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Dansk Sproghistorie.

Lindqvist, Christer
In: European Journal of Scandinavian Studies, Jg. 53 (2023-04-01), Heft 1, S. 138-156
Online academicJournal

Dansk Sproghistorie 

Ebba Hjorth (Hauptherausgeberin) Henrik Galberg Jacobsen Bent Jørgensen Birgitte Jacobsen Laurids Kristian Fahl Dansk Sproghistorie. Bd. 1 Dansk tager form, Bd. 2 Ord for ord for ord, Bd. 3 Bøjning og bygning, Bd. 4 Dansk i brug, Bd. 5 Dansk i samspil, Bd. 6 Forfatternes dansk. København/Aarhus, 2016–2022.

Mit Dansk Sproghistorie (DS) erscheint erstmals seit Peter Skautrups monumentalem Det danske sprogs historie (; DSH) eine umfangreiche dänische Sprachgeschichte. In sechs Bänden mit insgesamt 21 Kapiteln auf rund 2600 Seiten wird die Entwicklung des Dänischen von den ältesten (vordänischen) Runeninschriften bis hin zur computervermittelten Kommunikation behandelt. Knapp 90 Autorinnen und Autoren haben unter der Leitung von Ebba Hjorth samt Redaktionsgremium mit ihrem gesammelten Wissen zu diesem Großwerk beigetragen, das auch sprachhistoriographisches Neuland betritt, allerdings öfter mit Rückbezug auf Skautrups DSH.

1 Dansk tager form

Band 1, Dansk tager form, enthält vier Kapitel. In Kilderne stellt Bent Jørgensen Quellenmaterial aus rund 2000 Jahren vor. Der Löwenanteil ist naturgemäß schriftlich, aber ab dem frühen 20. Jh. findet sich mit den ersten Rundfunksendungen und Dialektaufnahmen auch mündliches Material. Vor allem aber zeigt sich bereits hier, dass DS sich dessen bewusst ist, dass die Wahl von Material, methodischem Zugriff und Darstellungsart per se in der Gegenwart verankert ist, dass also Sprachhistoriographie durch zeitgebundene Prämissen geprägt ist.

Im Kapitel Historie og sprog stellt zunächst Frans Gregersen verschiedene theoretische Perspektiven auf Sprache und Sprachgeschichte vor, wobei allerdings der Überblick über die sprachwissenschaftlichen Epochen manche außereuropäischen Denktraditionen wie die indische Grammatiklehre (mit ihren Vorstellungen von Systemhaftigkeit und ihrer Vorwegnahme zentraler Konzepte z. B. des Phonems und des Graphems) unerwähnt lässt. Die aufschlussreiche Zusammenfassung der sprachwissenschaftlichen Ideengeschichte ab dem 19. Jh. schenkt Rasmus Rask, Karl Verner, Otto Jespersen, Louis Hjelmslev und Peter Skautrup die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Bent Jørgensen stellt sodann die verwendete Periodeneinteilung vor, wobei runedansk nicht trennscharf vom Runenschwedischen zu unterscheiden ist, so dass die Zweitglieder dieser beiden traditionellen Periodenbezeichnungen Züge anachronistischer Projektionen enthalten. Wie Esben Albrectsens erkenntnisreiches Kapitel zeigt, ist sich DS jedoch solcher sprachideologischen Fragen bewusst, denn hier wird aufgezeigt, welche Bedeutung das Dänische zu verschiedenen Zeiten für Vorstellungen von nationaler Identität hatte, zumal in dem absolutistischen Vielvölkerstaat mit Dänemark (im engeren Sinne), Norwegen (samt Grönland, Island und den Färöern) und den Herzogtümern mit ihren jeweils eigenen Sprachen und Dialekten dänischsprachige Identität und dänischer Staatspatriotismus stets in einem Spannungsverhältnis zueinander standen und teilweise noch stehen. Adam Hyllested ordnet sodann das Dänische in die große indoeuropäische Sprachfamilie ein, ohne sich in den intrikaten Details des Indoeuropäischen zu verlieren. Allerdings ist der Wandel awn. -r > fär./isl. -ur mit „på islandsk og færøsk [blev der] indsat en y-agtig støttevokal -u-" (S. 151) nicht korrekt beschrieben: Der ursprünglich velare Sprossvokal wurde im Färöischen nie zu y. Historie og sprog schließt mit einem Kapitel, in dem Bent Sørensen anhand gut gewählter Beispiele u. a. daran erinnert, dass bei überlieferten Wörtern nicht immer klar ist, was mit ihnen tatsächlich gemeint war.

Im zweiten Kapitel Sprogbeskrivelser steht die Sprachhistoriographie im Vordergrund, wobei eine Reihe von Sprachgeschichten (Bente Holmberg), Wörterbüchern (Ebba Hjorth), Grammatiken (Lars Heltoft), Rechtschreibhandbüchern (Henrik Galberg Jacobsen) und Aussprachehandbüchern (Hans Basbøll) vom Mittelalter bis hin zu den heutigen mobilen Wörterbuch-Apps vorgestellt werden. Sogar für ein etwas eigenwilliges Wörterbuch zu ghettodansk ist Platz. Auch die wichtigsten Untersuchungen zu Orts- und Personennamen, Dialekten, Runeninschriften, mittelalterlichen Texten samt ihren Autorinnen und Autoren werden in Sprogbeskrivelser genannt. Zu Recht wird hier die Bedeutung von Rasmus Rasks Undersögelse om det gamle Nordiske eller Islandske Sprogs Oprindelse ([19]) für die Entwicklung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft hervorgehoben. Allerdings vermisst man eine ausführlichere Behandlung von Johannes [5]Gammeldansk grammatik i sproghistorisk fremstilling – immerhin eine der umfangreichsten Beschreibungen einer altgermanischen Sprache überhaupt. Lars Heltoft nimmt die Rezeption von Paul Diderichsens Elementær dansk Grammatik ([7]) zum Ausgangspunkt für seinen Teilbereich, so dass die gesamte davorliegende Grammatikgeschichte (mit u. a. Jens Høysgaards Grammatiken) lediglich als bibliographische Daten in Literaturlisten erscheint. Bei Basbølls Behandlung der Aussprachehandbücher wird jedoch Høysgaards Analyse des dänischen Stoßtons diskutiert. Allerdings ist unglücklich, dass die Tabelle auf S. 285 dessen Terminologie von 1769 darstellt, während der Begleittext sich auf jene von 1743 bezieht. Des Weiteren werden Arbeiten von Rasmus Rask, Otto Jespersen, Aage Hansen, Eli Fischer-Jørgensen, Nina Grønnum, Hans Basbøll und vielen mehr vorgestellt. Ebenso erfährt man, welche Bedeutung André Martinets La Phonologie du mot en danois ([15]) und Henry Sweets A Handbook of Phonetics ([25]) für die dänische Forschung hatten. Galberg Jacobsens Ausführungen zur Geschichte der dänischen Rechtschreibung profitieren sehr davon, dass hier verschiedene Rechtschreibprinzipien (phonetisches Prinzip, Morphemkonstanzschreibung, historisierende Schreibung usw.) erläutert werden. Allerdings wird die Geschichte der dänischen Rechtschreibhandbücher nur punktuell und nicht systematisch auf dieses theoretische Raster bezogen (vgl. hierzu [31]). Das Kapitel Sprogbeskrivelser ist aber nicht nur ein who is who der dänischen Sprachhistoriographie; oft werden auch die behandelten Werke ideen- und rezeptionsgeschichtlich eingeordnet. Band 1 Dansk tager form erscheint mit Blick auf diese drei einleitenden Kapitel daher eher als ein Dansk sproghistorieskrivning tager form.

