Hintergrund: Fragebogenübersetzungen in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft setzen trotz zunehmender Kritik auf Methoden mit Erst- und Rückübersetzung. Dem entgegen wird die TRAPD-Methode als best practice anerkannt. Erfahrungswerte mit der Anwendung dieser Methode in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft fehlen jedoch. Ziel: Die Anwendung der TRAPD-Methode am Bespiel der Übersetzung vom revised MISSCARE Survey vom Englischen ins Deutsche darzustellen sowie notwendige Adaptierungen, Vorteile und Limitationen der Methode zu diskutieren. Methode: Eine adaptierte Version der teambasierten Übersetzungsmethode TRAPD durch die Schritte Vorbereitung, Übersetzung, Review, Adjudikation, Prätest und Dokumentation wurde umgesetzt, basierend auf den GESIS Guidelines für Fragebogengestaltung und Übersetzung. Ergebnisse: Das revised MISSCARE Austria Instrument besteht aus 85 Items. Für die Mehrzahl der Items wurden äquivalente Termini gefunden, die eine eindeutige Übersetzung ermöglichten. Bei einzelnen Items wurde eine Adaptierung aus kulturellen, Messung- und Konstrukt-bezogenen Gründen notwendig. Die Äquivalenz der Übersetzung wurde bei komplexen Items mit der Entwicklerin geprüft und durch mehrmalige kognitive Prätests mit Pflegepersonen gefördert. Schlussfolgerungen: Die Studie bestärkt die Aussage, dass die TRAPD-Methode für die Übersetzung von Messinstrumenten ebenfalls in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft geeignet ist. Sie zeigt aber auch, dass weitere Erfahrungen für eine Weiterentwicklung von methodischen Spezifika für unsere Disziplin erforderlich sind.
Background: Questionnaire translations in German-speaking nursing science rely on methods using first- and back-translation techniques despite increasing criticism. In contrast, the TRAPD method is recognized as best practice in intercultural social research. However, experience with the application of this method in German-speaking nursing science is lacking. Aim: To describe the utilization of the TRAPD method using the example of the translation of the revised MISSCARE Survey from English into German and to discuss necessary adaptations, advantages, and limitations of this approach. Methods: An adapted version of the team-based translation method TRAPD was implemented through the steps: preparation, translation, review, adjudication, pretest, and documentation, based on the GESIS guidelines for intercultural questionnaire translation. Results: The new revised MISSCARE Austria instrument consists of 85 items. For the majority of the items, equivalent terms or phrases were found that allowed for a straightforward translation. For some items an adaptation was necessary due to cultural, measurement- and construct-related aspects. Translation equivalence regarding challenging items was examined with the first author and promoted by multiple cognitive pretesting with nurses. Conclusions: Our study strengthens the argument that the TRAPD method is appropriate for translating measurement instruments in German-speaking nursing science. However, this example shows that further experience with this method is necessary for its further development for our discipline.
Keywords: Methodische Studie; Fragebögen; Übersetzung; TRAPD-Methode; Teambasierter Ansatz; Methodological study; Questionnaires; Translation; TRAPD method; Committee Approach
Die TRAPD-Methode gilt als best practice für die Fragebogenübersetzung in der Sozialforschung.
Die Anwendung dieser Methode für die Fragebogenübersetzung in einer deutschsprachigen pflegewissenschaftlichen Studie unterstützte die interkulturelle und konzeptuelle Äquivalenz.
