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KI und visuelle Objektidentifikation.

In: Fluid, 2022-11-08, S. SH54- (4S.)
Online serialPeriodical

KI und visuelle Objektidentifikation 

Verschmutzte oder defekte Bauteile per Handy identifizieren und passende Ersatzteile organisieren? Klingt gut, geht aber nicht? Geht doch!

Automatisierte Erkennung von Ersatzteilen – mit dem Handy

Stellen Sie sich vor, dass Sie als Instandhalter ein defektes Teil einer Maschine ausbauen, aber durch Verschmutzung oder Beschädigung keine Typennummer erkennbar ist. Die Maschine steht, mit jeder Minute summieren sich Kosten auf und Ihnen wachsen schon graue Haare, weil Sie immer noch keine Idee haben, was für ein Ersatzteil Sie benötigen.

Doch das muss so nicht sein, denn mittlerweile können Sie das Bauteil mit dem Handy abfotografieren und eine App zeigt ein oder mehrere Ergebnisse an, um welches Objekt es sich handeln könnte. Diese Vorgehensweise der automatisierten Ersatzteil-erkennung ist in Zusammenarbeit der All for One Group und Bosch Cognitive Services in dem Bosch-Werk Blaichach entwickelt worden und bereits verlässlich im Einsatz.

Suchzeit für Ersatzteil mittels Handy-App gravierend reduziert

„Bei mehreren tausend Equipments im Werk und mehr als 20 000 reaktiven Einsätzen beziehungsweise Servicefällen pro Jahr liegt die durchschnittliche Suchzeit pro Auftrag bei 9,5 Minuten mit einer manuellen Suche. Durch die automatisierte Ersatzteilerkennung mittels App haben wir die durchschnittliche Suchzeit auf unter zwei Minuten reduziert. Bei der Menge an Equipment sowie Einsätzen kommt eine gravierende Zeitersparnis zusammen, was sich leicht errechnen lässt", erläutert Florian Hubrig, Instandhaltungsplaner – Industrie 4.0 bei Chassis Systems Control im Bosch-Werk Blaichach.

Gut, dass die App das Ergebnis liefert, um welches Teil es sich handelt, um welche Ersatzteilnummer, welchen Lagerplatz und wie viele Teile dort vorhanden sind.

Künstliche Intelligenz (KI) mit visueller Objekterkennung

Daniel Klumpp von Bosch Cognitive Services befasst sich mit Künstlicher Intelligenz (KI) und speziell mit visueller Objekterkennung. Er erklärt, dass es vor allem um Ersatzteile geht, die keine Konnektivität besitzen.

„Wir reden zwar immer davon, dass alles in der Industrie einen RFID-Chip oder eine IP-Adresse besitzt, mit Sensorik ausgestattet ist und immer direkt schon Vorwarnung im Sinne von Predictive Maintenance gibt. Bei der wartenden Instandhaltung ist es aber so, dass die Ersatzteile nichts davon haben. Das hat mit Herstellkosten zu tun oder dass die Anlagen schon 30 bis 40 Jahre alt sind", erklärt Klumpp.

Wenn auch die Kollegen mit ihrem Latein am Ende sind

So gebe es heute die Situation, dass Ersatzteile keinen RFID-Chip besitzen, vielleicht aber einen Aufkleber oder eine Materialnummer haben, sodass es zwar irgendeine Information gebe, die der Instandhalter aber auch nicht immer verarbeiten könne. „Fällt also eine Maschine aus und das defekte Bauteil ist ausgebaut, dann besteht die Herausforderung, dieses zu identifizieren und ein Ersatzteil zu beschaffen. Das passiert viel über Erfahrung oder Kollegen befragen und Vergleiche des defekten Bauteils mit Ersatzteilen im Lager", sagt Klumpp.

Handy-App liefert Ergebnisliste von Ersatzteilen

Oder man versuche mittels SAP das passende Teil zu finden. „Doch diese Wege sind beschwerlich und zeitaufwendig – das kann schon mal bis zu zwei Stunden oder je nach Branche deutlich länger dauern", skizziert Klumpp auf. Auch die Suche über Explosionszeichnungen und Stücklisten sei zeitaufwendig. „Die geringste Hürde ist schlichtweg ein Foto des defekten Bauteils zu erstellen, denn dann erhalte ich via Handy-App eine Ergebnisliste und sehe, um welches Ersatzteil es sich handelt. Dadurch bin ich viel schneller und kann natürlich die Stillstandzeiten reduzieren", zeigt Klumpp auf.

