interindividuellen Varianz von Aktivierungsmustern gibt es auch eine intraindividuelle Varianz, weswegen nicht automatisch davon ausgegangen werden kann, dass ein festgestelltes Aktivierungsmuster bei einer Wiederholungsmessung erneut vorliegt ([24] et al., 2007; [26], 2010). In Bezug auf die Aktivierungsmuster gilt weiterhin zu beachten, dass eine geringe neuronale Aktivität nicht zwangsläufig mit einer schlechteren kognitiven Fähigkeit verbunden sein muss. Sowohl kompensatorische Effekte als auch neurologische Effizienz können für geringe neuronale Aktivität verantwortlich sein ([10] 2017). Auch ein inhibitorischer Input könnte einen Anstieg im zerebralen Blutfluss und damit eine höhere Konzentration von Oxyhämoglobin in einem Hirnareal hervorrufen. »Thus a region with increased fMRI signal may actually indicate decreased brain activity« ([1], 2015). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass eine weitere Erforschung der Umstände, unter denen ein erhöhtes fMRT-Signal in einem Hirnbereich eine höhere oder eine niedriger Gehirnaktivität impliziert, erforderlich ist ([1], 2015).

Bezüglich der Interpretation von fMRT-Bildern ist weiterhin zu berücksichtigen, dass diese zwar den Anschein erwecken, die Gehirnaktivität einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt widerzuspiegeln, dies allerdings durch die computergestützte statistische Datenverarbeitung nicht der Fall ist. Während dieses Prozesses kommt es zu einer Reihe von Manipulationen, welche sich aus Annahmen und Interpretationen speisen und darauf zielen, die Bildqualität zu verbessern ([1], 2015; [10], 2017; [32], 2013). Daher muss beachtet werden, dass die durch fMRT generierten Aufnahmen keine Fotografien des Gehirns sind, auch da »[t]he signal measured is a characteristic of blood rather than brain tissue« ([1], 2015). [1] (2015) zufolge ist noch nicht ausreichend Wissen über die Verbindung zwischen Blutoxygenierung, Gehirnaktivität und Verhalten vorhanden, als dass kausale Schlussfolgerungen möglich wären, zumal physiologische, umweltbedingte und evolutionäre Faktoren in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle spielen. Darüber hinaus bleibe die Wirkungsrichtung des Zusammenhangs zwischen Verhalten und Auffälligkeiten in der Gehirnaktivierung unklar: »Whether the observed behavior stems from brain abnormalities or whether behavioral abnormalities affect the structure and function of the brain is still unknown« ([1], 2015).

Abgesehen von diesen methodischen Problematiken der Messung an sich, ergeben sich aus der neurokriminologischen Verwendung der fMRT als Methode weitere Schwierigkeiten. Eines der Probleme in diesem Zusammenhang ist, dass neurokriminologische Untersuchungen zu delinquentem Verhalten häufig einen bestimmten Teil dieses Spektrums fokussieren, welcher sich aus impulsivem und aggressivem Verhalten, Sexualdelinquenz und Psychopathie konstituiert. Innerhalb dieses untersuchten Bereichs sind die betrachteten Verhaltensweisen je nach Studie unterschiedlich definiert, was daran liegen könnte, dass kriminologische Kategorien nicht unmittelbar in neurowissenschaftliche Konzepte übersetzt werden können ([10], 2017; [11], 2014). Dieser Fokus führt dazu, dass es vergleichsweise wenig Wissen über die hirnfunktionellen Grundlagen von »regulatory crimes« gibt ([9], 2014). Daraus folgt außerdem, dass die Ergebnisse neurokriminologischer Studien nicht auf die gesamte Population generalisierbar sind ([32], 2013). Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass die Einordnung bestimmter Verbrechen in eindeutige Kategorien schwerfällt, da jeder behandelte Fall spezifische Charakteristiken aufweist, welche eine überschneidungsfreie Zuordnung in manchen Fällen sogar unmöglich macht ([2] et al., 2016).

