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Joachim Krüger, Der letzte Versuch einer Hegemonialpolitik am Öresund. Dänemark-Norwegen und der Große Nordische Krieg (1700–1721), Münster: LIT 2019, 537 S. (= Nordische Geschichte, 13), EUR 74,90 [ISBN 978-3-643-14480-5].

Meier, Martin
In: Militärgeschichtliche Zeitschrift, Jg. 82 (2023-11-01), Heft 2, S. 447-450
Online review

Joachim Krüger, Der letzte Versuch einer Hegemonialpolitik am Öresund. Dänemark-Norwegen und der Große Nordische Krieg (1700–1721), Münster: LIT 2019, 537 S. (= Nordische Geschichte, 13), EUR 74,90 [ISBN 978-3-643-14480-5] 

Joachim Krüger, Der letzte Versuch einer Hegemonialpolitik am Öresund. Dänemark-Norwegen und der Große Nordische Krieg (1700–1721), Münster : LIT 2019, 537 S. (= Nordische Geschichte, 13), EUR 74,90 [ISBN 978-3-643-14480-5]

Durfte noch vor einem Jahrzehnt der Große Nordische Krieg als randständiges Thema gelten, so zeitigte die Forschung in der vergangenen Dezennie erhebliche Fortschritte. Erinnert werden darf an die Arbeiten Lars Ericson Wolkes, Alexander Querengässers und an die kürzlich in Dänemark publizierte monumentale Monografie Dan H. Andersens. Eine erste deutsche Überblicksdarstellung aus der Feder Stephan Lehnstaedts erschien 2021.

Joachim Krüger gehört zu jenen Autoren, die unser Wissen über den letzten großen Kampf um ein Dominium maris baltici erweiterten. Umso erfreulicher ist die lang erwartete Studie zur dänischen Politik im Großen Nordischen Krieg.

Die aus der Habilitationsschrift hervorgegangene Monografie gliedert sich in 18 Kapitel, die dänisches Agieren vor dem Hintergrund der internationalen Beziehungen nachzeichnen. Krüger verweist hierbei explizit auf die unterschiedliche Intention der dänischen Kriegseintritte 1700 und 1709. 1700 habe Dänemark Krieg gegen Schweden als Garantiemacht des Friedens von Altona geführt, da dieser Vertrag mit dem dänischen Einmarsch in Gottorf gebrochen wurde. 1709 richtete sich der Angriff direkt gegen Schweden. So habe es sich aus dänischer Sicht um zwei Kriege gehandelt.

Ausgehend von den Kriegsursachen schildert der Verfasser die Entstehung der aus Russland, Sachsen-Polen und Dänemark-Norwegen bestehenden antischwedischen Koalition, zeichnet die ersten Feldzüge in Schleswig und im Baltikum bis zum Frieden von Traventhal nach. Die lange Friedensphase bis 1709 darstellend, geht der Autor einmal mehr der Frage nach, warum sich Spanischer Erbfolgekrieg und Großer Nordischer Krieg nicht miteinander verflochten. Der Neuaufnahme antischwedischer Koalitionsbestrebungen und dem Kriegseintritt Dänemarks nach der schwedischen Niederlage bei Poltava widmet Krüger einen umfassenden Abschnitt, bevor er die Feldzüge der Jahre 1710 bis 1712 darstellt. Einer erneuten Schau der diplomatischen Abläufe folgt die Schilderung der Eroberung der schwedischen Provinzen in Norddeutschland. Die Jahre 1716–1719, der Waffenstillstand und der Friedensschluss von Frederiksborg bilden den Abschluss des Bandes. Der Krieg habe, so Krüger resümierend, Dänemark »an den Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs« geführt (S. 466). Der Friede sei schließlich von Frankreich und Großbritannien diktiert worden. Eine Rückgewinnung der vormals dänischen Gebiete jenseits des Öresund war somit misslungen. Andererseits fiel das Herzogtum Schleswig vollständig an das dänische Königshaus.

