Zusammenfassung: Hintergrund: Die aktuelle COVID-19-Pandemie stellt, trotz der Verfügbarkeit von Schnelltests und des Starts der Impfkampagne, die Notaufnahme weiterhin vor große Herausforderungen. Die strukturierte Erfassung von demographischen, klinischen sowie therapiebezogenen Daten stellt die Grundlage für die Erstellung evidenzbasierter Prozesse und Behandlungskonzepte dar. Ziel der Arbeit: Darstellung der systematischen Erfassung klinischer Parameter bei Patienten mit COVID-19-Verdacht im Notaufnahmeregister ReCovER (Registry for COVID-19 in the Emergency Room) sowie deskriptive Darstellung der ersten 1000 Patienten. Material und Methoden: In zentralen Notaufnahmen (ZNA) von 6 Universitätskliniken werden kontinuierlich Daten von Patienten mit COVID-19-Verdacht, unabhängig vom Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion, in ein webbasiertes, anonymisiertes Register eingegeben. Ergebnisse: Zwischen dem 19.05.2020 und dem 13.01.2021 wurden 1000 Patienten in das Register eingegeben, hiervon waren 594 Patienten (59,4 %) in der SARS-CoV-2-positiven (PG) und 406 Patienten (40,6 %) in der negativen Gruppe (NG). Patienten der PG hatten signifikant weniger Vorerkrankungen und eine deutlich längere Latenz zwischen Symptombeginn und Vorstellung in der ZNA (Median 5 vs. 3 Tage), litten häufiger unter Husten, Myalgien, Fatigue sowie Geruchs/Geschmacksverlust und hatten einen signifikant höheren Sauerstoffbedarf als die NG-Patienten. Die Rate von schweren Krankheitsverläufen war in der PG signifikant erhöht und es bestanden nach Entlassung häufiger persistierende Symptome (11,1 vs. 4,6 %). Schlussfolgerungen: Durch die multizentrische Erfassung von umfangreichen klinischen Daten zu COVID-19-Verdachtsfällen in der Notaufnahme können insbesondere auch für die Situation in Deutschland spezifische Aspekte analysiert werden. Dies ist essenziell für eine gezielte Überprüfung und Adaption international publizierter Strategien.
Background: The current COVID-19 pandemic, despite the availability of rapid tests and the start of the vaccination campaign, continues to pose major challenges to emergency departments (ED). Structured collection of demographic, clinical, as well as treatment-related data provides the basis for establishing evidence-based processes and treatment concepts. Aim of the work: To present the systematic collection of clinical parameters in patients with suspected COVID-19 in the Registry for COVID-19 in the Emergency Room (ReCovER) and descriptive presentation of the first 1000 patients. Materials and methods: Data from patients with suspected COVID-19, regardless of evidence of SARS-CoV‑2 infection, are continuously entered into a web-based, anonymized registry in ED at six university hospitals. Results: Between 19 May 2020 and 13 January 2021, 1000 patients were entered into the registry, of whom 594 patients (59.4%) were in the SARS-CoV‑2 positive group (PG) and 406 patients (40.6%) were in the negative group (NG). Patients of the PG had significantly fewer pre-existing conditions and a significantly longer latency between symptom onset and presentation to the ED (median 5 vs. 3 days), were more likely to suffer from cough, myalgia, fatigue, and loss of smell/taste and had significantly higher oxygen requirements than NG patients. The rate of severe disease progression was significantly higher in the PG, and persistent symptoms were more common after discharge (11.1 vs. 4.6%). Conclusions: The multicenter collection of comprehensive clinical data on COVID-19 suspected cases in the ED allows analysis of aspects specific to the situation in Germany in particular. This is essential for a targeted review and adaptation of internationally published strategies.
Keywords: COVID-19; Notaufnahme; Registerstudie; Deutschland; SARS-CoV‑2; Emergency department; Registry; Germany
Die Autoren V Suárez und F C Koehler haben zu gleichen Teilen zum Manuskript beigetragen.