Messinstrumente wie Fragebögen sind für das Erforschen von Pflegephänomenen unverzichtbar. In der Forschung zeigt sich zunehmend die Anwendung von Fragebögen, welche mit Bezug auf internationale Projekte entwickelt werden ([
Für die Übersetzung eines Fragebogens, der ursprünglich für eine bestimmte Kultur entwickelt wurde und nun Forderungen nach internationaler Vergleichbarkeit erfüllen muss, beschreiben [
Semantische Äquivalenz zwischen Instrumenten bedeutet nach [
In den Empfehlungen zur Fragebogenübersetzung herrscht Konsens darüber, dass diese systematisch erfolgen muss ([
Bei der Erst- und Rückübersetzung nach [
Die Vorteile dieser Technik sind vage formuliert. Es wurden mehrfach Limitationen identifiziert: unter anderem weil dieses Vorgehen eine semantische Äquivalenz durch wortwörtliche Erst- und Rückübersetzung der Item-Textinhalte ermöglichen soll ([
Zudem können Inkonsistenzen zwischen originalem und übersetztem Fragebogen, die durch Erst- und Rückübersetzung sichtbar gemacht werden, auf Mängel in der Erst- wie in der Rückübersetzung basieren ([
[
Die TRAPD-Methode (Harkness, 2003) gehört zu diesen Verfahren und umfasst die 5 Schritte Translation (Übersetzung), Review (Review), Adjudication (Adjudikation), Pretesting (Prätest) und Documentation (Dokumentation) ([
Missed Nursing Care (MNC) definiert [
Kalisch und Williams haben in den USA, ausgehend vom theoretischen Modell zu MNC, für operative und konservative Allgemeinstationen erwachsener Patient_innen, ein Instrument entwickelt, das die Intensität, den Typ von MNC und Einflussfaktoren misst: das MISSCARE Survey (2009). Seit 2006 wird das Instrument in mehreren Ländern eingesetzt und weiterentwickelt ([
Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen Studien erste Erkenntnisse zu MNC zeigen, fehlt es in Österreich an einem standardisierten Instrument zur Erhebung entsprechender Daten[
Diese Studie ist Teil eines mehrphasigen Forschungsprojekts, das MNC auf Allgemeinstationen für erwachsene Patient_innen in österreichischen Kliniken untersucht. Dieser Teil bestand darin, eine semantisch, interkulturell und konzeptionell äquivalente Fassung des rMS für die Anwendung im österreichischen Kontext mittels TRAPD-Methode zu entwickeln. In diesem Artikel werden die Erfahrungen mit diesem Übersetzungsverfahren in der Pflegewissenschaft beschrieben und kritisch reflektiert.
Für die Anwendung der TRAPD-Methode haben wir uns an [
Die Übersetzung des rMS erfolgte zwischen August 2020 und Mai 2021. Der gesamte Prozess und der Zeitaufwand (ca. 420 Arbeitsstunden) wurden von der Erstautorin protokolliert, die an allen Schritten beteiligt war. Das elektronische Supplement ESM1 stellt eine detaillierte Beschreibung des Prozesses dar. Wie Abbildung 1 zeigt, erfolgte dies mehrphasig und teilweise wiederholend.
Graph: Abbildung 1 Umsetzung der (erweiterten) TRAPD-Methode.
Das gesamte Vorgehen wurde ausführlich dokumentiert und für jedes rMS-Item eine Übersetzungsmatrix erstellt. Die Zwischenergebnisse wurden laufend und nach jeder Phase der TRAPD-Methode verschriftlicht und dienten als Basis der Konsentierung im Team (Beispiel siehe ESM2). Final wurden alle Übersetzungsmatrizen in einem Protokoll zusammengeführt.
Bei den Entwicklerinnen des rMS ([
Nach den Empfehlungen von [
Die beiden Übersetzer_innen haben unabhängig voneinander je eine Übersetzung durchgeführt. Im Kernteam wurden Formulierungsvorschläge für die Fragebogenkonstrukte formuliert. Damit sollte ihr Einfluss auf die Übersetzung gemildert und die Identifikation von Fehler- oder Ambiguitätsquellen ermöglicht werden ([
Am Review war das gesamte Übersetzungsteam eingebunden. Das „multi-step review" erfolgte in drei Phasen ([
- • Review I: Übersetzung: Zuerst wurden die 2 Übersetzungen analysiert, kritisch diskutiert und bei Differenzen erfolgte eine Konsentierung mit Fokus auf idiomatische und grammatikalische Aspekte sowie auf semantische Äquivalenz. Aus den zusammengeführten Übersetzungen wurde der erste Fragebogenentwurf generiert. Im Fokus war die Bedeutung der Sprache entsprechend dem „Ask-the-same-question"-Ansatz: hier werden im Ursprungs- und Zielfragebogen dieselben Fragen und Antwortausprägungen inhaltlich gestellt ([