Krüger schreibt sachlich, nüchtern, sich jeder Anekdote enthaltend, die in so reicher Zahl über die Protagonisten des Krieges überliefert sind. So deutet er etwa nur am Rande die Beteiligung Karls XII. an der Landung bei Humlebæk an. Mithin nimmt Krügers scharfe Kritik an älteren Darstellungen wie der Voltaires und ihrer unreflektierten Nutzung bis in die heutige Zeit wenig Wunder.

Wenngleich die Studie überwiegend diplomatiegeschichtlichen Charakter trägt, hat sie auch im Bereich des Militärisch-Operativen einiges zu bieten. Krüger fasst sich hier kurz, liegen doch umfassende Einzeldarstellungen über Schlachten und Operationsverläufe vor. Es gelingt ihm jedoch aufzuzeigen, inwiefern sich die militärische Lage auf dem diplomatischen Parkett niederschlug. Zudem bezieht Krüger die ökonomischen Aspekte des dänischen Agierens mit in seine Betrachtungen ein. Oft waren ökonomische Erfordernisse Triebkraft des Militärischen wie Politischen. So verweist der Autor auf die erheblichen Finanzierungsschwierigkeiten, die sich für Dänemark-Norwegen mit der Kriegführung verbanden. Die nordische Monarchie erscheint als Staat, dessen Kriegführung zwingend auf fremde finanzielle Unterstützungen angewiesen war. Interessant sind auch Krügers Bemerkungen über die Beziehungen zu den Territorien des Niedersächsischen Reichskreises, den Seemächten und zu Frankreich. Das diffizile Verhältnis zwischen Dänemark und dem Reiche Ludwigs XIV. tritt deutlich in der Darstellung der Verhandlungen zum Separatfrieden von Traventhal (zwischen Dänemark und Schweden 1700) hervor, als sich der dänische König Friedrich IV. gegen die Vermittlungen durch Frankreich aussprach, obgleich er noch zuvor auf die Entsendung eines französischen Geschwaders gehofft hatte.

Krüger versteht es, auch komplexe Sachverhalte ebenso sachkundig wie verständlich darzustellen, etwa im Falle der politischen Verhältnisse in Holstein-Gottorf und im Fürstbistum Lübeck. Nach dem Tode des bei Klissow 1702 gefallenen Herzogs Friedrich IV. versuchten Dänen und Schweden die Auswahl der Vormundschaftsregierung für den gerade zweijährigen Sohn in ihrem Sinne zu beeinflussen. Für Dänemark bestand die Gefahr einer Personalunion Gottorfs mit Schweden. Erstaunlicherweise zeigte sich der nordische Kontrahent kompromissbereit, besaß Schweden doch zu diesem Zeitpunkt kein Interesse an einem neuen Krieg.

Der umsichtig agierende König Friedrich IV. näherte sich in den Jahren nach 1702 seinen vorherigen Alliierten Sachsen und Russland wieder an und schuf zudem die Basis einer künftigen engeren Zusammenarbeit mit Preußen, indem er die Standeserhöhung des vormaligen preußischen Herzogs und brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. zum König anerkannte. Dennoch habe der nunmehrige König in Preußen Friedrich I. zunächst die Nähe Schwedens gesucht und 1703 einen Beistandspakt unterzeichnet. Einmal mehr widmet sich Krüger der Frage nach der möglichen Verzahnung des Spanischen Erbfolgekrieges mit dem Großen Nordischen Krieg. Er verweist hierauf im Zusammenhang mit dem Streit um das Fürstbistum Lübeck. Die diesbezüglichen Ausführungen bieten auch jenem Leser Neues, dem die Vorgänge des Nordischen Krieges nicht unbekannt sind. Krüger verweist auf die Relevanz des Fürstbistums Lübeck für die dänische Politik.