Doch selbst wenn kriminologische Inhalte angemessen in neurowissenschaftliche Kategorien übersetzt werden könn(t)en, sind keine kausalen Schlussfolgerungen zwischen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen der fMRT und kriminologisch relevanten Verhaltensweisen möglich: Die fMRT zeigt lediglich, dass bestimmte Eigenschaften mit den funktionellen Charakteristika spezieller Hirnregionen korrelieren. Außerdem kann es sein, dass das Ergebnis einer bildgebenden Untersuchung nicht speziell zu der betrachteten Störung, beispielsweise der Psychopathie, in Verbindung steht, sondern die Konsequenz einer anderen Bedingung ist, welche mit Psychopathie verbunden ist ([32], 2013; [46], 2015). Auch [15] et al. (2010) machen darauf aufmerksam, dass die Möglichkeit korrelative, aber keine kausalen Aussagen zu treffen, eine zentrale Limitation der fMRT ist, wobei sie gleichzeitig auf die Gefahr einer kausalen Interpretation in der Öffentlichkeit aufmerksam machen. Die Fehlerquote, welche nicht nur korrelativen Aussagen, sondern der statistischen Datenanalyse allgemein inhärent ist, bildet das Risiko einer falschen Schlussfolgerung ab. Der α-Fehler ist dabei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Effekt in der Stichprobe erkannt wird, obwohl dieses Ergebnis in der Grundgesamtheit nicht vorliegt ([46], 2015). In rein theoretischen Kontexten ist er meist zu vernachlässigen, kann allerdings zu enormen Konsequenzen im Bereich einer neurokriminologischen Anwendung der fMRT führen: Ein hypothetisches Szenario, in dem fMRT-Ergebnisse als ein Kriterium in Prozessen zur Todesstrafe angewendet werden, kann vor Augen führen, welche weitreichenden Konsequenzen eine falsche Zuordnung der Personen haben könnte, da jede Person, die falsch zugeordnet wird, fälschlicherweise freigesprochen oder verurteilt würde. Auch solche vermeintlich drastischen Beispiele sind bezüglich der nachfolgend thematisierten ethischen Einordnungen mitzuberücksichtigen.

Hinzu kommt die Tatsache, dass Gehirne und Aktivierungsmuster neuroplastisch sind und sich daher im Laufe des Lebens verändern. Dies ist besonders im Falle der Untersuchung verurteilter Straftäter*innen von Bedeutung: Das Gehirn muss zum Zeitpunkt des fMRT-Scans nicht zwangsläufig dasselbe sein wie zu dem Zeitpunkt, an dem eine Tat begangen wurde. Es bleibt wie erwähnt unklar, welche hirnfunktionellen Veränderungen sich in der Zeit zwischen der Tat und der Messung ergeben haben. Zudem ist unwahrscheinlich, dass der Zustand des Gehirns sowie auch der psychologische Zustand zum Zeitpunkt eines Verbrechens während eines fMRT-Scans repliziert werden können. Im thematisierten Fall Dugans lagen beispielsweise 26 Jahre zwischen der vor Gericht verwendeten Messung und der Tat, für die er angeklagt war ([13], 2010). [13] (2010) schlussfolgert daher: »It was impossible to know what was going on in Dugan's brain while he was committing the act, and it was perhaps not surprising that his brain would look like a murderer's after committing murder«.

Neben all diesen Problemen lassen sich wie bereits angedeutet auch ethische Bedenken aus einer neurokriminologischen Anwendung der fMRT ableiten. Ethische Problematiken speisen sich vor allem aus zwei Konzepten: dem »biological hard determinism« und der »naturalistic fallacy« ([7], 2009). Der »biological hard determinism« geht davon aus, dass das menschliche Verhalten nur von der Biologie beherrscht werde und nicht von der Umwelt. Mit dem Begriff der »naturalistic fallacy« ist der Glaube gemeint, dass automatisch mit der biologischen Ursache eines bestimmten Verhaltens auch eine moralische Rechtfertigung vorliege. Obwohl Evolutionspsycholog*innen betonen, dass sie weder die eine noch die andere Sichtweise befürworten, sind diese Konzepte in der öffentlichen Meinung weiterhin verbreitet ([7], 2007). Dies birgt die Gefahr präventiver Eingriffe, wenn bestimmte Hirnareale für Verhaltensweisen verantwortlich gemacht werden. Ein solches Szenario wird beispielsweise von [29] (2015) im Schlusskapitel seines Werks Als Mörder geboren in einem Gedankenexperiment durchgespielt. [11] (2014) beschreibt in diesem Zusammenhang den ähnlichen, allerdings nicht-fiktiven Fall einer Patientin aus den USA, die wiederholt durch aggressives Verhalten auffiel. Da die Amygdala als an der Steuerung und Kontrolle von Emotionen beteiligt, wenn nicht gar für diese verantwortlich, angesehen wird, entschieden die behandelnden Ärzt*innen der Patientin sich dazu, die Amygdala chirurgisch zu entfernen. Infolgedessen wurde zwar das gewünschte Behandlungsergebnis erzielt und die Patientin war nicht länger aggressiv ([11], 2014), jedoch gab es für dieses Ergebnis keine Garantie, da mittels bildgebender Verfahren wie der fMRT keine Kausalzusammenhänge gezogen werden können. Darüber hinaus schließen sich Bedenken wegen einer möglichen Verletzung bürgerlicher Freiheiten an, insbesondere im Falle falsch-positiver Ergebnisse. Aus diesem Grund ist es fraglich, ob solche präventiven Eingriffe zur Regel werden sollten ([9], 2014; [11], 2014).

