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Garrett Ryan, Greek Cities and Roman Governors. Placing Power in Imperial Asia Minor. London, Routledge 2021.

Oer de Almeida, Samuel
In: Historische Zeitschrift, Jg. 316 (2023-06-01), Heft 3, S. 694-696
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Garrett Ryan, Greek Cities and Roman Governors. Placing Power in Imperial Asia Minor. London, Routledge 2021 

Garrett Ryan, Greek Cities and Roman Governors. Placing Power in Imperial Asia Minor. 2021 Routledge London, 978-0-367-75684-0, 148,95 €

Garrett Ryan legt mit diesem Buch eine stark überarbeitete Fassung seiner 2016 abgeschlossenen Dissertation vor. Darin geht er der Frage nach, wie sich die Autorität römischer Statthalter in griechischen Städten des westlichen Kleinasiens der Kaiserzeit manifestierte und welche Effekte deren öffentliche Räume in diesem Kontext entfalteten. Der Fokus liegt auf der politisch aufgeladenen kommunikativen Interaktion zwischen Statthalter, lokaler Elite und Polis-Bürgerschaft vor dem Hintergrund der gebauten Umwelt. In fünf thematisch gegliederten Kapiteln nähert sich der Autor diesen Fragen.

Nach einer kurzen Einleitung (S. 1–3) gibt Ryan einen schlaglichtartigen Überblick zur griechischen Stadt in der Kaiserzeit, ihren kulturellen Eigenheiten, ihrer Gesellschaft und politischen Verfasstheit sowie der sozialen Funktion des Euergetismus (S. 4–24). Besonders betont er den von ihm postulierten Zusammenhalt der Elite und die Rolle von Ritualen im öffentlichen Raum wie religiösen Prozessionen oder adventus für die Präsentation eines geordneten Gemeinwesens gegenüber Auswärtigen. Bisweilen ist tatsächlich eine Kooperation der Elite wie bei der Errichtung der Celsus-Bibliothek in Ephesos nachzuvollziehen; Beispiele wie Dion von Prusas gescheitertes Bauprojekt in seiner bithynischen Heimatstadt, das Ryan als Zeugnis des Zusammenhalts in der Führungsschicht interpretiert (S. 4–6), können jedoch ebenso gut als Zeichen innerelitärer Konkurrenz verstanden werden. Die Monumentalisierung von zentralen Straßenzügen, die in Kleinasien ein Phänomen besonders des 2. Jahrhunderts n. Chr. darstellt, als „radical conservatism" (S. 7) zu charakterisieren, vermag zudem nicht zu überzeugen.

Das zweite Kapitel (S. 25–40) widmet sich den Zuständigkeiten proconsularischer Statthalter in den griechischen Provinzen, Verhaltensnormen in der Amtsführung und den performativen Techniken, mittels derer diese Repräsentanten römischer Herrschaft ihre Autorität zum Ausdruck brachten. Der ostentative Einsatz eines gewissen Habitus, von Amtsinsignien und Begleitpersonen richtete sich, je nach Situation, an verschiedene Adressaten, unter denen Ryan den Kaiser mitsamt seinen Vertrauten, die senatorischen Kollegen und die lokale Elite identifiziert. Zum Tragen kommt dabei auch die römische Sicht auf die zeitgenössischen Griechen, die bekanntlich von Dekadenznarrativen bestimmt ist.

Im Anschluss rekonstruiert der Autor den adventus des Statthalters in Ephesos, Milet und Pergamon und analysiert die Wirkungspotentiale des jeweiligen Stadtbildes (S. 41–72). Obwohl die Topographie und konkreten Bewegungsabläufe der Zeremonien in weiten Teilen hypothetisch bleiben, bietet der Verfasser zahlreiche Einzelbeobachtungen, die erkennen lassen, wie die lokale Elite den öffentlichen Raum mittels Architektur und bildlichem Dekor gestaltete und das Stadtbild zur Demonstration kommunaler Harmonie, altehrwürdiger Lokalgeschichte oder personaler Prominenz zu nutzen versuchte. Ryan macht dabei Gebrauch von diversen architekturtheoretischen Ansätzen, die in ihrer Vielfalt allerdings eher die methodische Stringenz beeinträchtigen und seine Ergebnisse kaum beeinflussen – wie er später selbst anmerkt (S. 119).