5 ]). Bei einem Großteil der Items war dieses Vorgehen möglich. Es wurden aber auch kulturelle und konzeptuelle Unklarheiten (wie z.B. zur passenden Bezeichnung der Arbeitsformen von Pflegepersonen in österreichischen Kliniken oder der passenden Übersetzung von MNC) als Schwerpunkte für den nächsten Review-Schritt identifiziert. - • Review II: Fokussierung auf Unklarheiten: Konzeptuelle Unklarheiten, z.B. zur anfangs unklaren Übersetzung des Begriffs Missed Nursing Care, wurden anhand der Termini in der deutschen Literatur zu MNC diskutiert. Diese Phase stellte sicher, dass a) alle Facetten des originalen Konzeptes vom Ursprungs- in den Zielfragebogen transportiert wurden und b) Items so formuliert wurden, dass sie die Fachsprache der akutstationären Pflege in Österreich widerspiegeln. Dies erforderte bei einzelnen Items einen „Ask a different question"-Ansatz. Nach [
5 ] kann dies je nach Kultur für unterschiedliche Fragen und/oder Antwortkategorien zur Erfassung eines gleichen Phänomens erforderlich sein. Im Zielfragebogen wurden deshalb z.B. die Items Bildung, Funktion und Station, aber auch der zentrale Begriff von MNC adaptiert. Unklare Anpassungen wurden mit den Expert_innen diskutiert und finalisiert. - • Review III: Prüfung mit Entwicklerin: Bestehende Unklarheiten und die getroffenen Adaptationen wurden mit der Entwicklerin des Originals besprochen. So konnten die interkulturelle Auffassung über das Konzept MNC und die Konstrukte des Konzeptes im rMS (d.h., die Operationalisierung von MNC) validiert werden. Das Interview wurde in englischer Sprache online durchgeführt. Etwaige sprachliche Barrieren wurden durch weiterführende schriftliche Nachfragen an die Erstautorin geklärt. Daraus entstand der zweite Entwurf des Zielfragebogens, welcher dann auf Fragenformulierung, Skalierung sowie interkulturelle und konzeptuelle Äquivalenz geprüft wurde.
Qualitative Prätests zur Fragebogenübersetzung ermöglichen es, Probleme und deren Ursachen zu identifizieren ([
Graph
Tabelle 1 Dreiphasiger Kognitiver Prätest
Phase Methode Im Im Im
Eine mehrstufige Adjudikation (msA) wurde implementiert. Hier wurden offene Fragen geklärt, die Adaptierungen finalisiert und Ergebnisse kritisch reflektiert. Da sich Ergebnisse und potenzielle Unklarheiten in jedem Prozessschritt ergaben, waren eine laufende Angleichung und iterative Entscheidungsfindung im Kernteam notwendig.
Drei Phasen charakterisierten diesen Prozess: 1) der Zielfragebogen wurde nach den Empfehlungen zur Fragenformulierung von [
Eine deskriptive Querschnittstudie mittels onlinebasierter Fragebogenerhebung ermöglichte den ersten quantitativen Prätest. Im Fokus war die Prüfung der a) gesamten Akzeptanz, des b) Antwortverhaltens, der c) Konstruktvalidität vom Teil B und der d) Reliabilität der Teile A und B (wie in [
In diesem Kapitel wird der rMA als Ergebnis der Anwendung der TRAPD-Methode beschrieben. Abbildung 2 gibt eine Übersicht über den Typ und die Anzahl der getroffenen Übersetzungen und Adaptationen.
Graph: Abbildung 2 Übersicht über Typ und Anzahl der Übersetzungen und Adaptationen (n = 55 Items).
Der rMA besteht aus 85 Items: 30 Items zu soziodemografischen und beruflichen Merkmalen, 30 Items zur Häufigkeit von MNC (Sektion A) und 25 Items zu den Einflussfaktoren (Sektion B). Fragestimuli und Antwortkategorien in Sektion A und B sind in Tabelle 2 abgebildet.
Graph
Tabelle 2 Fragestimuli und Antwortkategorien der Sektion A und B
Sektion Fragestimulus Antwortkategorien In der Sektion A ist der Fragestimulus wie folgt formuliert: Studien zufolge müssen Pflegepersonen im Krankenhaus immer wieder sowohl aufgrund erhöhter Anforderungen, von Personal-, Material- und Ressourcenknappheit als auch der Herausforderungen in der interprofessionellen Zusammenarbeit, notwendige Pflegetätigkeiten weglassen bzw. die Patient*innenversorgung nicht zu Ende oder nur mit Verzögerung durchführen. Dieses Phänomen wird als Missed Nursing Care bezeichnet. Auf diesem Hintergrund basierend: Die Antwortkategorien zur Beantwortung der Fragen wurden mittels einer 6-stufigen Endpunktskala von 1:„sehr selten" bis 6:„sehr oft" (6-stufige Endpunktskala) ausgestaltet. Die Antwortkategorie -1:„Maßnahmen war nicht erforderlich" wurde hinzugefügt. In der Sektion B ist folgende Frage für die Beantwortung der Fragebogenitems leitend: Die leitende Frage ist mit folgenden Antwortkategorien zu beantworten: 1:„sehr ausschlaggebend" bis 6:„gar nicht ausschlaggebend" (6-stufige Endpunktskala).