Gerade mit Hinblick auf die genannten problematischen Aspekte einer neurokriminologischen Anwendung der fMRT sollte nicht vergessen werden, dass die Neurokriminologie keinen alleinigen Erklärungsanspruch für delinquentes Verhalten erhebt und in ihrer Aussagekraft begrenzt ist ([10], 2017; [30] et al., 2018). So betonten auch [5] et al. (2001) in ihrer Studie, dass ihre fMRT-Untersuchung lediglich dabei helfen sollte, die biologische Ebene einer »bio-psycho-sozialen Störung« wie Pädophilie besser zu verstehen. Diese und andere Verhaltensweisen werden stets aus einem komplexen und individuellen Zusammenspiel von genetischen, biologischen, sozialen und psychologischen Faktoren sowie deren Interaktion beeinflusst. Die fMRT ist vor diesem Hintergrund eine von vielen Verfahrenstechniken, die relevant für das Verständnis der vielfältigen Einflüsse auf delinquentes Verhalten ist ([24] et al., 2007). Denn »[o]ptimal understanding will require cooperation among many disciplines such as economics, sociology, psychology, evolutionary biology, cellular physiology, and neuroscience« ([24] et al., 2007).

7 Fazit und Ausblick auf künftige Forschungsfelder zur Anwendung von fMRT in der (Neuro-)Krim...

Wie eingangs beschrieben, war es das Ziel des vorliegenden Artikels, die Chancen und Grenzen einer neurokriminologischen Verwendung der fMRT herauszuarbeiten. Eine Beschäftigung mit fMRT in der Neurokriminologie ist vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass die fMRT ein nicht-invasives Verfahren darstellt, was unter anderem Langzeitstudien ermöglicht. Solche Studien haben in einem kriminologischen Kontext vielseitige Einsatzmöglichkeiten, wie zum Beispiel das Nachvollziehen von Therapieerfolgen oder die Untersuchung des Einflusses bestimmter Formen der Unterbringung auf die Hirnfunktionalität. Auch wenn die in der Neurokriminologie durchgeführten Studien häufig mit einer kleinen Fallzahl arbeiten und dies (vor allem bei einer homogenen Zusammensetzung der Stichprobe) die Verallgemeinerbarkeit einschränkt, können die Forschungsprojekte ein tiefergehendes Verständnis der Grundlagen der untersuchten delinquenten Verhaltensweisen ermöglichen. Insbesondere in der EU gilt im Umgang mit den fMRT-generierten Daten zu beachten, dass sie als personenbezogene (Gesundheits-)Daten unter die DSGVO fallen und anonymisiert werden müssen. Dies ist mit fMRT-Daten in neurokriminologischen Kontexten allerdings nahezu unmöglich, wenn es nicht zu einem enormen Informationsverlust hinsichtlich der Details des betrachteten Verhaltens kommen soll. Auch der juristische Umgang mit den erzeugten Daten etwa in Gerichtsprozessen erfordert einige Aufmerksamkeit, einerseits, da es bereits Bestrebungen gibt, die fMRT in Form von Lügendetektoren in Gerichtssälen zu verankern, andererseits weil neurokriminologische Untersuchungen die Debatte um die Existenz des freien Willens und die Festlegung der Grenze des Jugendstrafrechts neu angestoßen haben. Da die fMRT jedoch nicht in der Lage ist, die im juristischen Kontext geforderten Kausalzusammenhänge zu identifizieren und es nicht möglich ist, zwischen essentiell beteiligten und mit-aktivierten Hirnregionen zu unterscheiden, sind der juristischen Verwendung der fMRT klare Grenzen gesetzt. Dies ist auch damit zu begründen, dass die Übertragbarkeit der in neurokriminologischen Studien mittels der Analyse von Gruppenunterschieden gefundenen Aktivierungsmuster auf Einzelpersonen eingeschränkt ist, da jeder Mensch individuelle Hirnfunktionalitäten aufweist und das Gehirn sich aufgrund der Neuroplastizität stets verändert. Gerade in diesem Zusammenhang ist aufgrund der Verbreitung von Konzepten wie dem »biological hard determinism« und der »naturalistic fallacy« in der öffentlichen Meinung entgegen Expert*innendarstellungen Vorsicht geboten. Durch solche Konzepte besteht die Gefahr einer Überinterpretation der gefundenen Aktivierungsmuster.