Erst im letzten Kapitel Skrift von Band 1 geht es in DS mit der Sprachgeschichte im engeren Sinne los. Es ist sehr zu begrüßen, dass damit der schriftlichen Formseite von den Runen über die lateinische Schrift hin zur Stenographie gebührender Platz eingeräumt wird. Michael Lerche Nielsen behandelt die Runen in einem Unterkapitel und gibt einen guten Überblick vom älteren und jüngeren Futhark über die mittelalterlichen Runen bis hin zu ein paar Anmerkungen über ihre nachreformatorische Verwendung. Man könnte hier ergänzen, dass eine h- und eine b-Rune als Binderune auf nicht wenigen elektronischen Alltagsgeräten als Bluetooth-Symbol zu sehen ist und dass die Runen in mancher Esoterikliteratur eine Renaissance erlebt haben. Bei der Frage nach der Herkunft der Runen kommen die klassischen Hypothesen (Latein-, Griechisch-, Etruskischhypothese) zur Sprache, Theo [29], [30]) Argumente für einen direkten Ursprung der Runen in der phönizischen Schrift jedoch nicht. Das Wort Rune wird traditionell auf an. rún ,(geheimes) Wissen' zurückgeführt, ohne auf [17] erwägenswerte Etymologie einzugehen, nach der rūn- zu Wörtern mit der Bedeutung ,graben, Furchen ziehen' gestellt wird. Die Entwicklung von der karolingischen über die gotische Minuskelschrift, die gotischen Schriften, die humanistische Buchschrift bis hin zu den neugotischen Schriften ist in den beiden Kapiteln, die Aage Nielsen verantwortet, auf erstaunlich knappem Raum informationsdicht zusammengefasst. Weiterhin fasst Niels Haastrup das Wichtigste zur epigraphischen Schrift zusammen, und Bent Jørgensen erörtert – auch das eine sprachhistoriographische Neuerung – die sichtbare Sprache im öffentlichen Raum, allerdings ohne auf die Theorie von linguistic landscapes Bezug zu nehmen (vgl. z.B. [4]). Ervin Nielsen zeigt die verschiedenen Druckschriften auf und macht die deutschen, englischen, französischen und US-amerikanischen Einflüsse deutlich, behandelt aber auch die Entwicklung dänischen Schriftdesigns. Die Geschichte der dänischen Schriftlichkeit erweist sich als vielfältig und international verflochten. In Bent Rohdes Kapitel finden erstmals in einer dänischen Sprachgeschichte Schulausgangsschriften Berücksichtigung. Eine Prämiere ist auch die Behandlung der digitalen Schriften (einschließlich der anfänglichen Probleme mit <æ, ø, å>) (Henrik Birkvig), der Stenographie (Finn Holle) – mit einer Abbildung aus dem deutschen Bundestag – und der Brailleschrift (John Heilbrunn und Kurt Nielsen). Zu ergänzen wäre hier die Verwendung von Schrift in der konkreten und visuellen Poesie wie etwa beim Gomringer-inspirierten Vagn Steen.

2 Ord for ord for ord

Band 2 mit fünf Kapiteln hat den Titel Ord for ord for ord und fokussiert auf Rechtschreibung, Zeichensetzung, Aussprache und Lexik. Hiervon getrennt werden erst im folgenden Band 3 Flexion und Syntax behandelt. Der große Vorteil dieses Primats der sprachdisziplinären Zergliederung liegt in den zusammenfassenden Beschreibungen einzelner Bereiche. Das aber lässt die Leserschaft mit der Aufgabe allein, ein ganzheitliches Bild einer bestimmten Sprachstufe zu synthetisieren. Gerade hierin unterscheidet sich DS wohl am meisten von Skautrups Sprachgeschichte. Allerding gelingt es vor allem Henrik Galberg Jacobsen am Anfang von Kap. 5.4, mit vielen DS-internen Verweisen dem Zergliedern entgegenzuwirken.

Gelegentlich verlässt Ord for ord for ord den gesteckten lexikalischen Rahmen, denn das Kapitel Tegnsetning (mit je einem Beitrag von Ebba Hjorth und Henrik Galberg Jacobsen), welches dem ersten Kapitel Ortografi folgt, behandelt naturgemäß auch größere Einheiten bis hin zum Satz. Michael Lerche Nielsen und Marie Stoklund stellen die runischen Schreibweisen vor, u. a. die Regel, dass /nd/ allein mit der d-Rune verschriftet wird (S. 11). Etwas unglücklich gewählt ist jedoch das erklärende Beispiel, wonach dän. kaffekande runisch mit -kade erschiene. Allerdings wäre hier nicht runisch mit der d-Rune zu transliterieren, sondern intervokalisches /n/ ganz einfach mit der n-Rune zu schreiben gewesen – verschriftet wird ja die Aussprache; also -kane. Ein Wort wie yndig hätte die Sache getroffen. Etwas irritierend ist auch, dass manche der normalisierten Runenformen im Text etwas andere Allographe erhalten haben als die in der Runenreihe unten auf S. 13 aufgeführten. Das Kapitel geht sehr sparsam mit Datierungsangaben zu den besprochenen Inschriften um. Sodann folgen in Ortografi Ausführungen zum Altdänischen (Britta Olrik Frederiksen) mit übersichtlichen Tabellen und Erörterungen der Graphem-Phonem-Korrespondenzen. Dann folgt das ältere (Hanne Ruus) und jüngere Neudänisch (Henrik Galberg Jacobsen).

Das folgende Kapitel Udtale zur Lautentwicklung schafft es sehr gut, ein sprödes Material gut und informationsreich darzustellen. Indes finden sich im Abschnitt zum Runendänischen (Michael Lerche Nielsen und Marie Stoklund) einige Inkonsequenzen in den Bezeichnungen. So erscheinen <ƀ, đ, ǥ> und die Längenzeichen zwar in den urnordischen Normalisierungen im Brottext, jedoch nicht durchgehend in den Beispielen der Schaubilder wie z. B. in der Inschrift vom Tjurkö-Brakteat, wo mit Längenzeichen, aber gleich danach mit ohne Längenstrich (S. 137) erscheinen. Im Schaubild zum Umlaut (S. 140) fehlt der Palatalumlaut e > i, welcher aber im folgenden Text erwähnt wird. Unten auf S. 141 fehlt in „fx blev *junga til ungr" das z in -az. Britta Olrik Frederiksens Ausführungen zum Altdänischen, die in engem Bezug zu ihrem Kapitel zur altdänischen Orthographie stehen, konzentrieren sich gewinnbringend auf die wesentlichen Entwicklungen. Hier finden sich auch Angaben zur altdänischen Dialektdifferenzierung, obwohl die Dialekte als Gesamtheit erst in Band 3 Bøjning og bygning behandelt werden. Es fällt jedoch auf, wie sehr auf innersprachliche Erklärungen (Assimilationen als Ausspracheerleichterung) für den überaus raschen Wandel im Altdänischen fokussiert wird. Scheiden soziolinguistische Erklärungen gänzlich aus?

Simon Skovgaard Boecks Ausführungen zum älteren Neudänisch geben nicht nur die Entwicklung wieder, sondern zeigen auch auf, dass sich bereits hier die ersten Überlegungen zur „besten" Aussprache finden. Bei Lars Brink und Jørn Lund nehmen beim jüngeren Neudänisch naturgemäß soziolektale Entwicklungen in und Verschiebungen zwischen Lav- und Højkøbenhavnsk viel Platz ein, welche allerdings teilweise nochmals in Band 3 (Sociolekter) behandelt werden. Wie bei den Dialekten wird auch hier ersichtlich, dass DS Probleme hat, soziale und regionale Variation strukturiert unterzubringen. Lars Brink schließt Udtale mit einem Unterkapitel zur lexikalischen Prosodie, das vor allem dem dänischen Stoßton viel Aufmerksamkeit schenkt, diesen aber auch in Bezug zum musikalischen Akzent im Norwegischen und Schwedischen stellt. In der genannten Literatur vermisst man indes Tomas [20], [21]) erkenntnisreiche Arbeiten zu diesem Thema. Schließlich werden Beispiele aus der Lyrik des 17. Jh. für Betonungsuntersuchungen herangezogen.

