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„Klimawandel verändert Gesellschaft und Industrie".

In: Produktion, 2023-10-25, S. 8-9
Online serialPeriodical

„Klimawandel verändert Gesellschaft und Industrie" 

Der Umstieg auf eine klimaneutrale Produktion ist für den Industriestandort Deutschland von zentraler Bedeutung. Ressourcenschonendes Produzieren und Wirtschaften ist dabei eine der größten Herausforderungen für Unternehmen.

Tino Böhler, Produktion Nr. 15 , 2023

Landsberg (ilk). Stichwort Klimawandel: Laut VDMA agiert der Maschinenbau als Enabler und bietet klimafreundliche Technologien und Lösungen an. Fakt ist aber auch: Für das große Ziel der Klimaneutralität reicht das nicht. Unternehmen müssen ihr Tun und Handeln im Sinne des Klimaschutzes analysieren, hinterfragen und dann auch entsprechend verbessern. Dabei kann leider auch ans Tageslicht kommen, dass das eigene Unternehmen zwar innovative und klimafreundliche Technologien bereitstellt, aber was den Klimaschutz anbelangt, nicht so gut aufgestellt ist.

Matthias Zelinger, Leiter CC Kli-ma&Energie, gibt sich optimistisch: „In erster Linie ist der Maschinen- und Anlagenbau der große Ermöglicher von Klimaschutz. Mit den heute bekannten Technologien könnten die Emissionen der OECD- und BRIC-Staaten um etwa 85 Prozent reduziert werden. Und das Innovationstempo ist super hoch." Auch für Philip Storch, KSB SE & Co. KGaA, Head of Sales Management Water, ist der Maschinenbau Treiber für den Klimaschutz: „Wir sehen den Maschinenbau als Teil der Lösung für die Energiewende sowie das nachhaltige Produzieren und Wirtschaften." Dazu bringt Philip Storch eine Zahl aus dem Bereich ‚Pumpen' ins Spiel: „Weltweit werden etwa 10 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs nur für den Betrieb von Pumpen verwendet. Durchschnittlich 40 Prozent der bestehenden Pumpenanlagen werde nicht optimal betrieben: Diese haben ein Energieeinsparpo-tenzial, welches in der Größenordnung von 89 Kohlekraftwerken mit einer Leistung von je 600 Megawatt liegt." Für Matthias Zelinger ist das Tempo der Innovationen Segen und Fluch gleichermaßen: „Mein Eindruck ist, dass wir bei den Grundlagen und den technologischen Konzepten sehr gut aufgestellt sind. Aber ein kritisches Thema im Heimatmarkt Europa ist die ‚Time to market' und das breitere Ausrollen von Technologien. Wir verstricken uns in der überbordenden Regulatorik. Während die EU noch verhandelt, welche ‚Farbe' Wasserstoff haben darf, wird in den USA kräftig investiert. Das zieht dann Know-how und Geld ab." Matthias Urban, Geschäftsführer der Voss Fluid GmbH, sieht die Politik und den VDMA in der Box: „Es ist wichtig, dass Deutschland als Industriestandort attraktiv bleibt. Das können wir sicherstellen, indem wir auf Krisen reagieren und uns zukunftssicher aufstellen. Mit Blick auf die Hochwassermaßnahmen an unserem Standort bedeutet das unter anderem mobile Hochwasserschutzwände, permanente Pegelmessung des anliegenden Flusses und die Installation einer unabhängigen Energieversorgung." Was Vorbild- und Verstärkerfunktion des Maschinenbaus für andere Industrien betreffen, ist sich KSB-Mann Storch sicher: „Der deutsche Maschinenbau kann als beides angesehen werden: als Enabler für alle anderen Industrien und als Vorbild in Bezug auf technologische Innovationen und Effizienz. Ohne die leistungsfähigen Maschinen und Anlagen aus Deutschland wäre die Effizienz und Produktivität vieler anderer Industrien möglicherweise nicht so hoch." Gerade die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung von Produktionssystemen ist gutes ein Beispiel dafür, wie der deutsche Maschinenbau als Vorbild für andere Industrien fungieren und zukunftsweisende Ansätze entwickeln kann. „Das Zusammenspiel von Enabler und Vorbild trägt dazu bei, dass Deutschland als Innovationsstandort anerkannt ist und eine wichtige Rolle in der internationalen Wirtschaft spielt." Bei Voss, einem Anbieter hydraulischer Verbindungstechnik, tragen beispielsweise eine Photovoltaikanlage und der Einsatz von grünen Energien sehr viel zum Klimaschutz bei. So gibt es klar definierte CO 2 -Reduktionsziele, bei denen es das Bestreben ist, die Emissionen Scope 1 und Scope 2 um 60 Prozent der Werte von 2019 bis zum Jahr 2035 zu reduzieren. „Unser Hauptsitz in Wipperfürth ist seit 2022 klimaneutral", erläutert Matthias Urban. „Ein Kernbeitrag unserer Produkte zur Nachhaltigkeit ist ihre Langlebigkeit. Unsere inhouse hergestellte Oberflächenbeschichtung Voss coat macht sie sehr robust gegenüber Umgebungsbedingungen, sodass sie in den seltensten Fällen aufgrund korrosionsbedingter Beschädigungen durch neue Produkte ersetzt werden müssen." Aufgrund der schieren Größe und Bedeutung des Maschinenbaus sei das Engagement eines jeden Unternehmens in dem Industriesektor mit großer Sicherheit ein Zugpferd für andere. Für Klima&Energie-Experte Zelinger kann dabei der Mittelstand mit seiner ‚Macher-Mentalität' Akzente setzen: „Gerade im industriellen Mittelstand werden aktuell sehr viele Entscheidungen getroffen, die nicht haargenau den traditionellen Wirtschaftlichkeitskriterien entsprechen, die aber Unternehmen, Technologien und oft auch Regionen voranbringen." Aber regional alleine reicht eben nicht, denn der Klimawandel ist eine globale Herausforderung, die sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene vielfältige Auswirkungen hat. Philip Storch: „ Auf nationaler Ebene sehen wir die Reduzierung der Treibhausgas-emissionen und die Energiewende als die wichtigsten Treiber. Auf internationaler Ebene sind es die Zusammenarbeit, der Technologietransfer, die Finanzierung und die Umweltmigration." Um den Klimawandel wirksam anzugehen, seien sowohl nationale als auch internationale Anstrengungen und Kooperationen erforderlich. Auch für Voss-CEO Urban ist der Klimawandel ein globales Thema: „Allerdings ist es aus meiner Sicht unabdingbar, dass wir in Deutschland bei richtigen Rahmenbedingungen vorangehen, ohne unseren Industriestandort zu gefährden. Das sollte andere Nationen motivieren, denn allein kann Deutschland den Klimawandel nicht aufhalten." Um dem Klimawandel wirksam zu begegnen, sind also eine Vielzahl von Technologien und Strategien entscheidend, die auf verschiedenen Ebenen wirken. Dazu zählen die Verbesserung der Energieeffi-zienz in Gebäuden, Industrieanlagen, Verkehrsmitteln und anderen Sektoren. Dies alles kann den Energieverbrauch reduzieren und somit den CO 2 -Ausstoß senken, wie Philip Storch ausführt: „Die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien ist entscheidend, um den Ausstoß von Treibhausgasen aus fossilen Brennstoffen zu reduzieren und den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Energieerzeugung zu ermöglichen. Eine Kreislaufwirtschaft, die den Stoffverbrauch reduziert, Rohstoffe recycelt, kann Ressourcen schonen und damit die Effekte auf die Umwelt mindern. Maßnahmen zur Anpassung an die bereits stattfindenden Auswirkungen des Klimawandels wie Hochwasserschutz, Küstenschutz und nachhaltige Wasserversorgung sind entscheidend, um die Widerstandskraft gegenüber klimabedingten Risiken zu stärken." Eine erfolgreiche Bekämpfung des Klimawandels erfordere das gemeinsame Engagement von Regierungen, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und der Zivilgesellschaft auf globaler, nationaler sowie lokaler Ebene. Hier ist es für VDMA-Mann Zelinger der stärkste Ansatz, einen Markt so zu organisieren, „dass Technologien nach Wirtschaftlichkeit und Effizienz eingesetzt werden, nicht nach politischen Festlegungen. Der Emissionshandel in Europa ist ein sehr guter Rahmen." Es zeige sich aber, dass dieser nicht so isoliert funktioniere, wie dies das Ökonomen-Lehrbuch nahelege. Matthias Urban glaubt nicht, „dass es heute schon eine klare Defini-tion der ‚einzig wahren Technologien' gibt oder geben sollte". Für ihn müssten Offenheit, Agilität und Flexibilität für verschiedene Technologien der Zeitgeist sein. Matthias Zelinger ist überzeugt, dass das Dauerthema ‚Klimawandel' auch auf das Geschäftsmodell ‚Deutschland' Einfluss hat: „Klimawandel und Klimaschutz verändern Gesellschaft und Industrie. Dabei werden einige Industriebereiche an Bedeutung verlieren, andere werden wichtiger, sowohl für die eigene Gesellschaft, aber auch als Exportgut." Bisher habe man fossile Rohstoffe wie Öl, Gas und Kohle importiert, mit viel Know-how seien sie die Grundlage erfolgreicher Exportprodukte gewesen. „Die Perspektive ist, dass wir als rohstoffarmes Land nun klimaneutrale Energieträger und wesentliche Grundstoffe importieren und diese zu neuen Produkten veredeln. Wir sehen aber, dass andere auch Wissen aufgebaut haben und dass wir weg vom reinen Import-Export hin zu mehr Partnerschaften steuern – also mehr Energie- und Rohstoffpartnerschaften und mehr Produktion in den Märkten vor Ort." Gleichzeitig müsste Deutschland aber auch ein Hotspot der Kreislaufwirtschaft werden. „Wir haben mit unserem Prozess- und Mate-rial-Wissen und Produktionskompetenzen fantastische Chancen, hier führend zu sein. Das spart einerseits Rohstoffkosten und vermindert Abhängigkeiten, gleichzeitig bekommen wir damit eine Industrie, die das Zeug zum Exportschlager hat." Für KSB-Vertriebschef Philip Storch sollten Geschäftsmodelle nicht nur auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet sein. „Sie können auch einen positiven Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und zum Schutz der Umwelt leisten, nicht nur in Deutschland. Nachhaltige Geschäftsmodelle können nicht nur zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen. Langfristig schaffen sie auch Wettbewerbsvorteile für Maschinenbau-Unternehmen, die sich frühzeitig auf innovative, technische Lösungen, klimaneutrale Produkte und nachhaltige Praktiken ausrichten." Die Digitalisierung eröffne die Möglichkeit, smarte Produkte und Services anzubieten. Maschinen könnten mit Sensoren ausgestattet werden, um ihre Leistung zu überwachen und Wartungsbedarf vorherzusagen. „Wir können unseren Kunden datenbasierte Dienstleistungen anbieten wie Fernwartung, Predictive Maintenance und Leistungsanalysen. Kundenanforderungen können besser erfasst und in die Produktentwicklung einbezogen werden. Die additive Fertigung wird sich weiterentwickeln und im Maschinenbau eine größere Rolle spielen." Dies ermögliche die Herstellung komplexer Bauteile, Prototypenentwicklung und die lokale Fertigung, was zu kürzeren Lieferzeiten und individuellen Produktlösungen führen könne. „Kunden werden maßgeschneiderte Lösungen erwarten. Der Maschinenbau wird darauf reagieren, indem er flexiblere Produktionstechnologien und individuell angepasste Produkte anbietet", so Storch weiter. n

