Hjalmar P. Petersen : Føroysk mállæra 1. Kyn, orðmyndan og bending. Tórshavn, 3 2020/ 1 2015. Føroysk mállæra 2. Grunddrøg í føroyskari syntaks. Tórshavn, 2020. Føroysk mállæra 3. Ljóðlæra. Tórshavn 2021.
Grammatiken des Färöischen füllen nicht gerade die Regale unserer Bibliotheken. Bis Lockwoods An introduction to modern Faroese[
Band 1 Kyn, orðmyndan og bending beginnt mit den wichtigsten Genuszuordnungsregeln des färöischen Substantivs, wobei Petersen auf seine Dissertation zu Gender Assignment in Modern Faroese ([
Sodann folgt ein eigenes Kapitel zu den definiten Formen des Substantivs, womit klar wird, dass Petersen den angehängten Artikel nicht zur Substantivflexion im eigentlichen Sinn zählt. In diesem Zusammenhang weist er auch auf das gelegentliche Auftreten von Leseaussprachen z. B. im Rundfunk hin, wenn bei den Pluralsuffixen -ar, -ir, -ur in Wörtern wie Def.Pl. fuglarnir, gestirnir, køkurnar das vor dem Artikel lautgesetzlich stumme
Zu den vielen Vorzügen von Band 1 gehört, dass Petersen auch die Entstehung neuer Paradigmen diskutiert. So hat sich z. B. wegen des stummen Artikels in arbeiði-ð [aɹpaijɪ]-Ø nicht nur eine neue (und somit auch mündlich additiv-segmentale) Form arbeiði-ið [aɹpaijɪ-j-ɪ] herausgebildet, sondern sich zu ihr eine weitere (normverletzende) Schreibung mit ahistorischem – aber sozusagen synchron „lautgerechtem" – <ð> für den zweiten Hiatusfüller gesellt: arbeiði-ð-ið [aɹpaijɪ-j-ɪ] (hierzu Zieseler [
Nach den Ausführungen zum bestimmten Artikel folgt eine umfassende Wortbildungslehre, die viele produktive Muster aufzeigt wie z. B. bitsjutur (denominales Adjektiv zu engl. bitch). Ebenso erfährt man u. a., wie das Kofferwort fär. sjálfi aus sjálvur und engl. selfie entstanden ist.
Den Löwenanteil von Band 1 machen indes die ausführlichen Erläuterungen zur Flexionsmorphologie aus. Dabei zeigt Petersen nicht nur die aus den eingangs erwähnten Grammatiken bekannten Paradigmen auf. Hier wird auch die Flexion von kovboyur, identitetur, hippiari, kompjútari, app, crew, fonem, sushi behandelt – vielfach alltägliche Wörter, zu denen sich aber u. a. das große Standardwerk Føroysk orðabók ([
Wie in vielen Grammatiken selbst ausgiebiger untersuchter Sprachen kommen auch bei Petersen die Interjektionen etwas zu kurz. Die aufgelisteten Beispiele (denen u. a. auch avv, fanans, gudsdoyð, hygga gamli, nettupp, o, pínadoyð, skál, skít hinzuzufügen wären), laden regelrecht zu phonotaktischen und morphologischen Analysen sowohl syn- als auch diachron ein. Es findet sich sogar mancher syntaktische Zug (etwa in (Gud) náði teg!, tví verði tær!, vei mær!, vei tí manni, sum ..., (ey)eya meg, hygga síggj, nú so, Gud viti, tað var sum fanans, devulin (hann) steiki, for devulin, halt kjaft), der eine Nennung in Band 2 verdient hätte.
Band 2 Grunddrøg í føroyskari syntaks ist von den drei Bänden der umfangreichste. Damit liegt eine systematische Beschreibung der färöischen Syntax vor, die aber auch von Jeffrei Henriksens ([
Aus der Fülle an Material springt unter vielem anderen auch ins Auge, dass im Färöischen die Unterscheidung ±beseelt zu einem kasusdifferenzierenden Merkmal geworden ist: Hann vaskaði bilin
Erfreulich ausgiebig sind zudem die Ausführungen u. a. zur (generalisierenden) Verwendung des possessiven sa-Klitikons (mammusa bilur, sjómaðurinsa besti vinur). Petersen erinnert daran, dass diese in der Schriftsprache verpönte Form eine Tradition hat, die sich in der Balladensprache belegen lässt.
