Zum Hauptinhalt springen

Übersetzung des revised MISSCARE Survey zum deutschsprachigen revised MISSCARE-Austria: Anwendung der TRAPD-Methode.

Cartaxo, Ana ; Eberl, Inge ; et al.
In: Pflege, Jg. 36 (2023-07-01), Heft 4, S. 228-237
Online academicJournal

Übersetzung des revised MISSCARE Survey zum deutschsprachigen revised MISSCARE-Austria: Anwendung der TRAPD-Methode  Using the TRAPD method to translate the revised MISSCARE Survey from English into German: Revised MISSCARE-Austria 

Hintergrund: Fragebogenübersetzungen in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft setzen trotz zunehmender Kritik auf Methoden mit Erst- und Rückübersetzung. Dem entgegen wird die TRAPD-Methode als best practice anerkannt. Erfahrungswerte mit der Anwendung dieser Methode in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft fehlen jedoch. Ziel: Die Anwendung der TRAPD-Methode am Bespiel der Übersetzung vom revised MISSCARE Survey vom Englischen ins Deutsche darzustellen sowie notwendige Adaptierungen, Vorteile und Limitationen der Methode zu diskutieren. Methode: Eine adaptierte Version der teambasierten Übersetzungsmethode TRAPD durch die Schritte Vorbereitung, Übersetzung, Review, Adjudikation, Prätest und Dokumentation wurde umgesetzt, basierend auf den GESIS Guidelines für Fragebogengestaltung und Übersetzung. Ergebnisse: Das revised MISSCARE Austria Instrument besteht aus 85 Items. Für die Mehrzahl der Items wurden äquivalente Termini gefunden, die eine eindeutige Übersetzung ermöglichten. Bei einzelnen Items wurde eine Adaptierung aus kulturellen, Messung- und Konstrukt-bezogenen Gründen notwendig. Die Äquivalenz der Übersetzung wurde bei komplexen Items mit der Entwicklerin geprüft und durch mehrmalige kognitive Prätests mit Pflegepersonen gefördert. Schlussfolgerungen: Die Studie bestärkt die Aussage, dass die TRAPD-Methode für die Übersetzung von Messinstrumenten ebenfalls in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft geeignet ist. Sie zeigt aber auch, dass weitere Erfahrungen für eine Weiterentwicklung von methodischen Spezifika für unsere Disziplin erforderlich sind.

Background: Questionnaire translations in German-speaking nursing science rely on methods using first- and back-translation techniques despite increasing criticism. In contrast, the TRAPD method is recognized as best practice in intercultural social research. However, experience with the application of this method in German-speaking nursing science is lacking. Aim: To describe the utilization of the TRAPD method using the example of the translation of the revised MISSCARE Survey from English into German and to discuss necessary adaptations, advantages, and limitations of this approach. Methods: An adapted version of the team-based translation method TRAPD was implemented through the steps: preparation, translation, review, adjudication, pretest, and documentation, based on the GESIS guidelines for intercultural questionnaire translation. Results: The new revised MISSCARE Austria instrument consists of 85 items. For the majority of the items, equivalent terms or phrases were found that allowed for a straightforward translation. For some items an adaptation was necessary due to cultural, measurement- and construct-related aspects. Translation equivalence regarding challenging items was examined with the first author and promoted by multiple cognitive pretesting with nurses. Conclusions: Our study strengthens the argument that the TRAPD method is appropriate for translating measurement instruments in German-speaking nursing science. However, this example shows that further experience with this method is necessary for its further development for our discipline.

Keywords: Methodische Studie; Fragebögen; Übersetzung; TRAPD-Methode; Teambasierter Ansatz; Methodological study; Questionnaires; Translation; TRAPD method; Committee Approach

Was ist zu dieser Thematik schon bekannt?

Die TRAPD-Methode gilt als best practice für die Fragebogenübersetzung in der Sozialforschung.

Welchen Erkenntniszugewinn leistet die Studie?

Die Anwendung dieser Methode für die Fragebogenübersetzung in einer deutschsprachigen pflegewissenschaftlichen Studie unterstützte die interkulturelle und konzeptuelle Äquivalenz.

Einleitung

Messinstrumente wie Fragebögen sind für das Erforschen von Pflegephänomenen unverzichtbar. In der Forschung zeigt sich zunehmend die Anwendung von Fragebögen, welche mit Bezug auf internationale Projekte entwickelt werden ([1]). [25] identifizieren diese Tendenz auch in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft und begründen sie durch das Streben nach der Vergleichbarkeit von Evidenz über Landes- und Sprachgrenzen hinweg. Dies erfordert die Entwicklung von kulturübergreifenden Fragebögen. Das kann laut [8] durch die Übersetzung von getesteten Fragebögen erfolgen, wobei Originalversionen und deren Übersetzungen möglichst äquivalent sein sollen ([5]).

Für die Übersetzung eines Fragebogens, der ursprünglich für eine bestimmte Kultur entwickelt wurde und nun Forderungen nach internationaler Vergleichbarkeit erfüllen muss, beschreiben [5] die Übersetzungsform I. Sie definieren dies als Prozess, in dem Adaptationen notwendig, jedoch durch die Forderung nach internationaler Vergleichbarkeit eingeschränkt sind. Adaptationen beschreiben sie als „Änderungen, die über die typischen sprachlichen Änderungen im Rahmen einer Übersetzung hinausgehen (...), um einen Fragebogen an die Bedingungen eines neuen Kulturraums anzupassen" ([5], S.13). Die übersetzte Version soll sicherstellen, dass eine Äquivalenz mit dem Original nicht nur wortwörtlich, sondern auch semantisch, interkulturell und konzeptuell gegeben ist.

Semantische Äquivalenz zwischen Instrumenten bedeutet nach [16] die Beibehaltung der Bedeutungsgleichheit der Inhalte. Interkulturelle Äquivalenz setzt nach [17] Inhaltsäquivalenz voraus. Jedes Item muss in der Übersetzung inhaltlich so formuliert sein, dass es in den neuen kulturellen Kontext eingebettet wird und so Sinn und Relevanz erhalten bleiben. Unter konzeptueller Äquivalenz wird das Abbilden derselben operationalisierten Konstrukte aus dem Original auch im Zielfragebogen verstanden ([17]).

In den Empfehlungen zur Fragebogenübersetzung herrscht Konsens darüber, dass diese systematisch erfolgen muss ([1]; [5]). In der deutschsprachigen Pflegewissenschaft hat sich hier die Erst- und Rückübersetzung von [7] im Kontext von mehrstufigen Verfahren, wie z.B. in den International Society for Pharmacoeconomics and Outcomes Research (ISPOR) Guidelines ([30]) empfohlen, etabliert. Übersetzungsarbeiten in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft definieren wir als Forschungsprojekte, in denen bereits vorhandene Fragebögen mit Fokus auf ein pflegewissenschaftliches Phänomen in die deutsche Sprache übersetzt werden.