Wenn die durch fMRT gewonnen Erkenntnisse demnach (bislang zumindest) nicht direkt im Strafprozess genutzt werden können, welche Vorteile kann sich die Kriminologie dennoch durch ihre Erkenntnisse zu Nutze machen?

Kaum ein*e Forscher*in vertritt den Standpunkt, dass durch neurobiologische Erkenntnisse Verhalten zu 100 Prozent erklärt werden kann. Dennoch zeigen unter anderem die in diesem Artikel vorgestellten Befunde interessante Zusammenhänge mit bisherigen Erkenntnissen anderer Disziplinen. Zukünftige Forschung sollte sich daher weiterhin darauf konzentrieren, die Grundlagenkenntnisse zu Hirnstruktur und -funktionalität zu vertiefen und das Zusammenspiel zwischen Neurotransmittern, Hormonen und der Hirnfunktionalität besser zu verstehen (vgl. [44] 2022). In einem ersten Schritt müssen zwischen neurobiologischen Merkmalen und dem interessierenden Verhalten vermutete Zusammenhänge identifiziert werden. Hier bieten sich Kontrollgruppendesigns an, wobei die Gruppen sich hinsichtlich des interessierenden Merkmals unterscheiden sollten. Diese Identifikation kann sowohl in wissenschaftlichen Studien wie aber auch innerhalb der klinischen Diagnose an Einzelfällen stattfinden. Darüber hinaus ermöglicht die Identifikation von Personen mit bestimmten neurobiologischen Merkmalen Langzeituntersuchungen, welche für die Vorhersage zukünftigen Verhaltens eine entscheidende Rolle spielen. Darauffolgend ist die Entwicklung von therapeutischen Ansätzen möglich. Diese können pharmakologisch, zum Beispiel durch die Blockung der Produktion ausgewählter Botenstoffe, umgesetzt werden, aber auch durch die Stimulation spezifischer Hirnregionen, deren Funktion als wichtig für die Ausübung oder aber auch Unterdrückung bestimmter Verhaltensweisen angesehen wird. Diese Möglichkeiten sind weiterhin in den Neurowissenschaften verankert, weisen aber eine starke kriminologische Relevanz auf.

Darüber hinaus ist es wichtig, interdisziplinäre Forschungsansätze zu entwickeln: Nur wenn Erkenntnisse über das Zusammenspiel der neurobiologischen Disposition, psychologischer und sozialer Merkmale vorhanden sind, kann der Einfluss der Disposition sowie deren Wirkungszusammenhänge im Vergleich zu anderen Einflussfaktoren überhaupt erst beschrieben und quantifiziert werden. Der Vergleich der Stärke von direkten und indirekten Einflussfaktoren auf Verhalten ermöglicht wiederum die gezielte Entwicklung von präventiven Ansätzen, unabhängig davon, ob diese auf der klinischen oder sozialen Ebene anzuordnen sind.

