Wiesniewski, Katrin; Lenhard, Wolfgang; Spiegel, Leonore; Möhring, Jupp (Hrsg.): Sprache und Studienerfolg bei Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern. Münster : Waxmann, 2022. -- ISBN 978-3-8309-4521-5. 488 Seiten, € 44,90.
Die Publikation geht auf das vom BMBF geförderte Projekt Sprache und Studienerfolg von Bildungsausländer/innen (SpraStu) zurück, das an den Universitäten Leipzig und Würzburg von 2017 bis 2020 durchgeführt wurde. Das Längsschnittprojekt umfasste N = 340 Bildungsausländerinnen und Bildungsausländer, deren L2 Deutsch war und die sich beim Projekteinstieg im ersten Semester in deutschsprachigen Bachelor- oder Staatsexamensstudiengängen befanden. Die Vergleichsgruppe (N =187) bildeten die Studierenden mit Deutsch als L1 (83–84). Unter Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern werden Studierende mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft verstanden, die ihre Hochschulzugangsberechtigung (HZB) im Ausland oder an einem deutschen Studienkolleg erworben haben. Studienerfolg wird ganzheitlich aufgefasst, indem sowohl die akademischen Leistungen als auch subjektive Erfolgsfaktoren, wie zum Beispiel Zufriedenheit mit dem Studium, betrachtet werden (
Zentrales Ziel von SpraStu war es, die Einflussfaktoren und Erklärungsansätze für den (mangelnden) Studienerfolg von Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern in einer Longitudinalstudie empirisch herauszuarbeiten (
Die Zahlen internationaler Studierender im Zuge der deutlich zunehmenden Internationalisierung der deutschen Hochschulen steigen weiter an, sodass diese Zielgruppe immer mehr an Bedeutung gewinnt (
Für den deutschen Kontext ist aktuell vor allem das Projekt SeSaBa -- Studienerfolg und Studienabbruch bei Bildungsausländern in Deutschland im Bachelor- und Masterstudium (Falk et al. 2019, Pineda et al. 2022) einschlägig. Sprachliche Aspekte werden hier jedoch nur am Rande behandelt (
Die ersten beiden Kapitel haben die Vorstellung des Projekts SpraStu und dessen Verortung im Forschungskontext zum Gegenstand, anschließend gliedert sich die Publikation in zwei Teile. Im ersten Teil (Kapitel 3 und 4) wird der Zusammenhang zwischen Sprachkompetenzen und Studienerfolg in unterschiedlichen methodischen Settings empirisch untersucht. Der zweite Teil (Kapitel 5–9) fokussiert auf das studienrelevante Sprachhandeln. Es werden verschiedene Korpora hierzu vorgestellt und zentrale Bereiche (Mitschreiben in Vorlesungen, Klausuren schreiben) analysiert.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Deutschkompetenzen zu Studienbeginn. Diese wurden anhand einer Vielzahl sprachdiagnostischer Verfahren, die alle Teilkompetenzen (mit Ausnahme des Sprechens) sowie die Lernbereiche Wortschatz und Grammatik umfassen, ermittelt (117–130) und mit der ebenfalls erhobenen Selbsteinschätzung der Studierenden abgeglichen (140–143).
Es zeigt sich unter anderem, dass die meisten Studierenden über das Niveau B2 verfügen, zahlreiche Studierende jedoch dieses Niveau nicht erreichen, wobei besondere Schwächen beim Schreiben auftreten (
Im nächsten Schritt wurde die Entwicklung der Sprachkompetenzen während des Studiums untersucht. Neben Teilkompetenzen und Lernbereichen wurden weitere für den Sprachlernerfolg relevante Faktoren wie Überzeugungen zum Sprachenlernen (language mindsets), die Bereitschaft zur Kommunikation auf Deutsch (willingness to communicate) und der Gebrauch des Deutschen im Studium systematisch erhoben.