Erst- und Rückübersetzung

Bei der Erst- und Rückübersetzung nach [7] erfolgt, nach einer ersten Übersetzung der Ursprungsversion A in den Zielfragebogen B, die Prüfung durch bilinguale Expert_innen. Diese kennen die Version A nicht und übersetzen die Version B wieder in die ursprüngliche Sprache zurück. Anschließend werden beide Instrumente auf Unterschiede geprüft und daraus der Zielfragebogen B weiterentwickelt. Hier werden alternative Formulierungen für eine äquivalente Übersetzung identifiziert ([2]). Diese Methode wird als Qualitätssicherungsstrategie verwendet, wenn Forscher_innen die Sprache des Ursprungsfragebogens nicht beherrschen ([7]). International wird dies zunehmend kritisch diskutiert ([3]).

Kritik an der Erst- und Rückübersetzung

Die Vorteile dieser Technik sind vage formuliert. Es wurden mehrfach Limitationen identifiziert: unter anderem weil dieses Vorgehen eine semantische Äquivalenz durch wortwörtliche Erst- und Rückübersetzung der Item-Textinhalte ermöglichen soll ([1]). Voraussetzung hierfür ist aber die exakte Übereinstimmung zwischen Wörtern in unterschiedlichen Sprachen ([24]). Dies ist jedoch selten der Fall, da Wörter entsprechend ihrer kulturellen Einbettung andere Bedeutung annehmen können ([10]; [24]). Eine Prüfung der interkulturellen Äquivalenz mittels Erst- und Rückübersetzung ist somit vermutlich limitiert.

Zudem können Inkonsistenzen zwischen originalem und übersetztem Fragebogen, die durch Erst- und Rückübersetzung sichtbar gemacht werden, auf Mängel in der Erst- wie in der Rückübersetzung basieren ([10]). Die Annahme, dass Mängel der Erstübersetzung durch eine Rückübersetzung zu korrigieren sind, ist deshalb irreführend (Harkness, 2003).

Teamverfahren für die Fragebogenübersetzung

[2] hat anhand empirischer Daten gezeigt, dass, vergleichend zwischen Rückübersetzung versus Fokussierung auf die Erstübersetzung eines Fragebogens in einem Expert_innenteam, Teamverfahren potenzielle Fehler einer Rückübersetzung umgehen können. Es werden daher zunehmend Vorgehen verfolgt, welche basierend auf Teamverfahren, eine äquivalente Übersetzung des Instruments besser unterstützen sollen ([2]). Teamverfahren sind vorteilhaft, da hier Fehler im Übersetzungsteam leichter und zuverlässiger erkannt werden und so zu einem besseren Resultat führen ([8]).

Die TRAPD-Methode (Harkness, 2003) gehört zu diesen Verfahren und umfasst die 5 Schritte Translation (Übersetzung), Review (Review), Adjudication (Adjudikation), Pretesting (Prätest) und Documentation (Dokumentation) ([5]). Sie wird als best practice in der interkulturellen Sozialforschung anerkannt ([3]) – auch deshalb, weil sie im Gegensatz zu anderen Methoden auf eine Rückübersetzung verzichtet. Mehrere Autor_innen wendeten die TRAPD-Methode in den Gesundheitswissenschaften mit guten Ergebnissen an (z.B. [13]). Somit sollte sie sich auch für die Pflegewissenschaft eignen. Erfahrungen mit der TRAPD-Methode als leitende Vorgehensweise für die Fragebogenübersetzung sowie berechtigte Gründe, warum diese Methode in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft bislang nicht angewendet wurde, wurden in der Literatur nicht gefunden.

Der revised MISSCARE Survey als Beispiel

Missed Nursing Care (MNC) definiert [19] als Situation, in der Aspekte der erforderlichen pflegerischen Versorgung entweder ganz oder teilweise weggelassen oder verzögert durchgeführt werden. MNC stellt ein erhebliches Risiko für die Patient_innensicherheit dar und muss bei der Entwicklung von qualitätssichernden Strategien untersucht werden ([14]).

Kalisch und Williams haben in den USA, ausgehend vom theoretischen Modell zu MNC, für operative und konservative Allgemeinstationen erwachsener Patient_innen, ein Instrument entwickelt, das die Intensität, den Typ von MNC und Einflussfaktoren misst: das MISSCARE Survey (2009). Seit 2006 wird das Instrument in mehreren Ländern eingesetzt und weiterentwickelt ([27]). Studien mit dem adaptierten revised MISSCARE Survey (rMS) zeigten hohe empirische Konsistenz ([9]). Das rMS besteht aus 67 Items: Einführend werden soziodemografische und berufliche Daten abgefragt; die Sektionen A und B enthalten Fragen zu MNC und Gründe hierfür. Der rMS wurde bereits auf Reliabilität und Konstruktvalidität psychometrisch getestet ([11]). [20] haben die Inhaltsvalidität der Erstversion geprüft.

Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen Studien erste Erkenntnisse zu MNC zeigen, fehlt es in Österreich an einem standardisierten Instrument zur Erhebung entsprechender Daten[1]. Um diese Lücke zu schließen, wurde in der vorliegenden Studie der rMS vom Englischen (Originalsprache) ins Deutsche (Zielsprache) mittels TRAPD-Methode übersetzt. Hierbei erfolgten die Übersetzung sowie notwendige kulturelle, Messung- und Konstrukt-bezogene Adaptationen ([5]). Ausgehend von der dargelegten Erfahrungslücke wird die Übersetzung vom rMS als Beispiel für die Diskussion zur Anwendung der TRAPD-Methode genutzt.

Ziel

Diese Studie ist Teil eines mehrphasigen Forschungsprojekts, das MNC auf Allgemeinstationen für erwachsene Patient_innen in österreichischen Kliniken untersucht. Dieser Teil bestand darin, eine semantisch, interkulturell und konzeptionell äquivalente Fassung des rMS für die Anwendung im österreichischen Kontext mittels TRAPD-Methode zu entwickeln. In diesem Artikel werden die Erfahrungen mit diesem Übersetzungsverfahren in der Pflegewissenschaft beschrieben und kritisch reflektiert.

