Rala I. Diakité, The Eleventh and Twelfth Books of Giovanni Villani's „New Chronicle". Research in Medieval and Early Modern Culture, Vol. 31. Studies in Medieval and Early Modern Culture, Vol. 79. 2022 Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston, 978-1-5015-1842-3, € 134,70
Der im Jahr 1348 an der Pest verstorbene Florentiner Giovanni Villani gehört mit seiner (durch Matteo und Filippo Villani fortgeführten) „Nuova Cronica" zu den Großchronisten des Mittelalters; die unter den 111 Handschriften bekannteste, der Villani illustrato (BAV, Chigi.L.VIII.296), liefert bis heute zahllosen Geschichtsbüchern suggestives Bildmaterial. Eine (aufgrund komplexer Überlieferung erstellte) kritische Edition dieses volkssprachlichen Chronikwerkes legte 1991 Giuseppe Porta vor. Eine englische Übersetzung aus dem Jahr 1896 reichte bis Buch 9, Diakité und Sneider erweiterten sie 2016 durch ihre Übersetzung von Buch 13, die sie nun um die Bücher 11 und 12 ergänzen. In guter anglophoner übersetzerischer Tradition, die in der deutschsprachigen Wissenschaft heute leider meist fehlt, machen sie so einem Publikum dieses wichtige Opus zugänglich, das des Italienischen des 14. Jahrhunderts nicht mächtig ist; in Forschung und akademischer Lehre kann man für diese Initiative, die auch dem deutschsprachigen Kontext ein Ansporn sein sollte, dafür nur dankbar sein.
Durch eine doppelte, kurze Einleitung sachkundig eingeführt (den historischen Kontext übernimmt Sneider, den philologisch-kritischen Diakité – hier sind neben Erwägungen zur Notwendigkeit einer Neuedition besonders die Überlegungen zum riesigen Erfolg der Chronik durch Adaptionen interessant), steht doch in diesem Buch der Text im Vordergrund, und dieser hat es in sich: Immer streng aus Florentiner Perspektive betrachtet, wohlinformiert und teils selbst betroffen, berichtet die Chronik in interner Sicht über den Mauerbau, die Bronzetüren des Andrea Pisano am Baptisterium, Renovierungsarbeiten am Dom, den Bau des Glockenturmes durch Giotto (mit einer Kurzbiographie; XII, 12), über Ämterstrukturen, Luxusgesetzgebungen und Steuern, Verbrennungen von Häretikern, politischen Verrat, die behördliche Anordnung der Errichtung von Firenzuola u. a. m. Außerhalb der Stadt liegt der Fokus auf der kriegerischen Expansion, den Belagerungen und Schlachten gegen die toskanischen Gegner; es endet mit dem katastrophalen Verlust von Lucca. Wir sind in der Welt der Guelfen und Ghibellinen, des Karl und Robert von Anjou, eines Uguccione della Faggiola, des (durch Machiavelli berühmt gemachten) Castruccio Castracani, des Mastino della Scala und natürlich in jener von Ludwig dem Bayern, dessen Romzug und Krönung hier bekanntlich breiter Raum gewährt wird, weshalb man gerade auch in den deutschsprachigen Ländern die Übersetzung goutieren dürfte. Immer wieder wird die Perspektive geweitet, nach Rom, hin zum Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich, auf den Peloponnes, nach Konstantinopel, Granada, zur Sarazenengefahr.
Aber es ist eben auch die Zeit der bekannten Bankencrashs (XII, 88), der Pest, der Naturkatastrophen und ihrer angeblich übernatürlichen Anzeichen, wir lesen von Erdbeben, Sonnen- und Mondfinsternissen und Kometen – zeigen sie das Eingreifen Gottes an? –, von häufigen Bränden (ein Florentiner notiert jene in Brabant ebenso wie solche auf dem Ponte Vecchio), von Fluten, einschließlich der langen Schilderung der Flutkatastrophe von 1333 und der damit verbundenen Bewältigungsstrategien (XII, 1–4), auch von der großen Hungersnot (natürlich begleitet durch einen Kometen) und dem Bau von Orsanmichele (XII, 67). Schließlich fehlen auch Städtelob (XII, 94) und der Vergleich mit dem Alten Rom nicht. Die Villani-Chronik ist (modern gesprochen) streng kampanilistisch, aber sie blickt aus Florentiner Warte auch in weitere Welten. Diese bedeutende Chronik – hier Buch 11 und 12 – nun in einer flüssig lesbaren und angenehm sowie wohlinformiert kommentierten Übersetzung in die heutige lingua franca übertragen, mit Nachweis von Editionen und Basisbibliographie sowie akkuratem Register ausgestattet, einem breiteren Publikum zugänglich gemacht zu haben, ist ein sehr schätzenswertes Verdienst, das Lehre und Forschung voranbringen wird.
By Tobias Daniels
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