In einem abschließenden Kapitel fasst Petersen den dänischen Einfluss auf die färöische Syntax zusammen, wobei er sich auf seine Studie The Dynamics of Faroese-Danish Language Contact ([
Rektion mit Genitiv findet man vereinzelt in den färöischen Tanzballaden, aber auch als erstarrte Form nach manchen Präpositionen wie in til Havnar. Etwas gewöhnungsbedürftig ist indes die Umbenennung solcher Formen zu hvønnfall
Band 3 Ljóðlæra schließlich ist neben Árnason ([
Bei der Definition von Diphthongen wäre eine Präzisierung wünschenswert gewesen, denn zumindest aus phonetischer Sicht bestehen diese – anders als es die Notation nahelegt – nicht aus der Abfolge zweier Monophthonge. Vielmehr handelt es sich bei einem phonetischen Diphthong um eine isosyllabische, artikulatorische Bewegung von einer Monophthongposition zu einer anderen. Deswegen ist es auch problematisch, in Wörtern wie navn [aʋ, auː], nøvn [œʋ, œuː] das Zweitglied der Diphthongnotation [uː] analog zu [ʋ] als ein Allophon von /v/ anzusehen. In diesem Zusammenhang hätte man zudem gerne gewusst, ob mit nón/nøvn und ón/ovn (← ovnur) bei den jeweils relevanten dialektalen Realisierungen von ó [œuː, ɔuː] tatsächlich homophone Wortpaare vorliegen oder ob es sich hier um neue Diphthonge handelt.
Etwas unklar sind die Angaben zur Frage, wie Quantität zugrundeliegend erfasst wird. Petersen scheint nicht Árnason ([
Viele Ausführungen laden zum Weiterdenken ein. So werden bei den einleitenden Erläuterungen zu Grundbegriffen die beiden Wörter ald [alt] und alt [al̥t] herangezogen, um [l̥] neben [l] als Allophon von /l/ zu begründen. Die Gründe, weshalb [l] und [l̥] nicht stattdessen zwei verschiedenen Phonemen zuzuordnen sind, bleiben indes zunächst unerwähnt und werden erst bei der Behandlung der Laterale genannt. Der Fall ist nicht trivial, denn schließlich handelt es sich ja um ein Minimalpaar, das durch produktiven kombinatorischen Lautwandel entstanden ist (vgl. auch gleða/glaða [eː/e̞ː], søkt/søgd [ʰkt/kt]).
Petersen schlägt [ʂː] als Allophon dem Phonem /s/ zu, obwohl sich (wenn auch wenige) Minimalpaare wie kassi/karsi finden, die ein eigenes Phonem rechtfertigen würden, dem sich auch kurzes, von Petersen nicht berücksichtigtes [ʂ] (norskur) zuordnen ließe. Ohne nähere Begründung zählt Petersen unaspiriertes [k] in der nicht palatalisierten Verbindung sk- zum Phonem /kʰ/, obwohl eine Zuordnung zu /k/ (góður [k] → /k/) auch möglich wäre – die synchrone Phonemanalyse muss ja nicht der historisierenden Schrift folgen.
Zur Betonung im Färöischen liegt überaus wenig Forschung mit nicht immer überzeugenden Analysen vor. Petersen gelingt es jedoch, die wichtigsten Erkenntnisse konzise zusammenzutragen.
Trotz der vielen phonetischen Transkriptionen finden sich in Band 3 nur wenige Tippfehler. So liefert rópt kein Beispiel für [ʰt], sondern für [ʰp]; skera [ʃ] ist kein Beispiel für unaspiriertes [k]; statt stjól wäre stjølur wohl ein besseres Beispiel für [ʃ]; kurzes [ʰk] (leka, vakt) fehlt in der Liste der /kʰ/-Allophone; im Fließtext genanntes [ɹː] fehlt in der Liste der /ɹ/-Allophone (murra); einige Wörter werden mit [r] statt mit [ɹ] transkribiert.