Seit Beginn des Jahrs 2020 besteht eine weltweite Pandemie durch das SARS-CoV-2-Virus [[
Das Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung des ReCovER-Registers (Aufbau, Protokoll) zur systematischen Erfassung klinischer Parameter bei Patienten mit COVID-19-Verdacht in der Notaufnahme sowie die Beschreibung der ersten 1000 Patienten.
ReCovER ist ein offenes, webbasiertes Register, das die anonymisierte, retrospektive Eingabe von Daten zu Patienten aus der Notaufnahme mit Verdacht auf COVID-19 ermöglicht. Nationale und EU-weite Anforderungen an den Datenschutz werden erfüllt. Auf Grundlage der Anonymisierung ist eine Aufklärung und Einwilligung der Patienten nicht notwendig [[
Graph: Abb. 1 Registry for COVID-19 in the Emergency Room: ReCovER. Datenbankstruktur, Items und Ziele des Registers. (Mit freundl. Genehmigung © Klinische Akut- und Notfallmedizin, Universitätsklinikum Köln. Alle Rechte vorbehalten)
Die Zustimmung der lokalen Ethikkommissionen (EK) wurde an allen Standorten eingeholt (federführende EK: Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Az.: 20-1198), und die Studie wird nach den Vorgaben der Deklaration von Helsinki und den Richtlinien über gute klinische Praxis (GCP) durchgeführt (International Conference on Harmonization). Die Studie ist unter clinicaltrials.gov registriert (Identifier: NCT04351854).
Aktuell erfassen 6 universitäre Notaufnahmen in Deutschland kontinuierlich Daten in ReCovER: Universitätsklinik Köln; Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte und Virchow; Universitätsklinikum Essen; Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel; Universitätsmedizin Göttingen und Universitätsklinikum Münster. Eingeschlossen werden alle Patienten mit einem positiven SARS-CoV-2-Nachweis im nasopharyngealen Abstrich (PCR), die sich mit mindestens einem COVID-19-verdächtigen Symptom vorstellten, diese Gruppe wird im Folgenden als Positivgruppe (PG) bezeichnet. Als COVID-19-verdächtige Symptome gelten entsprechend der Handreichungen des Robert Koch-Instituts (RKI): Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Myalgien, Fatigue, Geruchs- oder Geschmacksverlust, Diarrhöen, Übelkeit und Erbrechen. Patienten ohne diese Symptome werden – unabhängig vom Ergebnis einer SARS-CoV-2-Testung – nicht eingeschlossen. Um eine bessere Charakterisierung der Patienten in der PG zu ermöglichen, werden darüber hinaus Patienten mit negativem SARS-CoV-2-PCR-Test, aber mit mindestens einem COVID-19-verdächtigen Symptom als Referenzgruppe eingeschlossen, diese Gruppe wird im Folgenden als Negativgruppe (NG) bezeichnet. Bei der Auswahl dieser Patienten war ein „matching" im Sinne einer klassischen Fall-Kontroll-Strategie aufgrund der vor allem zu Beginn der Pandemie beobachteten geringen Notaufnahmefrequentierung nicht möglich. Um das Risiko eines Selektionsbias zu minimieren, wird zu jedem Patienten aus der PG derjenige SARS-CoV-2-negative, symptomatische Patient mit dem zeitlich am nächsten gelegenen Aufnahmezeitpunkt in die NG aufgenommen.
Die Dateneingabe erfolgt frühestens 14 Tage nach Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus, um eine Patientennachverfolgung in diesem Zeitraum zu ermöglichen – erneute Vorstellungen in der Notaufnahme, stationäre Aufnahmen, aber auch Informationen aus in der dieser Zeit dokumentierten telefonischen Kontakten oder ambulanten Vorstellungen können so ebenfalls erfasst werden.