Die Intelligenz des Users wird laut Hubrig mit einbezogen. „Denn als Ergebnis bekommt man eventuell auch mehrere Vorschläge angezeigt und dann muss man mit dem Fachverstand als Instandhalter aus der Liste das richtige Teil heraussuchen. Die Verantwortung bleibt damit beim Instandhalter. Diese App ersetzt den Fachmann oder die Fachfrau nicht, sondern unterstützt dabei", verdeutlicht Hubrig.

Instandhaltung 4.0 mit der Digitalisierungsmaschine

Basis der automatisierten Ersatzteilerkennung ist eine sogenannte Digitalisierungsmaschine, wie Klumpp erklärt: „Die Digitalisierungsmaschine macht 360-Grad-Bilder der Ersatzteile. Sie ist so gebaut, dass sie im industriellen Umfeld stehen kann. In einem Ersatzteillager, wo auch Stapler vorbeifahren."

Die Technik funktioniere bei sämtlichen Bauteilen, die via Digitalisierungsmaschine erfasst worden seien. „Somit hat der Instandhalter, der die Maschine vielleicht gar nicht kennt, eine Lösung auf dem Handy zur Hand, mit einer Materialnummer und wo er das Ersatzteil im Lager findet", ergänzt Klumpp. Hubrig ergänzt, dass „20 000 verschiedene Bauteile im Werk angelernt wurden – von insgesamt 30 000. Die fehlenden 10 000 sind entweder zu groß oder zu schwer für das Anlernen ihrer Daten in der Digitalisierungs-maschine."

Handy-App liefert Ergebnisliste von Ersatzteilen

Oder man versuche mittels SAP das passende Teil zu finden. „Doch diese Wege sind beschwerlich und zeitaufwändig – das kann schon mal bis zu zwei Stunden oder je nach Branche deutlich länger dauern", skizziert Klumpp auf. Auch die Suche über Explosionszeichnungen und Stücklisten sei zeitaufwendig. „Die geringste Hürde ist schlichtweg ein Foto des defekten Bauteils zu erstellen, denn dann erhalte ich via Handy-App eine Ergebnisliste und sehe, um welches Ersatzteil es sich handelt. Dadurch bin ich viel schneller und kann natürlich die Stillstandzeiten reduzieren", zeigt Klumpp auf.

Die Intelligenz des Users wird laut Hubrig mit einbezogen. „Denn als Ergebnis bekommt man eventuell auch mehrere Vorschläge angezeigt und dann muss man mit dem Fachverstand als Instandhalter aus der Liste das richtige Teil heraussuchen. Die Verantwortung bleibt damit beim Instandhalter. Diese App ersetzt den Fachmann oder die Fachfrau nicht, sondern unterstützt dabei", verdeutlicht Hubrig. Kenntnisse in Fotografie sind laut Klumpp nicht notwendig: „Der Nutzer stellt das Bauteil auf den Drehteller in die Digitalisierungsmaschine, schließt die Tür und drückt einen Knopf. Die Bilder sind hochauflösend vor einem weißen Hintergrund gemacht, so dass Kunden die Bilder sogar für einen Ersatzteilkatalog oder für einen Webshop nutzen können." Auch die Maße wie Länge, Breite, Höhe und Gewicht zeichnet die Maschine auf, was wiederum auf großes Interesse bei Logistikern stößt, wie Klumpp wissen lässt. „Das Werk Blaichach dient zudem bei der Instandhaltung als Leitwerk für diese Lösung – so können die hier erfassten Bilddaten auch von anderen Bosch-Werken für die Ersatzteilerkennung genutzt werden", vermerkt Klumpp. Die Maschine selbst werde auch extern vermietet oder Kunden können Bauteile zu Bosch nach Kornwestheim schicken.

Wie funktioniert das technisch?

Im ersten Schritt werden die Artikel automatisiert mit 360°-Fotografie aus verschiedenen Perspektiven abgelichtet und in eine neuronal aufgebaute Datenbank eingespeist. Mit der boscheigenen Lösung, bei der künstliche Intelligenz mit eigenen Algorithmen zum Einsatz kommt, lassen sich die benötigen Bilddaten schnell und kostengünstig erfassen und analysieren.

Auf diese Weise angelernte Objekte können dann zu Beispiel einfach per Smartphone fotografiert und durch den Bosch-Algorithmus identifiziert werden. Beim Design der Bosch-Lösung wurde nicht nur darauf geachtet, dass sie hoch skalierbar und sicher ist, sondern auch kosteneffizient. So hat sie etwa den interessanten Nebeneffekt, dass die entstandenen Produkt- und Objektbilder auch ideal für E-Commerce-Zwecke eingesetzt werden können – und so dazu beitragen, dass sich die Investition schnell amortisiert.