Methode

Für die Anwendung der TRAPD-Methode haben wir uns an [5] und an den GESIS (Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen) Guidelines orientiert, um grundlegende Qualitätsaspekte wie z.B. die Rekrutierung geeigneter Übersetzer_innen zu sichern ([5]). Zudem wurde die Methode um den Schritt Preparation (Vorbereitung) aus den ISPOR Guidelines ([30]) erweitert, um diese Phase in der TRAPD-Methode eindeutiger darzustellen.

Die Übersetzung des rMS erfolgte zwischen August 2020 und Mai 2021. Der gesamte Prozess und der Zeitaufwand (ca. 420 Arbeitsstunden) wurden von der Erstautorin protokolliert, die an allen Schritten beteiligt war. Das elektronische Supplement ESM1 stellt eine detaillierte Beschreibung des Prozesses dar. Wie Abbildung 1 zeigt, erfolgte dies mehrphasig und teilweise wiederholend.

Graph: Abbildung 1 Umsetzung der (erweiterten) TRAPD-Methode.

Das gesamte Vorgehen wurde ausführlich dokumentiert und für jedes rMS-Item eine Übersetzungsmatrix erstellt. Die Zwischenergebnisse wurden laufend und nach jeder Phase der TRAPD-Methode verschriftlicht und dienten als Basis der Konsentierung im Team (Beispiel siehe ESM2). Final wurden alle Übersetzungsmatrizen in einem Protokoll zusammengeführt.

Schritt 1 – Vorbereitung

Bei den Entwicklerinnen des rMS ([11]) wurden neben der Verwendungsgenehmigung auch Empfehlungen zur Weiterentwicklung des rMS eingeholt. Expert_innen zum Thema MNC im deutschsprachigen Raum wurden eruiert und bei konzeptuellen und kulturellen Unklarheiten hinzugezogen. Anschließend wurden entsprechend [5] zwei bilinguale Übersetzer_innen rekrutiert. Diese bildeten zusammen mit den Expert_innen und dem Kernteam (d.h., Autorinnen) das Übersetzungsteam.

Nach den Empfehlungen von [5] erhielt das Übersetzungsteam ein Informationsschreiben zu den Kernkonzepten von MNC und deren Einflussfaktoren als zentrale Fragebogenkonstrukte, sowie zur Übersetzungsmethode.

Schritt 2 – Übersetzung

Die beiden Übersetzer_innen haben unabhängig voneinander je eine Übersetzung durchgeführt. Im Kernteam wurden Formulierungsvorschläge für die Fragebogenkonstrukte formuliert. Damit sollte ihr Einfluss auf die Übersetzung gemildert und die Identifikation von Fehler- oder Ambiguitätsquellen ermöglicht werden ([5]).

Schritt 3 – Review

Am Review war das gesamte Übersetzungsteam eingebunden. Das „multi-step review" erfolgte in drei Phasen ([4]):

  • • Review I: Übersetzung: Zuerst wurden die 2 Übersetzungen analysiert, kritisch diskutiert und bei Differenzen erfolgte eine Konsentierung mit Fokus auf idiomatische und grammatikalische Aspekte sowie auf semantische Äquivalenz. Aus den zusammengeführten Übersetzungen wurde der erste Fragebogenentwurf generiert. Im Fokus war die Bedeutung der Sprache entsprechend dem „Ask-the-same-question"-Ansatz: hier werden im Ursprungs- und Zielfragebogen dieselben Fragen und Antwortausprägungen inhaltlich gestellt ([5]). Bei einem Großteil der Items war dieses Vorgehen möglich. Es wurden aber auch kulturelle und konzeptuelle Unklarheiten (wie z.B. zur passenden Bezeichnung der Arbeitsformen von Pflegepersonen in österreichischen Kliniken oder der passenden Übersetzung von MNC) als Schwerpunkte für den nächsten Review-Schritt identifiziert.
  • • Review II: Fokussierung auf Unklarheiten: Konzeptuelle Unklarheiten, z.B. zur anfangs unklaren Übersetzung des Begriffs Missed Nursing Care, wurden anhand der Termini in der deutschen Literatur zu MNC diskutiert. Diese Phase stellte sicher, dass a) alle Facetten des originalen Konzeptes vom Ursprungs- in den Zielfragebogen transportiert wurden und b) Items so formuliert wurden, dass sie die Fachsprache der akutstationären Pflege in Österreich widerspiegeln. Dies erforderte bei einzelnen Items einen „Ask a different question"-Ansatz. Nach [5] kann dies je nach Kultur für unterschiedliche Fragen und/oder Antwortkategorien zur Erfassung eines gleichen Phänomens erforderlich sein. Im Zielfragebogen wurden deshalb z.B. die Items Bildung, Funktion und Station, aber auch der zentrale Begriff von MNC adaptiert. Unklare Anpassungen wurden mit den Expert_innen diskutiert und finalisiert.
  • • Review III: Prüfung mit Entwicklerin: Bestehende Unklarheiten und die getroffenen Adaptationen wurden mit der Entwicklerin des Originals besprochen. So konnten die interkulturelle Auffassung über das Konzept MNC und die Konstrukte des Konzeptes im rMS (d.h., die Operationalisierung von MNC) validiert werden. Das Interview wurde in englischer Sprache online durchgeführt. Etwaige sprachliche Barrieren wurden durch weiterführende schriftliche Nachfragen an die Erstautorin geklärt. Daraus entstand der zweite Entwurf des Zielfragebogens, welcher dann auf Fragenformulierung, Skalierung sowie interkulturelle und konzeptuelle Äquivalenz geprüft wurde.
Schritt 4 - Qualitativer Prätest

Qualitative Prätests zur Fragebogenübersetzung ermöglichen es, Probleme und deren Ursachen zu identifizieren ([23]). Vor der ersten Datenerhebung für die Hauptstudie wurde deshalb ein dreiphasiger kognitiver Prätest mittels Nachfragen durchgeführt (Tab. 1). Der semistrukturierte Interviewleitfaden und das Codierparadigma zur Datenanalyse basieren auf der „theory of survey response" ([29]) und auf offenen Fragen aus der Review-Phase. Diese Phase diente auch zur ersten Inhaltsvalidierung (Augenscheinvalidität) des übersetzten Fragebogens.

