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Pero Tafur, Aventures et voyages. Traduit, introduit et annoté par Jacques Paviot, Julia Roumier et Florence Serrano. (Études médiévales ibériques, vol. 18.) Toulouse, Presses Universitaires du Midi 2022.

Paravicini, Werner
In: Historische Zeitschrift, Jg. 316 (2023-04-01), Heft 2, S. 456-459
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Pero Tafur, Aventures et voyages. Traduit, introduit et annoté par Jacques Paviot, Julia Roumier et Florence Serrano. (Études médiévales ibériques, vol. 18.) Toulouse, Presses Universitaires du Midi 2022 

Pero Tafur, Aventures et voyages. Traduit, introduit et annoté par Jacques Paviot, Julia Roumier et Florence Serrano. Études médiévales ibériques, vol. 18. 2022 Presses Universitaires du Midi Toulouse, 978-2-8107-0781-2, € 25,–

Die Erinnerungen des andalusischen Edelmanns Pero Tafur aus Cordoba (ca. 1405/1409–ca. 1481) an seine Reise durch Europa und den Vorderen Orient in den Jahren 1436–1439, aufgezeichnet 1454/1457 (die Eroberung Konstantinopels 1453 ist mehrfach erwähnt), sind seit langem bekannt. Im kastilischen Original sind sie seit 1874 und erneut 2018 mit reichem Kommentar ediert (Marco Jiménez de la Espada, Miguel Ángel Pérez Priego), 1926 ins Englische übersetzt (Malcolm Letts), seit 1887 fortschreitend in einzelnen Länderabschnitten bekannt gemacht worden (s. die Bibliographie, S. 217–227). Der Text ist lediglich in einer Abschrift des 18. Jahrhunderts erhalten und das letzte Blatt fehlt, die Rückreise bricht in Cagliari auf Sardinien ab, es gibt auch einige kürzere, gekennzeichnete Lücken. Zum Problem erhoben wird dies nicht.

Jacques Paviot wirft in seinem Vorwort die Frage auf, ob es sich nicht nur um eine Ritterreise gehandelt habe, sondern um eine diplomatische Erkundungsmission im Auftrag König Johanns II. von Kastilien. Diese Frage stellt sich bei fast allen sogenannten ‚Ritterreisen' und ist in der Regel nicht eindeutig zu beantworten, obschon meines Erachtens meist kein verschwiegener Auftrag dahintersteht, zumal Tafur ausdrücklich darauf hinweist, dass ein (zweijähriger) Waffenstillstand der Anlass des Aufbruchs gewesen sei (S. 57). Als Argumente führt Paviot an: die Zahl der königlichen Empfehlungsschreiben (von denen aber nur eines im Text [S. 97] erwähnt ist) und die Hinweise darauf, dass Pero Tafur materielle Unterstützung durch fremde Fürsten ausschlägt, dass er über seinen Rang weit hinaus Zugang zu Königen und Fürsten hat und schließlich dass er nicht Kampf und Turnier sucht, sondern allein Anwesenheit an fremden Höfen. Dagegen spricht, dass fürstliche Empfehlungsschreiben zur Ausstattung jeder Adelsreise gehören. Nur Bargeld schlägt er aus (so wie es z. B. zwei Generationen später auch Nikolaus von Popplau tat, um es schließlich doch anzunehmen), was wie erhofft seine Ehre vermehrt, denn sein König erfährt davon (S. 201). Ebenso akzeptiert er die ihm verliehenen Gesellschaftszeichen (nur dem Herzog von Kleve lehnte er die Annahme ab, da ihm die Eidesverpflichtungen von dessen St. Antoniusorden zu schwer wogen, S. 182). Gerne aber lässt er sich freihalten und nimmt Lebensmittel u. ä. an; ansonsten finanziert er sich in Italien und dem italienischen Orient mit Wechseln, gleiches tut er in Brügge. Popplaus Reisebericht oder derjenige des Augsburger Patriziers Sebastian Ilsung zeigen ebenfalls den hohen Stellenwert eines schlichten Ritters am fremden Hof, hier aus dem Gefolge des Meisters des Calatrava-Ordens, Don Fernán de Guzmán (der ihn möglicherweise mit Handelsaufträgen versehen hatte), dies, weil er Ansehen an anderen Höfen begründet. Schließlich kann es kaum erstaunen, dass ein erprobter Streiter gegen die Muslime von Granada auf seiner Reise nicht vorwiegend als Sarazenenkämpfer auftritt; die Preußenfahrt, die noch 1411 für seinen Landsmann Alfonso Mudarra ein Ziel war, existierte ohnehin nicht mehr. Das schließt aber nicht aus, dass er sich unterwegs seiner Haut wehren muss und von Fürsten für ihre Zwecke eingespannt wurde, auch von Papst Eugen IV. Manche Datierung bleibt unbestätigt, so diejenige der Reise ins Hl. Land – erfolgte sie 1437, 1438 oder 1439? „La réalité de ce voyage reste un mystère" (S. 26). Stets kennt er jemanden vor Ort, auch unter den Kaufleuten, die Landsmannschaft hilft immer, was von anderen Reiseberichten bestätigt wird: Die Gesellschaft war viel mobiler als wir mitunter annehmen. Leider nennt er selten Namen, wenn es sich nicht um Kastilier und Italiener handelt, so auch mehrerer Deutscher, auf die er im Hl. Land trifft; zwei von ihnen erteilt er über dem Hl. Grab den Ritterschlag, ebenso einem ungenannten Franzosen (S. 93, 95). Bekannt ist sein Treffen mit dem Indienreisenden und Renegaten Niccolò de' Conti, der ihm vom Presbyter Johannes erzählt (S. 110–116, 119), keineswegs einzigartig sein Besuch von Troja (S. 126 f.), eher schon derjenige im fernen Caffa, wo Tafur bedenkenlos drei Sklaven erwirbt. Selbst sein auf dem Wappen beruhender Anspruch, mit dem byzantinischen Kaiser verwandt zu sein, ist nicht ohne Parallele (S. 129–133): Ähnliches entdeckten die rheinischen Merode in Bezug auf das Haus Aragon, und die Colonna und Orsini hatten zeitweilig viele Nachkommen im Reich.