Eine Ausfüllhilfe sowie 3 Items zur Prüfung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden addiert. In Sektion A und B wurde zudem ein Erinnerungszeitraum für die Beantwortung der Fragen eingefügt. Beispiele der Item-Übersetzung und Adaptierung sind in Tabelle 3 abgebildet. Im Vergleich zum Ursprungsfragebogen wurden Items nicht nur semantisch übersetzt, sondern auch kulturell sowie Messung- und Konstrukt-bezogen adaptiert.
Graph
Tabelle 3 Revised MISSCARE-Austria: Beispiele für übersetzte und adaptierte Items (Sektionen A und B)
Original ( Item-Nr. Übersetzte Items im Revised MISSCARE-Austria: Sektion A T A Ambulation/mobilization three times per day or as ordered Mobilisieren der Patient_innen so oft wie notwendig bzw. wie angeordnet 0 2, 3 Monitoring intake/output Überwachen von Einfuhr und Ausfuhr 0 3 Full documentation of all necessary data Vollständiges Führen der Pflegedokumentation 1 2, 3 Hand washing Eigene Händehygiene (i.e. Händewaschen und/oder Händedesinfektion) 0 2, 3 Patient discharge planning and teaching Planen der Patient_innenentlassung 1 2, 4 Beratung und Schulung der Patient_innen zur Entlassung Beratung und Schulung der Angehörige zur Entlassung Response to call light is initiated within 5 minutes Zeitnahes Reagieren auf die Patient_innenglocke 1 2, 3 Adequate surveillance of confused/impaired patients Angemessene Überwachung von desorientierten/ kognitiv beeinträchtigen Patient_innen 0 3 Inadequate number of staff Mangel an Pflegefachpersonen (i.e. DGKP, PFA und/oder PA) 1 2, 3 Urgent patient situations (e.g., a patient's condition worsening) Akute Patient_innensituationen (z.B. durch klinische Verschlechterung) 0 3 Medications were not available when needed Medikamente waren nicht verfügbar, als sie gebraucht wurden 0 3 Caregiver off unit or unavailable Angehörige oder Betreuer_in nicht auf Station oder nicht verfügbar 1 3 Interruptions/Multitasking Häufiges Unterbrochen werden bei Pflegetätigkeiten 1 3 Durchführen von mehreren Tätigkeiten gleichzeitig 1 3
Für die Mehrzahl der Items war eine eindeutige Übersetzung vom Englischen ins Deutsche möglich. Items mit komplexer Übersetzung setzten eine iterative Vorgehensweise voraus, welche Abstimmungen mit Entwicklerinnen und Expert_innen sowie Literaturrecherche erforderten. Aus 30 Items in Sektion A bedingten lediglich 5 Items eine komplexe Übersetzung. In Sektion B waren dies 7 aus 25 Items, z.B. das Item 16 in Sektion B (Tab. 3).
Zum zentralen Begriff Missed Nursing Care war keine Übersetzung mit Konsentierung im Team möglich, da kein eindeutiger deutscher Begriff vorlag. Vorhandene Termini, wie z.B. unvollständige, vernachlässigte oder versäumte Pflege, wurden in den Review- und Prätestphasen sowohl von den Übersetzer_innen als auch von den Pflegepersonen als unpassend bezeichnet. Deshalb wurde der englische Begriff beibehalten und eine explizite Definition auf Deutsch im Zielfragebogen angeführt, die auf den operationalisierten Konstrukten des rMS basiert. Sie ermöglicht es, konzeptuell nah am Original zu bleiben und eine präzise Bedeutung zu vermitteln.