Graph

Tabelle 1 Dreiphasiger Kognitiver Prätest

Phase Methode
Qualitativer Prätest I Im ersten kognitiven Prätest wurde der revised MISSCARE Austria (rMA) mittels simultaner und retrospektiver Nachfragen mit sieben Pflegepersonen mit Erfahrung in der direkten akuten Patient_innenversorgung getestet. Die (1) simultane Nachfragentechnik wurde zuerst auf der individuellen Ebene der Beteiligten in schriftlicher Form angewandt. Danach wurden die Ergebnisse in (2) zwei Gruppendiskussionen gemeinsam interpretiert. Abschließend wurden beide Datenquellen zusammengeführt und mit dem erstellten Codierparadigma deduktiv analysiert. Die Ergebnisse führten zu mehreren Adaptierungen im rMA, welche im zweiten kognitiven Prätest geprüft wurden. Anschließend wurde die Papierversion des rMA auf eine Online-Form adaptiert.
Qualitativer Prätest II Im zweiten kognitiven Prätest wurden die Handbarkeit der Online-Version sowie die Verständlichkeit und kulturelle Angemessenheit der Begrifflichkeiten in einem retrospektiven Peergroup-Verfahren mit acht Doktorand_innen der Pflegewissenschaft geprüft. Hier haben die Beteiligten zuerst ein (1) individuelles schriftliches Feedback auf gestellte Nachfragen verfasst sowie Empfehlungen zum identifizierten Entwicklungsbedarf formuliert. (2) In einem Forschungskolloquium wurden die Ergebnisse diskutiert. Die Diskussion wurde protokolliert und in einer Nachbesprechung im Kernteam zusammengefasst. Daraus resultierten weitere Adaptierungen, welche im dritten kognitiven Prätest erprobt wurden.
Qualitativer Prätest III Im dritten kognitive Prätest wurden zehn Pflegepersonen der Zielgruppe der Befragung mittels schriftlicher retrospektiver Nachfragen mit Fokus auf die Verwendung der Skalierung und Akzeptabilität befragt. Ihre schriftlichen Rückmeldungen wurden im Kernteam diskutiert und zusammengefasst. Nach dem dritten kognitiven Prätest folgte die Finalisierung des Fragebogens.

Schritt 5 – Adjudikation

Eine mehrstufige Adjudikation (msA) wurde implementiert. Hier wurden offene Fragen geklärt, die Adaptierungen finalisiert und Ergebnisse kritisch reflektiert. Da sich Ergebnisse und potenzielle Unklarheiten in jedem Prozessschritt ergaben, waren eine laufende Angleichung und iterative Entscheidungsfindung im Kernteam notwendig.

Drei Phasen charakterisierten diesen Prozess: 1) der Zielfragebogen wurde nach den Empfehlungen zur Fragenformulierung von [22] in zwei Schritten geprüft und adaptiert (msA I/II); 2) die Skalierung wurde entsprechend [26] begutachtet und adaptiert (msA III/IV); 3) das Layout der Online-Version wurde finalisiert (msA V). Begleitend erfolgten eine Literaturrecherche und der Austausch mit Expert_innen (siehe Klärung von offenen Fragen [ergänzend zur Adjudikation] in Abb. 1). Abschließend wurde die Erstversion des revised MISSCARE-Austria (rMA) erstellt.

Schritt 6 – Erster Quantitativer Prätest

Eine deskriptive Querschnittstudie mittels onlinebasierter Fragebogenerhebung ermöglichte den ersten quantitativen Prätest. Im Fokus war die Prüfung der a) gesamten Akzeptanz, des b) Antwortverhaltens, der c) Konstruktvalidität vom Teil B und der d) Reliabilität der Teile A und B (wie in [11]). Die Ergebnisse werden in einem gesonderten Artikel publiziert.

Ergebnisse

In diesem Kapitel wird der rMA als Ergebnis der Anwendung der TRAPD-Methode beschrieben. Abbildung 2 gibt eine Übersicht über den Typ und die Anzahl der getroffenen Übersetzungen und Adaptationen.

Graph: Abbildung 2 Übersicht über Typ und Anzahl der Übersetzungen und Adaptationen (n = 55 Items).

Der Fragebogen

Der rMA besteht aus 85 Items: 30 Items zu soziodemografischen und beruflichen Merkmalen, 30 Items zur Häufigkeit von MNC (Sektion A) und 25 Items zu den Einflussfaktoren (Sektion B). Fragestimuli und Antwortkategorien in Sektion A und B sind in Tabelle 2 abgebildet.

Graph

Tabelle 2 Fragestimuli und Antwortkategorien der Sektion A und B

Sektion Fragestimulus Antwortkategorien
A In der Sektion A ist der Fragestimulus wie folgt formuliert: Studien zufolge müssen Pflegepersonen im Krankenhaus immer wieder sowohl aufgrund erhöhter Anforderungen, von Personal-, Material- und Ressourcenknappheit als auch der Herausforderungen in der interprofessionellen Zusammenarbeit, notwendige Pflegetätigkeiten weglassen bzw. die Patient*innenversorgung nicht zu Ende oder nur mit Verzögerung durchführen. Dieses Phänomen wird als Missed Nursing Care bezeichnet. Auf diesem Hintergrund basierend: Wie oft mussten Sie und/oder Ihre Kolleg_innen aus Ihrem Pflegeteam auf Ihrer Station in den letzten 2 Wochen folgende pflegerischen Handlungen gemäß der oberen Definition WEGLASSEN bzw. NICHT ZU ENDE oder NUR MIT VERZÖGERUNG durchführen? Die Antwortkategorien zur Beantwortung der Fragen wurden mittels einer 6-stufigen Endpunktskala von 1:„sehr selten" bis 6:„sehr oft" (6-stufige Endpunktskala) ausgestaltet. Die Antwortkategorie -1:„Maßnahmen war nicht erforderlich" wurde hinzugefügt.
B In der Sektion B ist folgende Frage für die Beantwortung der Fragebogenitems leitend: Wie AUSSCHLAGGEBEND waren folgende SITUATIONEN, dass auf Ihrer Station in den letzten zwei Wochen pflegerische Handlungen weggelassen werden mussten bzw. nicht zu Ende oder nur mit Verzögerung durchgeführt werden konnten? Die leitende Frage ist mit folgenden Antwortkategorien zu beantworten: 1:„sehr ausschlaggebend" bis 6:„gar nicht ausschlaggebend" (6-stufige Endpunktskala).

Eine Ausfüllhilfe sowie 3 Items zur Prüfung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden addiert. In Sektion A und B wurde zudem ein Erinnerungszeitraum für die Beantwortung der Fragen eingefügt. Beispiele der Item-Übersetzung und Adaptierung sind in Tabelle 3 abgebildet. Im Vergleich zum Ursprungsfragebogen wurden Items nicht nur semantisch übersetzt, sondern auch kulturell sowie Messung- und Konstrukt-bezogen adaptiert.