Die deskriptive Statistik wurde mittels SPSS Software Version 26 (IBM Corp., Armonk, NY, USA) durchgeführt. Kategorische Variablen an Patientencharakteristika wurden mittels Frequenz und prozentualem Anteil zusammengefasst sowie mittels χ
Eingaben in ReCovER waren ab dem 19.05.2020 möglich. Die hier gezeigte Auswertung bezieht sich auf die ersten 1000 vollständig eingegeben Patienten, dieser Meilenstein wurde am 13.01.2021 erreicht. Ein Zentrum konnte nur Patienten aktiv beisteuern, die nach September 2020 vorstellig wurden, bei allen anderen Zentren wurden Patienten seit Beginn der Pandemie eingeschlossen. In der PG wurden 594 Patienten (59,4 %), in der NG 406 Patienten (40,6 %) eingegeben. Die unterschiedlichen Gruppengrößen ergeben sich aufgrund der lokal unterschiedlichen Eingabepraktiken. Die 594 Patienten in der PG stellen ca. 90 % aller bis zum 13.01.2021 behandelten und somit prinzipiell einschließbaren Patienten dar.
Die Altersverteilung zeigt in beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede, die meisten Patienten in beiden Gruppen waren zwischen 30 und 49 Jahren alt; auch die Verteilung der Geschlechter unterscheidet sich in beiden Gruppen nicht. Patienten der PG litten deutlich seltener an Vorerkrankungen im Vergleich zur NG (28,3 vs. 18,7 %, p = 0,001). Vor allem hämatoonkologische Vorerkrankungen (11,8 vs. 20,4 %, p < 0,001) sowie chronische Lungenerkrankungen (11,3 vs. 19 %, p = 0,001) waren seltener als in der NG (Tab. 1).
Tab. 1 Patientencharakteristika bei initialer Vorstellung in der Notaufnahme
SARS-CoV‑2 positiv (PG) SARS-CoV‑2 negativ (NG) < 18 6 (1,0) 4 (1,0) 1,000 18–29 72 (12,1) 54 (13,3) 0,581 30–49 167 (28,1) 97 (23,4) 0,137 50–64 147 (24,7) 93 (22,9) 0,503 65–74 82 (13,8) 64 (15,8) 0,389 75–89 104 (17,5) 84 (20,7) 0,217 ≥ 90 16 (2,7) 10 (2,5) 0,822 Männlich 339 (57,1) 225 (55,4) 0,604 Hämato-/onkologische Erkrankung 70 (11,8) 83 (20,4) HIV/AIDS 5 (0,8) 4 (1,0) 0,992 Organtransplantation 14 (2,4) 10 (2,5) 0,895 Chronische Herzerkrankung 231 (38,9) 176 (43,3) 0,159 Chronische Lebererkrankung 19 (3,2) 18 (4,4) 0,310 Chronische Lungenerkrankung 67 (11,3) 77 (19,0) Chronische Nierenerkrankung 62 (10,4) 50 (12,3) 0,355 Rheumatologische/Autoimmunerkrankung 31 (5,2) 21 (5,2) 0,974 Diabetes mellitus 108 (18,2) 62 (15,3) 0,238 Über- oder Untergewichtb 71 (12,0) 39 (9,6) 0,244 Keine Vorerkrankungen 168 (28,3) 76 (18,7)
AIDS „acquired immune deficiency syndrome", HIV „human immunodeficiency virus", NG Negativgruppe, PG Positivgruppe, RT-PCR „real-time polymerase chain reaction", SARS-CoV‑2 „severe acute respiratory coronavirus 2"
Die Verteilung auf die Dringlichkeitskategorien in den entsprechend der gesetzlichen Vorgaben in allen Zentren durchgeführten Triagesystemen (Tab. 2) zeigt ein klares Übergewicht bei den PG-Patienten in der Kategorie 4 (39,4 vs. 32 %, p = 0,017), während NG-Patienten vermehrt in die Kategorie 3 eingeteilt wurden (40,9 vs. 30 %, p < 0,001). Es sei angemerkt, dass ein Zentrum den Emergency Severity Index, alle anderen Zentren das Manchester Triage System benutzen, was gewisse Einschränkungen der Vergleichbarkeit mit sich bringt. COVID-19-Patienten wiesen im Durchschnitt eine deutlich längere Latenz zwischen Beginn der Symptome und Vorstellung in der Notaufnahme auf (5 vs. 3 Tage, p < 0,001).