Es gibt nur wenige Kritikpunkte, und diese werden auch nur erwähnt, um den Eindruck einer allzu unkritischen Haltung des Rezensenten zu vermeiden. Krüger erwähnt im Zusammenhang mit den Planungen für einen Krieg die dänische Befürchtung eines gemeinsamen Agierens Braunschweig-Lüneburger Truppen mit schwedischen Truppen. Er meint, eine Möglichkeit dänischer Kampfführung habe darin bestanden, Hannoveraner und Celler Gebiete zu besetzen und zu verwüsten (S. 82). Man habe sich diesbezüglich mit Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel abgestimmt, ohne dessen mitregierenden Bruder Rudolf August detaillierter zu informieren. Nun wäre ein derartiger Angriff – von dem Krüger meint, dass er ein in Holstein operierendes dänisches Heer entlastet hätte – eine operativ schwer ausführbare militärische Handlung gewesen, angesichts der Tatsache erheblicher hannoveranischer und cellescher Kontingente, auf die kürzlich Peter H. Stoldt (Diplomatie vor Krieg. Braunschweig-Lüneburg und Schweden im 17. Jahrhundert, Göttingen 2020; Rez. in MGZ, 81 [2022], 1, S. 155–157) hingewiesen hat. Eine Entlastung darf daher bezweifelt werden. Wiederholungen von Aussagen auf denselben Seiten wären vermeidbar gewesen, etwa wenn Krüger schreibt, das dänisch-norwegische Königreich »blieb als Machtfaktor erhalten« – um später auf derselben Seite mitzuteilen »Dänemark-Norwegen war als Machtfaktor im Ostseeraum erhalten geblieben« (S. 99); oder »das war die Lehre aus dem kurzen Krieg«, »das war eine weitere Lehre« (beide S. 101). Ökonomische und finanzielle Aspekte klingen immer wieder an, hätten jedoch sicher ein eigenes Kapitel verdient. Vielleicht ist das Fehlen eines derartigen gesonderten Abschnittes Krügers Interpretation des Großen Nordischen Krieges als »Eroberungs- und Revanchekrieg« (S. 473) geschuldet, in dem dänisches Agieren nur vor dem Hintergrund des Spanischen Erbfolgekrieges, mithin der gesamteuropäischen Lage verständlich wird. Dem entsprechend liegt der Fokus der Studie auf den diplomatischen Abläufen.

Die sich durch Stringenz, ausgewogene Berücksichtigung unterschiedlicher ökonomischer, militärischer und politischer Vorgänge und gute Lesbarkeit auszeichnende Studie ist unverzichtbarer Bestandteil der weiteren Erforschung des letzten großen Kampfes um ein Dominium maris baltici.

By Martin Meier

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Titel:
Joachim Krüger, Der letzte Versuch einer Hegemonialpolitik am Öresund. Dänemark-Norwegen und der Große Nordische Krieg (1700–1721), Münster: LIT 2019, 537 S. (= Nordische Geschichte, 13), EUR 74,90 [ISBN 978-3-643-14480-5].
Autor/in / Beteiligte Person: Meier, Martin
Link:
Zeitschrift: Militärgeschichtliche Zeitschrift, Jg. 82 (2023-11-01), Heft 2, S. 447-450
Veröffentlichung: 2023
Medientyp: review
ISSN: 2193-2336 (print)
DOI: 10.1515/mgzs-2023-0074
Schlagwort:
  • DER letzte Versuch einer Hegemonialpolitik am Oresund : Danemark-Norwegen und der Grosse Nordische Krieg (1700-1721) (Book)
  • KRUGER, Joachim
  • NORTHERN War, 1700-1721
  • MILITARY history
  • NONFICTION
  • Subjects: DER letzte Versuch einer Hegemonialpolitik am Oresund : Danemark-Norwegen und der Grosse Nordische Krieg (1700-1721) (Book) KRUGER, Joachim NORTHERN War, 1700-1721 MILITARY history NONFICTION
Sonstiges:
  • Nachgewiesen in: DACH Information
  • Sprachen: German
  • Language: German
  • Document Type: Book Review
  • Author Affiliations: 1 = Warin, Germany
  • Full Text Word Count: 1137

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