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Wird ein Hochfrequenzimpuls abgegeben, werden die Protonen aus ihrer Gleichgewichtslage gerissen und geben, wenn sie sich wieder wie vor dem Impuls ausrichten, ein Signal ab, welches der MRT-Scanner detektieren kann. Die Scanner machen sich dabei die Zeitkonstante des exponentiellen Signalabfalls beim Abschalten des Hochfrequenzimpulses (T 2 *-Parameter) zunutze. Die T 2 *-Zeit verkürzt sich durch die paramagnetische Eigenschaft des Desoxyhämoglobins, wodurch das MR-Signal reduziert wird ([1] , 2015; [32] , 2013; [47] , 2004). Der Begriff Voxel ist eine Kombination aus volume und pixel und damit das dreidimensionale Pendant zu Pixeln ([1] , 2015; [41] , 2007). Problematisch ist allerdings, dass die Fehlerterme bei fMRT anders als vom ALM angenommen, nicht normalverteilt sind. Zudem gibt es Beecher-Monas und Garcia-Hill zufolge keinen Grund zu der Annahme, dass die Durchblutung des Gehirns angesichts einer Vielzahl von Veränderungen hinsichtlich beispielsweise der Erregbarkeit der Untersuchungssubjekte linear sei ([1] , 2015; [45] , 2007). Hierbei ergibt sich allerdings das Problem der multiplen Vergleiche: Jedes Voxel wird einzeln auf Signifikanz geprüft. Würde bei der fMRT-Messung das ganze Gehirn untersucht, kommt es bei ca. 28.000 Voxeln im Gehirn dementsprechend zu 28.000 Signifikanzprüfungen. Bei einer Fehlerwahrscheinlichkeit von α = 0,05 führt dies zu einer falsch-positiven Antwort bei 1.400 Voxeln, wobei unklar ist, um welche Voxel es sich handelt ([45] , 2007). Neben diesem konfirmatorischen Verfahren ist auch eine explorative Datenanalyse möglich, mithilfe derer Strukturen, Abhängigkeiten und Beziehungen im Datensatz herausgearbeitet werden können ([45] , 2007). Lediglich bei der Studie von Dreßing et al. (siehe Kapitel 5.1) könnte die Normalisierung der Problematik einer personalen Zuordnung der fMRT-Bilder keine Abhilfe schaffen, da die Forscher*innen sich lediglich mit einer homosexuell pädophilen Versuchsperson befassten. Freiheit des Willens liegt dann vor, wenn eine Person die Urheberin einer zwangsfrei getroffenen Entscheidung ist und die getroffene Auswahl allein von ihr abhängt ([19] , 1999; [20] , 2005; [27] , 2017). Dabei gehen Menschen davon aus, dass nicht nur sie selbst, sondern auch andere frei sind. Auf dieser Annahme basieren Einstellungen, Bewertungen und Handlungen bezüglich menschlicher Verantwortlichkeit (»Nur wer frei ist, kann verantwortlich für sein Handeln sein« ([27] , 2017).) und der Möglichkeit von Schuldzuweisungen ([24] et al., 2007; [28] , 2010; [36] , 2008; [43] , 2007). 1983 zeichneten Libet, Gleason, Wright und Pearl die Gehirnwellen und die Muskelaktivität von sechs Collegestudierenden auf ([18] et al., 1983; [43] , 2007). Die Forscher*innen konnten zeigen, dass bereits vor der willkürlichen Handbewegung ein Bereitschaftspotential im Gehirn auftrat ([18] et al., 1983; [19] , 1999; [20] , 2005). Libet et al. zufolge ist aus diesen Ergebnissen allerdings nicht zu schlussfolgern, dass der bewusste Wille keine Rolle in Handlungsprozessen spiele: In dem zwischen der bewussten Handlungsabsicht und der motorischen Bewegung liegenden Intervall sei ausreichend Zeit für den bewussten Willen, das Endergebnis des spontanen Handlungsprozesses etwa durch ein Veto zu beeinflussen ([16] , 2010; [18] et al., 1983; [19] , 1999). Das bedeutet zwar, dass der freie Wille nicht der Initiator eines spontanen und freien Handlungsprozesses ist, jedoch liegen bis heute keine Beweise dafür vor, dass es dem Menschen nicht möglich ist, sich gegen eine vonseiten des Gehirns vorbereitete Handlung zu entscheiden ([20] , 2005; [27] , 2017). Es gilt jedoch zu beachten, dass alle in diesem Kontext angestellten Überlegungen hypothetischer Natur sind, da bislang keine neurophysiologischen Korrelate eines freien Willens gefunden wurden und demzufolge weder ein neurophysiologischer Beweis für noch gegen die Willensfreiheit vorliegt ([27] , 2017). Es