Graph

Tabelle 3 Revised MISSCARE-Austria: Beispiele für übersetzte und adaptierte Items (Sektionen A und B)

Item-Nr. Original (Dabney et al., 2019) Item-Nr. Übersetzte Items im Revised MISSCARE-Austria: Sektion A T A
Anmerkungen: Legende (wie in Bluemke et al. [2020] in Behr & Zabal [2020]): T = Translation (Übersetzung): einfache Übersetzung (0), komplexe Übersetzung (1); A = Adaptierung: keine (0), Kultur- (2), Messung- (3) und Konstrukt bezogene Adaption (4).
Sektion A1. Ambulation/mobilization three times per day or as ordered Sektion A1. Mobilisieren der Patient_innen so oft wie notwendig bzw. wie angeordnet 0 2, 3
7. Monitoring intake/output 7. Überwachen von Einfuhr und Ausfuhr 0 3
8. Full documentation of all necessary data 8. Vollständiges Führen der Pflegedokumentation 1 2, 3
13. Hand washing 13. Eigene Händehygiene (i.e. Händewaschen und/oder Händedesinfektion) 0 2, 3
14. Patient discharge planning and teaching 14. Planen der Patient_innenentlassung 1 2, 4
14.a Beratung und Schulung der Patient_innen zur Entlassung
14.b Beratung und Schulung der Angehörige zur Entlassung
19. Response to call light is initiated within 5 minutes 19. Zeitnahes Reagieren auf die Patient_innenglocke 1 2, 3
25. Adequate surveillance of confused/impaired patients 25. Angemessene Überwachung von desorientierten/ kognitiv beeinträchtigen Patient_innen 0 3
Sektion B1. Inadequate number of staff Sektion B1. Mangel an Pflegefachpersonen (i.e. DGKP, PFA und/oder PA) 1 2, 3
2. Urgent patient situations (e.g., a patient's condition worsening) 2. Akute Patient_innensituationen (z.B. durch klinische Verschlechterung) 0 3
6. Medications were not available when needed 6. Medikamente waren nicht verfügbar, als sie gebraucht wurden 0 3
16. Caregiver off unit or unavailable 16. Angehörige oder Betreuer_in nicht auf Station oder nicht verfügbar 1 3
20. Interruptions/Multitasking 20.a Häufiges Unterbrochen werden bei Pflegetätigkeiten 1 3
20.b Durchführen von mehreren Tätigkeiten gleichzeitig 1 3

Übersetzung

Für die Mehrzahl der Items war eine eindeutige Übersetzung vom Englischen ins Deutsche möglich. Items mit komplexer Übersetzung setzten eine iterative Vorgehensweise voraus, welche Abstimmungen mit Entwicklerinnen und Expert_innen sowie Literaturrecherche erforderten. Aus 30 Items in Sektion A bedingten lediglich 5 Items eine komplexe Übersetzung. In Sektion B waren dies 7 aus 25 Items, z.B. das Item 16 in Sektion B (Tab. 3).

Zum zentralen Begriff Missed Nursing Care war keine Übersetzung mit Konsentierung im Team möglich, da kein eindeutiger deutscher Begriff vorlag. Vorhandene Termini, wie z.B. unvollständige, vernachlässigte oder versäumte Pflege, wurden in den Review- und Prätestphasen sowohl von den Übersetzer_innen als auch von den Pflegepersonen als unpassend bezeichnet. Deshalb wurde der englische Begriff beibehalten und eine explizite Definition auf Deutsch im Zielfragebogen angeführt, die auf den operationalisierten Konstrukten des rMS basiert. Sie ermöglicht es, konzeptuell nah am Original zu bleiben und eine präzise Bedeutung zu vermitteln.

Kulturelle Adaption

10 Items wurden hinzugefügt, um die Charakteristika des Arbeitskontextes der Befragten sowie kulturelle Spezifika österreichischer Kliniken abzubilden. Zudem wurden 13 Items und 4 Items jeweils in Sektion A und B kulturell adaptiert (z.B. Item 13 in Sektion A; Tab. 3). In der Sektion A wurden Items zur Anordnung und den zeitlichen Umfang der Tätigkeiten adaptiert. Dies sind z.B. Situationen, die eine kulturelle Unterscheidung zwischen Österreich und dem Ursprungsfragebogen darstellen.

Konstrukt-bezogene Adaption

Im Fokus der Adaption war die konzeptuelle Äquivalenz zum Ursprungsfragebogen. Hier wurden alle Items in Sektion A und B beibehalten und zudem Erweiterungen vorgenommen. Um doppelte Stimuli zu vermeiden (Lenzer & Menold, 2015) wurden aus allen Items mit mehreren Komponenten jeweils ein Item pro Komponente erstellt – konzeptuelle Inhalte des Fragebogens blieben hierbei gleich. Dies betraf Items in Sektion A und B (siehe z.B. Items 20.a und 20.b der Sektion B, Tab. 3).

Auch eine Explizierung einzelner Items, damit sie eindeutig pflegebezogen sind (z.B. Mangel an Pflegepersonal statt Personalmangel) hat sich bei den kognitiven Prätests als notwendig herauskristallisiert. Deshalb wurden Items in Sektion A und B spezifiziert (siehe z.B. Item 1, Sektion B, Tab. 2) – immer unter Bedachtnahme, dass sie denselben Konstrukten im rMS entsprechen.

Eine Konstrukt-bezogene Adaptation erfolgte nach dem kognitiven Prätest bei 4 Items in Sektion A. Hierbei wurden die Interventionen „Emotionale Unterstützung", „Information und Beratung", sowie „Schulung" um die Perspektive der Angehörigen erweitert. Zudem wurde ein Item zur Pflege von peripher venösen Kathetern aufgenommen, da diese Intervention im Original nicht vorhanden, aber laut Pflegepersonen für die Abbildung ihrer Praxis relevant ist. Diese Adaptationen wurden nach Absprache mit den Entwicklerinnen finalisiert.

Messung-bezogene Adaptation

Eine Messung-bezogene Adaptation erfolgte bei allen Items von Sektion A und B. Die Übersetzung der Skalierungen in Sektion A und B war herausfordernd, aufgrund 1) der nicht äquidistanten Antwortkategorien und 2) der Diskrepanz zwischen Fragenformulierung und der verbalen Skalenbeschriftung im Originalfragebogen. Die kognitiven Prätests zeigten, dass 3) die Skalierung für den österreichischen Kontext ungeeignet war, da Pflegepersonen bei der Frage nach der Häufigkeit von weggelassenen Pflegetätigkeiten aufgrund sozialer Erwünschtheit wahrscheinlich die Kategorie „Immer" nicht ankreuzen würden. Deshalb wurde eine neue Antwortskala entwickelt, die: 1) eine symmetrische Endpunktskala ist; 2) der Fragestellung entspricht und 3) auf die Extremwerte „immer" und „nie" verzichtet. Die Angemessenheit der Antwortskala wurde vor der Finalisierung des rMA mit Pflegepersonen getestet.