Tab. 2 Triage, Zuweisung, Vitalzeichen und klinische Symptome bei initialer Vorstellung in der Notaufnahme
SARS-CoV‑2 positiv (PG) SARS-CoV‑2 negativ (NG) 532 384 – Kategorie 1 13 (2,2) 8 (2,0) 0,813 Kategorie 2 71 (12,0) 64 (15,8) 0,078 Kategorie 3 178 (30,0) 166 (40,9) Kategorie 4 234 (39,4) 130 (32,0) Kategorie 5 36 (6,1) 16 (3,9) 0,138 540 383 Herzfrequenz (/min) 89 (78–102) 92 (80–106) Systolischer Blutdruck (mm Hg) 130 (118–141) 134 (119–146) Diastolischer Blutdruck (mm Hg) 80 (71–89) 80 (70–90) 0,897 Temperatur (°C) 37,1 (36,5–38,0) 37,0 (36,5–38,0) 0,873 SO2 (%) 97 (95–99) 98 (95–99) 0,362 qSOFA ≥ 2, 31 (5,2) 13 (3,2) 0,127 Beschwerdebeginn vor Vorstellung, Tage (IQR) 5 (3–8) 3 (2–7) < 594 406 Fieber 330 (55,4) 215 (53,0) 0,442 Husten 313 (52,5) 179 (44,1) Tachykardie 149 (25,0) 142 (35,0) Geschmacksverlust 85 (14,3) 15 (3,7) Geruchsverlust 57 (9,6) 12 (3,0) Diarrhöen 36 (6,0) 29 (7,1) 0,495 Übelkeit/Erbrechen 39 (6,5) 17 (4,2) 0,108 Myalgien 116 (19,5) 49 (12,1) Fatigue 221 (37,1) 112 (27,6) Kopfschmerzen 97 (16,3) 54 (13,3) 0,189 Verwirrtheit 9 (1,5) 11 (2,7) 0185 Bewusstseinseinschränkung 9 (1,5) 12 (3,0) 0,119
Die bei der Triage angegebenen Kategorien geben die Klassifikation in die 5 erfassten Stufen des jeweiligen Systems (5-mal Manchester Triage System, einmal Emergency Severity Index) wider NG Negativgruppe, PG Positivgruppe, qSOFA „quick sepsis-related organ failure assessment", S
Patienten der PG hatten in der ZNA eine niedrigere Herzfrequenz (89 vs. 92/min, p = 0,019), einen niedrigeren systolischen Blutdruck (130 vs. 134 mm Hg, p = 0,013) sowie eine höhere Atemfrequenz (18 vs. 16/min, p = 0,018) als in der NG. Der Anteil der Patienten mit einem qSOFA-Score ≥ 2 unterschied sich zwischen den beiden Gruppen nicht (5,2 vs. 3,2 %, p = 0,127).
In der Analyse der klinischen Zeichen bei Vorstellung waren in der PG vor allem Husten, Myalgien, Fatigue sowie Geruchs- und Geschmacksverlust signifikant erhöht gegenüber der NG. Patienten der NG wiesen dagegen häufiger Tachykardien mit einer Herzfrequenz > 100/min auf (Tab. 2).
Die Analyse der Laborwerte zeigte bei PG-Patienten gegenüber den NG-Patienten erhöhte Werte für Laktatdehydrogenase (LDH), Ferritin, Aspartat-Aminotransferase (ASAT), Alanin-Aminotransferase (ALAT) und Hämoglobin (Hb). Gegenüber den NG-Patienten erniedrigt waren hingegen die Lymphozyten- und Thrombozytenzahlen, das C‑reaktive Protein (CRP) und das Prokalzitonin (PCT; Tab. 3).