kann zwischen reaktiver und instrumenteller Aggression unterschieden werden: Reaktive Aggression wird als impulsive, wuterfüllte Antwort charakterisiert, die unmittelbar auf eine Provokation folgt, wohingegen instrumentelle Aggression zielgerichtet ist ([46] , 2015). Tryptophan wird mithilfe zweier Enzyme in Serotonin überführt. Eine verringerte Zufuhr von Tryptophan führt daher zu einer Senkung der zerebralen Serotonin-Sättigung ([17] et al., 2011). Ein niedriger Serotonin-Spiegel gilt als »the best replicated correlate of human aggressive behaviour« ([9] , 2014). Die vorgestellte Studie unterstützt damit nicht die Ergebnisse vorheriger Forschung, welche eine inverse Beziehung zwischen dem Serotoninspiegel und Aggression nahelegen ([17] et al., 2011). Die Autor*innen definieren intime Partnerschaftsgewalt unter Rückgriff auf die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als ein gewalttätiges Verhalten in einer intimen Beziehung, wobei dieses Verhalten physische Aggressionen, sexualisierte Gewalt, psychologischen Missbrauch und kontrollierendes Verhalten entweder gegenüber gegenwärtigen oder ehemaligen (Ehe-)Partner*innen beinhalten kann ([2] et al., 2016). Die Michigan Longitudinal Study ist eine mehrwellige Studie, welche sich mit der Entwicklung von Substanzmissbrauch beschäftigt. Die Studie umfasst Stichproben zweier »Communities«: Die erste Stichprobe ist ein »high-risk sample« bestehend aus Familien mit einem alkoholabhängigen Vater, der wegen Alkohols am Steuer verurteilt wurde, einem Kind und dessen biologischer Mutter, deren Alkoholabhängigkeitsstatus variieren kann. Die zweite Stichprobe ist ein kontrastiertes Sample und besteht sowohl aus »low-risk families« (Eltern ohne Alkoholmissbrauch) als auch aus »moderate-risk families«, bei denen die Väter Alkoholiker sind, aber nicht wegen damit zusammenhängender Verhaltensweisen verurteilt wurden. Die Kinder dieser Familien stellten die Stichprobe für die vorgestellte Studie von [23] et al. (2018) dar. Die Stichprobe bezüglich der zweiten Fragestellung war kleiner, da lediglich für 43 der 85 Proband*innen Delinquenzdaten vorlagen ([23] et al., 2018). Es gibt allerdings Möglichkeiten, dieser Problematik beizukommen, etwa indem die Atmungs- und Herzfrequenz parallel zur fMRT-Untersuchung aufgezeichnet und anschließend mit dem BOLD-Signal abgeglichen werden ([35] et al., 2017). Ein Alternativmodell würde hier die Independent Component Analyse darstellen ([35] et al., 2017). Werden andere Verfahren wie die transkranielle Magnetstimulation hinzugezogen, ist es allerdings möglich zu prüfen, ob die durch fMRT als aktiv ermittelten Regionen auch kausal an Verhaltensprozessen beteiligt sind ([15] et al., 2010).

By Hannah Kröll B. A. and Christina Beckord

Reported by Author; Author

Titel:
Chancen und Grenzen der Verwendung von fMRT in der neurokriminologischen Forschung.
Autor/in / Beteiligte Person: Kröll B. A., Hannah ; Beckord, Christina
Link:
Zeitschrift: Monatsschrift fuer Kriminologie und Strafrechtsreform, Jg. 105 (2022-07-01), Heft 3, S. 203-221
Veröffentlichung: 2022
Medientyp: academicJournal
ISSN: 0026-9301 (print)
DOI: 10.1515/mks-2022-0009
Schlagwort:
  • FUNCTIONAL magnetic resonance imaging
  • MAGNETICS
  • Subjects: FUNCTIONAL magnetic resonance imaging MAGNETICS
  • brain functionality
  • delinquency
  • Delinquenz
  • functional magnetic resonance imaging
  • funktionelle Magnetresonanztomographie
  • Hirnfunktion
  • neurocriminology
  • Neurokriminologie Language of Keywords: German
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Chances and Limits of Using fMRI in Neurocriminology.
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Author Affiliations: 1 = Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, Germany ; 2 = Fakultät für Soziologie, Methoden der empirischen Sozialforschung, Universität Bielefeld, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld, Germany
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