Das Kapitel Ordforrådet umfasst verschiedene Aspekte des Wortschatzes. Eva Skafte Jensen bespricht einleitend die Herkunft der Wörter. Dabei wird an einer traditionellen Unterscheidung von Fremd- und Lehnwörtern festgehalten, obwohl viele Argumente vorgebracht werden, weshalb eine solche Dichotomie nicht aufrechtzuerhalten ist. Ordforrådet zielt aber nicht nur auf Entlehnungen. So erläutert Bent Sørensen die häufigsten Wortbildungsmittel im Dänischen bis hin zu Inflektiven (gulp!) und Buchstabierwörtern (wc). Weitere, teilweise entlehnte und für die jüngste Wortschatzentwicklung typische Kurzwortbildungen wie Lautinitialwörter (DIFU = Dansk Institut For Uddannelse), Pseudoableitungen (kendis), Endwörter (bil), Kopfwörter (emo), Kürzungskomposita (p-pille) und diskontinuierliche Kurzwörter (deppet) bleiben indes unerwähnt (vgl. hierzu [18]; [14]). Etwas befremdlich mutet es jedoch an, karrierekvinde zu den „stillingsbetegnelser" zu zählen.

Darauf folgen Überblicksdarstellungen zum Wortschatz im Runen- und Altdänischen (Marita Akhøj Nielsen), im älteren Neudänisch (Simon Skavgaard Boeck) und im jüngeren Neudänisch (Henrik Andersson). Bei alledem geht es viel darum, was an Lexik überliefert ist, aber auch um Bedeutungswandel. Zudem werden viele gut gewählte Schlaglichter auf Einzelwortschicksale geworfen. Eine systematische Terminologie, um die Struktur des Wortschatzes zu erfassen, wird indes nicht eingesetzt (z. B. zu Wortfeldern, Synonymie, Antonymie, Konversivität, Meronymie, Holonymie, Komplementarität, Hyponymie, Hyperonymie, Homonymie/-graphie/-phonie, Metaphorik, Metonymie). Auch kommen Mehrwortgebilde (Phraseologismen, Kollokationen, Funktionsverbgefüge ...) zu kurz. Ordforrådet schließt mit einem Abriss zur Entwicklung von Fachsprachen (Anne Duekilde), Slang (Peter Stray Jørgensen) und Namen (Vibeke Dalberg), wobei es im letzteren Kapitel vor allem um Personen- und Ortsnamen geht. Zu Namen von z. B. Fähren, Unternehmen oder Marken findet man nichts. Zur Entstehung und zum Wandel von Interjektionen, Schimpf- und Fluchwörtern finden sich in Ordforrådet ebenfalls keine Ausführungen.

Band 2 schließt mit dem Kapitel Ord fra andre sprog. Darin wird jedoch die im Kapitel Ordforrådet eingeführte Unterscheidung von Fremd- und Lehnwörtern nicht konsequent benutzt. Bei Entlehnungen aus den romanischen Sprachen (Henrik Lorentzen) werden diese sogar gar nicht unterschieden. Dagegen führt Pia Jarvad bei den Anglizismen den seit einigen Jahren etablierten Begriff importord ein. Und erst hier – fast am Ende von Band 2 – findet man eine etwas ausführlichere Lehnwortklassifikation, die allerdings hinter der [26], den man auch im Literaturverzeichnis vermisst, zurückfällt. Anglizismen nach 2000 werden nicht behandelt. Johnny Christensen und Niels Sørensen betrachten Entlehnungen aus den antiken Sprachen erfreulicherweise nicht nur als eine von vielen anderen Lehnwortschichten. Vielmehr machen sie deutlich, wie Übersetzungsentlehnungen ursprünglich philosophischer Termini eine weitgehend gemeineuropäische Alltagsprache schaffen und vor allem auch eine kulturspezifische Perspektive auf die Welt werfen (vgl. z. B. omstændighed, medlidenhed, tilfældig ← lat. circumstantia, compassio, accidentalis). Auch Vibeke Winge geht über das reine Aufzählen von nieder- und hochdeutscher Lexik im Dänischen hinaus, indem sie einleitend die phonologischen Bedingungen der Lehnwortintegration vorstellt. Solche systematischen Aspekte wie überhaupt Informationen zur grammatischen und orthographischen Integration sind insgesamt in Ord fra andre sprog rar gesät. Innernordisches Lehngut wird in Else Bojsens guter Übersicht mit Belegen vom Mittelalter bis heute zur Sprache gebracht. Schließlich stellt Pia Quist den Einfluss neuerer Einwanderersprachen (vor allem auf arabischer und türkischer Grundlage) in den größeren Städten vor. Die Entstehung multilingualer Varietäten wird nur kurz angesprochen.

3 Bøjning og bygning

Band 3 Bøjning og bygning mit vier Kapiteln befasst sich zunächst mit Flexion und Syntax, wobei letztere in weniger alliterationsaffinen Kontexten durchgehend auch syntaks statt bygning heißen darf. Wie in Band 2 geht es auch hier mit Runetiden los. Anhand übersichtlicher Tabellen stellen Michael Lerche Nielsen und Marie Stoklund das runendänische Flexionssystem vor. Einleitend wird erwähnt, dass sich nicht überlieferte urnordische Formen rekonstruieren lassen. Leider wird das bei den Personalendungen der Verben auf S. 14 nicht gemacht, so dass die Tabellenspalten mit urnordischen Formen bis auf wenige belegbare Formen leer bleiben. Damit lassen sich weder der Wandel vom Urnordischen hin zum Runendänischen noch über dieses hinaus sich in die Gegenwart erstreckende Tendenzen ablesen. Analogien und paradigmatische Ausgleiche werden genannt, übergreifende Prinzipien für die Richtung des Wandels jedoch nicht diskutiert bis auf einige Überlegungen zur Auswirkung von Klassengröße und Frequenz im Altdänischen. Das Altdänische behandelt Britta Olrik Frederiksen, die auch frühe Dialektunterschiede nennt. Allerdings bleibt dabei die Aufteilung des Materials gegenüber dem Kapitel Dialekter unklar. Bei der Darstellung ist zudem ungünstig, dass die runendänischen ija- und ijō-Stämme (27f.) im Altdänischen ia- und -Stämme (50f.) heißen. Sodann veranschaulicht Hanne Ruus das ältere Neudänisch mit vielen Beispielen, was aber manchmal auf Kosten einer sprachhistorischen Analyse der Entwicklung geht. Seine Ausführungen zum jüngeren Neudänisch schließt Henrik Galberg Jacobsen in einem gut strukturierten Kapitel mit der Frage ab, ob wir schon den Tod der Flexionsgeschichte erahnen können. Eine Antwort hierauf bleibt indes aus, ebenso wie Überlegungen dazu, wie u. a. Tempus, Modalität und Passiv – als Gegenbewegung zur Reduktion des flexivischen Reichtums – zunehmend periphrastisch (z. B. ville have kunnet fået repareret) ausgedrückt werden. Übergeordnete innersprachliche Prinzipien des morphologischen Wandels, die hinter der vorgestellten Empirie stecken, kommen in Bøjning etwas zu kurz. Das gleiche gilt für Erklärungen basierend auf Sprachkontakt. Auch leuchtet nicht ein, warum DS ein so großes Geheimnis daraus macht, woher die Bezeichnung bøje für die Wortformbildung kommt. Erst auf DSs eigener Homepage wird einleuchtend erklärt, dass es sich hier um eine Lehnübersetzung von lat. declinare und inflectere handelt. Etwas rätselhaft ist auch die Bezeichnung „suppletiv bøjning" (god/bedre) auf S. 108 – Suppletion ist ja eine stammverschiedene Allomorphie im Gegensatz zu regelbasierter morphologischer Abwandlung.