Tab. 3 Laborergebnisse bei initialer Vorstellung in der Notaufnahme
SARS-CoV‑2 positiv (PG) SARS-CoV‑2 negativ (NG) 594 406 Leukozyten × 109/ml ( 6,1 (4,7–8,4) 9,0 (6,4–13,1) Lymphozyten × 109/ml ( 1,0 (0,7–1,5) 1,3 (0,8–2,0) Thrombozyten × 109/ml ( 191 (150–254) 232 (178–291) Hämoglobin (g/dl, 13,5 (12,3–14,6) 12,5 (11,1–14,4) C‑reaktives Protein (mg/dl, 7,4 (2,4–23,8) 8,0 (2,5–25,2) Prokalzitonin (µg/l, 0,10 (0,07–0,20) 0,15 (0,09–0,47) Laktatdehydrogenase (U/l, 291 (228–403) 249 (206–319) Ferritin (µg/l, 521 (148–1093) 190 (88–520) Alanin-Aminotransferase (U/l, 29 (19–45) 24 (17–41) Aspartat-Aminotransferase (U/l, 38 (28–58) 27 (21–43) Kreatinin (mg/dl, 0,95 (0,77–1,20) 0,94 (0,75–1,22) 0,864 Natrium (mmol/l, 138 (135–140) 138 (135–141) 0,375 Kalium (mmol/l, 4,0 (3,7–4,3) 4,0 (3,7–4,4) 0,162
IQR Interquartilsabstand, NG Negativgruppe, PG Positivgruppe
In der initialen CT-Bildgebung zeigten sich in der PG häufiger multiple und überwiegend peripher lokalisierte Läsionen. Auch Milchglasinfiltrate und das „Crazy-paving"-Muster konnte häufiger bei PG-Patienten nachgewiesen werden. Eine Lungenultraschalluntersuchung kam nur selten zur Anwendung (Tab. 4).
Tab. 4 Ergebnisse der Bildgebung bei initialer Vorstellung in der Notaufnahme
SARS-CoV‑2 positiv (PG) SARS-CoV‑2 negativ (NG) 200 (33,7) 137 (33,7) 0,981 Singuläres Infiltrat 2 (1,0) 8 (5,8) Multiple Infiltrate 95 (47,5) 35 (25,5) Periphere Infiltrate 99 (49,5) 33 (24,1) Zentrales Infiltrat 4 (2,0) 22 (16,1) Milchglasinfiltrate 153 (76,5) 47 (34,3) „Crazy paving" 45 (22,5) 5 (3,6) Pleuraerguss 13 (6,5) 25 (18,2) Lungenarterienembolie 4 (2,0) 0 0,149
CT Computertomographie, NG Negativgruppe, PG Positivgruppe
Patienten der PG erhielten in der Notaufnahme häufiger Sauerstoff, während sich die Rate an nichtinvasiven und invasiven Beatmungen in beiden Gruppen nicht unterschied. Außerdem erhielten PG-Patienten in der Notaufnahme seltener eine medikamentöse Therapie, insbesondere weniger Antibiotika, Virostatika und Kortison. Auch die Behandlung mit Antiobstruktiva, Antihypertensiva und Diuretika war bei PG-Patienten signifikant seltener zu beobachten (Tab. 5).