Ausblick auf die folgenden Schritte

Die kulturellen, Konstrukt- und Messung-bezogenen Adaptationen wurden mit Pflegepersonen kognitiv und psychometrisch getestet. Eine weitere psychometrische Testung anhand konfirmatorischer Ansätze erscheint für die Evaluation der strukturellen Validität und der Reliabilität des rMA notwendig. Diese soll zeigen, ob Antworttendenzen und Beziehungen zwischen den empirischen Daten und den Ergebnissen zur psychometrischen Güte des rMS beziehungsweise den Konzepten des MNC-Models ([21]) entsprechen. Das rMA wird bis zur Prüfung dieser Elemente für deskriptive und schließende Analyseverfahren in der Projektgruppe eingesetzt.

Diskussion

In diesem Artikel wurde die Übersetzung eines Fragebogens am Beispiel des rMA ohne Rückübersetzung mit Fokus auf die Übersetzungsform I anhand der TRAPD-Methode dargestellt. Diese Methode, ergänzt um Aspekte aus den GESIS Guidelines, bietet Orientierung, wie sich Forscher_innen auf die Bedeutung der Sprache, Kultur und Konstrukte hinter den Fragen und Antwortkategorien eines Messinstrumentes konzentrieren können, ohne auf der Ebene des „Ask the same question"-Ansatzes limitiert zu bleiben ([3]; [15]).

Die Sicherstellung der semantischen, interkulturellen und konzeptuellen Äquivalenz zwischen der Ursprungsversion rMS und deren Übersetzung rMA war das Ziel des methodischen Vorgehens. Wesentlich hierfür waren a) die geeignete Auswahl von Übersetzer_innen, b) die Anwendung eines Informationsschreibens, um ein gemeinsames konzeptuelles Verständnis zu generieren, c) der permanente iterative Austausch von Personen mit kulturellem US-amerikanischem und österreichischem Hintergrund und d) der wiederholte Einsatz von kognitiven Prätests. Diese stellten in unserer Studie eindeutige Vorteile der TRAPD-Methode dar, die allerdings nicht nur dieser Methode zugeordnet werden können. Andere Aspekte, welche nicht exklusiv der TRAPD-Methode angehören, trugen ebenfalls zur Förderung der interkulturellen und konzeptuellen Äquivalenz bei. Ein wichtiger Beitrag, übernommen aus den ISPOR Guidelines ([30]) war der Einbezug der Entwicklerin vom rMS zur Prüfung vorgenommener Adaptationen. Dieser Schritt gilt als qualitätssichernde Maßnahme für die Festlegung eines ähnlichen Fragen- und Antwortstimulus zwischen Ursprungs- und Zielfragebogen. Zudem war die Priorisierung von kognitiven Prätests, basierend auf den GESIS Guidelines, eine wichtige Ressource für die Adaptation des Fragebogens rMA. Die wiederholten kognitiven Prätests haben gezeigt, dass eine Annäherung an interkulturelle Äquivalenz durch die Konsentierung von Personen der Zielgruppe möglich ist, wenn unklare Items in Gruppeninterviews diskutiert werden. Diese Feststellung bestärkt die Empfehlungen von [23] für das Priorisieren dieser Strategie in der Fragebogenentwicklung. Die Kombination dieser unterstützenden Verfahren mit der TRAPD-Methode, war aus unserer Erfahrung geeignet, um kulturelle und inhaltliche Äquivalenz zu erzielen.

Limitationen in der Anwendung der TRAPD-Methode

Obwohl die TRAPD-Methode den Anspruch an Äquivalenz mittragen kann, gibt es in deren Anwendung auch Herausforderungen ([8]). Zum einen wird die Methode durch die lineare Darstellung (Harkness, 2010) simplifiziert und damit der iterative Charakter nur eingeschränkt transportiert. Harkness (2010) führt zwar an, dass iterative Schritte in der TRAPD-Methode erforderlich sein können, aus unserer Sicht ist das prozesshafte Vorgehen jedoch essenziell und muss deutlicher aufgezeigt werden. Dies gilt auch für den ersten Vorbereitungsschritt ([5]). In der Literatur wird zwar angeführt, dass bestimmte Dokumente und Kriterien sowie Informationsbemühungen im Vorfeld der Übersetzung per se bedeutend sind, es fehlt aber eine klare Strukturierung hierzu.

Des Weiteren darf sich der Übersetzungsprozess bei der Suche nach interkultureller und konzeptueller Äquivalenz nicht auf die Ebene der Sprache beschränken, sondern muss auch in der kulturbezogenen Bedeutung der Sprache stattfinden ([24]). Dies erforderte eine entsprechende Abstimmung im Kernteam, eine angemessene Literaturrecherche und den Austausch mit Expert_innen, um die Kultur hinter den Wörtern zu explizieren und im Übersetzungsprozess abzustimmen. Bereits [8] merkten an, dass dieses Vorgehen hohe Zeitressourcen erfordern kann und es nicht einfach ist, Beteiligte zu finden, welche sich diesem intensiven Prozess widmen. Zudem erfordert die gesamte Prozessdokumentation methodische Disziplin und Aufwand, um die vielen Informationen zum Übersetzungsprozess transparent und nachvollziehbar darzustellen.

Äquivalenz zwischen Ursprungsversion rMS und deren Übersetzung rMA

Die Anwendung der TRAPD-Methode führte in unserer Studie zur Entwicklung des rMA, ein Instrument, das inhaltlich sehr nah am originalen rMS geblieben ist. Es besteht nur ein konzeptueller Unterschied zwischen den Instrumenten: die neu formulierten Items zur Angehörigenberatung und -schulung sowie die Gesprächsführung. Des Weiteren waren im Übersetzungsprozess zahlreiche kulturelle Adaptionen notwendig, um die Bedeutungsgleichheit der englischen und deutschen Begriffe zwischen Ursprungs- und Zielfragebogen sicherzustellen ([5]). Der Austausch mit der Entwicklerin und die Ergebnisse aus den kognitiven Prätests unterstützten die vollständige Abbildung des Konstruktes Missed Nursing Care im österreichischen Kontext.

In unserer Studie wurden die größten Adaptionen im Bereich der Messung getroffen, beginnend beim neu eingeführten Erinnerungszeitraum bis hin zur geänderten Skalierung der Sektionen A und B. Diese Änderungen sind aus anderen internationalen Übersetzungen vom rMS teilweise bekannt und stellten per se keine Einschränkung für die inhaltliche Diskussion des Phänomens dar ([27]). Diese Adaptationen sehen wir deshalb anhand der Messung-bezogenen Vielfalt der bestehenden Studien als kompatibel mit einer interkulturellen und konzeptuellen internationalen Vergleichbarkeit der aus dem rMA generierten Ergebnisse.