Der deutlichste Befund besteht darin, dass sich die Sprachkompetenzen zu Studienbeginn auch auf die Fähigkeiten nach einem Jahr auswirken (
Aus den Befunden werden unter anderem folgende Forderungen abgelei-tet, die perspektivisch auf eine bessere Förderung der Zielgruppe beim Deutscherwerb im Studium abzielen. Da internationale Studierende ihre Deutschkenntnisse immer häufiger innerhalb weniger Jahre und zudem tendenziell eher nebenbei erwerben, ist der Kontakt zu bestimmten fach-, berufs- und wissenschaftssprachlichen Registern überwiegend neu und zum Teil auch überfordernd (
Kapitel 4 hat die systematische Untersuchung des Studienerfolgs von Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern zum Gegenstand. Studienerfolg wird dabei derart operationalisiert, dass zwischen subjektiven und objektiven Studienerfolgsindikatoren unterschieden wird (
Folgende Befunde lassen sich unter anderem herausarbeiten: Zwar bleiben beide Gruppen deutlich hinter der Erfüllung der Studienleistungen zurück, der Studienerfolg internationaler Studierender fällt jedoch geringer als der der deutschen Vergleichsgruppe aus, was sich auch nach drei Semestern nicht nivelliert (236–241, 253). Bei den subjektiven Indikatoren ist der Unterschied zwischen beiden Gruppen größer als bei den objektiven (
In den beiden Folgekapiteln werden zwei Lernerkorpora behandelt. In Kapitel 5 wird auf das Schreiben in der Studiersprache Deutsch fokussiert und das Korpus DISKO (Deutsch im Studium: Lernerkorpus) sowie in Kapitel 6 das Korpus MIKO (Mitschreiben in Vorlesungen: Ein multimodales Lehr-Lernkorpus) vorgestellt. Das Schreiben längerer Texte im Studium stellt internationale Studierende vor große Herausforderungen und der fehlende Kompetenzzuwachs beim Schreiben macht die Notwendigkeit einer systematischen Beschäftigung gerade mit dieser Teilkompetenz notwendig (
Die Kapitel 7 und 8 fokussieren auf diese beiden äußerst relevanten Sprachhandlungen in der Studieneingangsphase. Die Studieneingangsphase ist schon deshalb ein sinnvolles Auswahlkriterium, weil ihr eine besondere Bedeutung beim Deutschlernen im Studium zukommt (
In Kapitel 8 wird mit der (sprachbezogenen) Selbstregulation ein weiterer äußerst relevanter Einflussfaktor für den Studienerfolg thematisiert. Die allgegenwärtige Reizüberflutung im Alltag macht eine Regulation des eigenen Verhaltens unumgänglich (
Die vorliegende Publikation stellt eine nahezu umfassende Bearbeitung des Untersuchungsgegenstands dar. Erstmals liegt eine systematische empirische Analyse der (sprachlichen) Einflussfaktoren auf den Studienerfolg von Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern vor, die neue und zum Teil überraschende Befunde liefert. Der Faktor Sprache wird dabei in seiner Komplexität wesentlich erhellt und damit auch konkretisiert. Die Vielzahl an Teilaspekten erfordert spezifische methodische Settings, die angesichts ihrer Bandbreite beeindrucken.
Neben den wertvollen diagnostischen Befunden, die die vorliegende Untersuchung liefert, ergeben sich gleich mehrere Anwendungsbezüge. Diese betreffen zum einen den studienvorbereitenden und studienbegleitenden DaF-Unterricht. Zum anderen liegt auch die hochschulpolitische Dimension auf der Hand (vgl. Wisniewski/Lenhard 2022), die Aufklärungsarbeit bei Hochschulverantwortlichen und eine verbesserte finanzielle Ausstattung von DaF-Forschung und Unterrichtspraxis erfordert.
Sinnvoll wäre eine Erweiterung des Korpus um Daten weiterer Standorte, sodass die Repräsentativität der Aussagen überprüft werden kann. Insbesondere wäre es interessant zu untersuchen, wie Studierende, die an wissenschaftssprachlichen Kursen in der Studienbegleitung teilnehmen, im Vergleich abschneiden. Wünschenswert wäre auch ein noch stärkerer Praxisbezug, indem der Transfer zu Kurskonzepten der Studienbegleitung deutlicher herausgestellt würde, was jedoch nicht das Ziel dieser Untersuchung war. Auf Grund der Bedeutung der mündlichen Kompetenz im Studium wären ergänzende Untersuchungen zur Teilfertigkeit Sprechen äußerst sinnvoll, sodass sich auch in dieser Hinsicht eine sinnvolle Möglichkeit zur Anschlussforschung eröffnet.
By Martin Wichmann
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