Tab. 5 Therapeutisches Management
SARS-CoV‑2 positiv (PG) SARS-CoV‑2 negativ (NG) 594 406 – Katecholamintherapie 3 (0,5) 5 (1,2) 0,281 Sauerstoffgabe 86 (14,5) 39 (9,6) High-flow-Sauerstoff (HFNC) 19 (3,2) 14 (3,4) 0,828 Nichtinvasive Beatmung (NIV) 4 (0,7) 4 (1,0) 0,722 Invasive Beatmung 6 (1,0) 2 (0,5) 0,484 Volumensubstitution 203 (34,2) 134 (33,0) 0,701 Pharmakotherapie 236 (39,7) 230 (56,7) Virostatika 3 (0,5) 18 (4,4) Antibiotika 70 (11,8) 126 (31,0) Glukokortikoide 9 (1,5) 17 (4,2) Antihypertensiva 6 (1,0) 11 (2,7) Pulmonale Antiobstruktiva 13 (2,2) 31 (7,6) Diuretika 2 (0,3) 18 (4,4) Antipyretika 44 (7,4) 23 (5,7) 0,279
HFNC „high flow nasal cannula", NG Negativgruppe, NIV „non-invasive ventilation", PG Positivgruppe
Während sich die Entlassungsraten unmittelbar aus der Notaufnahme in beiden Gruppen nicht signifikant unterschieden, zeigten Follow-up-Untersuchungen, dass PG-Patienten nach Entlassung häufiger persistierende Symptome (11,1 vs. 4,6 %, p = 0,018) hatten und bei erneuter Vorstellung häufiger stationär aufgenommen werden mussten (6,8 vs. 2,3 %, p = 0,035; Tab. 6). Die Hospitalisierungsraten für Normal- oder Intensivstationen unterschieden sich in den Gruppen nicht, allerdings war die Dauer sowohl des normalstationären Aufenthalts als auch auf der Intensivstation bei PG-Patienten deutlich erhöht (Median: 9 vs. 7 Tage, p = 0,001 auf der Normalstation bzw. 8 vs. 4 Tage, p = 0,001 auf der Intensivstation). Der stationäre Verlauf unterschied sich in den Gruppen vor allem durch eine höhere Rate an viralen Pneumonien (
Tab. 6 Krankheitsverlauf und Outcome nach Vorstellung in der Notaufnahme
SARS-CoV‑2 positiv (PG) SARS-CoV‑2 negativ (NG) 594 406 – Entlassung aus der Notaufnahme, n (%) 235 (39,6) 175 (43,1) 0,264 Erneute Vorstellung in der Notaufnahme 23 (9,8) 10 (5,7) 0,134 Stat. Aufnahme nach erneuter Vorstellung in der Notaufnahme 16 (6,8) 4 (2,3) Persistierende Symptome nach Entlassung 26 (11,1) 8 (4,6) Aufnahme auf Normalstation aus der Notaufnahme, n (%) 297 (50,0) 194 (47,8) 0,491 Dauer der Hospitalisierung (Tage), Median (IQR; 9 (5–14) 7 (4–11) Aufnahme auf Intensivstation aus der Notaufnahme, n (%) 62 (10,4) 37 (9,1) 0,491 Dauer der Hospitalisierung (Tage), Median (IQR; 8 (4–14) 4 (3–6) Akute virale Pneumonie 244 (68,0) 30 (13,0) ARDS 21 (5,8) 3 (1,3) Arrhythmien 4 (1,1) 9 (3,9) Sepsis 17 (4,7) 16 (6,9) 0,258 Schwerer Krankheitsverlaufb 156 (26,3) 83 (20,4) Tod, n (%) 53 (8,9) 23 (5,7) 0,056 Tod während stat. Aufenthalt 47 (7,9) 20 (4,9) 0,064 Tod in der Notaufnahme 6 (1,0) 3 (0,7) 0,746
ARDS Acute Respiratory Distress Syndrome, IQR Interquartilsabstand, NG Negativgruppe, PG Positivgruppe
Die COVID-19-Pandemie hat zu intensiver Forschung geführt und dazu beigetragen, das Krankheitsbild in kurzer Zeit umfassend zu charakterisieren [[
ReCovER ist ein Register mit hoher Granularität, dennoch ermöglicht der modulare Aufbau des Registers eine Dokumentation mit relativ geringem Aufwand. Neben der Charakterisierung des Krankheitsbilds und der Abbildung notfallmedizinischer Aspekte hinsichtlich der initialen Behandlung von COVID-19-Patienten ermöglicht die Plattform die Beantwortung weiterer wichtiger Fragen. So kann die Auswertung größerer Datensätze dazu beitragen, spezifische Verlaufsprädiktoren zu identifizieren oder aber die longitudinale Veränderung des Krankheitsgeschehens in Deutschland zu erfassen. Vor diesem Hintergrund ist es wünschenswert, dass sich zukünftig möglichst viele weitere Notaufnahmen an ReCovER beteiligen.