10 Items wurden hinzugefügt, um die Charakteristika des Arbeitskontextes der Befragten sowie kulturelle Spezifika österreichischer Kliniken abzubilden. Zudem wurden 13 Items und 4 Items jeweils in Sektion A und B kulturell adaptiert (z.B. Item 13 in Sektion A; Tab. 3). In der Sektion A wurden Items zur Anordnung und den zeitlichen Umfang der Tätigkeiten adaptiert. Dies sind z.B. Situationen, die eine kulturelle Unterscheidung zwischen Österreich und dem Ursprungsfragebogen darstellen.
Im Fokus der Adaption war die konzeptuelle Äquivalenz zum Ursprungsfragebogen. Hier wurden alle Items in Sektion A und B beibehalten und zudem Erweiterungen vorgenommen. Um doppelte Stimuli zu vermeiden (Lenzer & Menold, 2015) wurden aus allen Items mit mehreren Komponenten jeweils ein Item pro Komponente erstellt – konzeptuelle Inhalte des Fragebogens blieben hierbei gleich. Dies betraf Items in Sektion A und B (siehe z.B. Items 20.a und 20.b der Sektion B, Tab. 3).
Auch eine Explizierung einzelner Items, damit sie eindeutig pflegebezogen sind (z.B. Mangel an Pflegepersonal statt Personalmangel) hat sich bei den kognitiven Prätests als notwendig herauskristallisiert. Deshalb wurden Items in Sektion A und B spezifiziert (siehe z.B. Item 1, Sektion B, Tab. 2) – immer unter Bedachtnahme, dass sie denselben Konstrukten im rMS entsprechen.
Eine Konstrukt-bezogene Adaptation erfolgte nach dem kognitiven Prätest bei 4 Items in Sektion A. Hierbei wurden die Interventionen „Emotionale Unterstützung", „Information und Beratung", sowie „Schulung" um die Perspektive der Angehörigen erweitert. Zudem wurde ein Item zur Pflege von peripher venösen Kathetern aufgenommen, da diese Intervention im Original nicht vorhanden, aber laut Pflegepersonen für die Abbildung ihrer Praxis relevant ist. Diese Adaptationen wurden nach Absprache mit den Entwicklerinnen finalisiert.
Eine Messung-bezogene Adaptation erfolgte bei allen Items von Sektion A und B. Die Übersetzung der Skalierungen in Sektion A und B war herausfordernd, aufgrund 1) der nicht äquidistanten Antwortkategorien und 2) der Diskrepanz zwischen Fragenformulierung und der verbalen Skalenbeschriftung im Originalfragebogen. Die kognitiven Prätests zeigten, dass 3) die Skalierung für den österreichischen Kontext ungeeignet war, da Pflegepersonen bei der Frage nach der Häufigkeit von weggelassenen Pflegetätigkeiten aufgrund sozialer Erwünschtheit wahrscheinlich die Kategorie „Immer" nicht ankreuzen würden. Deshalb wurde eine neue Antwortskala entwickelt, die: 1) eine symmetrische Endpunktskala ist; 2) der Fragestellung entspricht und 3) auf die Extremwerte „immer" und „nie" verzichtet. Die Angemessenheit der Antwortskala wurde vor der Finalisierung des rMA mit Pflegepersonen getestet.