Das Kapitel Syntaks wird mit einer kurzen Darstellung der Runenzeit von Sebastian Møller Bak eingeleitet. Die weitere Entwicklung bis heute verantworten Lars Heltoft und Marita Akhøj Nielsen in einem erfreulich umfang- und beispielreichen, aber auch theoretisch anspruchsvollen Unterkapitel. Im Gegensatz zu den runischen Kapiteln in Band 2 finden sich neben den Runentransliterationen keine Übertragungen in ein normalisiertes Runendänisch. In nur wenigen Transliterationen finden sich vokalische Längenzeichen (S. 117). Auch geht Møller Bak (anders als Lerche Nielsen in Kap. 7.1) u. a. bereits in der Gallehus-Inschrift von germ. z > urn. r aus. Ab dem Altdänischen wird vor allem mit Blick auf den Kasusabbau ersichtlich, wie ursprünglich in der Flexion kodierte Inhalte zunehmend in die Lexik und in die Syntax verlagert werden. Modalverben werden unter diesem Gesichtspunkt hingegen nur kurz angesprochen. Eine etwas umfangreichere Darstellung, wie sich die Präteritopräsentia zu Modalverben entwickeln, findet man dagegen auf der Homepage von DS. Dass aber auch andere Verben wie etwa prøve/forsøge/tænke/begynde/komme (ohne Infinitivzeichen at) oder wie sidde og spise (zu dieser sog. Pseudokoordination vgl. [8] – und ein paar Anmerkungen in Kap. 15.1 Folkeviser) grammatikalisieren, wird hier nicht thematisiert. Interessant ist der Hinweis (S. 136) auf die vorübergehende mitteldänische Entwicklung eines SOV-Typs im Nebensatz (neben dem ursprünglichen SVO-Typ). Allerdings wird keine Überlegung zur Ursache dieses Wandels angestellt. So könnte man mit [27], 51) für einen niederdeutschen Einfluss argumentieren. Für solche explanativen Reflexionen findet sich indes kein Raum, da der Fokus auf die Syntaxentwicklung stark deskriptiv ist, d.h. ohne nach Herkunft, Übersetzungserfahrungen, Schrifttradition, Sprachkompetenz und sozio-kulturellem Kontext der Schreiber zu fragen. Erst in Band 4 finden sich verstreute Anmerkungen zu übersetzungsinduzierter Syntax (wie z. B. im Flensborg Stadsret und anderen Rechtstexten; Bd. 4, S. 37–39). Und in Band 6 (S. 121) setzt Marita Akhøj Nielsen die hochdeutsche Schriftsprache in Verbindung mit der Verbendstellung in Leonora Christinas Jammers Minde. Zu „en af de største nyskabelser i yngre nydansk" (S. 225), nämlich den Modalpartikeln, finden sich in DS nur 15 enttäuschende Zeilen. Die „stærkt udvidede version" auf DSs Homepage ist im Umfang und Inhalt kein wirklicher Trost, wenn man bedenkt, wie häufig diese Wortklasse in vor allem mündlicher Kommunikation repräsentiert ist. Die historische Entwicklung textgrammatischer Züge wird nur sporadisch besprochen. Band 4 präsentiert jedoch Makrostrukturen einiger Textsorten.

Die zweite Hälfte von Bøjning og bygning widmet sich Dialekten und Soziolekten, und das nicht nur aus morphologischer und syntaktischer Sicht. Auf nur rund 100 Seiten gelingt es DS in Dialekter beeindruckend gut, einen Eindruck von der dänischen Dialektlandschaft in all ihrer Vielfältigkeit zu liefern: Aussprache (Lars Brink), Wortschatz und Orthographie (Viggo Sørensen), Wortbildung, Flexion und Syntax (Karen Margarethe Pedersen). Da oft ältere Quellen fehlen, fokussiert die Darstellung in hohem Ausmaß auf das 20. Jh. Sie hätte indes davon profitieren können, wenn die an anderen Stellen in DS erwähnten älteren Dialektverhältnisse hier integriert worden wären. Als ältestes bekanntes Lautgesetz mit bleibender innerdänischer Dialektgrenze zählt Brink die altdänische Schwächung von schwachtonigem a, i, u (S. 236). Allerdings wäre dabei auch an den wesentlich älteren a-Umlaut mit einer Isoglosse in Storebælt ([2], 24–28) zu denken, der auf der Gallehus-Inschrift (um 400 n. Chr.) durchgeführt ist. Im Bereich der Morphosyntax erwägt Pedersen einen niederdeutschen Einfluss als Ursache für den im Süd- und Westjütischen erhalten gebliebenen vorangestellten Definitartikel unmittelbar vor dem Substantiv (æ kone ,die Frau'; S. 287). Wie man sich aber diesen Sprachkontakt vorzustellen hat, wird jedoch nicht thematisiert. Geht es um eine im L2-Jütischen vorhandene L1-niederdeutsche syntaktische Unterschiebung, die de-ethnisiert wurde? Und unter welchen sozio-kulturellen Bedingungen wäre dies vorstellbar? Das gleiche gilt für Genitiversatzkonstruktionen wie æ kone hendes kyse (S. 333–335), die an den norwegischen sog. Garpe-Genitiv erinnern. Auch hier macht sich das Fehlen einer kontaktlinguistischen Grundlegung (wie etwa die von Van [28]) bemerkbar. Sørensen schließt Dialekter mit einem kurzen Überblick zu Schreibweisen in Dialektliteratur. Diese nennt er ortografi, obwohl es sich im Wesentlichen um keine normierten, sondern um autorenspezifische Schreibweisen handelt.

Inge Lise Pedersen zeichnet für das gesamte Kapitel Sociolekter verantwortlich, mit dem Band 3 schließt. Sie weist auf die vielfach fehlende Überlieferung für ältere Sprachstufen hin und führt zu Recht aus, weshalb Theoriebildung aus den 1960er Jahren nur bedingt auf ältere Sprachstufen übertragbar ist, diskutiert aber dennoch mit Gewinn Sprachunterschiede verschiedener Gesellschaftsgruppen früherer Zeiten, wobei vor allem die Aussprache als sozialer Marker im Vordergrund steht. Es ist aber ein Verdienst dieses methodisch reflektierten Kapitels, auch auf die vergleichsweise wenigen Fälle mit sozialer Variation aus den Bereichen Orthographie, Morphologie und Syntax einzugehen.

4 Dansk i brug

Mit Band 4, Dansk i brug, der vier Kapitel enthält, verlässt DS – zumindest vordergründig – die strukturalistischen Bereiche der dänischen Sprachgeschichte. Man darf allerdings hier keine Geschichte der dänischen Alltagssprache erwarten. Vielmehr fokussiert Band 4 auf eine Reihe von Genres, die durchaus textgrammatische Züge aufweisen und somit auch von systemlinguistischer Relevanz sind.

Das Kapitel Lov, bibel og salmer räumt der Rechtssprache viel Raum ein. Die Abhandlung der ältesten Texte bis 1700 verantwortet Britta Olrik Frederiksen, wobei sie nicht nur Lexik und Stilfiguren, sondern auch den Aufbau von Diplomata behandelt. Per Andersens Ausführungen zur Rechtssprache nach 1700 bieten eine sehr gute rechtshistorische Zusammenfassung, die jedoch nur wenig zur Rechtssprache selbst enthält. Die religiöse Sprache wird durch Bibelübersetzungen und Kirchenlieder repräsentiert. Zu anderen religiösen Texten wie Katechismen, Andachtsbüchern, Predigtsammlungen, Gottesdienstordnungen erfährt man nichts. Anregend sind Bodil Ejrnæs' Überlegungen zu sich wandelnden und konkurrierenden Übersetzungsidealen. Außerdem zeigt sie, wie die Bibelsprache die Gemeinsprache geprägt hat. Marita Akhøj Nielsen gelingt es bestens, einen weiten Bogen von der Gregorianik der mittelalterlichen katholischen Messe und den volkssprachlichen Marienliedern über Martin Luther, Thomas Kingo, Hans Adolph Brorson, N. F. S. Grundtvig und B. S. Ingemann hin zu den neuesten Kirchenlieddichtungen zu schlagen. Daraus geht aber auch hervor, dass dies keinen repräsentativen Eindruck vom heutigen dänischen Kirkesangbogen vermittelt, denn in der Ausgabe von 2017 stammt mehr als ein Drittel der Kirchenlieder von Dichterinnen, die Akhøj Nielsen leider allesamt auf DSs Homepage ausgelagert hat. Hier erfährt man sogar, dass Dorothea Engelbretsdatter (1634–1716) als die erste bekannte norwegische Autorin gilt. Aber zu u. a. Inger Christensen und Anne Linnet, die auch zum Kirkesangbogen beigetragen haben, erfährt man selbst auf DSs Homepage nichts. Das alles hätte ein paar – sogar gedruckte – Zeilen Platz verdient.

