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Scharloth, Joachim: Hässliche Wörter. Hatespeech als Prinzip der neuen Rechten. Berlin: J. B. Metzler, 2021. -- ISBN 978-3-662-63501-8. 251 Seiten, € 19,99.

Lisaru, Roxana
In: Info DaF: Informationen Deutsch als Fremdsprache, Jg. 50 (2023-04-01), Heft 2/3, S. 268-272
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Scharloth, Joachim: Hässliche Wörter. Hatespeech als Prinzip der neuen Rechten. Berlin: J. B. Metzler, 2021. -- ISBN 978-3-662-63501-8. 251 Seiten, € 19,99 

Scharloth, Joachim : Hässliche Wörter. Hatespeech als Prinzip der neuen Rechten. Berlin : J. B. Metzler, 2021. -- ISBN 978-3-662-63501-8. 251 Seiten, € 19,99.

Das Buch Hässliche Wörter des deutschen Sprachwissenschaftlers Scharloth setzt sich dezidiert mit dem ideologischen Diskurs der Neurechten auseinander. Im Mittelpunkt der Rede der Neurechten steht der Schimpfwortschatz, dessen diskursive Funktion er ausleuchtet. Zur Herstellung des linguistischen Korpus dienen dem Autor die Mainstream-Plattformen der AfD. Insgesamt besteht das Korpus aus 350 Mio. Wörtern mit Texten und Kommentarspalten, die der Dresdener Sprachwissenschaftler themenspezifisch klassifiziert. Dementsprechend fokussieren sich die Kapitel auf gesellschaftliche Themen und Politikfelder, die die Neurechten in Medien behandeln.

Vor der Vertiefung in die Thematik einzelner Kapitel ist es unumgänglich zu erläutern, worin das fundamentale Denken der Neurechten besteht. Die PolitikerInnen und Anhänger der neurechten Bewegung, die der politischen Ideologie der AfD treu sind, verachten nicht nur den demokratischen Staat und seine Institutionen, sondern auch die Staatsbürger. Eklatant ist, dass sie ihre Kritik durch Nazi-Vergleiche und Faschismus-Etikettierungen fundieren. Die Hassrede gehört par excellence zum Arsenal des öffentlichen Diskurses der Neurechten.

auf die Etablierung einer fundamentalen politischen Neuorientierung. Bezeichnungen wie „Gangster, Gauner, Ganoven- und Gesetzesbrecherregierung" (21), „Drecksmerkelpolizisten" (24), „Ausländer-Polizisten" (25), „Anti-Deutsche-Justiz" (26), „Demokratie-Diktatur" (30), „Multi-Ethnie-Diktatur" (31), „Wahldidaktur" (30) stellen nur einige von den abwertenden Neuschöpfungen der Neurechten dar, die auf die Diskreditierung der demokratischen Prozesse der Bundesrepublik abzielen. Schuld an der Verwandlung Deutschlands in ein „Auswanderer- und Emigrationsland" (47) sei auch das deutsche „Pennervolk" (18), dessen Dummheit die Neurechten durch die Verwendung von Tiermetaphern, wie z. B. „Herdenvieh-Bevölkerung" (19), hervorheben wollen.

Im Kapitel Geographie: Deutschland liegt in Eurabien fokussiert der Linguist auf die ,,rassistisch-herabwürdigenden Länderbezeichnungen" (36). Im Fokus stehen Länder aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie Afrika. Die Schmähausdrücke für die afrikanischen Länder beziehen sich auf rassistische Stereotype über die äußerlichen Merkmale, den zügellosen Sexualtrieb und die Primitivität der Afrikaner. Dies geht aus den Beispielen „Braunafrika" (35), „Schwanzafrika", „Weitwegprimitivistan" oder „Uga-ugaland" (36) hervor. Die Verunglimpfungen der Länder aus dem Nahen und Mittleren Osten schälen sich in erster Linie aus dem Verhältnis zwischen islamischer Religion und Terrorismus heraus: „Djihadistan", „Gesamt-Islamistan", „Kopftuchistan" (37). Kulturelle Rückständigkeit und Minderwertigkeit werden durch Schmähausdrücke wie „Eseltreibistan" oder „Kanakistan" (37) hervorgehoben. Dadurch, dass die europäischen Länder eine Politik der Inklusion betrieben, befänden sie sich jetzt in einem Degenerierungs- und Verfallsprozess. Dabei fixiert sich die Hassrede auf das Thema der Migra-tion: „Mischrasseneuropa" (39),Eurabistan" (40), „Afrikanisch-Französien" (41). Überdies visiert die Kritik der Neurechten die Flüchtlingspolitik Angela Merkels an, die für importierte Kriminalität und Islamisierung Deutschlands verantwortlich sei. Hierfür sind die Neuschöpfungen „Flüchtlingssorglosland", „BuntRepublikDeutschland" (43) und „Terror-Schlaraffenland" (45) exemplarisch.