Viel ist aus Pero Tafurs Bericht für die Reichsgeschichte zu entnehmen, fährt er doch im Sommer 1438 von Basel bis Köln den Rhein hinab und wieder hinauf und besucht die dortigen Fürsten. Im Oktober/November 1438 nimmt er am Nürnberger Reichstag teil (S. 195 f.), begegnet dem Kanzler Kaspar Schlick auch in Eger und Prag (S. 196), sieht Albrecht Herrn von Pottendorf wieder (den er an der Grenze zu Jaén kennengelernt hatte, S. 196, 199) und hält sich im Dezember am Hof König Albrechts II. in Breslau auf (S. 198–202). In Nürnberg hatte er die Kühnheit, vernehmlich zu bemerken, dass er die heilige Lanze bereits in Konstantinopel gesehen habe, was einigen Aufruhr zur Folge hatte (S. 144, 196 f.).

Diese erste Gesamtübersetzung ins Französische muss sich fragen lassen, was nun ihr Mehrwert ist, wenn man davon absieht, dass Franzosen den Text nun leichter lesen können und außerhalb Frankreichs diejenigen, die Schwierigkeiten vor allem mit dem Kastilischen haben. Der Originaltext ist nicht beigegeben, der gut informierte Stellenkommentar, für den auch externe Kollegen befragt wurden, ist ausdrücklich (S. 57 Anm. 1) nicht belegt. Lila, eine brabantische Stadt zwischen 's-Hertogenbosch und Mecheln (S. 183) kann indes nicht Lille sein (S. 24, 183 Anm. 84, Index S. 283) – das gibt es nur in wallonisch Flandern –, sondern ist Lier. Über die Herren von Heinsberg (S. 179, 180) hätte sich Eingehenderes sagen lassen als hier geschehen. Und dass im Jahre 2014 in Schaffhausen eine Tagung und eine Ausstellung (Ritterturnier. Geschichte einer Festkultur) veranstaltet wurden, die auf Pero Tafurs Beschreibung der Turnierregeln zurückgriff (hier S. 176, 193 f., Karl Stehlin 1915, im Katalog S. 235 f.), hätte vielleicht erwähnt werden können.

Es handelt sich also einerseits um eine Leseausgabe. Andererseits sind die drei Herausgeber ausgewiesene Fachleute: der Historiker Jacques Paviot (Paris) für den Orient, Kreuzzug und Reisen im späten Mittelalter, die Literaturwissenschaftlerinnen Julia Roumier (Bordeaux) und Florence Serrano (Chambéry) für Pero Tafur bzw. die spanische Literatur im 15. Jahrhundert. Jacques Paviot steuert eine Lebensbeschreibung des Pero Tafur bei und eine Chronologie seiner Reise (Tafur gibt keine direkten Daten) und bietet auch eine Karte der von ihm besuchten Orte (S. 8–26). Julia Roumier fragt nach dem Wert dieses Zeugnisses und Tafurs heroischer Selbstdarstellung, wozu besonders der Prolog einlädt, der möglicherweise von einem anderen Autor geschrieben wurde (S. 30–38), Florence Serrano behandelt Tafurs Sprache und die Probleme, die zahlreiche Fachausdrücke der Übersetzung aufgaben (S. 39–54, die Eigennamen werden alle auch in der Originalsprache angeführt). Der französische Text füllt die Seiten 54–216. Ein Index der Ortsnamen in ihrer französischen Form (S. 233–241) und der Personennamen (S. 243–254) beschließen hilfreich den Band. Kein geringes Verdienst der Veröffentlichung ist es, den überaus interessanten Text in seiner Mischung aus Erlebtem und Gehörtem wieder in Erinnerung gerufen zu haben.

By Werner Paravicini

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Titel:
Pero Tafur, Aventures et voyages. Traduit, introduit et annoté par Jacques Paviot, Julia Roumier et Florence Serrano. (Études médiévales ibériques, vol. 18.) Toulouse, Presses Universitaires du Midi 2022.
Autor/in / Beteiligte Person: Paravicini, Werner
Link:
Zeitschrift: Historische Zeitschrift, Jg. 316 (2023-04-01), Heft 2, S. 456-459
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: review
ISSN: 0018-2613 (print)
DOI: 10.1515/hzhz-2023-1086
Schlagwort:
  • AVENTURES et voyages (Book)
  • TAFUR, Pero
  • PAVIOT, Jacques
  • ROUMIER, Julia
  • SERRANO, Florence
  • VOYAGES & travels
  • NONFICTION
  • Subjects: AVENTURES et voyages (Book) TAFUR, Pero PAVIOT, Jacques ROUMIER, Julia SERRANO, Florence VOYAGES & travels NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Kronshagen, Germany.

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