Das nächste Kapitel Viser, sange og ordsprog greift den Wandel des dänischen Liedgutes in profanen Genres auf. Dorthe Duncker zeigt überzeugend auf, wie sich verschiedene Merkmale (wie Stabreim, veraltete Flexion, syntaktische Anomalien) auf verschiedene Subgenres der Liedgattung verteilen. Dem Gesang in der dänischen Heimvolkshochschule, die auf N. F. S. Grundtvig zurückgeht, widmet DS ein eigenes Unterkapitel. Nanna Damsholt weist in ihrem Überblick auf die thematische Vielfalt dieser Lieder hin, aber auch auf sprachliche Details wie z. B., dass bereits mit der 1. Auflage des Højskolesangbogen aus dem Jahr 1894 mit der Verwendung von <å> (das erst 1948 statt zur Norm wurde) und Substantivkleinschreibung eine Hinwendung zum Nordischen und eine Abwendung vom Deutschen einhergeht. Ebbe Preisler weist in seiner Übersicht der in Dänemark beliebten Gattung der Gelegenheitsdichtung mit Gesang auf ihre lange Tradition hin. Allerdings findet man hier wenig zu den sprachlichen Besonderheiten dieser Gattung außer dort, wo der Begriff omvendt ordstilling (also Inversion) auf alle möglichen Fälle erweitert wird, wo „sproget vendes og drejes for att passe til den metrik, melodien lægger op til" (S. 171). Einer wissenschaftlichen Beschreibung syntaktischer Besonderheiten ist das wenig dienlich. Den Unterkapiteln zu den profanen Liedern wird als letztes eines zu Sprichwörtern hinzugestellt. Offensichtlich hatte man Schwierigkeiten, diese unterzubringen. Merete Korvenius Jørgensen nennt jedoch ihre Reproduzierbarkeit und weist somit auf die Tatsache hin, dass Sprichwörter lexikalisiert sind. In der Verlängerung dieses Gedankens wird ersichtlich, dass DS auf eine Geschichte der Phraseologismen überhaupt verzichtet. Bei den von Jørgensen behandelten Sprichwörtern handelt es sich um propositionale (d. h. satz- und textwertige) Phraseologismen, die zusammen mit nominativen (d. h. satzgliedwertigen) Phraseologismen nach [6] als referenzielle Phraseologismen zu bezeichnen sind. Zusammen mit strukturellen und kommunikativen Phraseologismen hätte dies ein sprachhistorisch bedeutsames Kapitel ergeben, welches als Übergang von Band 2 zu Band 3 bestens gepasst hätte.

Im Kapitel Sprog og medier behandelt zunächst Ib Poulsen die Entwicklung von den ersten dänischen Zeitungen bis hin zur Sprache in Rundfunk und Fernsehen. Das Kapitel bekommt Struktur, indem es die Analyseniveaus Medium, Genre, rhetorischer Zugriff samt Sprache und Stil unterscheidet. Die normschaffende Funktion des Rundfunks für das rigsmål wird klar herausgestellt. Ditte Laursen und Marianne Rathje wenden sich der computervermittelten Kommunikation zu und beziehen dabei die Sprache von E-Mails, SMS, Chats und sozialen Medien (wie Facebook, Instagram ...) auf die Bezugsgrößen Interaktion, Reduktion und Artikulation. Bei alledem geht es letztlich darum, dass in der computervermittelten Kommunikation viele Züge konzeptioneller Mündlichkeit schriftlich realisiert werden (vgl. [11]).

Das Kapitel Dannelse og uddannelse spannt einen weiten Bogen von den frühesten Schriftkundigen über das Schulwesen hin zur Herausbildung von Sprachnormen und deren zentraler Regelung. Charlotte Appel zeigt auf, wie sich Schreib- und Lesekompetenzen bis 1800 entwickelt haben und wie diese mit der gesellschaftlichen Struktur verwoben sind. Auch weist sie darauf hin, dass das Konzept „Lesen" im 16. und 17. Jh. auch die Fähigkeit umfasste, einen auswendig gelernten Text aufsagen zu können, ohne diesen notwendigerweise im heutigen Sinne lesen zu können. Vibeke Sandersens Unterkapitel schließt an mit der Entwicklung ab 1800, genauer gesagt mit dem Schulgesetz von 1814, wonach die Schulkinder nicht nur lesen, sondern auch schreiben lernen sollten. Wie es mit der Schreibkompetenz im 19. Jh. tatsächlich bestellt war, belegen die referierten Untersuchungen von Soldatenbriefen. Die weiteren Ausführungen verlieren sich jedoch sehr in Detailfragen von PISA-Untersuchungen und anderen Studien zur Lesekompetenz ab 1990. Sandersens Ausführungen zur Entwicklung der Gattung des Privatbriefes, teilweise nach den Regeln von sog. Briefstellern (brevbøger), die bis ins 20. Jh. herauskamen, sind sehr lesenswert, zumal der (handgeschriebene) persönliche Brief heute immer seltener geworden ist. Jens Raahauge gibt einen Überblick über den Wandel des Schulfaches Dänisch. Hier wird deutlich, dass dieses Fach im Laufe der Zeit sehr viel anspruchsvoller geworden ist: Flüssiges Lesen und korrektes Schreiben reichen nicht mehr. Etwas unvermittelt folgt dann Henrik Galberg Jacobsens sehr informatives Kapitel zu sprachlicher Normierung. Es hätte eigentlich besser in Band 2 gepasst, zumal es hier vielfach um Orthographie, Zeichensetzung, Aussprache und Wortschatz geht. Dannelse og uddannelse und damit Band 4 schließt mit Anne Holmens aufschlussreichem Kapitel zu Dänisch als Zweitsprache; allerdings reicht die diachrone Tiefe kaum mehr als 30 Jahre zurück.

5 Dansk i samspil

Bereits in Band 1 wird Dansk i samspil, der fünfte Band von DS, als sprachhistoriographische Neuigkeit vorgestellt. Dabei geht es in den beiden Kapiteln Dansk i verden und Andre sprog i Danmark um das Verhältnis des Dänischen zu anderen Sprachen. Ganz neu ist der Ansatz allerdings nicht, da Skautrup diese Themen zumindest teilweise schon in seiner Sprachgeschichte berücksichtigt hat.