Band 3 schließt mit einigen Überlegungen zur u. a. sonoritätshierarchisch bedingten Silbenstruktur und zur so gut wie unerforschten Intonation. Er enthält wie die beiden ersten Bände ein Sachregister, ein Literaturverzeichnis und ein Verzeichnis mit Definitionen der verwendeten Fachtermini. Es finden sich auch zusammenfassende Lauttabellen am Ende des Bandes, wo jedoch die präaspirierten Plosive fehlen.
Insgesamt legt Petersen mit den drei Bänden ein umfangreiches Werk vor, welches viel vom vorhandenen Wissen zum Färöischen sehr gelungen synthetisiert und oftmals über dieses hinausgeht. Allerdings hätte das Werk vom Verlegerischen her eine bessere und einheitlichere Aufmachung verdient. Band 1 und 3 enthalten einige arg klein gesetzte Tabellen und Band 3 enthält ein paar unscharfe Abbildungen. In meinem Exemplar von Band 2 ist das Druckbild (bis auf S. 381) durchgehend unscharf. Band 3 ist mit Blocksatz gesetzt; die beiden anderen Bände haben Flattersatz. Band 3 leidet optisch aber vor allem darunter, dass für die phonetischen Umschriften zwei sehr unterschiedliche Zeichensätze zum Einsatz gekommen sind, manchmal sogar in ein und demselben Wort. Durch ein sorgfältigeres Lektorat hätten sich zudem einige fehlerhafte Kapitel-, Bild- und Beispielnummern, ein paar ärgerliche Tippfehler und zwei unmotiviert fast leere Seiten in Band 3 vermeiden lassen.
Petersens Werk ist aber dennoch und nicht nur aus linguistischer Sicht, sondern auch in einem weiteren Sinn eine bemerkenswerte Leistung. Mit ihm liegt nämlich der gelungene Entwurf vor, für eine Gesamtdarstellung des Färöischen eine einheitliche und systematische Terminologie zu finden. In der Tradition von Jakob Jakobsen werden neue Bezeichnungen anhand explikativer Glossen eingeführt wie z. B.: „kynstillutanarregla (e. gender assignment rule)", „Sambindingarheildin (SbH) (e. complimentizer phrase)", „gerðarnavnorð/nomen agentis". Beispiele wie „komplementer distributión" und „sonoritetsstigi" zeigen aber auch, dass es Petersen keineswegs darum geht, auf Biegen und Brechen eine puristische Terminologie anhand ererbter Wortstämme zu schaffen. Vielmehr entwickelt er mit einer Mischung aus etablierten Bezeichnungen und verschiedenen Typen von Entlehnungen einen zweckmäßigen Fachwortschatz. Gelegentlich werden sogar etablierte Bezeichnungen ausgetauscht: Syntax heißt nun bei Petersen syntaks und nicht mehr orðalagslæra oder setningafrøði. Auch das wird nicht jedem gefallen.
Bei Fachsprache geht es aber nicht nur um Terminologie, sondern auch darum, einen dem Genre morphologisch, syntaktisch, textgrammatisch und rhetorisch angemessenen Stil zu finden. Das gelingt Petersen vollauf, was sein inhaltlich anregendes Werk auch zu einer angenehmen Lektüre macht. Damit zeigt er exemplarisch und zukunftsweisend auf, wie man eine sprachliche Domäne erfolgreich erobert. So ist auch folgerichtig, dass Petersen für die beiden ersten Bände von Føroysk mállæra im Jahr 2020 mit Mentanarvirðisløn M. A. Jacobsen (Kulturpreis M. A. Jacobsen), dem angesehensten Preis für Literatur in färöischer Sprache, ausgezeichnet wurde.
By Christer Lindqvist
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