Das vierte Kapitel (S. 73–96) beschäftigt sich mit dem räumlichen Kontext, in dessen Rahmen der Statthalter in conventus-Zentren Recht sprach. Die judikative Aktivität des Proconsuls war weitgehend ortsflexibel, fand aber in der Regel im öffentlichen Raum – auf Agorai, in Stoai oder Basiliken – statt. Dort aufgestellte Statuen des Kaisers untermauerten zum einen die Autorität des Statthalters, zum anderen mahnten sie ihn dazu, sein Amt maßvoll auszuüben. Einzelne Mitglieder der lokalen Elite, die ihm dabei beratend zur Seite standen, nutzten ferner dessen Präsenz, um die Akzeptanz ihrer eigenen gesellschaftlichen Stellung zu festigen.

Eine Fallstudie zum Fest des asiatischen Koinons in Ephesos (S. 97–118) bildet das abschließende Kapitel. Ausgehend von der Akteur-Netzwerk-Theorie untersucht der Autor das Verhältnis zwischen gebauter Umwelt, dem Statthalter und verschiedenen lokalen wie auswärtigen sozialen Gruppen im Rahmen des bedeutenden penteterischen Festes. Ryan zeigt dabei überzeugend auf, dass die Wahrnehmung des flavischen Neokorie-Tempels und der hierarchisierenden Sitzordnung des ephesischen Theaters je nach Interessenlage der unterschiedlichen Akteure variiert haben muss.

Der knappe Epilog (S. 119 f.) hebt erneut die – laut Ryan – im Stadtbild zum Ausdruck kommende Gruppenidentität der lokalen Elite hervor, die sich mit der Autorität des Statthalters assoziierte und ihn zugunsten ihrer Interessen zu beeinflussen suchte. Drei kurze Appendices (S. 121–129) zur Bedeutung des Stadtbildes in der griechischen Rhetorik der Kaiserzeit, zur Aneignung griechischer Kultur in Italien und zu Ehrungen eines besonders verdienstvollen Proconsuls stehen seltsam separiert und hätten von einer Integration in den Hauptteil profitiert. Eine umfangreiche Bibliographie (S. 131–157), die allerdings stellenweise einer gründlicheren Schlussredaktion bedurft hätte, und ein kurzer Index (S. 159 f.) beschließen das Buch.

Methodische Unbestimmtheit und kleinere argumentative Mängel dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem Autor gelingt, die in weiten Teilen ritualisierten Aktivitäten des römischen Statthalters in griechischen Städten des westlichen Kleinasiens in ihrem räumlichen Kontext verständlich zu machen: Die Analyse der interaktiven Wechselbeziehungen zwischen römischer Autorität, den Wirkungspotentialen der gebauten Umwelt und den Interessen unterschiedlicher sozialer Gruppen führt zu neuen Einsichten in die Rolle des öffentlichen Raumes bei der Konstruktion politischer Geltungsansprüche in den griechischen Provinzen des römischen Reiches.

By Samuel Oer de Almeida

Reported by Author

Titel:
Garrett Ryan, Greek Cities and Roman Governors. Placing Power in Imperial Asia Minor. London, Routledge 2021.
Autor/in / Beteiligte Person: Oer de Almeida, Samuel
Link:
Zeitschrift: Historische Zeitschrift, Jg. 316 (2023-06-01), Heft 3, S. 694-696
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: review
ISSN: 0018-2613 (print)
DOI: 10.1515/hzhz-2023-1140
Schlagwort:
  • GREEK Cities & Roman Governors: Placing Power in Imperial Asia Minor (Book)
  • RYAN, Garrett
  • GOVERNORS
  • IMPERIALISM
  • NONFICTION
  • Subjects: GREEK Cities & Roman Governors: Placing Power in Imperial Asia Minor (Book) RYAN, Garrett GOVERNORS IMPERIALISM NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Klassische Archäologie, Tübingen,, 72070, Germany.
  • Full Text Word Count: 795

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