Zu Beginn der ersten Infektionswelle im Jahr 2020 bestand noch große Verunsicherung bezüglich der optimalen Strategie zum Umgang mit COVID-19 in den Notaufnahmen. Dagegen ist es im Lauf der letzten Monate durch die Steigerung der Testkapazitäten und weitere Maßnahmen wie Maskenpflicht und Lockdowns zur Entlastung von Notaufnahmen und Intensivstationen gekommen. Der Effekt der laufenden Impfung der Bevölkerung gegen SARS-CoV‑2 ist aktuell noch nicht zu beurteilen, wird aber voraussichtlich weitere Entlastung bringen. Dennoch sind – auch vor dem Hintergrund bereits weltweit nachgewiesener und teils hoch ansteckender Mutationen von SARS-CoV‑2 [[
Die aktuelle Auswertung hat mehrere Limitationen, die als registerimmanent bezeichnet werden können und sich vor allem aus der retrospektiven Erfassung von Routinedaten ergeben. Dies betrifft insbesondere fehlende Werte bedingt durch unterschiedliche Labor- und Diagnostikstandards zwischen den beteiligten Zentren. Die Aufnahme von Referenzpatienten in ReCovER beinhaltet die Gefahr eines Selektionsbias, wir versuchen dies über eine Auswahl nach der reinen zeitlichen Nähe der Vorstellung der Patienten in der Notaufnahme zu adressieren. Allerdings waren bei der vorliegenden Auswertung der ersten 1000 Patienten nicht die Daten aller eingeschlossenen Kontrollpatienten vollständig eingegeben. Dies erklärt die ungleiche Gruppengröße und mag zu einer gewissen Unschärfe beitragen. Zukünftige Auswertungen von größenäquivalenten Patientenkollektiven werden dies korrigieren. Prospektive Studien mit vergleichbaren Patientenzahlen – obwohl sicherlich von höherer Aussagekraft – sind aufgrund naheliegender logistischer und infrastruktureller Gründe (Kosten, erschwerte Einholung des Patienteneinverständnisses etc.) kaum in kurzer Zeit zu realisieren, sodass Register wie ReCovER eine wichtige Erkenntnisquelle darstellen. Insofern kann ReCovER auch als Blaupause für andere Fragestellungen in der Notfallmedizin dienen.
- Die aktuelle Pandemie stellt eine enorme Herausforderung für die Notaufnahmen dar. Unter dem Druck eines isolationspflichtigen Krankheitsbilds muss neben der Erstversorgung darüber entschieden werden, welche Teststrategien in der Notaufnahme schnell, kosteneffektiv und mit einer ausreichenden diagnostischen sowie prognostischen Wertigkeit angewendet werden können.
- Es herrscht weiterhin Unsicherheit über die Prädiktoren eines schweren Verlaufs von COVID-19, die in der Notaufnahme als Entscheidungshilfe dienen könnten. Register, wie die hier vorgestellte ReCovER-Studie sind geeignet, die erste Phase der klinischen Versorgung mit dem weiteren Verlauf zu verbinden.
- Standortübergreifende Register sind für den raschen Erkenntnisgewinn gerade im Fall von pandemischen Gefährdungslagen essenziell. Offene, angemessen granulare und krankheitsspezifische Register wie ReCovER eignen sich am besten, um schnell Informationen über medizinische Profile neuer Krankheitsentitäten zu erstellen und Handlungsempfehlungen abzuleiten.
- Mit ReCovER ist es gelungen, eine Plattform zu etablieren, an der sich mehrere große Universitätskliniken in Deutschland kontinuierlich erfolgreich beteiligen. Insofern kann ReCovER auch als Modell weiterer flächendeckender Registerprojekte verstanden werden.
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V. Suárez, F.C. Koehler, M.J. Hackl, M. Möckel, S. Pudasaini, J. Risse, D. Schunk, S. Blaschke, P. Kümpers und V. Burst geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. A. Slagman erhielt Forschungsgelder von Roche Molecular Systems Inc.
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission (federführende EK: Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Az: 20-1198), im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt.
By Victor Suárez; Felix C. Koehler; Matthias J. Hackl; Martin Möckel; Anna Slagman; Samipa Pudasaini; Joachim Risse; Domagoj Schunk; Sabine Blaschke; Philipp Kümpers and Volker Burst
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