Der erste Teil von Band 5, Dansk i verden, deckt viele weite Felder zusammenfassend ab. Als erstes kommen die nordischen Länder und Gebiete, die einst oder immer noch zu Dänemark bzw. zur Rigsfællesskabet gehör(t)en, zur Sprache: Norwegen (Berit Sandnes), Färöer (Jógvan í Lon Jacobsen), Island (Auður Hauksdóttir), Grönland (Birgitte Jacobsen), Schonen (Ulf Teleman) und Südschleswig (Karen Margarethe Pedersen). Das sind allesamt gute Zusammenfassungen zu den gebietsspezifischen Ausprägungen des Dänischen, aber auch zum Einfluss auf die hier gesprochenen Sprachen. Gelegentlich finden sich auch Unklarheiten und Fehler in den einzelnen Beiträgen. Auf S. 25 heißt es, dass bei einer norwegischen Rechtschreibreform „danske bløde klusiler" gegen „hårde norske" ersetzt wurden in løbe, gaden, skrigeløpe, gaten, skrike. Selbst wenn man ahnt, dass mit diesen Bezeichnungen stimmhafte/stimmlose Laute gemeint sind, muss angemerkt werden, dass bei dieser Rechtschreibreform nicht Laute, sondern Grapheme ersetzt wurden – im vorliegenden Fall gemäß der ererbten norwegischen Aussprache, die ja – bis auf vor allem ein Gebiet etwa von Arendal bis zu den südlichen Teilen von Ryfylke – die postvokalische Plosivschwächung nicht kennt. Freilich wird damit eine Leseaussprache mit /b, d, ɡ/, die man als archaisch-danisierend bezeichnen könnte, unterbunden. Im Kapitel zum Dänischen in England heißt es irrtümlich, dass auk eine diphthongierte Form ist; hier geht es jedoch um einen aus dem Gemeingermanischen ererbten Diphthong. Verwirrend ist, dass die Kartenlegende auf S. 152 zu „Sprogforholdene" in Sønderjylland und Sydslesvig im 16. Jh. „plattysk" und ,nedertysk" unterscheidet. Die Karte selbst markiert die Gebiete für „frisisk talesprog" und „plattysk talesprog", nicht aber für dänische Mündlichkeit, so dass „Sprogforholdene" gänzlich irreführend sind. Auch die Karte auf S. 222 lässt zu wünschen übrig. Hier geht es um „Fordelingen af nederlandsk, frisisk, nedertysk og højtysk", allerdings ohne Angabe zum dargestellten Zeitraum. Geht es um die frühe Neuzeit, denn Ostfriesisch kommt auf der Karte nicht vor? Oder ist das Hochmittelalter gemeint und Ostfriesisch unter den Tisch gefallen? Da aber Kaliningrad eingetragen ist, könnte man auch glauben, dass es sich um die Verhältnisse nach 1946 handelt – bis dahin hieß die Stadt ja Königsberg.

Schwerer als solche punktuellen Unzulänglichkeiten wiegt jedoch, dass mit Band 5 nicht die Gelegenheit genutzt wurde, das Dänische außerhalb des dänischen Kerns der Reichsgemeinschaft in einer vergleichenden Gesamtschau darzustellen, mit der aufzuzeigen wäre, welche jeweils unterschiedlichen sprachlichen, historischen, sozialen und kulturellen Bedingungen zu den divergierenden Entwicklungen geführt haben. So liegt ja z. B. mit dem heutigen färöischen Dänisch eine Situation vor, welche teilweise an die in Norwegen erinnert, welche zum Bokmål geführt hat; vgl. hierzu Norsk språkhistorie[22].

Von der Gliederung her etwas unmotiviert wird der nordische Block in Dansk i verden zwischen Grönland und Schonen aufgebrochen mit jedoch gut zusammenfassenden und kenntnisreichen Kapiteln zu außernordischen Gebieten, in denen Dänisch heute allenfalls als Fremdsprache vorkommt: England (wobei auch Teile Schottlands und die Insel Man mit berücksichtigt werden) und Normandie (Gillian Fellows-Jensen), Amerika (Jan Heegård Petersen, Karoline Kühl, Peter Bakker) und Kolonien (Peter Bakker, Kristoffer Friis Bøegh), wobei Amerika nicht Amerika, sondern „De nye hjem" genannt wird, was aber natürlich auch für viele Dänen galt, die in England, der Normandie oder anderswo in der Welt siedelten. Fellows-Jensen hebt zu Recht hervor, dass das sprachliche Material aus der Normandie überwiegend auf das Dänische verweist. Dabei irritiert, dass dennoch weiterhin traditionelle altwestnordisch anmutende Formen für „det antagne danske sprogstof" verwendet werden. Wie insbesondere das USA-, Kanada- und Argentinien-Dänisch und der gelungene Vergleich verschiedener Sprachentwicklungen zeigen, bewegen sich all diese Kapitel – wie auch die zum Frühaltdänischen in der Normandie und auf den Britischen Inseln – im Bereich des Themas „Sprachtod" durch Sprachkontakt (z. B. [23]; [13], 80–85). Das vorgestellte Material geht aber wenig darauf ein, so dass die Analysen selten an den linguistischen Anspruch der Bände I-III heranreichen. Solche Themen werden am ehesten im Kapitel zum Dänisch in den ehemaligen Kolonien angeschnitten, wo man erfährt, dass das in Westindien gesprochene Dänisch in Spuren im erst 1987 ausgestorbenen – aber auch de-ethnisiert benutzten – sog. Negerholländisch (das hier nederlandskkreolsk genannt wird) erhalten ist.

In den letzten drei Kapiteln von Dansk i verden wird das Dänische in der EU (Carol Henriksen), in den nordischen Ländern (Else Bojsen) und an ausländischen Universitäten (Henrik Galberg Jacobsen) behandelt, wobei allerdings nicht aufgeführt wird, wo Lehrkräfte für Dänisch als Schulsprache ausgebildet werden. Henriksen zeigt auf, dass Dänisch in Straßburg, Brüssel und anderen Städten mit EU-Institutionen zwar nur eine geringe Rolle spielt, man aber gleichzeitig feststellen muss, dass hier noch nie so viel (EU-gefärbtes) Dänisch gesprochen wurde wie heute. Mit gelungenen Beispielen wird auch aufgezeigt, wie die Übersetzung von Gesetzen das Dänische beeinflusst, zumal die nordischen Länder gerade in offiziellen Texten Wert auf eine gut verständliche Sprache legen. In Bojsens etwas anekdotischem Kapitel geht es um die Möglichkeiten der Semikommunikation, wobei deutlich wird, dass es kaum Forschung hierzu mit L2-Dänisch gibt, was nicht nur Personen mit u. a. L1-Färöisch, -Grönländisch und -Isländisch betrifft: Internordische Semikommunikation gilt ja auch bei Verständigung zwischen z. B. L2-Schwedisch auf serbischer und L2-Dänisch auf kurdischer Grundlage.

Dies führt über zu Andre sprog i Danmark, dem zweiten Teil von Band 5. In einem anregenden Kapitel zeigt Peter Zeeberg auf, wie sich die Funktionen von Latein in Dänemark von seiner Einführung im Mittelalter bis heute gewandelt haben, wobei allerdings der frühe Kontakt der Germanen mit Latein in der Antike kaum beachtet wird. So folgen durchweg konzise Kapitel zum Kontakt mit dem Deutschen und Niederländischen (Vibeke Winge), Französischen (Ulla Gjedde), Englischen (Niels Davidsen-Nielsen), Russischen (Jens Nørgaard-Sørensen), Polnischen (Bodil Wieth-Knudsen), Romani (Peter Bakker), Jiddischen (Morten Thing), den nordischen Sprachen (Else Bojsen), dem Grönländischen (Per Langgård) und den rund 120 „[n]yere indvandrersprog" ab 1960 (Jakob Steensig). Im Vergleich zur Behandlung der entlehnten Lexik in Band 2 stehen hier eher die Sprachverwendung und die sich wandelnde Domänenverteilung der verschiedenen Sprachen im Zentrum. Während das (Bibel-)Hebräische im Zusammenhang mit dem Jiddischen immerhin genannt wird, spielen das Altgriechische und damit auch das altgriechische Schrifttum in DS keine nennenswerte Rolle, obwohl die dänischen Humanisten durchaus die antiken Texte aus Griechenland zur Kenntnis nahmen und mit Christians IV. Schulverordnung 1604 Altgriechisch als Schulfach zumindest formal eine etwas größere Bedeutung zugesprochen bekam ([12], 250–253), die jedoch in der Praxis wohl bescheiden blieb ([9], 74, 81, 140, 169f.). Immerhin wird aber in Band I Mads Pors' latein-dänisch-griechisches Wörterbuch De nomenclaturis Romanis von 1594 genannt.