Graph: Ein KSB-Mitarbeiter montiert eine Kraftwerkspumpe. Bilder: KSB SE & Co. KGaA

Graph: Matthias Urban: „Klimawandel und Klimaschutz sind ein allgegenwärtiges Thema in allen Bereichen des -Maschinenbaus. Der VDMA und die Politik verfolgen ein Ziel: die Rahmenbedingungen für den Klimaschutz müssen bestmöglich definiert -werden." Bild: Voss

Graph: Matthias Zelinger: „Es ist auch notwendig, dass bei Technologien, die -gute Zukunftsaussichten haben, der Markthochlauf begleitet wird." Bild: VDMA

Graph: Philip Storch: „Nachhaltige Geschäftsmodelle können nicht nur zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen. Langfristig schaffen sie auch Wettbewerbsvorteile für Maschinenbau-Unternehmen, die sich frühzeitig auf innovative, technische Lösungen, klimaneutrale Produkte und nachhaltige Praktiken ausrichten." Bild: KSB SE & Co. KgaA

Graph: Seit 1871 ist der KSB-Hauptsitz in der Johann-Klein-Straße 9 in Frankenthal das Zentrum aller KSB-Aktivitäten.

Graph: Bild: appledesign-adobe.stock.com

Titel:
„Klimawandel verändert Gesellschaft und Industrie".
Zeitschrift: Produktion, 2023-10-25, S. 8-9
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: serialPeriodical
ISSN: 0344-6166 (print)
Schlagwort:
  • ENGINEERING services
  • PLANT engineering
  • CLIMATE change
  • BACKLASH (Engineering)
  • MACHINERY industry
  • INDUSTRIAL location
  • SUSTAINABILITY
  • MECHANICAL engineering
  • TECHNOLOGY
  • COMPETITIVE advantage in business
  • GERMANY
  • Subjects: ENGINEERING services PLANT engineering CLIMATE change BACKLASH (Engineering) MACHINERY industry INDUSTRIAL location SUSTAINABILITY MECHANICAL engineering TECHNOLOGY COMPETITIVE advantage in business
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Alternate Title: “Climate change is changing society and industry”.
  • Language: German
  • Document Type: Article
  • Geographic Terms: GERMANY
  • Full Text Word Count: 1461

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