Das vierte Kapitel bietet einen aufschlussreichen Einblick in die Schimpfwortbildungsprozesse. Derivation, Auslassungszeichen, Asterisken oder „Sprachpanschereien" (8) gehören zu den verwendeten sprachlichen Werkzeugen. Durch Anführungszeichen oder Asterisken wird die rassistische Ideologie maskiert, da sie eine „Distanzierung von Form und Inhalt" signalisieren (70). Der sprachlich-schöpferische Prozess des Anhängens herabwürdigender Präfixe oder Suffixe an den Wortstamm, wie z. B. -ler, -ling, -stan, -lant, zielt durchaus auf die Entmenschlichung der kulturellen Minderheiten ab: „Terrorling", „Primitivling", „Flüchtelant" (75). Denglisch ist auch ubiquitär in der abwertenden Rede der Neurechten, die die Ausländer ins Visier nimmt: „RAPEfugee-sieren" (9).

Die Inszenierungsstrategien einer diktatorischen Landschaft in der Bundesrepublik werden in den nächsten Kapiteln mit Blick auf Medien und Wissenschaft exemplifiziert. Die öffentlich-rechtlichen Medien repräsentieren für sie das Herrschaftsinstrument der Regierung. Nazi-Vergleiche sind dabei unverzichtbar, wie z. B. „Nazi-Propaganda-Medien" (85). Außer den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus dem kultur-soziologischen und naturwissenschaftlichen Bereich werden die Gender-ForscherInnen in einem sehr großen Ausmaß diskreditiert, sie würden „Nichtsnutz‚wissenschaften'" (105) produzieren. Der Begriff des sozialen Geschlechts gilt für die Neurechten als inexistent. Es ist dementsprechend nicht verwunderlich, dass die Neurechten keine Zusammenhänge zwischen der Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung und den asymmetrischen Geschlechterrollen anerkennen. Hierfür sind die Beispiele „Gender-Dogmatik", „Genderwahnsinn" oder „Genderverbrecher_X_innen" (104) exemplarisch. Ein interessantes linguistisches Feld stellen die Krankheitsmetapher dar, die eine gesellschaftskritische Funktion aufweisen. Dabei werden biologische Zusammenhänge auf den gesellschaftlichen Bereich übertragen. Endemischen Krankheitszuschreibungen, wie z. B. „Gender-Herpes" (132), „Merkel-Allergie" (133), Süchte sowie psychische Störungen, wie z. B. „Toleranzsucht", „Political-Correctness-Sucht" (134), „Diskriminierungsparanoia", „Rassimusparanoia" (135), sollen das irrationale Verhalten deutscher Bürger und politischer Akteure unterstreichen.

Im letzten Teil geht der Sprachwissenschaftler auf die Instrumentalisierung der Sprache durch sprachliche Prozesse wie Verfremdung, Kontamination und Komposition ein. Die rassistisch fundierten Verfremdungen, wie z. B. „Obanana" (158), oder Xenismen wie „Süpermürkt", „Angüla Mürküls" (159), gehören zum usuellen Vokabular der Neurechten. Mit Blick auf die Kontamination, die die Verschmelzung zweier Wortkörper bezeichnet, lassen sich folgende Beispiele anführen: „Asylunke", „Journagoge", „Femischist" (160). Das präferierte Wortbildungsmittel ist die Komposition, da sie keine sprachlichen Grenzen kennt, wie es sich am Wort „Schwule-Lesben-Transgender-Kinderficken-Frühsexualisierung-Genderisierung-JedeWeiterBescheuerteMinderheit-UndNatürlichMoslemfreundlich" (165) ablesen lässt. Zudem vermitteln die Neurechten ökonomische Sprachbilder, deren Funktion darin besteht, Auswirkungen der „Multi-Kulti-Integrationsindustrie" (176) auf den prekären ökonomischen Zustand Deutschlands zu zeigen. Außerdem wird nicht nur ein ökonomischer Verfall angesprochen, mithilfe eines rassenhygienischen Vokabulars evozieren die Neurechten Sprachbilder, die auf einen „Geburten-Genozid am deutschen Volk" (193) verweisen sollen. Dabei greifen sie auf die rassistische Ideologie des deutschen Kolonialreichs zurück; die Blutvermischung führe zur geistigen Rückständigkeit und kulturellen Degeneration, wie es sich an den Wörtern „IQ-60-Neger" (190) oder „Inzestbarbaren, -affen und -bestien" (191) ablesen lässt. Des Weiteren konstruieren die Neurechten ihre politische Realität auch unter Rückgriff auf philosophische Theorien, so wird etwa Carl Schmidts dichotomische Theorie von Freund und Feind eingesetzt, um die politischen Diskutanten als Inbegriff des Bösen bloßzustellen.