Dansk i samspil schließt mit Elisabeth Engberg-Pedersens gutem Überblick über die Geschichte der dänischen Gebärdensprache und ihrer Institutionen, wobei auch kurz erläutert wird, wie sich diese eigene Sprache vom mündlichen und schriftlichen Dänisch unterscheidet. Seitdem so gut wie alle betroffenen Neugeborenen in Dänemark ein Cochlea-Implantat zur Stimulierung des Hörnerven bekommen, wird die Anzahl der Gebärdensprachigen in Dänemark sinken, womit sich die Existenzbedingungen für diese Sprache verändern und als Folge davon eventuell auch ihre Strukturen.

Insgesamt stellt sich bei Dansk i samspil der Eindruck ein, dass diesem Band ein sprachhistorisches Gesamtkonzept fehlt, denn die vielen miteinander nicht gut verbundenen und nur teilweise diachron geordneten Kapitel in Dansk i verden und Andre Sprog i Danmark gehen von den heutigen Staatsgrenzen aus, womit das Dänische in Südschleswig auch vor 1864 zu Dansk i verden wird, obwohl es sich bis dahin durchaus um Dänisch in Dänemark handelt. Eine linguistisch fundierte und gegenstandsgerecht gegliederte Geschichte des Sprachkontakts mit dänischer Beteiligung bleibt nach wie vor eine große Herausforderung.

6 Forfatternes dansk

Die beiden Kapitel von Band 6, Forfatternes dansk, bilden in gewisser Hinsicht eine Fortsetzung von Band 4 (Dansk i brug). Das erste Kapitel, Sprog og stil, steigt ein mit einer komprimierten dänischen Stilgeschichte von Torben Jelsbak, die von den ältesten dänischen Gesetzestexten bis hin zur digitalen Text-, Bild- und Tonkultur reicht. Mit Blick auf den Umfang, der der Syntax in Band 3 eingeräumt wird, ist bedauerlich, dass Jelsbak nicht mehr Raum zugestanden worden ist. Simon Skovgaard Boeck geht in seinem Beitrag darauf ein, wie Mündlichkeit schriftlich überliefert ist. Er stellt jedoch keine elaborierteren Überlegungen zum Verhältnis zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit an (z. B. im Sinne von Koch/Oesterreicher 1994). Erfreulicherweise werden aber hier die in Band 2 vermissten Interjektionen aufgegriffen. Sodann folgen Bettina Perregaards Ausführungen zu gesprochensprachlichen Genres, wobei u. a. ein Gespräch am Mittagstisch in Henri Nathansens Indenfor Murene (1912) analysiert wird. Obgleich es sich hier um ein naturalistisches Drama handelt, bleibt doch fraglich, inwieweit ein literarisch komponierter Text „udmærket [kan] sammenlignes" mit einem alltäglichen Tischgespräch in einer gewöhnlichen dänischen Familie. Aufschlussreicher sind hingegen die Analysen von Trauerreden/Beerdigungspredigten, deren Konstanten und Wandel gut aufgezeigt werden. Sprog og stil schließt mit Erik Skyum-Nielsens gut gelaunten Ausführungen zum Einfluss auf das Dänische durch Übersetzungen. Allerdings geht es ihm vor allem um die Übernahme von Wörtern und Wortgruppen aus der Literatur von der Bibel und Dantes Divina Commedia über Hamlet hin zu Anders And (Donald Duck) und Radiserne (Peanuts), wobei auch Intertextualitäten angesprochen werden. Zu Recht werden die Leistungen der oftmals unbekannten Übersetzerinnen und Übersetzer hier gewürdigt wie u. a. Charlotta Dorothea Biehl, die Cervantes' Don Quixote übersetzt hat. Welche stilistische Funktion das alles hat und wie das die dänische Stilgeschichte beeinflusste, bleibt indes noch vielfach ungeklärt. Zu neuen, übersetzungsinduzierten syntaktischen und textlinguistischen Mustern mit ihren jeweiligen Stilwerten finden sich ebenso wenig Überlegungen.

Den Hauptteil von Band 6 bildet das umfangreiche Kapitel Forfattersprog. Damit wird das, was Peter Skautrup in seiner Sprachgeschichte „Åndspræget og individuelt sprog" nennt, erweitert und vertieft. Bei der Auswahl der achtzehn Autoren und zwei Autorinnen (von denen niemand mehr am Leben ist) besteht jedoch nur bedingt die Gefahr literarischer Kanonbildung, da hier vor allem die sprachhistorische Bedeutung im Vordergrund steht: Anders Sørensen Vedel, Leonora Christian, Thomas Kingo (bis hierhin vorgestellt von Marita Akhøj Nielsen), Ludvig Holberg (Sv. Eegholm-Pedersen), Johannes Ewald (Flemming Lundgreen-Nielsen), Ove Malling (Erik Hansen), Adam Oehlenschläger (Henrik Blicher), Steen Steensen Blicher (Henrik Ljungberg), N. F. S. Grundtvig (Flemming Lundgreen-Nielsen), H. C. Andersen (Laurdis Kristian Fahl, Jesper Gehlert Nielsen), Søren Kierkegaard (Jesper Gehlert Nielsen), J. P. Jacobsen (Nikolaj Zeuthen), Herman Bang (Flemming Conrad), Johannes V. Jensen (Lars Handesten), Robert Storm Petersen (Torben Jelsbak), Karen Blixen (Nicolas Reinecke-Wilkendorff), Peter Seeberg (Jeppe Barnwell, Anders Juhl Rasmussen), Per Højholt (Nikolaj Zeuthen), Benny Andersen (Thorkil Borup Jensen), Klaus Rifbjerg (Erik Skyum-Nielsen). Da Band 6 aber 90 Seiten knapper ist als Band 2, wage ich, hier doch zumindest Henrik Ibsen und Dorothea Engelbretsdatter zu vermissen, die zwar aus Norwegen stammen, aber wie zu ihrer Zeit üblich in dänischer Sprache schrieben und allein schon wegen der damit verbundenen Sprachkontaktsituation besondere Aufmerksamkeit verdient hätten.

Dem Autorenreigen ist leider keine Einleitung vorangestellt, aus der hätte hervorgehen können, nach welchen übergreifenden Prinzipien die Sprache literarischer Werke einen eigenen Sprachwandelstrang bildet. Sprachhistoriographisch geht es u. a. um die Frage, wie und unter welchen zeitlichen und kulturellen Bedingungen literarische Sprache sich auf die weitere Entwicklung der Literatursprache oder gar dauerhaft auf die allgemeine Sprachentwicklung auswirkt. Teilantworten auf solche Frage finden sich jedoch immer wieder in den einzelnen Autorenportraits (wie etwa zu Kingos und Peder Syvs Ausbau des Dänischen zu einer Kultursprache), die sehr gute Vorstellungen von den lexikalischen und grammatischen Mitteln im Dienste des Stils der jeweiligen Autoren und Autorinnen und deren Erzähltechniken vermitteln. Für eine systematisierende Synthese reicht dies indes nicht. Das gilt umso mehr, wenn man die dänischen Autorinnen und Autoren unter dem Blickwinkel des Sprachkontakts betrachtet. So erscheint Oehlenschläger in der DS allein als dänischsprachiger Dichter, ohne dass darauf eingegangen wird, dass er nicht nur seine Werke ins Deutsche übersetzt, sondern auch einige in deutscher Sprache verfasst hat, und zwar mit Erfolg. Wie hat sich Oehlenschlägers Selbstverständnis als Grenzgänger ([1]) auf seine dänische Dichtersprache ausgewirkt? Es hätte sich angeboten, dies mit den gut thematisierten dänisch-englischen Beziehungen bei Karen Blixen zu vergleichen.

7 Die Homepage von DS

Die gedruckte Fassung von DS wird ergänzt durch eine eigene und kostenlos zugängliche Homepage (dansksproghistorie.dk) mit (Links zu) Tonaufnahmen, Filmclips, Bildern, weiteren Beispielen, Texten und Quellen, auf die im gedruckten Text hingewiesen wird. Das alles ist sehr sinnvoll, problemlos auffindbar und hilft, vieles gut zu veranschaulichen. Bei den Links, die zu anderen Datenbanken führen, finden sich allerdings jetzt schon solche, die nicht mehr funktionieren.