Die kulturellen, Konstrukt- und Messung-bezogenen Adaptationen wurden mit Pflegepersonen kognitiv und psychometrisch getestet. Eine weitere psychometrische Testung anhand konfirmatorischer Ansätze erscheint für die Evaluation der strukturellen Validität und der Reliabilität des rMA notwendig. Diese soll zeigen, ob Antworttendenzen und Beziehungen zwischen den empirischen Daten und den Ergebnissen zur psychometrischen Güte des rMS beziehungsweise den Konzepten des MNC-Models ([
In diesem Artikel wurde die Übersetzung eines Fragebogens am Beispiel des rMA ohne Rückübersetzung mit Fokus auf die Übersetzungsform I anhand der TRAPD-Methode dargestellt. Diese Methode, ergänzt um Aspekte aus den GESIS Guidelines, bietet Orientierung, wie sich Forscher_innen auf die Bedeutung der Sprache, Kultur und Konstrukte hinter den Fragen und Antwortkategorien eines Messinstrumentes konzentrieren können, ohne auf der Ebene des „Ask the same question"-Ansatzes limitiert zu bleiben ([
Die Sicherstellung der semantischen, interkulturellen und konzeptuellen Äquivalenz zwischen der Ursprungsversion rMS und deren Übersetzung rMA war das Ziel des methodischen Vorgehens. Wesentlich hierfür waren a) die geeignete Auswahl von Übersetzer_innen, b) die Anwendung eines Informationsschreibens, um ein gemeinsames konzeptuelles Verständnis zu generieren, c) der permanente iterative Austausch von Personen mit kulturellem US-amerikanischem und österreichischem Hintergrund und d) der wiederholte Einsatz von kognitiven Prätests. Diese stellten in unserer Studie eindeutige Vorteile der TRAPD-Methode dar, die allerdings nicht nur dieser Methode zugeordnet werden können. Andere Aspekte, welche nicht exklusiv der TRAPD-Methode angehören, trugen ebenfalls zur Förderung der interkulturellen und konzeptuellen Äquivalenz bei. Ein wichtiger Beitrag, übernommen aus den ISPOR Guidelines ([
Obwohl die TRAPD-Methode den Anspruch an Äquivalenz mittragen kann, gibt es in deren Anwendung auch Herausforderungen ([
Des Weiteren darf sich der Übersetzungsprozess bei der Suche nach interkultureller und konzeptueller Äquivalenz nicht auf die Ebene der Sprache beschränken, sondern muss auch in der kulturbezogenen Bedeutung der Sprache stattfinden ([
Die Anwendung der TRAPD-Methode führte in unserer Studie zur Entwicklung des rMA, ein Instrument, das inhaltlich sehr nah am originalen rMS geblieben ist. Es besteht nur ein konzeptueller Unterschied zwischen den Instrumenten: die neu formulierten Items zur Angehörigenberatung und -schulung sowie die Gesprächsführung. Des Weiteren waren im Übersetzungsprozess zahlreiche kulturelle Adaptionen notwendig, um die Bedeutungsgleichheit der englischen und deutschen Begriffe zwischen Ursprungs- und Zielfragebogen sicherzustellen ([
In unserer Studie wurden die größten Adaptionen im Bereich der Messung getroffen, beginnend beim neu eingeführten Erinnerungszeitraum bis hin zur geänderten Skalierung der Sektionen A und B. Diese Änderungen sind aus anderen internationalen Übersetzungen vom rMS teilweise bekannt und stellten per se keine Einschränkung für die inhaltliche Diskussion des Phänomens dar ([
Sollten mit dem rMA in weiteren Studien, die über die Ziele unseres Projektes hinaus gehen, direkte Vergleiche statistischer Ergebnisse auf internationaler Ebene verfolgt werden, erfordern diese eine weitere Harmonisierung der Ratingskalen ([
Unsere Studie bestärkt die Argumentation, dass die TRAPD-Methode für die Übersetzung von kulturübergreifenden Messinstrumenten in der deutschsprachigen Pflegewissenschaft geeignet ist. Durch die Fokussierung auf die Erstübersetzung kann diese Methode zur interkulturellen und konzeptuellen Äquivalenz beitragen. Wichtig ist die weitere Erprobung dieser Methode für eine Weiterentwicklung von Spezifika in nicht internationalen Projekten, wie z.B. die stark iterative Vorgehensweise oder die wiederholten kognitiven Prätests. Die Frage, wie interkulturelle und konzeptuelle Äquivalenz zwischen ursprünglichen Fragebogenversionen und deren Übersetzung für Dritte praktikabel, sichtbar und nachvollziehbar gemacht werden kann, erscheint hier weiterhin als relevant.
Die elektronischen Supplemente sind mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000936.
- ESM 1. Zusammenfassung der Übersetzung und des Adaptierungsprozesses.
- ESM 2. Beispiel der Übersetzungsmatrix.
Substanzieller Beitrag zu Konzeption oder Design der Arbeit: AC, IE, HM
Substanzieller Beitrag zur Erfassung, Analyse oder Interpretation der Daten: AC, IE, HM
Manuskripterstellung: AC
Einschlägige kritische Überarbeitung des Manuskripts: AC, IE, HM
Genehmigung der letzten Version des Manuskripts: AC, IE, HM
Übernahme der Verantwortung für das gesamte Manuskript: AC, IE, HM
By Ana Cartaxo; Inge Eberl and Hanna Mayer
Reported by Author; Author; Author