Limitierte Vergleichbarkeit statistischer Befunde

Sollten mit dem rMA in weiteren Studien, die über die Ziele unseres Projektes hinaus gehen, direkte Vergleiche statistischer Ergebnisse auf internationaler Ebene verfolgt werden, erfordern diese eine weitere Harmonisierung der Ratingskalen ([5], [26]). Grund hierfür ist, dass die Gestaltung von Ratingskalen in standardisierten Instrumenten das Antwortverhalten der Befragten beeinflussen kann ([26]). Deshalb ist ein Vergleich von Ergebnissen aus interkul turellen und konzeptuell äquivalenten Fragebögen, welche in unterschiedlichen Ländern und Sprachen angewendet werden, mit etwaigen veränderten Antwortkategorien und -skalen sowie geänderter Anzahl an Items, inhaltlich im Diskurs und nicht primär durch den direkten Vergleich statistischer Maße auszulegen.

Schlussfolgerung

Unsere Studie bestärkt die Argumentation, dass die TRAPD-Methode für die Übersetzung von kulturübergreifenden Messinstrumenten in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft geeignet ist. Durch die Fokussierung auf die Erstübersetzung kann diese Methode zur interkulturellen und konzeptuellen Äquivalenz beitragen. Wichtig ist die weitere Erprobung dieser Methode für eine Weiterentwicklung von Spezifika in nicht internationalen Projekten, wie z.B. die stark iterative Vorgehensweise oder die wiederholten kognitiven Prätests. Die Frage, wie interkulturelle und konzeptuelle Äquivalenz zwischen ursprünglichen Fragebogenversionen und deren Übersetzung für Dritte praktikabel, sichtbar und nachvollziehbar gemacht werden kann, erscheint hier weiterhin als relevant.

Elektronische Supplemente (ESM)

Die elektronischen Supplemente sind mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000936.

  • ESM 1. Zusammenfassung der Übersetzung und des Adaptierungsprozesses.
  • ESM 2. Beispiel der Übersetzungsmatrix.
Autorenschaft

Substanzieller Beitrag zu Konzeption oder Design der Arbeit: AC, IE, HM

Substanzieller Beitrag zur Erfassung, Analyse oder Interpretation der Daten: AC, IE, HM

Manuskripterstellung: AC

Einschlägige kritische Überarbeitung des Manuskripts: AC, IE, HM

Genehmigung der letzten Version des Manuskripts: AC, IE, HM

Übernahme der Verantwortung für das gesamte Manuskript: AC, IE, HM

Literatur 1 Beaton, D. E., Bombardier, C., Guillemin, F., & Ferraz, M. B. (2000). Guidelines for the Process of Cross-Cultural Adaptation of Self-Report Measures. SPINE, 25(24), 3186–3191. https://doi.org/10.1097/00007632-200012150-00014 2 Behr, D. (2017). Assessing the use of back translation: The shortcomings of back translation as a quality testing method. International Journal of Social Research Methodology, 20(6), 573–584. https://doi.org/10.1080/13645579.2016.1252188 3 Behr, D. (2018). Translating questionnaires for cross-national surveys: A description of a genre and its particularities based on the ISO 17100 categorization of translator competences. Translation & Interpreting, 10(2), 5–20. https://doi.org/10.12807/ti.110202.2018.a02 4 Behr, D., & Zabal, A. (2020). Documenting Survey Translation. GESIS Survey Guidelines. GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-70539-0 5 Behr, D., Braun, M., & Dorer, B. (2015). Messinstrumente in internationalen Studien. GESIS Survey Guidelines. GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.15465/GESIS-SG_006 6 RIS (Rechtsinformationssystem des Bundes). (2019). Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG). BGBl. I Nr. 108/1997(NR: GP XX RV 709 AB 777 S.82. BR: 5494 AB 5515 S.629.). https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011026 7 Brislin, R. W. (1970). Back-translation for cross-cultural research. Journal of Cross-Cultural Psychology, 1, 185–216. https://doi.org/10.1177/135910457000100301 8 Cha, E.-S., Kim, K. H., & Erlen, J. A. (2007). Translation of scales in cross-cultural research: Issues and techniques. Journal of Advanced Nursing, 58(4), 386–395. https://doi.org/10.1111/j.1365-2648.2007.04242.x 9 Chaboyer, W., Harbeck, E., Lee, B.-O., & Grealish, L. (2021). Missed nursing care: An overview of reviews. The Kaohsiung Journal of Medical Sciences, 37(2), 82–91. https://doi.org/10.1002/kjm2.12308 Curtarelli, M., & van Houten, G. (2018). Questionnaire translation in the European Company Survey: Conditions conducive to the effective implementation of a TRAPD- based approach. Translation & Interpreting, 10(2), 34–54. https://doi.org/10.12807/ti.110202.2018.a04 Dabney, B. W., Kalisch, B. J., & Clark, M. (2019). A revised MISSCARE survey: Results from pilot testing. Applied Nursing Research, 50, 151202. https://doi.org/10.1016/j.apnr.2019.151202 Del-Pino-Casado, R., Priego-Cubero, E., López-Martínez, C., & Orgeta, V. (2021). Subjective caregiver burden and anxiety in informal caregivers: A systematic review and meta-analysis. PloS one, 16(3), e0247143. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0247143 Gühne, U., Dorow, M., Grothe, J., Stein, J., Löbner, M., Dams, J., Coast, J., Kinghorn, P., König, H.-H., & Riedel-Heller, S. G. (2021). Valuing end-of-life care: Translation and content validation of the ICECAP-SCM measure. BMC Palliative Care, 20(1), 29. https://doi.org/10.1186/s12904-021-00722-5 Griffiths, P., Recio-Saucedo, A., Dall'Ora, C., Briggs, J., Maruotti, A., Meredith, P., Smith, G. B., Ball, J., & Missed Care Study Group. (2018). The association between nurse staffing and omissions in nursing care: A systematic review. Journal of advanced nursing, 74(7), 1474–1487. https://doi.org/10.1111/jan.13564 Harkness, J. (2008). ESS Translation Strategies and Procedures. European Social Survey, Nr. 4. Zugriff am 10.05.2021 unter: http://www.europeansocialsurvey.org/docs/round4/methods/ESS4%5ftranslation%5fguidelines.pdf Herdman, M., Fox-Rushby, J., & Badia, X. (1997). Equivalence and the translation and adaptation of health-related quality of life questionnaires. Quality of Life Research, 6, 237–247. https://www.jstor.org/stable/4035085 Hilton, A., & Skrutkowski, M. (2002). Translating Instruments Into Other Languages: Development and Testing Processes. Cancer Nursing, 25(1), 1–7. https://doi.org/10.1097/00002820-200202000-00001 Hübsch, C., Müller, M., Spirig, R., & Kleinknecht-Dolf, M. (2020). Performed and missed nursing care in Swiss acute care hospitals: Conceptual considerations and psychometric evaluation of the German MISSCARE questionnaire. Journal of Nursing Management, 28(8), 2048–2060. https://doi.org/10.1111/jonm.13026 Kalisch, B. J. (2006). Missed Nursing Care A Qualitative Study. Journal of Nursing Care Quality, 21(4), 306–313. https://doi.org/10.1097/00001786-200610000-00006 Kalisch, B. J., & Williams, R. A. (2009). Development and Psychometric Testing of a Tool to Measure Missed Nursing Care. The Journal of Nursing Administration, 39(5), 211–219. https://doi.org/10.1097/NNA.0b013e3181a23cf5 Kalisch, B. J., Landstrom, G. L., & Hinshaw, A. S. (2009). Missed nursing care: A concept analysis. Journal of Advanced Nursing, 65(7), 1509–1517. https://doi.org/10.1111/j.1365-2648.2009.05027.x Lenzner, T., & Menold, T. (2015). Frageformulierung. GESIS Survey Guidelines. GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.15465/gesis-sg_017 Lenzner, T., Neuert, C., & Otto, W. (2015). Kognitives Pretesting. GESIS Survey Guidelines. GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. https://doi.org/org/10.15465/GESIS-SG_010 Maclean, K. (2007). Translation in Cross-Cultural Research: An Example from Bolivia. Development in Practice, 17(6), 784–790. https://doi.org/10.1080/09614520701628287 Martin, J. S., Vincenzi, C., & Spirig, R. (2007). Prinzipien und Methoden einer wissenschaftlich akkuraten Übersetzungspraxis von Instrumenten für Forschung und direkte Pflege. Pflege, 20(3), 157–163. https://doi.org/10.1024/1012-5302.20.3.157 Menold, N., & Bogner, K. (2014). Gestaltung von Ratingskalen in Fragebögen. GESIS Survey Guidelines. GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.15465/SDM-SG_015 Palese, A., Navone, E., Danielis, M., Vryonides, S., Sermeus, W., & Papastavrou, E. (2021). Measurement tools used to assess unfinished nursing care: A systematic review of psychometric properties. Journal of advanced nursing, 77(2), 565–582. https://doi.org/10.1111/jan.14603 Stacke, T. I., Manietta, C., Purwins, D., Bergmann, J. M., Rommerskirch-Manietta, M., & Roes, M. (2022). Übersetzung und kultursensitive Anpassung des Preferences for Everyday Living Inventory© für pflegerische Versorgungssettings. Pflege, 35(1), 49–56. https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000824 Tourangeau, R., Rips, L. J., Rasinski, K., & Cambridge Core. (2000). The psychology of survey response. Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511819322 Wild, D., Grove, A., Martin, M., Eremenco, S., McElroy, S., Verjee-Lorenz, A., & Erikson, P. (2005). Principles of Good Practice for the Translation and Cultural Adaptation Process for Patient-Reported Outcomes (PRO) Measures: Report of the ISPOR Task Force for Translation and Cultural Adaptation. Value in Health, 8(2), 94–104. https://doi.org/10.1111/j.1524-4733.2005.04054.x Footnotes Eine erste deutsche Version vom Teil A des MISSCARE Survey wurde bereits entwickelt (Hübsch et al., 2020). Allerdings bezieht sich diese auf die alte Version des MISSCARE Survey (Kalisch & Williams, 2009), die österreichische Spezifika der akutstationären Pflege nicht berücksichtigt.