Prototypen-Angebot

Bosch Cognitive Services und die All for One Group AG haben ein Angebot aufgelegt, das zur Zeit der Drucklegung dieser Ausgabe aktuell ist: Sie realisieren einen Prototypen in sechs Wochen zum Festpreis von 9 900 Euro.

Zwei Wochen Workshop inklusive Artikelauswahl: Vorstellung der Lösung, Abstimmung von Inhalt und Ziel, Proof of Concept, die Bereitstellung und Versand von 5 Artikeln. Vier Wochen Digitalisierung der Artikel: Patentierte 360°-Fotographie der Produkte, Aufbau des neuronalen Netzes durch Bosch, All-for-One-App-Konfiguration, optional SAP-Integration in die kundseitige SAP-Umgebung. C-Level-Präsentation (Milestone): Vorstellung Prototyp ‚Visuelle Ersatzteilerkennung', Live-Demo All for One App, optional: Live Demo der kundenseitigen SAP-Integration, 4 Wochen Verfügbarkeit der PoC-Lösung. Business-Case-Workshops: Minimum Viable Product (MVP), ROI, Roll-Out-Strategie mit dem Ziel eines Feld-Tests unter Realbedingungen.

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Autoren: Dietmar Poll und Ragna Sonderleittner

Was ist was?

Hat ein Instandhalter ein defektes Bauteil ausgebaut, ist selten eindeutig, um welches es sich genau handelt, da sich verschiedene Bauteile oft ähneln. So wie im Bild die beiden IO-Module, die sich nur durch die verschiedene Ansteuerung (Lichtleiter vs. Kabel) unterscheiden. Eine Handy-App erkennt jetzt die Bauteile zuverlässig und unterstützt den Instandhalter bei der Entscheidungsfindung zum passenden Ersatzteil. Bild: Bosch

„Durch die automatisierte Ersatzteilerkennung mittels App haben wir die durchschnittliche Suchzeit von 9,5 Minuten auf unter zwei Minuten pro Ersatzteil reduziert."

„Die geringste Hürde ist schlichtweg, ein Foto des defekten Bauteils zu erstellen, denn dann erhalte ich via Handy-App eine Ergebnisliste und sehe, um welches Ersatzteil es sich handelt. Dadurch bin ich viel schneller und kann natürlich die Stillstand-zeiten reduzieren."

Graph: Florian Hubrig, Instandhaltungsplaner – Industrie 4.0 bei Chassis Systems Control im Bosch-Werk Blaichach Bild: Bosch

Graph: Daniel Klumpp Bosch Cognitive Services Bild: Bosch

Graph: Durch Abfotografieren eines (defekten) Bauteils ist die von Bosch Cognitive Services entwickelte Handy-App in der Lage, dieses zuverlässig zu erkennen. So bietet die App dem Instandhalter eine Ergebnisliste mit adäquaten Bauteilen an, die er nun wesentlich schneller im Lager finden kann. Bild: Dietmar Poll

Graph: Die Digitalisierungsmaschine erstellt 360-Grad-Bilder der Ersatzteile. Das ist die Basis, um die Ersatzteile später mittels Handy-App schnellstmöglich zu erkennen und im Lager zu finden. Bild: Bosch

Graph: Die manuelle Suche nach dem richtigen Ersatzteil dauert oft viel zu lange. Bild: industrieblick-adobe.stock.com

Graph: Ein vollständig digitales Ersatzteilmanagement scheitert oft noch daran, dass viele Erstzteile noch keine digitale Kennzeichnung haben. Bild: Blue Planet Studio-adobe.stock.com

Titel:
KI und visuelle Objektidentifikation.
Zeitschrift: Fluid, 2022-11-08, S. SH54- (4S.)
Veröffentlichung: 2022
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0015-461X (print)
Schlagwort:
  • CELL phones
  • SPARE parts
  • ARTIFICIAL intelligence
  • ROBERT Bosch GmbH
  • DIGITIZATION
  • MOBILE apps
  • DECISION making
  • PROTOTYPES
  • Subjects: CELL phones SPARE parts ARTIFICIAL intelligence ROBERT Bosch GmbH DIGITIZATION MOBILE apps DECISION making PROTOTYPES
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: AI and visual object identification.
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Full Text Word Count: 1465

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