Dadurch, dass das Buch die gesellschaftliche Brisanz der Hassrede thematisiert und die diskursive Funktion der herabwürdigenden Neuschöpfungen der Neurechten dekuvriert, lädt es zu einem reflektierten Umgang mit der Sprache ein. Demnach wendet es sich an ein breites Lesepublikum. Durch den exemplarischen Einblick in die Wortbildungsprozesse der deutschen Sprache und durch die Fokussierung auf das Verhältnis von Sprache und sozialem Handeln kann das Buch vor allem für fortgeschrittene Lernende der deutschen Sprache und Studierende aus dem linguistischen Bereich von großem Belang sein.

Abgesehen davon verstellt der Fokus nur auf die „rassistische[r] Hetze" (14) der Neurechten den Blick darauf, dass die diskriminierende Rede mit Blick auf die Schwarzen und andere kulturelle Minderheiten auch von weiteren Teilen der deutschen Gesellschaft verwendet wird. In Anlehnung daran betonte die ghanaische-deutsche Aktivistin und Dichterin May Ayim nach der deutschen Wiedervereinigung, dass Rassismus „im Bewusstsein weiter Teile der deutschen Gesellschaft nicht existent" gewesen sei (vgl. [1] 2021: 125, Hervorhebung R. L.). Im Kontext der Globalisierung ist die Frage der Anerkennung von kultureller Differenz zum unentbehrlichen Teil des demokratischen Diskurses geworden. Es ist notwendig, im öffentlich-rechtlichen Diskurs beständig auf die Frage kultureller Anerkennung aufmerksam zu machen.

Literatur 1 Ayim, May (2021): Grenzenlos und unverschämt. Münster: UNRAST. 2 Lakoff, George (2014): Don't Think of an Elephant! Vermont: Chelsea Green Publishing. Footnotes In dieser Hinsicht sind die Metaphern konstitutiv für die Wirklichkeitswahrnehmung. George Lakoff verweist darauf, dass Menschen die Realität durch Metaphern gestalten (vgl.[2] 2014: 25). Die Metaphern sind in frames eingebettet, die als fixe Denkstrukturen zu bezeichnen sind (ebd. 77).

By Roxana Lisaru

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Titel:
Scharloth, Joachim: Hässliche Wörter. Hatespeech als Prinzip der neuen Rechten. Berlin: J. B. Metzler, 2021. -- ISBN 978-3-662-63501-8. 251 Seiten, € 19,99.
Autor/in / Beteiligte Person: Lisaru, Roxana
Link:
Zeitschrift: Info DaF: Informationen Deutsch als Fremdsprache, Jg. 50 (2023-04-01), Heft 2/3, S. 268-272
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: review
ISSN: 0724-9616 (print)
DOI: 10.1515/infodaf-2023-0050
Schlagwort:
  • HASSLICHE Worter. Hatespeech als Prinzip der neuen Rechten (Book)
  • SCHARLOTH, Joachim
  • LINGUISTICS
  • DISCOURSE
  • NONFICTION
  • Subjects: HASSLICHE Worter. Hatespeech als Prinzip der neuen Rechten (Book) SCHARLOTH, Joachim LINGUISTICS DISCOURSE NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: ugly words. Hate speech as a principle of the new rights.
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Bayreuth, Germany

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