By Ana Cartaxo; Inge Eberl and Hanna Mayer

Reported by Author; Author; Author

Titel:
Übersetzung des revised MISSCARE Survey zum deutschsprachigen revised MISSCARE-Austria: Anwendung der TRAPD-Methode.
Autor/in / Beteiligte Person: Cartaxo, Ana ; Eberl, Inge ; Mayer, Hanna
Link:
Zeitschrift: Pflege, Jg. 36 (2023-07-01), Heft 4, S. 228-237
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: academicJournal
ISSN: 1012-5302 (print)
DOI: 10.1024/1012-5302/a000936
Schlagwort:
  • EXPERIMENTAL design
  • RESEARCH
  • NURSING
  • RESEARCH methodology
  • PHILOSOPHY of nursing
  • QUESTIONNAIRES
  • RESEARCH funding
  • TRANSLATIONS
  • EVALUATION
  • AUSTRIA
  • Subjects: EXPERIMENTAL design RESEARCH NURSING RESEARCH methodology PHILOSOPHY of nursing QUESTIONNAIRES RESEARCH funding TRANSLATIONS EVALUATION
  • Committee Approach
  • Methodological study
  • Questionnaires
  • Translation
  • TRAPD method
  • Übersetzung
  • Fragebögen
  • Methodische Studie
  • Teambasierter Ansatz
  • TRAPD-Methode Language of Keywords: English; German
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: Using the TRAPD method to translate the revised MISSCARE Survey from English into German: Revised MISSCARE-Austria.
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Geographic Terms: AUSTRIA
  • Author Affiliations: 1 = Karl Landsteiner Universität für Gesundheitswissenschaften, Krems, Österreich ; 2 = DOC-Stipendiatin der Österreichischen Akademie für Wissenschaften, Wien, Österreich ; 3 = Vienna Doctoral School of Social Sciences, Universität Wien, Österreich ; 4 = Fakultät für Soziale Arbeit, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Deutschland
  • Full Text Word Count: 6080

Klicken Sie ein Format an und speichern Sie dann die Daten oder geben Sie eine Empfänger-Adresse ein und lassen Sie sich per Email zusenden.

oder
oder

Wählen Sie das für Sie passende Zitationsformat und kopieren Sie es dann in die Zwischenablage, lassen es sich per Mail zusenden oder speichern es als PDF-Datei.

oder
oder

Bitte prüfen Sie, ob die Zitation formal korrekt ist, bevor Sie sie in einer Arbeit verwenden. Benutzen Sie gegebenenfalls den "Exportieren"-Dialog, wenn Sie ein Literaturverwaltungsprogramm verwenden und die Zitat-Angaben selbst formatieren wollen.

xs 0 - 576
sm 576 - 768
md 768 - 992
lg 992 - 1200
xl 1200 - 1366
xxl 1366 -