Außerdem stellt die Homepage umfassendere Literaturverzeichnisse als jene hinten in den Bänden zur Verfügung. So findet man dort Allan [10] denkwürdigen Bericht Dansk i EF, der nicht den Sprung in die Druckfassung geschafft hat. Manchmal sind die digitalen Literaturverzeichnisse aber auch knapper als in der gedruckten Fassung. So fehlt z. B. Adelungs (1806–1817) Mitridates aus Band 1 auf der Homepage. Ein Gesamtliteraturverzeichnis aller sechs Bände ist leider nicht vorgesehen.

Auf der Homepage finden sich neben Materialien auch erweiterte Fassungen einiger gedruckter Passagen aus DS. Dadurch kommt man indes um den Eindruck nicht herum, dass manche Passage im gedruckten Werk lediglich die (verlegerisch gewollte?) Kürzung einer auf der Homepage vorhandenen vollständigen Fassung ist. Mitunter entsteht sogar der Verdacht, dass die gedruckte Kurzform nur die Aufgabe hat, auf den eigentlichen Text auf der Homepage zu verweisen. Hätten alle sechs Bände den gleichen Umfang wie Band 2 mit seinen 500 Seiten, hätte das Gesamtwerk noch knapp 400 zusätzliche Seiten umfassen können, womit nicht wenige Homepage-Beiträge mühelos die Weihe des Gedruckten hätten empfangen können. Eine Entsprechung zu Skautrups Registerband mit Personen-, Sach- und Beispielregister vermisst man schmerzlich. Nicht einmal auf der Homepage, die sich dafür bestens geeignet hätte, findet sich dieses wertvolle Mittel, um sich zurechtzufinden. Wenn es darum geht, schnell ein passendes Beispiel oder Ausführungen zu einem bestimmten Phänomen zu finden, bleibt Skautrups DSH immer noch erste Wahl.

Die Homepage enthält eine Suchfunktion, die jedoch nur zu den passenden Seiten führt. Innerhalb dieser muss man hingegen den gesuchten Begriff nochmals mit der Suchfunktion des eigenen Browsers auffinden.

8 Gesamteindruck

Insgesamt vermittelt DS den Eindruck, dass die dänische Sprachgeschichte sehr gut erforscht ist. Entsprechend beleuchtet DS seinen Gegenstand kundig und reflektiert aus überaus vielen Blickwinkeln. Allerdings ist die Darstellung oft stark deskriptiv, so dass das explanative Moment manchmal zu kurz kommt. Bezüge zu Sprachwandeltheorien finden sich keine, allenfalls vereinzelte Bemerkungen zu möglichen Wandelursachen. Ebenfalls sind Überlegungen zu sprachkontaktinduziertem Sprachwandel nur sporadisch vorhanden außer vor allem dort, wo dieser offensichtlich ist, nämlich in der Lexik. Ein systematisches und methodisch differenzierendes Konzept, um Fragen zur Geschichte von Metasprachlichem wie Sprachkritik, Sprachdebatten und Orthographiereformdiskussionen und deren Auswirkung auf die Sprachgeschichte zu erfassen, findet sich in DS nicht.

DS wendet sich nicht nur an die Wissenschaft, sondern auch an eine breitere sprachinteressierte Allgemeinheit. Diesem Anspruch wird DS in den meisten Kapiteln gerecht. Das aber hätte nicht notwendigerweise damit einhergehen müssen, dass manchmal relativ wenig Forschungsliteratur zitiert wird, was aus wissenschaftlicher Perspektive unbefriedigend ist.

DS enthält Tabellen, Übersichten, Karten und rund 300 Abbildungen in bester Qualität. Der Redaktion von DS ist es gelungen, die einzelnen Beiträge in ihrer äußeren Form einigermaßen zu vereinheitlichen. Durchgehender Konsens besteht jedoch nicht immer z. B. bei der Form von Beispielen, deren Nummerierung und deren Glossierung. Manche Belege kommen sogar ohne Quellenangaben aus.

Die Literaturverzeichnisse sind umfangreich und enthalten sowohl Titel von Standardwerken als auch Spezialuntersuchungen. Einschlägige Literatur aus der deutschsprachigen Skandinavistik ist unterrepräsentiert. So hat z. B. Ludger [31]Interskandinavische Kommunikation nicht einmal den Sprung in eine erweiterte Literaturliste auf DSs Homepage geschafft. Nicht alle Kapitel sind für DS neugeschrieben. So ist Kap. 3.1 Sproghistorier eine leicht modifizierte Übersetzung eines Beitrags zu Teilband 1 von Nordic Languages ([3]), was jedoch nicht vermerkt wird.

DS enthält überaus wenige Druckfehler. Die im Vorwort von Band 6 angekündigte Druckfehlerliste war jedoch nicht auf der Homepage zu finden. In wohl nur einem Fall ist eine Korrektur auch inhaltlich dringlich. Nicht „to år" (S. 11, Bd. 5) nach Olav Håkonssons Tod 1387, sondern ti år danach kam es zur Kalmarer Union. Daran könnten Überlegungen zu einer dänischen Sprachgeschichte der Schreib- und Tippfehler anschließen, die, wie das Beispiel zeigt, den Wandel der Schreibmaterialien zu berücksichtigen hat – hier konkret die Tastaturanordnung von .

Der bleibende Eindruck von Dansk sproghistorie ist ein lebendiges, reiches, sachkundig dargestelltes und gut zugängliches Bild von gut 1200 Jahren dänischer Sprache in Dänemark und der Welt. Gestalterisch gibt es an DS nichts auszusetzen: Einband, Layout, Druckbild, Papierqualität, Typographie, Satz – alles bestens. Auch so macht Sprachgeschichte Spaß.

Literatur 1 Anz, Heiner (2001): Adam Oehlenschlägers Stellung zwischen dänischer und deutscher Literatur. — In: Heinrich Detering, Anne-Bitt Gerecke, Johan de Mylius (eds.): Dänisch-deutsche Doppelgänger. Transnationale und bikulturelle Literatur zwischen Barock, 147–156. Göttingen: Wallstein Verlag. 2 Bandle, Oskar (1973): Die Gliederung des Nordgermanischen. — Basel/Stuttgart: Helbing & Lichtenhahn. 3 Bandle, Oskar, et al.. (eds.) (2002): The Nordic Languages. An International Handbook of the History of the North Germanic Languages [= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 22.1/22.2]. — Berlin/New York: de Gruyter. 4 Blommaert, Jan 2013. Ethnography, Superdiversity and Linguistic Landscapes. Chronicles of Complexity. Bristol: Multilingual Matters. 5 Brøndum-Nielsen, Johannes (1928-1957): Gammeldansk grammatik i sproghistorisk fremstilling. 5 Bände. — København: J. H. Schultz Forlag. 6 Burger, Harald. 2015. Phraseologie. 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By Christer Lindqvist

Reported by Author

Titel:
Dansk Sproghistorie.
Autor/in / Beteiligte Person: Lindqvist, Christer
Link:
Zeitschrift: European Journal of Scandinavian Studies, Jg. 53 (2023-04-01), Heft 1, S. 138-156
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: academicJournal
ISSN: 2191-9399 (print)
DOI: 10.1515/ejss-2022-2027
Schlagwort:
  • HISTORICAL linguistics
  • INDO-European languages
  • TELEMATICS
  • LANGUAGE acquisition
  • INSCRIPTIONS
  • NATIONAL character
  • Subjects: HISTORICAL linguistics INDO-European languages TELEMATICS LANGUAGE acquisition INSCRIPTIONS NATIONAL character
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Author Affiliations: 1 = Institut für Fennistik und Skandinavistik, Universität Greifswald, Greifswald, Deutschland
  • Full Text Word Count: 7728

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